Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AL 102/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 9/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (ALG).
Der 1950 geborene Kläger war seit dem 1.7.1994 bei der Firma E GmbH/G (im Folgenden: E) in L beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.12.2005 kündigte die E dem Kläger außerordentlich zum 30.4.2006. Am 29.12.2005 teilte sie ihm schriftlich mit, dass er mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Verrechnung etwaig noch bestehender Urlaubsansprüche unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt werde. Ebenfalls am 29.12.2005 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Köln und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.4.2006 hinaus ungekündigt fortbestehe. Bei einem Gütetermin am 17.1.2006, an dem Richter am Arbeitsgericht Dr. X als Vorsitzender, für die dortige Beklagte der frühere Vorgesetzte des Klägers X1I und für den Kläger Rechtsanwalt O teilnahmen, schlossen die Beteiligten einen prozessbeendenden Vergleich. Darin ist (ua) geregelt, dass das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung zum 30.4.2006 sein Ende finden werde, die Beklagte bis dahin das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abwickele, insbesondere die vereinbarte Vergütung bis einschließlich 30.4.2006 zahle, und der Kläger unter Fortzahlung seiner Vergütung widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt bleibe, womit restliche Urlaubs- sowie sonstige Freizeitausgleichsansprüche in natura erfüllt seien.
Nachdem er sich bereits am 27.12.2005 bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet hatte, meldete sich der Kläger am 31.1.2006 "gegebenenfalls mit Wirkung zum 1.5.2006" bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährte Arbeitslosengeld ab dem 1.5.2006 für 540 Tage, also bis einschließlich 30.10.2007 (Bescheid vom 17.3.2006).
Mit seinem Widerspruch bemängelte der Kläger, die Anspruchsdauer sei nicht ordnungsgemäß ermittelt, weil aufgrund der Freistellung die alte Anspruchsdauer berücksichtigt werden müsse, und machte außerdem eine höhere Leistung geltend. Die Beklagte half zur Höhe der Leistung teilweise ab (Änderungsbescheid vom 4.5.2006) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück: Höhe der Leistung (im Übrigen) und Dauer des Anspruchs seien zutreffend bemessen worden. Bei widerruflicher Freistellung bestehe das Beschäftigungsverhältnis fort. Da der Kläger somit bis zum 30.4.2006 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, sei er nicht beschäftigungs- und damit nicht arbeitslos gewesen; der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei daher nicht vor den 1.5.2006 entstanden (Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006).
Dagegen hat der Kläger noch im Mai 2006 Klage erhoben. Neben einem Anspruch auf höhere Leistung habe er Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 32 Monaten, weil er tatsächlich mit seinem Arbeitgeber eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart habe. Damit sei der Anspruch noch am 31.1.2006 entstanden. Nach dem 19. Februar 2005 sei er nicht mehr arbeitsunfähig krank gewesen.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Begehren auf höhere Leistung vollständig Rechnung getragen (Änderungsbescheid vom 15.3.2007). Der Kläger hat das Verfahren insoweit für erledigt erklärt und nur noch beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.3.2006 in der Fassung des Bescheides vom 4.5.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2006 in Form der Änderungsbescheide vom 10.10.2006 und 15.3.2007 zu verurteilen, die Dauer des Arbeitslosengeldes auf 32 Monate festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf abgestellt, dass im arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 17.1.2006 ausdrücklich eine widerrufliche Freistellung vereinbart worden ist.
Die E hat dem Sozialgericht (SG) mitgeteilt, die Freistellung sei entsprechend dem geschlossenen Vergleich als widerruflich behandelt worden, das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis habe erst zum 30.4.2006 geendet (schriftliche Auskunft vom 13.2.2007).
Das SG hat die Klage abgewiesen: Altes Recht, nach dem dem Kläger ohnehin allenfalls eine Anspruchsdauer von 26 Monaten zugestanden hätte, komme nicht zur Anwendung, weil das Beschäftigungsverhältnis erst ab dem 1.5.2006 beendet gewesen sei. Eine widerrufliche Freistellung bedeute regelmäßig, dass der Arbeitgeber nicht endgültig auf seine Verfügungsbefugnis verzichten wolle. Eine solche Regelung sei im Vergleich vor dem Arbeitsgericht ausdrücklich getroffen worden. Damit habe der Arbeitgeber sein Verfügungsrecht erst mit Wirkung zum 1.5.2006 aufgegeben (Urteil vom 16.1.2009, zugestellt am 20.2.2009).
Dagegen hat der Kläger am 17.3.2009 Berufung eingelegt und gemeint, nach den tatsächlichen Verhältnissen sei übereinstimmend - entsprechend einer vorherigen Absprache zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten - eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart worden. Ein (leidensgerechter) Arbeitsplatz habe für ihn bei der E nicht mehr zur Verfügung gestanden. Die E sei der Auffassung gewesen, er müsse am neuen Standort in N eingesetzt werden. Faktisch habe keine Möglichkeit bestanden, ihn anderweitig einzusetzen. Die E habe auch kein Interesse gehabt, ihn nochmals zu beschäftigen, und deshalb von vornherein einer unwiderruflichen Freistellung zugestimmt. Sie sei in erster Linie an der Vermeidung von Urlaubsabgeltungsansprüchen interessiert gewesen. Dementsprechend habe die E ihn nicht mehr zur Arbeitsleistung aufgefordert. Entsprechend dieser beiderseits identischen Interessenlage sei vor dem Arbeitsgericht eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart worden. Wieso im Protokolltext die Vorsilbe" un" fehle, sei ihm nicht erklärlich. Der Vorsitzende Richter habe den Vergleich damals nicht näher besprochen, insbesondere auch nicht auf etwaige Risiken aufmerksam gemacht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.1.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld über den 30.10.2007 hinaus für weitere 240 Tage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Inhalt des Protokolls vom 17.1.2006 sei maßgeblich. Die Unrichtigkeit des Protokolls sei nicht erwiesen.
