L 11 KA 9/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 249/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 9/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 35/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Auf die Rev. d.Kl. wird das Urteil des LSG vom 24.02.10 aufgehoben!!! und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.07.07 zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2007 abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die hälftige Erstattung der Kosten des isolierten Vorverfahrens.

Der Kläger war in den Quartalen II/1999 bis IV/2002 als Zahnarzt in E niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er stand in Geschäftsbeziehung zur Fa. H/O. E.O Dentalhandelsgesellschaft GmbH, von der er zahntechnische Leistungen bezog. In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft X - 000 - wurde dem Anfangsverdacht nachgegangen, er habe von dem Unternehmen Rückzahlungen (sog. "Kick-back") erhalten, die er nicht an die gesetzlichen Krankenkassen weitergeleitet habe.

Mit zwei Bescheiden vom 23.09.2002 hob die Beklagte unter Hinweis auf das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren vorläufig die dem Kläger für die Quartale II/1999 bis einschließlich IIl/2002 sowie für das Quartal III und IV/2002 erteilten Honorarbescheide in Höhe von (261.575,36 EUR + 8.232,24 EUR =) 269.807,60 EUR auf und forderte die insofern zu Unrecht ausgezahlte Vergütung bzw. die zu Unrecht erstatteten Kosten zurück. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen und den der Beklagten vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass der Kläger die von der Fa. H gewährten Zahlungen entgegen § 11 Abs. 2 des Zahnarzt-/Ersatzkassenvertrages (EKV-Z) und der gesamtvertraglichen Regelungen im Primärkassenbereich nicht an die Patienten und Krankenkassen weitergeleitet habe, so dass die von ihm für diese Zeiträume eingereichten Abrechnungen sachlich-rechnerisch falsch gewesen seien.

Den Widersprüchen des Klägers gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2006 in Höhe von 137.046,50 EUR statt und wies sie im Übrigen (in Höhe von 132.761,10 EUR) zurück. Die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten würden nicht erstattet. Aufgrund des anhängigen Strafverfahrens sei sie zur Sicherstellung des Schadensbetrages gegenüber den Krankenkassen verpflichtet gewesen. Die Honorarbescheide seien in Höhe von 269.807,60 EUR nur vorläufig aufgehoben worden, da nach den Erfahrungswerten der Beklagten noch private Leistungen in der zurückgeforderten Summe hätten enthalten sein können. Unter Berücksichtigung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft X - 000 - und dem Urteil des Landgerichts Duisburg (vom 30.08.2005) - 34 Kls 80 Js 429/03 - sei anhand der beschlagnahmten Abrechnungsunterlagen des Klägers und unter Mithilfe der betroffenen Krankenkassen ein Schaden in Höhe von 132.761,10 EUR entstanden. Dieser Betrag sei an die Krankenkassen und die Patienten zurückzuzahlen. Hinsichtlich der teilweisen Stattgabe des Widerspruchs werde die Hinzuziehung des Rechtsanwaltes für notwendig erklärt, es würden aber keine Kosten erstattet. Rein förmlich liege zwar eine teilweise Abhilfe vor. Der Widerspruch sei jedoch nicht kausal hierfür gewesen. Sie, die Beklagte, habe bei den Verfahren um die Kickback-Zahlungen in den Ausgangsbescheiden vorläufig die pauschal in der Ermittlungsakte als Höchstschaden benannten Beträge zurückgefordert. Sie hafte gegenüber den Krankenkassen, wenn ein Vertragszahnarzt bei Erfüllung der vertragszahnärztlichen Pflichten die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse und ihr ein Rückgriff gegen den Zahnarzt durch Aufrechnung gegen die Honorarforderungen möglich sei. Daher sei der vorläufige Schadensbetrag bei dem Zahnarzt sicherzustellen gewesen. Ihr sei es nicht möglich, anhand der vorliegenden Abrechnungsdaten den pauschalen Schaden auf die tatsächlich mit der Beklagten abgerechneten Fälle einzugrenzen. Zusammen mit den betroffenen Krankenkassen und dem Zahnarzt werde daher eine einzelfallbezogene Schadenstabelle erstellt. Nach der nachvollziehbaren Darlegung der Kassen- und Patientenanteile werde der übersicherte Betrag für die Privatpatienten an den Zahnarzt freigegeben, da die Beklagte insoweit nicht für die Schadensrückabwicklung zuständig sei. Nach dem Abgleich mit dem Zahnarzt und den Krankenkassen werde der vorläufige Ausgangsbescheid endgültig auf den ermittelten Gesamtschaden festgesetzt. Dies geschehe unabhängig davon, ob der Zahnarzt Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt habe oder nicht. Nicht der Widerspruch, sondern die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren, nach denen der Schadensbetrag eingegrenzt worden sei, hätten zur teilweisen Aufhebung des Widerspruchs geführt. Der Widerspruch sei bereits mit Schreiben vom 27.10.2003 bei der Beklagten eingelegt worden. Hätte der Widerspruchsausschuss zum damaligen Zeitpunkt über den Widerspruch entschieden, hätte der Widerspruch im Hinblick auf das laufende Ermittlungsverfahren zurückgewiesen werden müssen.

