Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AL 31/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 53/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 11.07.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Arbeitslosengeldes.
Der 1945 geborene Kläger meldete sich am 27.12.2006 mit Wirkung zum 1.1.2007 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er war ausweislich der Arbeitsbescheinigungen der Firma I O GmbH & Co. KG vom 9.1.2007 in der Zeit vom 1.12.1985 bis zum 31.3.2006 als Geschäftsführer der I1 O Verwaltungsgesellschaft mbH tätig gewesen. Nach dem Arbeitsvertrag vom 31.3.2006 beschäftigte seine frühere Arbeitgeberin den Kläger nach seiner Abberufung als Geschäftsführer im Anschluss daran bis zum 31.12.2006 als kaufmännischen Angestellten. Sein Bruttoarbeitsentgelt betrug im Jahr 2006 monatlich 5.250 EUR.
Für die Zeit vom 1. bis zum 7.1.2007 stellte die Beklagte wegen verspäteter Meldung als arbeitssuchend eine einwöchige Sperrzeit sowie eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs um sieben Tage fest. Der entsprechende Bescheid vom 31.01.2007 ist Gegenstand des beim Sozialgericht Münster anhängigen Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 15 AL 30/07.
Mit Bescheid vom 26.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 8.1.2007 bis zum 29.6.2008 bei einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 63,36 EUR unter Zuerkennung einer Dauer von 540 Kalendertagen. Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 130 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Dieser umfasse ein Jahr. Das Bemessungsentgelt sei gemäß § 131 Abs. 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe. Der Bemessungszeitraum umfasse das gesamte Jahr 2006 und somit 365 Tage. Das beitragspflichtige Arbeitsentgelt betrage 63.000 EUR. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 172,60 EUR.
Hiergegen hat der Kläger am 19.3.2007 vor dem Sozialgericht Münster Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass das Bemessungsentgelt 175 EUR betrage. Die Beklagte könne nicht bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts das erzielte Arbeitsentgelt durch 365 Tage teilen und andererseits 360 Tage für die Ermittlung des Zahlbetrages zugrunde legen. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, dass der jeweils ungünstigere statistische Wert in die Berechnung einfließe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 175 EUR zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Eine Einbuße erleide der Kläger nicht, da eine Minderung nur eingreife, wenn der Anspruch erfüllt werde. Aus § 134 SGB III ergebe sich, dass das Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.7.2008 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Im letzten Jahr vor der Entstehung seines Arbeitslosengeldanspruches habe der Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt von 63.000 EUR (5.250 EUR mal 12) erzielt. Das durchschnittliche auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 SGB III betrage 172,60 EUR (63.000 EUR durch 365 Tage). Entgegen der Auffassung des Klägers entspreche diese Teilung durch 365 Tage der eindeutigen gesetzlichen Regelung. Dass Anspruchsdauer und Bemessungsentgelt unterschiedlich berechnet würden, habe einen sachlichen Differenzierungsgrund, der darin liege, dass das Arbeitslosengeld realistisch bemessen werden solle nach dem, was tatsächlich im einjährigen Bemessungsrahmen an Arbeitsentgelt erzielt worden sei.