Die E hat - vom Senat befragt - vermutet, dass es nach zunächst beabsichtigter unwiderruflicher Freistellung vor dem Arbeitsgericht zu einer abweichenden Vereinbarung gekommen ist, weil nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 5./6. Juli 2005 eine unwiderrufliche Freistellung zum sofortigen Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses geführt hätte (schriftliche Auskunft vom 23.7.2009). Herr I hat ergänzend schriftlich mitgeteilt, er könne sich nicht mehr genau an den Fall erinnern, sondern nur vermuten, dass die abweichende Vereinbarung auf Anraten des Gerichts beziehungsweise auf Wunsch des Anwalts der Gegenseite erfolgt sei, damit dem Kläger keine Nachteile entstehen (E-Mail vom 18.8.2009); er könne nicht mehr sagen, ob es sich im Protokoll um eine unrichtige, den tatsächlich geäußerten Willen nicht wiedergebende Erklärung handele. Er könne sich im Einzelnen nicht mehr an die Formulierung erinnern. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarte Vergleich, der vor Gericht zu Protokoll gegeben werden sollte, von einer unwiderruflichen Freistellung ausging. Ob die abweichende Formulierung möglicherweise auf Hinweis des Gerichts wegen der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Sozialbeiträge erfolgt sei, könne er nicht mehr sagen (schriftliche Auskunft vom 6.10.2009). Richter am Arbeitsgericht Dr. X hat als Zeuge erklärt, er habe keine konkrete Erinnerung mehr daran, was genau protokolliert werden sollte. Nach seiner allgemeinen Erinnerung habe er im fraglichen Zeitraum üblicherweise, auch wenn die Parteien keinen Widerruf beabsichtigten, nur eine widerrufliche Freistellung protokolliert, weil sonst nach der damaligen (inzwischen wieder abgeänderten) Rechtsprechung die Behandlung als nicht mehr sozialversicherungspflichtig gedroht habe (schriftliche Zeugenaussage vom 22.12.2009).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat auf die Gerichtsakten, die Leistungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts Köln (Aktenzeichen (Az) 5 Ca 1221/05) Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 17.3.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2006, § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) beschwert den Kläger nicht, soweit die Beklagte darin eine Anspruchsdauer von 540 Tagen (18 Monaten) feststellt, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Vielmehr ist der Bescheid insoweit rechtmäßig.
Gegenstand des Verfahrens sind nur die Bescheide vom 17.3.2006 und 10.5.2006, soweit sie in einem - abtrennbaren (vgl zB BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15) - Verfügungssatz verbindlich die Anspruchdauer regeln. Die späteren (Änderungs-)Bescheide vom 4.5.2006 und 15.3.2007 sind nicht Gegenstand des Widerspruchs- (nach § 86 SGG) bzw. des Klageverfahrens (nach § 96 Abs 1 SGG) geworden. Sie ändern die Ausgangsbescheide jeweils nur - iS der Abhilfe - zur Höhe der Leistung ab, nicht aber zur hier allein noch streitigen Anspruchsdauer. Die Regelung zur Anspruchsdauer im Bescheid vom 17.3.2006 wird durch die (Änderungs-)Bescheide nicht berührt. Diese enthalten insoweit nur wiederholende Verfügungen, ein neuerlicher Regelungswille ist nicht erkennbar.
Der Kläger hat - wie die Beklagte zutreffend erkannt hat - Anspruch auf Arbeitslosengeld erst ab dem 1.5.2006, weil erst zu diesem Zeitpunkt alle Anspruchsvoraussetzungen vorlagen. Deshalb steht ihm nach § 127 Abs 2 SGB III in der ab dem 1.1.2004 geltenden Fassung des Art. 3 Nr 2 Buchstabe b des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I, 3002) Anspruch auf Arbeitslosengeld (nur) für die Dauer von 18 Monaten zu, den er zwischenzeitlich offenbar ausgeschöpft hat. Diese Anspruchsdauer hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden festgestellt. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für insgesamt 26 (also weitere 8) Monate nach §§ 434 l Abs 1 Satz 1, § 127 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung besteht dagegen nicht. Nach der Übergangsvorschrift des § 434 l Abs 1 Satz 1 SGB III ist § 127 SGB III in der früheren, bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.1.2006 entstanden ist. Danach käme für den Kläger, der im Zeitpunkt der - behaupteten - Anspruchsentstehung 55, jedoch noch nicht 57 Jahre alt war, (maximal) eine Anspruchsdauer von 26 Monaten (und nicht von 32 Monaten) in Betracht. Insoweit hat er seinen erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch zwischenzeitlich zutreffend (auf weitere 8 Monate = 240 Tage) beschränkt. § 434 l Abs 1 Satz 1 kommt jedoch nicht zur Anwendung. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist nicht bis zum 31.1.2006 entstanden, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht arbeitslos war.
Ein Anspruch (auf Arbeitslosengeld) ist in dem Zeitpunkt entstanden, in dem alle Anspruchsvoraussetzungen (zeitgleich) vorliegen. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben, §§ 117 Abs 1 Nr 1, 118 Abs 1 SGB III.
Der Kläger hat sich am 31.1.2006 bei der Beklagten "ggf. mit Wirkung zum 1.5.2006" persönlich arbeitslos gemeldet (§ 122 Abs 1 Satz 1 SGB III) und damit gleichzeitig (vgl § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III) Arbeitslosengeld beantragt. Mit der Arbeitslosmeldung "ggfs mit Wirkung zum 1.5.2006" hat der Kläger schon deshalb keine unbedingte Gestaltung iS von § 118 Abs 2 SGB III dahingehend vorgenommen, dass er selbst die Voraussetzungen nicht vor dem 1.5.2006 erfüllt wissen wollte, weil er diesen Zeitpunkt nur "ggf." (im Sinne von: hilfsweise, jedenfalls) angegeben hat. Auch die Entgeltfortzahlung bis zum 30.4.2006 hindert die Entstehung des Anspruchs nicht, der dann allerdings für den Zeitraum der Entgeltfortzahlung ruhte, § 143 Abs 1 SGB III (soweit nicht ein Fall der sog "Gleichwohlgewährung" vorliegt, § 143 Abs 3 SGB III). Der Kläger hat (bzw hätte bei Arbeitslosigkeit bereits am 31.1.2006) auch (allein) durch seine Beschäftigung bei der E die Anwartschaftszeit erfüllt, §§ 123 Satz 1, 124 Abs 1 SGB III.
Der Kläger war allerdings vor dem 30.4.2006 (und damit auch am 31.1.2006) noch nicht arbeitslos. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis - mit wöchentlicher Arbeitszeit von 15 Stunden und mehr - steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit), § 119 Abs 1 und 3 SGB III. Der Kläger war jedenfalls in der Zeit vom 17.1.2006 bis 30.4.2006 nicht beschäftigungslos, weil die E ihn nur "widerruflich" von der Arbeitsleistung freigestellt hatte.