Der Kläger hat im Klageverfahren weiterhin die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Erstattung der Hälfte der entstandenen Vorverfahrenskosten. Nicht die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren hätten zur teilweisen Aufhebung des Ausgangsbescheides geführt, sondern kausal sein Widerspruch. Ausschlaggebend für den Teilerfolg des Widerspruches sei allein gewesen, dass die Beklagte Beträge einbehalten habe, ohne dies auf eine Rechtsgrundlage stützen zu können. Der Widerspruch sei ein gesetzlich vorgesehenes und zulässiges Rechtsmittel, von welchem der betroffene Bürger jederzeit Gebrauch machen könne. Es sei niemand gehalten, nach einer Entscheidung durch Verwaltungsakt darauf zu hoffen, dass die entscheidende Stelle irgendwann ihren Fehler erkenne und sodann den (teilweise) rechtswidrigen Verwaltungsakt selbständig zurücknehme.

Der Kläger hat beantragt,

die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten vom 23.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2006 bezüglich der getroffenen Kostenentscheidung aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Gebühren und Auslagen des Vorverfahrens des Bevollmächtigten in Höhe von 50 % zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Entscheidung weiterhin für rechtmäßig gehalten. Die Entscheidung im Sinne von § 63 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) betreffend Kostengrundentscheidung stehe nicht mit der Entscheidung nach § 63 Abs. 2 SGB X (Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten) im Zusammenhang. Die Bejahung der letztgenannten Voraussetzung bedeute nicht, dass zwingend ein Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach gegeben sein müsse. Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruches, wonach ein Widerspruch als erfolgreich gelte, wenn eine Abhilfe oder Teilabhilfe erfolgt sei, seien insoweit zu ergänzen, als zwischen Widerspruch und Abhilfe/Teilabhilfe eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne zu verlangen sei. Daran fehle es hier. Sie habe ihren Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid nach Konkretisierung der strafrechtlichen Vorwürfe gegenüber dem Kläger angepasst. Nachdem der ursprünglich zurückzufordernde Honorarbetrag sich an den Erkenntnissen im Ermittlungsverfahren orientiert habe, sei dieser sodann auf die nachweisbaren Beträge, die sich aus Angaben der gesetzlichen Krankenkassen und den Angaben des Klägers ergeben hätten, reduziert worden.

Mit Urteil vom 21.11.2007 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte verurteilt, die Gebühren und Auslagen des Vorverfahrens des Bevollmächtigten in hälftiger Höhe zu erstatten, weil der Widerspruch des Klägers gegen die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 23.09.2003 teilweise erfolgreich gewesen sei. Da rein formal auf das erfolgreiche Ergebnis abgestellt werde, sei es ohne Belang, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht habe und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt hätten. Zwischen Einlegung des Widerspruchs und der Teilabhilfe bestehe ein kausaler Zusammenhang. Die Beklagte hätte zwar möglicherweise auch ohne Einlegung des Widerspruchs von Amts wegen ihre Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide nach Konkretisierung der strafrechtlichen Vorwürfe gegenüber dem Kläger angepasst und die vorläufig verfügten Rückforderungssummen entsprechend reduziert. Indes entspreche es dem typischen Risiko einer Behörde, dass von ihr getroffene Maßnahmen mit dem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf angegriffen würden. Kein Adressat belastender Verwaltungsakte könne darauf verwiesen werden, zu vertrauen, dass die Behörde der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht im Laufe des Verwaltungsverfahrens von sich aus fehlerfrei nachkomme, sondern könne mit seinem Widerspruch die Pflicht der Behörde zur umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Einzelfalles einfordern. Der Anspruch des Klägers sei auch der Höhe nach begründet, nachdem die Beklagte die ursprünglich zurückgeforderten Honorare bzw. Kosten von insgesamt 269.807,60 EUR auf 137.046,50 EUR und damit auf etwa die Hälfte reduziert habe.