Gegen den am 17.7.2008 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 11.8.2008 Berufung ein. Er ist der Ansicht, § 134 SGB III regele implizit, dass auch bei der Ermittlung der Basis für das Arbeitslosengeld ein voller Kalendermonat mit 30 Tagen heranzuziehen sei. Der Gesetzgeber erwähne die Zahl 365 Tage an keiner Stelle des SGB III. Das tägliche beitragspflichtige Arbeitsentgelt sei geringer, so dass doch ein Nachteil bestehe. Nach seiner Berechnung sei der monatliche Zahlbetrag 1.927,20 EUR während nach der Berechnung der Beklagten lediglich 1.900,80 EUR zur Auszahlung kämen. Die Berechnung der Beklagten sei rechtswidrig und willkürlich. Zur weiteren Begründung überreichte der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 18.4.2008, in welchem nunmehr Arbeitslosengeld für 720 Tage bewilligt wird.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen; er war in diesem Termin auch nicht vertreten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 11.7.2008 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 sowie unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 18.4.2008 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 175 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Gerichtsbescheid. Die Berufung sei zulässig, da Leistungen von über einem Jahr geltend gemacht würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2, 126 SGG die Streitsache im Termin in Abwesenheit des Klägers entscheiden. Diese Möglichkeit besteht auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 111, Rn. 6d), das vorliegend nur deswegen erfolgt war, um ihm die nach Auffassung des Senats bestehende Aussichtslosigkeit der Berufung zu verdeutlichen. Der Kläger ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung ist statthaft. Der Kläger macht laufende Leistungen von mehr als einem Jahr geltend (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr.1, S. 2 SGG). Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie hier - 750 EUR nicht übersteigt. Gemäß S. 2 dieses Absatzes gilt dies nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffe. Der Bescheid vom 26.1.2007 beinhaltet den Zeitraum vom 8.1.2007 bis zum 29.6.2008 und somit mehr als ein Jahr. Auf den Wert des Beschwerdegegenstandes kommt es nicht an.
Die auch ansonsten zulässige Berufung ist jedoch unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das Sozialgericht Münster ebenso wie die Beklagte auf ein Bemessungsentgelt von 172,60 EUR täglich abgestellt.
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 26.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 sowie nach § 96 Abs. 1 SGG der Bescheid vom 18.4.2008, weil er den zuvor ergangenen Bescheid teilweise ändert. Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (§ 96 Abs. 1 SGG in der ab dem 1.4.2008 geltenden Fassung). Eine Abänderung oder Ersetzung liegt grundsätzlich nur vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 93, Rn. 4b). Zum Einen hat die Beklagte den Bescheid selbst als Änderungsbescheid überschrieben. Sie geht wegen der Verlängerung der Anspruchsdauer von einer wesentlichen Änderung aus. Zum Anderen greift der Entscheidungszeitraum auch den bisher bereits im Bescheid vom 26.1.2007 umfassten Zeitraum vom 8.1.2007 bis zum 29.6.2008 erneut auf und erweitert ihn lediglich bis zum 29.12.2008 bei ansonsten gleich bleibendem Inhalt. Die Beschwer vermehrt sich insoweit auf den weiteren Zeitraum.
Für den Kläger beträgt das Arbeitslosengeld nach § 129 Nr. 2 SGB III 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), da er kein berücksichtigungsfähiges Kind hat. Das Leistungsentgelt ergibt sich aus dem Bruttoentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 130 Abs. 1 S. 1 SGB III). Dieser umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 S. 2 SGB III). Das Bemessungsentgelt ist das durchschnittliche auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 131 Abs. 1 S. 1 SGB III).
Der Bemessungszeitraum im Fall des Klägers umfasst Entgeltzeiträume vom 1.1. bis zum 31.12.2006. In diesem Zeitraum wurde ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 63.000 EUR erzielt. Dazu ist das gleichbleibende monatliche Bruttoarbeitsentgelt von 5.250 EUR mal 12 Monate zu nehmen. Das gesamte beitragspflichtige Arbeitsentgelt ist sodann durch die Anzahl der Tage des Jahres 2006 und somit 365 zu teilen. Hieraus ergibt sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt (Bemessungsentgelt) von 172,60 EUR. Unter Berücksichtigung der Abzüge des § 133 SGB III (21 % Sozialversicherungspauschale: 36,25 EUR und Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag: 30,75 EUR) besteht beim Kläger nach dem allgemeinen Leistungssatz ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 63,36 EUR.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist dabei bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts durch 365 - die Anzahl der Tage des Jahrs 2006 - zu dividieren. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 130 Abs. 1 S. 2, 1. Halbsatz SGB III. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr. Ein Jahr entspricht nicht 360 Tagen (ebenso für § 130 Abs. 1 S. 2, 1. Halbsatz SGB III Behrend in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 130, Rn. 43). Somit findet zum Einen § 339 S. 1 SGB III keine Anwendung, da dort nur Vorgaben getroffen werden für eine monatliche beziehungsweise wöchentliche Berechnung. Zum Anderen findet aber auch § 134 S. 2 SGB III keine Berücksichtigung. Nach dieser Norm wird das Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 134 S. 2 SGB III). Bereits vom Wortlaut der Norm findet sich beim Satz 2 kein Bezug zum Bemessungsrahmen. § 134 S. 2 SGB III beinhaltet lediglich eine Zahlungsmodalität des Arbeitslosengeldes. Im Gegensatz dazu findet Satz 1 bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts gemäß § 131 Abs. 1 SGB III Anwendung.