Wann im leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliegt, ergibt sich aus § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III. Diese Vorschrift knüpft nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse an (vgl BSGE 73, 126ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5). Beschäftigungslosigkeit ist deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben (BSG SozR 3-4300 § 123 Nr 2; BSG, Beschl v 21.8.1997, Az 12 BK 63/97; BSGE 89, 243 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8; BSGE 73, 90ff, alle mwN), wie auch an der anderenfalls überflüssigen Ruhensvorschrift für Ansprüche auf ALG während des Bezugs von Arbeitsentgelt (§ 143 Abs 1 SGB III) sowie an der Gewährung von ALG während des Ruhenszeitraums im Falle der Nichterfüllung aktueller Ansprüche auf Arbeitsentgelt (Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs 3 Satz 1 SGB III) deutlich wird. Vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht ein Arbeitnehmer damit schon dann, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist (BSG SozR 3-4300 § 123 Nr 2; BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20). Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist damit trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) ausdrücklich verzichtet hat (BSG. Urteil vom 5. Februar 1998. Az B 11 AL 55/97 R = AuB 1998, 186 = DBlR Nr 4486a zu § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)) oder das Arbeitsverhältnis auf Grund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20 mwN) und damit konkludent auf sein Direktionsrecht verzichtet. Ist ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers in diesem Sinne faktisch ohne Beschäftigung, stehen seiner leistungsrechtlichen "Arbeitslosigkeit" auch weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch ein etwaiger Erfolg dieser Klage oder Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess über einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das tatsächliche Ende der Beschäftigung hinaus oder (Nach-)Zahlungen von Arbeitsentgelt entgegen (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 17 mwN). Beschäftigungslosigkeit setzt damit zwingend voraus, dass der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat. Dies ist der Fall, wenn er mit dem Zeitpunkt der Freistellung tatsächlich (wenn auch ggfs. nur konkludent) endgültig auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) gegenüber dem Arbeitnehmer verzichtet, also zu erkennen gegeben hat, dass er trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung auch dann verzichtet, wenn er zur Gewährung der von ihm geschuldeten Leistung, der Zahlung des Arbeitsentgelts, verpflichtet bleibt. Dies ist bei einer widerruflichen Freistellung ersichtlich nicht der Fall, weil sich der Arbeitgeber in einem solchen Fall gerade (die Rechtsmacht) vorbehält, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und damit die ihm geschuldete Arbeitsleistung doch noch abzurufen (vgl auch: BSG, Beschl. vom 21.8.1997, Az 12 BK 63/97. Rdnr 7).
Eine solche widerrufliche Freistellung haben der Kläger und die E vereinbart, so dass das SG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Kläger bis zum 30.4.2006 nicht beschäftigungslos war. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Köln am 17.1.2006 im Kündigungsschutzverfahren (Az 5 Ca 1221/05). Dieses Protokoll begründet den vollen Beweis des darin beurkundeten Vorgangs, §§ 46 Abs 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 415 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO), also hier der tatsächlichen Abgabe der im Protokoll festgehaltenen Erklärungen durch die Beteiligten des dortigen Verfahrens.
Nach §§ 46 Abs 2 ArbGG, 415 Abs 2 ZPO ist der (Gegen-)Beweis zulässig, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Protokoll enthaltenen Angaben ist nur geführt, wenn die von dem Protokoll ausgehende Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die dortigen Angaben richtig sind (vgl zum Empfangsbekenntnis als öffentliche Urkunde BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 13; BGH LM ZPO § 212a Nr 29 = NJW 1996, 2514; BFHE 193, 392; BVerwG Buchholz 340 § 5 VwZG Nr 19; BAG AP Nr 1 zu § 112 BetrVG 1972, jeweils mwN; vgl auch BVerfG NJW 2001, 1563). Der Gegenbeweis ist dagegen nicht schon dann erbracht, wenn die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist. Den danach erforderlichen Beweis, dass die zur Freistellung des Klägers abgegebenen Erklärungen der Parteien jenseits jeden Zweifels unrichtig beurkundet worden sind, also - wie der Kläger vorträgt - die Vorsilbe "un" vor dem Wort "widerruflich" bei der Protokollierung schlichtweg vergessen wurde, sieht der Senat nicht als erbracht an. Die im Termin vom 17.1.2006 neben dem Klägerbevollmächtigten anwesenden Richter am Arbeitsgericht Dr. X und X1I haben in ihren schriftlichen Äußerungen bekundet, dass die Erklärungen wie protokolliert auch tatsächlich abgegeben worden sind. Beide gehen - ohne konkrete Erinnerung an den Termin - davon aus, dass es gute Gründe gab (bzw. gegeben haben könnte), entgegen der ursprünglichen Absicht nur eine widerrufliche Freistellung zu vereinbaren. Diese bestanden darin, dem Kläger bis zum 30.4.2006 die Sozialversicherungspflichtigkeit und damit die Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber zu erhalten. Aus den Stellungnahmen der E ergibt sich, dass aufgrund dieser Vereinbarung das Beschäftigungsverhältnis versicherungsrechtlich auch als fortbestehend geführt wurde, die E sich aber andernfalls wohl an Nr 4 des Besprechungsergebnisses der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 5./6. Juli 2005 (Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs) orientiert hätte. Dabei ist ohne Belang, dass die (Rechts-)Ausführungen in Nr 4 des Besprechungsergebnisses der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 5./6. Juli 2005 offensichtlich auf einer Fehlinterpretation der darin erwähnten Urteile des BSGs beruhen, die sich lediglich mit der leistungsrechtlichen, nicht aber mit der versicherungsrechtlichen Beschäftigungslosigkeit befassen (BSGE 89, 243ff = SozR 3-4300 § 144 Nr 8; BSGE 92, 74ff = SozR 4-4300 § 144 Nr 6; zu der Unterscheidung s. bereits BSGE 59, 183ff = SozR 4100 § 168 Nr 19 mwN), und das BSG später folglich - erneut - ausgeführt hat, Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne schließe das Vorliegen einer Beschäftigung im beitragrechtlichen Sinne nicht aus, auch im Falle der unwiderruflichen Freistellung könne das versicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis fortbestehen (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 