Im Berufungsverfahren wendet sich die Beklagte gegen die erstinstanzliche Entscheidung. § 63 SGB X regele nicht explizit die Situation eines nur teilweise erfolgreichen Widerspruchs. Insoweit sei auf die Grundregeln des Kostenrechts abzustellen. Maßgeblich sei insofern, ob der Beteiligte das Ergebnis zu vertreten habe. Die Wertung des SG vernachlässige insofern ihre Ausgangsposition bei Erlass des angefochtenen Bescheides sowie das zulässige Rechtsbegehren des Klägers. Sie sei aufgrund ihres Gewährleistungsauftrages gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehalten gewesen, die angefochtenen Bescheide zu erlassen. Diese Notwendigkeit bestehe auch vor dem Hintergrund der Unterbrechung der Verjährung sachlich-rechnerischer Berichtigungen von vertragszahnärztlichen Abrechnungen. Darüber hinaus sie gehalten, zeitnah tätig zu werden, um insoweit nicht aufgrund etwaiger Untätigkeit ihrerseits eine Haftung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen zu verursachen, die zu Lasten der Solidargemeinschaft der ordnungsgemäß abrechnenden Vertragszahnärzte gehe. Ihr sei es zunächst nicht möglich gewesen, aufgrund der ihr von den Strafverfolgungsbehörden übermittelten Erkenntnisse eine exakte Berechnung des rechtswidrig erhaltenen Honorars und damit zurück zu fordernden Betrages vorzunehmen. Dementsprechend habe sie - auf die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft gestützt - im Rahmen ihres Schätzungsermessens eine vorläufige Rückforderung vorgenommen. Es sei dem Kläger jederzeit möglich gewesen, zeitnah eine entsprechende Quantifizierung des seiner Auffassung nach berechtigten Rückforderungsbetrages vorzunehmen. Dieser habe während des gesamten Vorverfahrens keine Anstrengungen unternommen, die bestehende Beschwer zu reduzieren oder eine Korrektur des Bescheides der Beklagten zu erreichen. Vielmehr habe dieser sich darauf beschränkt, Widerspruch einzulegen und nach endgültiger Schadensfestsetzung seitens der Beklagten Kostenerstattungsansprüche geltend zu machen. Das SG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass ausschließlich die von Amts wegen erfolgte Überprüfung durch die Beklagte Ursache der Reduzierung des Rückforderungsbetrages gewesen sei. Ein Abwarten bis zur endgültigen Feststellung des Rückforderungsbetrages nach Abschluss der Ermittlungen, hier der "strafrechtlichen Aufklärung der betrügerischen Vorgehensweise des Klägers", habe zur Folge, dass sie Gefahr laufe, ihre Ansprüche mangels zwischenzeitlich realisierter Einbehalte nicht mehr durchsetzen zu können. Die zulässige Verteidigungsstrategie des Klägers, keine Angaben zu machen, würde nicht in Zweifel gestellt; deren Folgen könnten jedoch im Rahmen der Kostenentscheidung nicht zu ihren Lasten gehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, das angegriffene Urteil sei rechtmäßig und lasse keinen Fehler zum Nachteil der Beklagten erkennen. Die Ausgangssituation für den Erlass der Rückforderungsbescheide spiele für die spätere Entscheidung der Kostentragungspflicht keine Rolle. Durch die Einfügung des Wortes "vorläufig" könnten nicht die vom Gesetzgeber zugestandenen Rechtsmittel nebst damit einhergehenden Kostenfolgen ausgeschlossen werden. Unabhängig davon habe er entgegen der Darstellung der Beklagten bereits zu Beginn des Verfahrens im Herbst 2003 im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Angaben gemacht. Die Beklagte sei darüber im Rahmen der von ihr im Strafverfahren wahrgenommenen Akteneinsicht informiert gewesen. Bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide sei für die Beklagte erkennbar gewesen, dass sie keinerlei rechtliche Möglichkeit gehabt habe, eventuelle Rückerstattungsansprüche von Privatpatienten bzw. aus Eigenanteilszahlungen oder Mehrkostenvereinbarungen gesetzlich Versicherter einzubehalten. Etwaige Schwierigkeiten im Rahmen der Durchsetzung von bestehenden Ansprüchen könnten die überhöhte Rückforderung nicht rechtfertigen. Die Beklagte könne nicht alle Risiken im Geschäftsbereich auf Dritte abwälzen und müsse, soweit sie diesen Weg beschreitet, zumindest die hieraus erwachsenden Kostenfolgen eines erfolgreichen Widerspruches tragen. Die Abwicklung des Globudent-Komplexes möge in der Gesamtheit eine umfangreiche und schwierige Aufgabe für die Beklagte gewesen sein; dies habe aber keine Auswirkungen auf die Entscheidung nach § 63 SGB X. Dessen klarer Wortlaut solle u.a. Streitigkeiten wie diese verhindern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 21.11.2007 ist begründet, denn das SG hat der Klage zu Unrecht statt gegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2006 ist bezüglich der insoweit allein streitgegenständlichen Kostenentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten im isolierten Vorverfahren.