Die Bemessung des Arbeitslosengeldes wurde durch Art. 1 Nr. 1 k des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I, 2848) mit Wirkung vom 01.01.2004 geändert. In der amtlichen Begründung zum Entwurf des Gesetzes heißt es dazu, das Recht der Bemessung des Arbeitslosengeldes habe sich im Laufe der Jahre zu einem überaus komplexen Regelungssystem entwickelt, welches sowohl für Fachleute als auch für Betroffene nur noch schwer durchschaubar sei. Ziel der Reformbestrebungen war es deshalb, die Vielfalt und Komplexität der Regelungen zur Bemessungsgrenze zurückzuführen und das Verwaltungsverfahren deutlich und nachhaltig zu vereinfachen. Verwaltungsvereinfachung sei allerdings nur zu erreichen, wenn detaillierte Einzelfallregelungen durch ein größeres Maß an Pauschalierung ersetzt und Ausnahmeregelungen beschränkt werden (Bundestagsdrucksache 15/1515, Seite 85). Unabhängig von der Anzahl der Tage verbleibt mit der Neuregelung nun ein monatlich gleichbleibender Zahlbetrag. Im Ergebnis liegt somit nunmehr eine einheitliche Zahlungsweise von Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Krankengeld und Verletztengeld vor.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Gesetzgeber nur den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum verfassungskonform ausgefüllt. Ein Verstoß gegen den hier lediglich in Betracht kommenden Art. 14 GG ist darin nicht zu sehen. Zwar wird das Stammrecht in Form des Anspruchs auf Arbeitslosengeld grundsätzlich durch die Eigentumsgarantie geschützt, jedoch hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung (Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Auflage 2008, Art, 14, Rn. 27). Er muss allerdings die rechtsstaatlichen Grundsätze beachten und darf sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.03.1994, Aktenzeichen: 1 BvL 8/85, Rn. 43 Juris). Verwaltungsvereinfachung und Vereinheitlichung der Zahlungsweise der verschiedenen Leistungen sind dabei keine sachfremden Erwägungen. Willkürlich wird dabei nicht vorgegangen. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Berechnung des Bemessungsentgelts für den Bemessungszeitraum der für das tägliche Entgelt anzugleichen, zumal es sich um eine bloße Erwartung einer bestimmten Höhe des Arbeitslosengeldes handelt, die nicht geschützt ist. Die Sicherung der Existenz ist bei der Differenz von 0,88 EUR im Übrigen täglich weiterhin möglich. Eine Äquivalenzstörung zwischen Beitrag und Entgelt ist angesichts dessen fernliegend.
Vor diesem Hintergrund vermag es nicht zu überzeugen, wenn das Landessozialgericht Baden-Württemberg ohne Begründung den Monat bei der Berechnung des Bemessungsentgelts mit 30 Tagen ansetzt (Urteil vom 13.6.2008, Aktenzeichen: L 8 AL 3829/07 und Urteil vom 6.3.2009, Aktenzeichen: L 8 AL 3880/09).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Rechtsfrage, ob der einjährige Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 S. 2 SGB III unter Berücksichtigung von § 134 S. 2 SGB III zu berechnen ist, ist auf Grund der oben zitierten Urteile des Landessozialgericht Baden-Württemberg beim Bundessozialgericht anhängig (Aktenzeichen: B 7 AL 33/08 R und B 11 AL 8/09 R).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Arbeitslosengeldes.