mwN; ebenso früher bereits: BSGE 73, 90ff; BSG, Beschl. vom 21.8.1997, Az 12 RK 63/97 mwN; BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2). Entscheidend ist allein, dass im Falle der Vereinbarung einer unwiderruflichen Freistellung dem Kläger konkret die Behandlung des Arbeitsverhältnisses durch die E als nicht mehr sozialversicherungspflichtig drohte, und er dies durch die tatsächlich getroffene Vereinbarung vermied. Diese Intention steht auch in Einklang mit dem tatsächlichen Verhalten des Klägers und seines Bevollmächtigten. Ausweislich des Terminprotokolls vom 17.1.2006 sind die im Termin abgegebenen Erklärungen den Anwesenden nochmals vorgespielt und von ihnen genehmigt worden (vgl §§ 46 Abs 2 ArbGG, 162 Abs 1 ZPO). Der Senat hält nicht für glaubhaft, dass dem Klägerbevollmächtigten dabei eine von der tatsächlich abgegebenen Erklärung diametral abweichende Protokollierung nicht aufgefallen sein soll, zumal dieser Aspekt nach eigenem Vorbringen zuvor offenbar ausdrücklich Gegenstand von Gesprächen mit dem - im Termin selbst nicht anwesenden - Kläger war. Auch hat der Kläger(bevollmächtigte) nach Erhalt des Protokolls nicht etwa einen Antrag auf Protokollberichtigung gestellt (§§ 46 Abs 2 ArbGG, 164 Abs 1 ZPO). Dass der Klägerbevollmächtigte erneut unachtsam gewesen und das Protokoll nicht richtig durchgelesen haben soll, und auch dem Kläger selbst nicht aufgefallen sein soll, dass im Protokoll das Gegenteil der ausdrücklich im Vorfeld abgesprochenen Vereinbarung zur Freistellung enthalten war, hält der Senat für äußerst unwahrscheinlich. Für weitaus wahrscheinlicher hält er, dass die Parteien des Kündigungsschutzverfahrens im Termin mit guten Gründen eine abweichende Vereinbarung getroffen haben, und sich dabei entweder der Konsequenzen für den Anspruch auf ALG nicht bewusst waren oder sich in Kenntnis derselben bewusst (auf Anraten des Gerichts?) für die praktisch mit der Widerruflichkeit einhergehende unproblematische Beibehaltung der Sozialversicherungspflichtigkeit entschieden haben. Welche dieser Alternativen zutrifft, bedarf keiner Entscheidung, da jedenfalls aufgrund der verbleibenden erheblichen Zweifel der Gegenbeweis nach § 415 Abs 2 ZPO nicht gelungen ist. Der Senat hat keine Bedenken, sich auf die aktenkundigen schriftlichen Aussagen bzw Auskünfte der Beteiligten des Termins vom 17.1.2006 zu stützen. Eine persönliche Vernehmung hält er daneben nicht (mehr) für geboten. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zB BSGE 73, 90ff und 126ff = SozR 3-4100 § 101 Nrn 4 u. 5; BSGE 77, 48ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 9), auf die der Kläger sich beruft. Danach ist für die Annahme von Beschäftigungslosigkeit entscheidend, ob das Beschäftigungsverhältnis faktisch sein Ende gefunden hat (BSGE 73, 90ff). Das bedeutet, dass neben ausdrücklich abgegebenen Erklärungen auch alle sonstigen tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen sind. Für die Beurteilung ist vorrangig auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. (Einzel-)Erklärungen der Betroffenen haben lediglich indiziellen Charakter und sind in die Wertung einzubeziehen (BSGE 73, 126ff mwN). Widersprechen sie den (übrigen) tatsächlichen Gegebenheiten, handelt es sich nur um "leere Hülsen", die in ihrer Bedeutung zurücktreten. Ergeben die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls eindeutig, dass die das Beschäftigungsverhältnis prägenden reziproken Elemente (Verfügungsmöglichkeit des Arbeitgebers; Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers) fehlen, so kann ein Beschäftigungsverhältnis nicht (mehr) angenommen werden (BSGE 73, 90ff). Diese Grundsätze führen hier zu keinem anderen Ergebnis. Entscheidend ist, dass der Kläger und die E in Abkehr von ihren ursprünglichen Absichten ausdrücklich eine widerrufliche Freistellung vereinbart haben. An diese Vereinbarung sind sie gebunden, daran müssen beide sich festhalten lassen. Es ist nicht erkennbar, dass die vertraglichen Erklärungen nur "leere Hülsen" waren. Im Gegenteil hat sich die E im Folgenden an die Vereinbarung gehalten und hat das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage einer widerruflichen Freistellung abgewickelt. Für beide Seiten lagen durchaus gute Gründe vor, entgegen ursprünglicher Absicht eine solche Vereinbarung abzuschließen. Der Kläger hatte die Gewissheit, dass sein Arbeitsverhältnis bis zum Ende problemlos als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis behandelt wird. Die E hatte die Möglichkeit, die vom Kläger geschuldete Arbeitsleistung bis zum 30.4.2006 jederzeit einzufordern, etwa in einer Notsituation oder für den Fall, dass in N doch noch ein leidensgerechter Arbeitsplatz (für kurze Zeit) zur Verfügung gestanden hätte, zumal der Kläger seit Februar 2005 nicht mehr arbeitsunfähig krank war. Unerheblich ist, dass die E die Arbeitsleistung des Klägers tatsächlich nicht mehr nachgefragt hat; es genügt, das ihr die Rechtsmacht eingeräumt war, dies zu tun. Die tatsächlichen Umstände, die bis zum 17.1.2006 in eine andere Richtung gewiesen haben mögen, sind durch die getroffene Vereinbarung ersetzt und damit gegenstandslos geworden. Es ist somit ohne Belang, dass die E zuvor auch einer unwiderruflichen Freistellung zugestimmt hätte. Es ist auch ohne Belang, dass die E ursprünglich offenbar bereit war, den Kläger unwiderruflich von der Arbeitsleistung freizustellen, und eine solche Vereinbarung bis zum 17.1.2006 sogar geplant war.
Fehlt es für die Annahme von Arbeitslosigkeit bereits an der Beschäftigungslosigkeit, kann dahin stehen, ob und ggf. wie sich der fehlende endgültige (unwiderrufliche) Verzicht der E auf ihre Verfügungsbefugnis auf die (objektive) Verfügbarkeit des Klägers auswirkt (s dazu Brand in: Niesel. SGB III. Kommentar. 4. Aufl. 2007. § 119 Rdnr 72).
Auch vor dem 17.1.2006 war der Anspruch auf ALG noch nicht entstanden. Insoweit fehlte es mindestens an der persönlichen Arbeitslosmeldung und dem Antrag auf Gewährung von ALG. Der Kläger hatte sich vielmehr vor diesem Zeitpunkt nur in Erfüllung seiner Obliegenheit aus dem seinerzeit geltenden § 37 b SGB III arbeitsuchend gemeldet. Anhaltspunkte dafür, dass damit gleichzeitig eine Arbeitslosmeldung verbunden war, bestehen nach Lage der Akten nicht. Danach ist vielmehr - möglicherweise ausgehend von der Vorstellung, Arbeitslosigkeit trete erst zum 1.5.2006 ein - entsprechend § 122 Abs 1 Satz 2 SGB III die Arbeitslosmeldung ausdrücklich erst am 31.1.2006 erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt sind.
Tatbestand:
Streitig ist die Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (ALG).
Der 1950 geborene Kläger war seit dem 1.7.1994 bei der Firma E GmbH/G (im Folgenden: E) in L beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.12.2005 kündigte die E dem Kläger außerordentlich zum 30.4.2006. Am 29.12.2005 teilte sie ihm schriftlich mit, dass er mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Verrechnung etwaig noch bestehender Urlaubsansprüche unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt werde. Ebenfalls am 29.12.2005 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Köln und beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 30.4.2006 hinaus ungekündigt fortbestehe. Bei einem Gütetermin am 17.1.2006, an dem Richter am Arbeitsgericht Dr. X als Vorsitzender, für die dortige Beklagte der frühere Vorgesetzte des Klägers X1I und für den Kläger Rechtsanwalt O teilnahmen, schlossen die Beteiligten einen prozessbeendenden Vergleich. Darin ist (ua) geregelt, dass das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung zum 30.4.2006 sein Ende finden werde, die Beklagte bis dahin das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abwickele, insbesondere die vereinbarte Vergütung bis einschließlich 30.4.2006 zahle, und der Kläger unter Fortzahlung seiner Vergütung widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt bleibe, womit restliche Urlaubs- sowie sonstige Freizeitausgleichsansprüche in natura erfüllt seien.
Nachdem er sich bereits am 27.12.2005 bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet hatte, meldete sich der Kläger am 31.1.2006 "gegebenenfalls mit Wirkung zum 1.5.2006" bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährte Arbeitslosengeld ab dem 1.5.2006 für 540 Tage, also bis einschließlich 30.10.2007 (Bescheid vom 17.3.2006).
Mit seinem Widerspruch bemängelte der Kläger, die Anspruchsdauer sei nicht ordnungsgemäß ermittelt, weil aufgrund der Freistellung die alte Anspruchsdauer berücksichtigt werden müsse, und machte außerdem eine höhere Leistung geltend. Die Beklagte half zur Höhe der Leistung teilweise ab (Änderungsbescheid vom 4.5.2006) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück: Höhe der Leistung (im Übrigen) und Dauer des Anspruchs seien zutreffend bemessen worden. Bei widerruflicher Freistellung bestehe das Beschäftigungsverhältnis fort. Da der Kläger somit bis zum 30.4.2006 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, sei er nicht beschäftigungs- und damit nicht arbeitslos gewesen; der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei daher nicht vor den 1.5.2006 entstanden (Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006).
Dagegen hat der Kläger noch im Mai 2006 Klage erhoben. Neben einem Anspruch auf höhere Leistung habe er Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 32 Monaten, weil er tatsächlich mit seinem Arbeitgeber eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart habe. Damit sei der Anspruch noch am 31.1.2006 entstanden. Nach dem 19. Februar 2005 sei er nicht mehr arbeitsunfähig krank gewesen.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte dem Begehren auf höhere Leistung vollständig Rechnung getragen (Änderungsbescheid vom 15.3.2007). Der Kläger hat das Verfahren insoweit für erledigt erklärt und nur noch beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.3.2006 in der Fassung des Bescheides vom 4.5.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2006 in Form der Änderungsbescheide vom 10.10.2006 und 15.3.2007 zu verurteilen, die Dauer des Arbeitslosengeldes auf 32 Monate festzusetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat darauf abgestellt, dass im arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 17.1.2006 ausdrücklich eine widerrufliche Freistellung vereinbart worden ist.
Die E hat dem Sozialgericht (SG) mitgeteilt, die Freistellung sei entsprechend dem geschlossenen Vergleich als widerruflich behandelt worden, das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis habe erst zum 30.4.2006 geendet (schriftliche Auskunft vom 13.2.2007).
Das SG hat die Klage abgewiesen: Altes Recht, nach dem dem Kläger ohnehin allenfalls eine Anspruchsdauer von 26 Monaten zugestanden hätte, komme nicht zur Anwendung, weil das Beschäftigungsverhältnis erst ab dem 1.5.2006 beendet gewesen sei. Eine widerrufliche Freistellung bedeute regelmäßig, dass der Arbeitgeber nicht endgültig auf seine Verfügungsbefugnis verzichten wolle. Eine solche Regelung sei im Vergleich vor dem Arbeitsgericht ausdrücklich getroffen worden. Damit habe der Arbeitgeber sein Verfügungsrecht erst mit Wirkung zum 1.5.2006 aufgegeben (Urteil vom 16.1.2009, zugestellt am 20.2.2009).
Dagegen hat der Kläger am 17.3.2009 Berufung eingelegt und gemeint, nach den tatsächlichen Verhältnissen sei übereinstimmend - entsprechend einer vorherigen Absprache zwischen ihm und seinem Prozessbevollmächtigten - eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart worden. Ein (leidensgerechter) Arbeitsplatz habe für ihn bei der E nicht mehr zur Verfügung gestanden. Die E sei der Auffassung gewesen, er müsse am neuen Standort in N eingesetzt werden. Faktisch habe keine Möglichkeit bestanden, ihn anderweitig einzusetzen. Die E habe auch kein Interesse gehabt, ihn nochmals zu beschäftigen, und deshalb von vornherein einer unwiderruflichen Freistellung zugestimmt. Sie sei in erster Linie an der Vermeidung von Urlaubsabgeltungsansprüchen interessiert gewesen. Dementsprechend habe die E ihn nicht mehr zur Arbeitsleistung aufgefordert. Entsprechend dieser beiderseits identischen Interessenlage sei vor dem Arbeitsgericht eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart worden. Wieso im Protokolltext die Vorsilbe" un" fehle, sei ihm nicht erklärlich. Der Vorsitzende Richter habe den Vergleich damals nicht näher besprochen, insbesondere auch nicht auf etwaige Risiken aufmerksam gemacht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.1.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2006 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld über den 30.10.2007 hinaus für weitere 240 Tage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Inhalt des Protokolls vom 17.1.2006 sei maßgeblich. Die Unrichtigkeit des Protokolls sei nicht erwiesen.