Der 1945 geborene Kläger meldete sich am 27.12.2006 mit Wirkung zum 1.1.2007 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er war ausweislich der Arbeitsbescheinigungen der Firma I O GmbH & Co. KG vom 9.1.2007 in der Zeit vom 1.12.1985 bis zum 31.3.2006 als Geschäftsführer der I1 O Verwaltungsgesellschaft mbH tätig gewesen. Nach dem Arbeitsvertrag vom 31.3.2006 beschäftigte seine frühere Arbeitgeberin den Kläger nach seiner Abberufung als Geschäftsführer im Anschluss daran bis zum 31.12.2006 als kaufmännischen Angestellten. Sein Bruttoarbeitsentgelt betrug im Jahr 2006 monatlich 5.250 EUR.
Für die Zeit vom 1. bis zum 7.1.2007 stellte die Beklagte wegen verspäteter Meldung als arbeitssuchend eine einwöchige Sperrzeit sowie eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs um sieben Tage fest. Der entsprechende Bescheid vom 31.01.2007 ist Gegenstand des beim Sozialgericht Münster anhängigen Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 15 AL 30/07.
Mit Bescheid vom 26.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 8.1.2007 bis zum 29.6.2008 bei einem täglichen Leistungssatz in Höhe von 63,36 EUR unter Zuerkennung einer Dauer von 540 Kalendertagen. Der Bemessungszeitraum umfasse gemäß § 130 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Dieser umfasse ein Jahr. Das Bemessungsentgelt sei gemäß § 131 Abs. 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe. Der Bemessungszeitraum umfasse das gesamte Jahr 2006 und somit 365 Tage. Das beitragspflichtige Arbeitsentgelt betrage 63.000 EUR. Daraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 172,60 EUR.
Hiergegen hat der Kläger am 19.3.2007 vor dem Sozialgericht Münster Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass das Bemessungsentgelt 175 EUR betrage. Die Beklagte könne nicht bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts das erzielte Arbeitsentgelt durch 365 Tage teilen und andererseits 360 Tage für die Ermittlung des Zahlbetrages zugrunde legen. Der Gesetzgeber könne nicht gewollt haben, dass der jeweils ungünstigere statistische Wert in die Berechnung einfließe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.1.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 175 EUR zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Eine Einbuße erleide der Kläger nicht, da eine Minderung nur eingreife, wenn der Anspruch erfüllt werde. Aus § 134 SGB III ergebe sich, dass das Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet werde.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.7.2008 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Im letzten Jahr vor der Entstehung seines Arbeitslosengeldanspruches habe der Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt von 63.000 EUR (5.250 EUR mal 12) erzielt. Das durchschnittliche auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 SGB III betrage 172,60 EUR (63.000 EUR durch 365 Tage). Entgegen der Auffassung des Klägers entspreche diese Teilung durch 365 Tage der eindeutigen gesetzlichen Regelung. Dass Anspruchsdauer und Bemessungsentgelt unterschiedlich berechnet würden, habe einen sachlichen Differenzierungsgrund, der darin liege, dass das Arbeitslosengeld realistisch bemessen werden solle nach dem, was tatsächlich im einjährigen Bemessungsrahmen an Arbeitsentgelt erzielt worden sei.