Die E hat - vom Senat befragt - vermutet, dass es nach zunächst beabsichtigter unwiderruflicher Freistellung vor dem Arbeitsgericht zu einer abweichenden Vereinbarung gekommen ist, weil nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 5./6. Juli 2005 eine unwiderrufliche Freistellung zum sofortigen Ende des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses geführt hätte (schriftliche Auskunft vom 23.7.2009). Herr I hat ergänzend schriftlich mitgeteilt, er könne sich nicht mehr genau an den Fall erinnern, sondern nur vermuten, dass die abweichende Vereinbarung auf Anraten des Gerichts beziehungsweise auf Wunsch des Anwalts der Gegenseite erfolgt sei, damit dem Kläger keine Nachteile entstehen (E-Mail vom 18.8.2009); er könne nicht mehr sagen, ob es sich im Protokoll um eine unrichtige, den tatsächlich geäußerten Willen nicht wiedergebende Erklärung handele. Er könne sich im Einzelnen nicht mehr an die Formulierung erinnern. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass der ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarte Vergleich, der vor Gericht zu Protokoll gegeben werden sollte, von einer unwiderruflichen Freistellung ausging. Ob die abweichende Formulierung möglicherweise auf Hinweis des Gerichts wegen der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Sozialbeiträge erfolgt sei, könne er nicht mehr sagen (schriftliche Auskunft vom 6.10.2009). Richter am Arbeitsgericht Dr. X hat als Zeuge erklärt, er habe keine konkrete Erinnerung mehr daran, was genau protokolliert werden sollte. Nach seiner allgemeinen Erinnerung habe er im fraglichen Zeitraum üblicherweise, auch wenn die Parteien keinen Widerruf beabsichtigten, nur eine widerrufliche Freistellung protokolliert, weil sonst nach der damaligen (inzwischen wieder abgeänderten) Rechtsprechung die Behandlung als nicht mehr sozialversicherungspflichtig gedroht habe (schriftliche Zeugenaussage vom 22.12.2009).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat auf die Gerichtsakten, die Leistungsakten der Beklagten und die beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts Köln (Aktenzeichen (Az) 5 Ca 1221/05) Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 17.3.2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2006, § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) beschwert den Kläger nicht, soweit die Beklagte darin eine Anspruchsdauer von 540 Tagen (18 Monaten) feststellt, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Vielmehr ist der Bescheid insoweit rechtmäßig.
Gegenstand des Verfahrens sind nur die Bescheide vom 17.3.2006 und 10.5.2006, soweit sie in einem - abtrennbaren (vgl zB BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15) - Verfügungssatz verbindlich die Anspruchdauer regeln. Die späteren (Änderungs-)Bescheide vom 4.5.2006 und 15.3.2007 sind nicht Gegenstand des Widerspruchs- (nach § 86 SGG) bzw. des Klageverfahrens (nach § 96 Abs 1 SGG) geworden. Sie ändern die Ausgangsbescheide jeweils nur - iS der Abhilfe - zur Höhe der Leistung ab, nicht aber zur hier allein noch streitigen Anspruchsdauer. Die Regelung zur Anspruchsdauer im Bescheid vom 17.3.2006 wird durch die (Änderungs-)Bescheide nicht berührt. Diese enthalten insoweit nur wiederholende Verfügungen, ein neuerlicher Regelungswille ist nicht erkennbar.
Der Kläger hat - wie die Beklagte zutreffend erkannt hat - Anspruch auf Arbeitslosengeld erst ab dem 1.5.2006, weil erst zu diesem Zeitpunkt alle Anspruchsvoraussetzungen vorlagen. Deshalb steht ihm nach § 127 Abs 2 SGB III in der ab dem 1.1.2004 geltenden Fassung des Art. 3 Nr 2 Buchstabe b des Gesetzes vom 24.12.2003 (BGBl I, 3002) Anspruch auf Arbeitslosengeld (nur) für die Dauer von 18 Monaten zu, den er zwischenzeitlich offenbar ausgeschöpft hat. Diese Anspruchsdauer hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden festgestellt. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für insgesamt 26 (also weitere 8) Monate nach §§ 434 l Abs 1 Satz 1, § 127 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung besteht dagegen nicht. Nach der Übergangsvorschrift des § 434 l Abs 1 Satz 1 SGB III ist § 127 SGB III in der früheren, bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.1.2006 entstanden ist. Danach käme für den Kläger, der im Zeitpunkt der - behaupteten - Anspruchsentstehung 55, jedoch noch nicht 57 Jahre alt war, (maximal) eine Anspruchsdauer von 26 Monaten (und nicht von 32 Monaten) in Betracht. Insoweit hat er seinen erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch zwischenzeitlich zutreffend (auf weitere 8 Monate = 240 Tage) beschränkt. § 434 l Abs 1 Satz 1 kommt jedoch nicht zur Anwendung. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist nicht bis zum 31.1.2006 entstanden, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht arbeitslos war.
Ein Anspruch (auf Arbeitslosengeld) ist in dem Zeitpunkt entstanden, in dem alle Anspruchsvoraussetzungen (zeitgleich) vorliegen. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben, §§ 117 Abs 1 Nr 1, 118 Abs 1 SGB III.
Der Kläger hat sich am 31.1.2006 bei der Beklagten "ggf. mit Wirkung zum 1.5.2006" persönlich arbeitslos gemeldet (§ 122 Abs 1 Satz 1 SGB III) und damit gleichzeitig (vgl § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III) Arbeitslosengeld beantragt. Mit der Arbeitslosmeldung "ggfs mit Wirkung zum 1.5.2006" hat der Kläger schon deshalb keine unbedingte Gestaltung iS von § 118 Abs 2 SGB III dahingehend vorgenommen, dass er selbst die Voraussetzungen nicht vor dem 1.5.2006 erfüllt wissen wollte, weil er diesen Zeitpunkt nur "ggf." (im Sinne von: hilfsweise, jedenfalls) angegeben hat. Auch die Entgeltfortzahlung bis zum 30.4.2006 hindert die Entstehung des Anspruchs nicht, der dann allerdings für den Zeitraum der Entgeltfortzahlung ruhte, § 143 Abs 1 SGB III (soweit nicht ein Fall der sog "Gleichwohlgewährung" vorliegt, § 143 Abs 3 SGB III). Der Kläger hat (bzw hätte bei Arbeitslosigkeit bereits am 31.1.2006) auch (allein) durch seine Beschäftigung bei der E die Anwartschaftszeit erfüllt, §§ 123 Satz 1, 124 Abs 1 SGB III.
Der Kläger war allerdings vor dem 30.4.2006 (und damit auch am 31.1.2006) noch nicht arbeitslos. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis - mit wöchentlicher Arbeitszeit von 15 Stunden und mehr - steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit), § 119 Abs 1 und 3 SGB III. Der Kläger war jedenfalls in der Zeit vom 17.1.2006 bis 30.4.2006 nicht beschäftigungslos, weil die E ihn nur "widerruflich" von der Arbeitsleistung freigestellt hatte.
Wann im leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliegt, ergibt sich aus § 119 Abs 1 Nr 1 SGB III. Diese Vorschrift knüpft nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse an (vgl BSGE 73, 126ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5). Beschäftigungslosigkeit ist deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben (BSG SozR 3-4300 § 123 Nr 2; BSG, Beschl v 21.8.1997, Az 12 BK 63/97; BSGE 89, 243 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8; BSGE 73, 90ff, alle mwN), wie auch an der anderenfalls überflüssigen Ruhensvorschrift für Ansprüche auf ALG während des Bezugs von Arbeitsentgelt (§ 143 Abs 1 SGB III) sowie an der Gewährung von ALG während des Ruhenszeitraums im Falle der Nichterfüllung aktueller Ansprüche auf Arbeitsentgelt (Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs 3 Satz 1 SGB III) deutlich wird. Vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht ein Arbeitnehmer damit schon dann, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist (BSG SozR 3-4300 § 123 Nr 2; BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20). Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist damit trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) ausdrücklich verzichtet hat (BSG. Urteil vom 5. Februar 1998. Az B 11 AL 55/97 R = AuB 1998, 186 = DBlR Nr 4486a zu § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)) oder das Arbeitsverhältnis auf Grund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20 mwN) und damit konkludent auf sein Direktionsrecht verzichtet. Ist ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers in diesem Sinne faktisch ohne Beschäftigung, stehen seiner leistungsrechtlichen "Arbeitslosigkeit" auch weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch ein etwaiger Erfolg dieser Klage oder Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess über einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das tatsächliche Ende der Beschäftigung hinaus oder (Nach-)Zahlungen von Arbeitsentgelt entgegen (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 17 mwN). Beschäftigungslosigkeit setzt damit zwingend voraus, dass der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat. Dies ist der Fall, wenn er mit dem Zeitpunkt der Freistellung tatsächlich (wenn auch ggfs. nur konkludent) endgültig auf seine Verfügungsbefugnis (sein Direktionsrecht) gegenüber dem Arbeitnehmer verzichtet, also zu erkennen gegeben hat, dass er trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung auch dann verzichtet, wenn er zur Gewährung der von ihm geschuldeten Leistung, der Zahlung des Arbeitsentgelts, verpflichtet bleibt. Dies ist bei einer widerruflichen Freistellung ersichtlich nicht der Fall, weil sich der Arbeitgeber in einem solchen Fall gerade (die Rechtsmacht) vorbehält, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und damit die ihm geschuldete Arbeitsleistung doch noch abzurufen (vgl auch: BSG, Beschl. vom 21.8.1997, Az 12 BK 63/97. Rdnr 7).
Eine solche widerrufliche Freistellung haben der Kläger und die E vereinbart, so dass das SG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Kläger bis zum 30.4.2006 nicht beschäftigungslos war. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Köln am 17.1.2006 im Kündigungsschutzverfahren (Az 5 Ca 1221/05). Dieses Protokoll begründet den vollen Beweis des darin beurkundeten Vorgangs, §§ 46 Abs 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 415 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO), also hier der tatsächlichen Abgabe der im Protokoll festgehaltenen Erklärungen durch die Beteiligten des dortigen Verfahrens.
Nach §§ 46 Abs 2 ArbGG, 415 Abs 2 ZPO ist der (Gegen-)Beweis zulässig, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Protokoll enthaltenen Angaben ist nur geführt, wenn die von dem Protokoll ausgehende Beweiswirkung vollständig entkräftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die dortigen Angaben richtig sind (vgl zum Empfangsbekenntnis als öffentliche Urkunde BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 13; BGH LM ZPO § 212a Nr 29 = NJW 1996, 2514; BFHE 193, 392; BVerwG Buchholz 340 § 5 VwZG Nr 19; BAG AP Nr 1 zu § 112 BetrVG 1972, jeweils mwN; vgl auch BVerfG NJW 2001, 1563). Der Gegenbeweis ist dagegen nicht schon dann erbracht, wenn die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur erschüttert ist. Den danach erforderlichen Beweis, dass die zur Freistellung des Klägers abgegebenen Erklärungen der Parteien jenseits jeden Zweifels unrichtig beurkundet worden sind, also - wie der Kläger vorträgt - die Vorsilbe "un" vor dem Wort "widerruflich" bei der Protokollierung schlichtweg vergessen wurde, sieht der Senat nicht als erbracht an. Die im Termin vom 17.1.2006 neben dem Klägerbevollmächtigten anwesenden Richter am Arbeitsgericht Dr. X und X1I haben in ihren schriftlichen Äußerungen bekundet, dass die Erklärungen wie protokolliert auch tatsächlich abgegeben worden sind. Beide gehen - ohne konkrete Erinnerung an den Termin - davon aus, dass es gute Gründe gab (bzw. gegeben haben könnte), entgegen der ursprünglichen Absicht nur eine widerrufliche Freistellung zu vereinbaren. Diese bestanden darin, dem Kläger bis zum 30.4.2006 die Sozialversicherungspflichtigkeit und damit die Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber zu erhalten. Aus den Stellungnahmen der E ergibt sich, dass aufgrund dieser Vereinbarung das Beschäftigungsverhältnis versicherungsrechtlich auch als fortbestehend geführt wurde, die E sich aber andernfalls wohl an Nr 4 des Besprechungsergebnisses der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 5./6. Juli 2005 (Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs) orientiert hätte. Dabei ist ohne Belang, dass die (Rechts-)Ausführungen in Nr 4 des Besprechungsergebnisses der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 5./6. Juli 2005 offensichtlich auf einer Fehlinterpretation der darin erwähnten Urteile des BSGs beruhen, die sich lediglich mit der leistungsrechtlichen, nicht aber mit der versicherungsrechtlichen Beschäftigungslosigkeit befassen (BSGE 89, 243ff = SozR 3-4300 § 144 Nr 8; BSGE 92, 74ff = SozR 4-4300 § 144 Nr 6; zu der Unterscheidung s. bereits BSGE 59, 183ff = SozR 4100 § 168 Nr 19 mwN), und das BSG später folglich - erneut - ausgeführt hat, Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne schließe das Vorliegen einer Beschäftigung im beitragrechtlichen Sinne nicht aus, auch im Falle der unwiderruflichen Freistellung könne das versicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis fortbestehen (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 