Gegen den am 17.7.2008 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 11.8.2008 Berufung ein. Er ist der Ansicht, § 134 SGB III regele implizit, dass auch bei der Ermittlung der Basis für das Arbeitslosengeld ein voller Kalendermonat mit 30 Tagen heranzuziehen sei. Der Gesetzgeber erwähne die Zahl 365 Tage an keiner Stelle des SGB III. Das tägliche beitragspflichtige Arbeitsentgelt sei geringer, so dass doch ein Nachteil bestehe. Nach seiner Berechnung sei der monatliche Zahlbetrag 1.927,20 EUR während nach der Berechnung der Beklagten lediglich 1.900,80 EUR zur Auszahlung kämen. Die Berechnung der Beklagten sei rechtswidrig und willkürlich. Zur weiteren Begründung überreichte der Kläger den Bescheid der Beklagten vom 18.4.2008, in welchem nunmehr Arbeitslosengeld für 720 Tage bewilligt wird.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen; er war in diesem Termin auch nicht vertreten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 11.7.2008 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 26.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 sowie unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 18.4.2008 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 175 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Gerichtsbescheid. Die Berufung sei zulässig, da Leistungen von über einem Jahr geltend gemacht würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2, 126 SGG die Streitsache im Termin in Abwesenheit des Klägers entscheiden. Diese Möglichkeit besteht auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 111, Rn. 6d), das vorliegend nur deswegen erfolgt war, um ihm die nach Auffassung des Senats bestehende Aussichtslosigkeit der Berufung zu verdeutlichen. Der Kläger ist mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung ist statthaft. Der Kläger macht laufende Leistungen von mehr als einem Jahr geltend (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr.1, S. 2 SGG). Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie hier - 750 EUR nicht übersteigt. Gemäß S. 2 dieses Absatzes gilt dies nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betreffe. Der Bescheid vom 26.1.2007 beinhaltet den Zeitraum vom 8.1.2007 bis zum 29.6.2008 und somit mehr als ein Jahr. Auf den Wert des Beschwerdegegenstandes kommt es nicht an.
Die auch ansonsten zulässige Berufung ist jedoch unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das Sozialgericht Münster ebenso wie die Beklagte auf ein Bemessungsentgelt von 172,60 EUR täglich abgestellt.
Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid vom 26.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2007 sowie nach § 96 Abs. 1 SGG der Bescheid vom 18.4.2008, weil er den zuvor ergangenen Bescheid teilweise ändert. Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (§ 96 Abs. 1 SGG in der ab dem 1.4.2008 geltenden Fassung). Eine Abänderung oder Ersetzung liegt grundsätzlich nur vor, wenn die Beschwer des Betroffenen gemindert oder vermehrt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 93, Rn. 4b). Zum Einen hat die Beklagte den Bescheid selbst als Änderungsbescheid überschrieben. Sie geht wegen der Verlängerung der Anspruchsdauer von einer wesentlichen Änderung aus. Zum Anderen greift der Entscheidungszeitraum auch den bisher bereits im Bescheid vom 26.1.2007 umfassten Zeitraum vom 8.1.2007 bis zum 29.6.2008 erneut auf und erweitert ihn lediglich bis zum 29.12.2008 bei ansonsten gleich bleibendem Inhalt. Die Beschwer vermehrt sich insoweit auf den weiteren Zeitraum.
Für den Kläger beträgt das Arbeitslosengeld nach § 129 Nr. 2 SGB III 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), da er kein berücksichtigungsfähiges Kind hat. Das Leistungsentgelt ergibt sich aus dem Bruttoentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 130 Abs. 1 S. 1 SGB III). Dieser umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 S. 2 SGB III). Das Bemessungsentgelt ist das durchschnittliche auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 131 Abs. 1 S. 1 SGB III).
Der Bemessungszeitraum im Fall des Klägers umfasst Entgeltzeiträume vom 1.1. bis zum 31.12.2006. In diesem Zeitraum wurde ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 63.000 EUR erzielt. Dazu ist das gleichbleibende monatliche Bruttoarbeitsentgelt von 5.250 EUR mal 12 Monate zu nehmen. Das gesamte beitragspflichtige Arbeitsentgelt ist sodann durch die Anzahl der Tage des Jahres 2006 und somit 365 zu teilen. Hieraus ergibt sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt (Bemessungsentgelt) von 172,60 EUR. Unter Berücksichtigung der Abzüge des § 133 SGB III (21 % Sozialversicherungspauschale: 36,25 EUR und Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag: 30,75 EUR) besteht beim Kläger nach dem allgemeinen Leistungssatz ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 63,36 EUR.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist dabei bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts durch 365 - die Anzahl der Tage des Jahrs 2006 - zu dividieren. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 130 Abs. 1 S. 2, 1. Halbsatz SGB III. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr. Ein Jahr entspricht nicht 360 Tagen (ebenso für § 130 Abs. 1 S. 2, 1. Halbsatz SGB III Behrend in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 130, Rn. 43). Somit findet zum Einen § 339 S. 1 SGB III keine Anwendung, da dort nur Vorgaben getroffen werden für eine monatliche beziehungsweise wöchentliche Berechnung. Zum Anderen findet aber auch § 134 S. 2 SGB III keine Berücksichtigung. Nach dieser Norm wird das Arbeitslosengeld für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 134 S. 2 SGB III). Bereits vom Wortlaut der Norm findet sich beim Satz 2 kein Bezug zum Bemessungsrahmen. § 134 S. 2 SGB III beinhaltet lediglich eine Zahlungsmodalität des Arbeitslosengeldes. Im Gegensatz dazu findet Satz 1 bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts gemäß § 131 Abs. 1 SGB III Anwendung.