9 mwN; ebenso früher bereits: BSGE 73, 90ff; BSG, Beschl. vom 21.8.1997, Az 12 RK 63/97 mwN; BSG SozR 4-4300 § 123 Nr 2). Entscheidend ist allein, dass im Falle der Vereinbarung einer unwiderruflichen Freistellung dem Kläger konkret die Behandlung des Arbeitsverhältnisses durch die E als nicht mehr sozialversicherungspflichtig drohte, und er dies durch die tatsächlich getroffene Vereinbarung vermied. Diese Intention steht auch in Einklang mit dem tatsächlichen Verhalten des Klägers und seines Bevollmächtigten. Ausweislich des Terminprotokolls vom 17.1.2006 sind die im Termin abgegebenen Erklärungen den Anwesenden nochmals vorgespielt und von ihnen genehmigt worden (vgl §§ 46 Abs 2 ArbGG, 162 Abs 1 ZPO). Der Senat hält nicht für glaubhaft, dass dem Klägerbevollmächtigten dabei eine von der tatsächlich abgegebenen Erklärung diametral abweichende Protokollierung nicht aufgefallen sein soll, zumal dieser Aspekt nach eigenem Vorbringen zuvor offenbar ausdrücklich Gegenstand von Gesprächen mit dem - im Termin selbst nicht anwesenden - Kläger war. Auch hat der Kläger(bevollmächtigte) nach Erhalt des Protokolls nicht etwa einen Antrag auf Protokollberichtigung gestellt (§§ 46 Abs 2 ArbGG, 164 Abs 1 ZPO). Dass der Klägerbevollmächtigte erneut unachtsam gewesen und das Protokoll nicht richtig durchgelesen haben soll, und auch dem Kläger selbst nicht aufgefallen sein soll, dass im Protokoll das Gegenteil der ausdrücklich im Vorfeld abgesprochenen Vereinbarung zur Freistellung enthalten war, hält der Senat für äußerst unwahrscheinlich. Für weitaus wahrscheinlicher hält er, dass die Parteien des Kündigungsschutzverfahrens im Termin mit guten Gründen eine abweichende Vereinbarung getroffen haben, und sich dabei entweder der Konsequenzen für den Anspruch auf ALG nicht bewusst waren oder sich in Kenntnis derselben bewusst (auf Anraten des Gerichts?) für die praktisch mit der Widerruflichkeit einhergehende unproblematische Beibehaltung der Sozialversicherungspflichtigkeit entschieden haben. Welche dieser Alternativen zutrifft, bedarf keiner Entscheidung, da jedenfalls aufgrund der verbleibenden erheblichen Zweifel der Gegenbeweis nach § 415 Abs 2 ZPO nicht gelungen ist. Der Senat hat keine Bedenken, sich auf die aktenkundigen schriftlichen Aussagen bzw Auskünfte der Beteiligten des Termins vom 17.1.2006 zu stützen. Eine persönliche Vernehmung hält er daneben nicht (mehr) für geboten. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung (zB BSGE 73, 90ff und 126ff = SozR 3-4100 § 101 Nrn 4 u. 5; BSGE 77, 48ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 9), auf die der Kläger sich beruft. Danach ist für die Annahme von Beschäftigungslosigkeit entscheidend, ob das Beschäftigungsverhältnis faktisch sein Ende gefunden hat (BSGE 73, 90ff). Das bedeutet, dass neben ausdrücklich abgegebenen Erklärungen auch alle sonstigen tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen sind. Für die Beurteilung ist vorrangig auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. (Einzel-)Erklärungen der Betroffenen haben lediglich indiziellen Charakter und sind in die Wertung einzubeziehen (BSGE 73, 126ff mwN). Widersprechen sie den (übrigen) tatsächlichen Gegebenheiten, handelt es sich nur um "leere Hülsen", die in ihrer Bedeutung zurücktreten. Ergeben die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls eindeutig, dass die das Beschäftigungsverhältnis prägenden reziproken Elemente (Verfügungsmöglichkeit des Arbeitgebers; Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers) fehlen, so kann ein Beschäftigungsverhältnis nicht (mehr) angenommen werden (BSGE 73, 90ff). Diese Grundsätze führen hier zu keinem anderen Ergebnis. Entscheidend ist, dass der Kläger und die E in Abkehr von ihren ursprünglichen Absichten ausdrücklich eine widerrufliche Freistellung vereinbart haben. An diese Vereinbarung sind sie gebunden, daran müssen beide sich festhalten lassen. Es ist nicht erkennbar, dass die vertraglichen Erklärungen nur "leere Hülsen" waren. Im Gegenteil hat sich die E im Folgenden an die Vereinbarung gehalten und hat das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage einer widerruflichen Freistellung abgewickelt. Für beide Seiten lagen durchaus gute Gründe vor, entgegen ursprünglicher Absicht eine solche Vereinbarung abzuschließen. Der Kläger hatte die Gewissheit, dass sein Arbeitsverhältnis bis zum Ende problemlos als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis behandelt wird. Die E hatte die Möglichkeit, die vom Kläger geschuldete Arbeitsleistung bis zum 30.4.2006 jederzeit einzufordern, etwa in einer Notsituation oder für den Fall, dass in N doch noch ein leidensgerechter Arbeitsplatz (für kurze Zeit) zur Verfügung gestanden hätte, zumal der Kläger seit Februar 2005 nicht mehr arbeitsunfähig krank war. Unerheblich ist, dass die E die Arbeitsleistung des Klägers tatsächlich nicht mehr nachgefragt hat; es genügt, das ihr die Rechtsmacht eingeräumt war, dies zu tun. Die tatsächlichen Umstände, die bis zum 17.1.2006 in eine andere Richtung gewiesen haben mögen, sind durch die getroffene Vereinbarung ersetzt und damit gegenstandslos geworden. Es ist somit ohne Belang, dass die E zuvor auch einer unwiderruflichen Freistellung zugestimmt hätte. Es ist auch ohne Belang, dass die E ursprünglich offenbar bereit war, den Kläger unwiderruflich von der Arbeitsleistung freizustellen, und eine solche Vereinbarung bis zum 17.1.2006 sogar geplant war.
Fehlt es für die Annahme von Arbeitslosigkeit bereits an der Beschäftigungslosigkeit, kann dahin stehen, ob und ggf. wie sich der fehlende endgültige (unwiderrufliche) Verzicht der E auf ihre Verfügungsbefugnis auf die (objektive) Verfügbarkeit des Klägers auswirkt (s dazu Brand in: Niesel. SGB III. Kommentar. 4. Aufl. 2007. § 119 Rdnr 72).
Auch vor dem 17.1.2006 war der Anspruch auf ALG noch nicht entstanden. Insoweit fehlte es mindestens an der persönlichen Arbeitslosmeldung und dem Antrag auf Gewährung von ALG. Der Kläger hatte sich vielmehr vor diesem Zeitpunkt nur in Erfüllung seiner Obliegenheit aus dem seinerzeit geltenden § 37 b SGB III arbeitsuchend gemeldet. Anhaltspunkte dafür, dass damit gleichzeitig eine Arbeitslosmeldung verbunden war, bestehen nach Lage der Akten nicht. Danach ist vielmehr - möglicherweise ausgehend von der Vorstellung, Arbeitslosigkeit trete erst zum 1.5.2006 ein - entsprechend § 122 Abs 1 Satz 2 SGB III die Arbeitslosmeldung ausdrücklich erst am 31.1.2006 erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs 2 SGG. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt sind.
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