Die Bemessung des Arbeitslosengeldes wurde durch Art. 1 Nr. 1 k des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I, 2848) mit Wirkung vom 01.01.2004 geändert. In der amtlichen Begründung zum Entwurf des Gesetzes heißt es dazu, das Recht der Bemessung des Arbeitslosengeldes habe sich im Laufe der Jahre zu einem überaus komplexen Regelungssystem entwickelt, welches sowohl für Fachleute als auch für Betroffene nur noch schwer durchschaubar sei. Ziel der Reformbestrebungen war es deshalb, die Vielfalt und Komplexität der Regelungen zur Bemessungsgrenze zurückzuführen und das Verwaltungsverfahren deutlich und nachhaltig zu vereinfachen. Verwaltungsvereinfachung sei allerdings nur zu erreichen, wenn detaillierte Einzelfallregelungen durch ein größeres Maß an Pauschalierung ersetzt und Ausnahmeregelungen beschränkt werden (Bundestagsdrucksache 15/1515, Seite 85). Unabhängig von der Anzahl der Tage verbleibt mit der Neuregelung nun ein monatlich gleichbleibender Zahlbetrag. Im Ergebnis liegt somit nunmehr eine einheitliche Zahlungsweise von Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Krankengeld und Verletztengeld vor.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Gesetzgeber nur den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum verfassungskonform ausgefüllt. Ein Verstoß gegen den hier lediglich in Betracht kommenden Art. 14 GG ist darin nicht zu sehen. Zwar wird das Stammrecht in Form des Anspruchs auf Arbeitslosengeld grundsätzlich durch die Eigentumsgarantie geschützt, jedoch hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Bemessung (Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Auflage 2008, Art, 14, Rn. 27). Er muss allerdings die rechtsstaatlichen Grundsätze beachten und darf sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23.03.1994, Aktenzeichen: 1 BvL 8/85, Rn. 43 Juris). Verwaltungsvereinfachung und Vereinheitlichung der Zahlungsweise der verschiedenen Leistungen sind dabei keine sachfremden Erwägungen. Willkürlich wird dabei nicht vorgegangen. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Berechnung des Bemessungsentgelts für den Bemessungszeitraum der für das tägliche Entgelt anzugleichen, zumal es sich um eine bloße Erwartung einer bestimmten Höhe des Arbeitslosengeldes handelt, die nicht geschützt ist. Die Sicherung der Existenz ist bei der Differenz von 0,88 EUR im Übrigen täglich weiterhin möglich. Eine Äquivalenzstörung zwischen Beitrag und Entgelt ist angesichts dessen fernliegend.
Vor diesem Hintergrund vermag es nicht zu überzeugen, wenn das Landessozialgericht Baden-Württemberg ohne Begründung den Monat bei der Berechnung des Bemessungsentgelts mit 30 Tagen ansetzt (Urteil vom 13.6.2008, Aktenzeichen: L 8 AL 3829/07 und Urteil vom 6.3.2009, Aktenzeichen: L 8 AL 3880/09).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Die Rechtsfrage, ob der einjährige Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 S. 2 SGB III unter Berücksichtigung von § 134 S. 2 SGB III zu berechnen ist, ist auf Grund der oben zitierten Urteile des Landessozialgericht Baden-Württemberg beim Bundessozialgericht anhängig (Aktenzeichen: B 7 AL 33/08 R und B 11 AL 8/09 R).
Rechtskraft
Aus
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