Rechtsgrundlage der vom Kläger geltend gemachten Erstattungsforderung ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der auch auf Entscheidungen im Vertragsarztrecht anwendbar ist (Bundessozialgericht ( BSG ), zuletzt mit Urteil vom 06.05.2009 - B 6 KA 7/08 R -) und den Inhalt der Kostengrundentscheidung vorgibt. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Ein Widerspruch hat Erfolg, wenn die Behörde dem Widerspruch teilweise oder in vollem Umfang stattgibt, es sei denn, die abhelfende Entscheidung der Widerspruchsstelle beruht nicht auf dem Widerspruch, sondern auf einem anderen Umstand (BSG, Urteile vom 17.10.2006 - B 5 RJ 66/04 R -, vom 25.03.2004 - B 12 KR 1/03 R - mit Anmerkung von Ruppelt in jurisPK-SozR 32/2004, vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R - mit Anmerkung von Ruppelt in jurisPR-SozR 11/2007, vom 29.01.1998 - B 12 KR 18/97 R - und vom 21.07.1992 - 4 RA 20/91 -; Krasney in Kasseler-Kommentar, SGB X, § 63 Rdn. 5 f.; Roos in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., 2008, § 63 Rdn.18 jeweils m.w.N.). Die vorliegend teilweise Abänderung des Rückforderungsbescheides durch Reduzierung auf etwa die Hälfte des Rückzahlungsbetrages beruht indessen nicht auf dem - ohne Begründung eingelegten - Widerspruch des Klägers, denn dieser wäre rechtlich genauso behandelt worden, wie es aufgrund des Widerspruchs geschehen ist. Die Beklagte, der es zunächst nicht möglich war, aufgrund der ihr von den Strafverfolgungsbehörden übermittelten Erkenntnisse eine exakte Berechnung des rechtswidrig erhaltenen Honorars und damit zurück zu fordernden Betrages vorzunehmen, hat bereits im angefochtenen Bescheid auf die Vorläufigkeit der auf Schätzung beruhenden Entscheidung hingewiesen. Bei einem vorläufigen Verwaltungsakt wird eine Regelung unter den Vorbehalt der späteren endgültigen Entscheidung gestellt. Regelungsinhalt eines solchen Verwaltungsaktes, d.h. über die vorläufige Bewilligung einer Leistung (wie z.B. Vorschussbescheide i.S.d. §§ 42, 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), vorläufige Festsetzungen von Honorarbescheiden nach Maßgabe des BMV-Ä/EKV-Ä) oder die vorläufige Forderung einer Leistung (wie z.B. Steuerbescheide gemäß § 165 Abgabenordnung (AO), Beitragsfestsetzungen gemäß § 240 SGB V oder - wie hier - Regressfeststellung nach § 37 SGB I i.V.m. § 19 BMV-Ä bzw. 12 Abs. 1 EKV-Ä) ist regelmäßig, dass der Begünstigte die Zuwendung nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung behalten darf bzw. der Belastete die Leistung nur vorläufig bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung leisten muss. Der Anspruch des Begünstigten (Gläubigers) auf den endgültigen Behalt der Zuwendung bzw. die Verpflichtung des Belasteten (Schuldners) zur endgültigen Leistung der geforderten Zahlung hängt davon ab, welche endgültige Entscheidung erlassen wird. Das bedeutet, dass es bei der späteren - sodann endgültigen - Entscheidung und deren Modalitäten keiner Aufhebung der unter Vorbehalt ergangenen Bewilligung gemäß § 45 SGB X bedarf. Ergeht die endgültige Entscheidung, so tritt Erledigung des vorläufigen Bescheides ein; die Bindungswirkung dieses Bescheides entfällt i.S. von § 39 Abs. 2 SGB X (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 12 KR 14/05 -, Seewald in Kasseler-Kommentar, SGB I, § 42 Rdn. 9, 23). Zwar hätte die Beklagte formell die Möglichkeit gehabt, nach Erlass eines gleichermaßen abgeänderten, neuen Rückforderungsbescheids den Widerspruch insoweit für erledigt zu erklären und den "übrigen" Widerspruch mit entsprechenden Kostenfolge im vollem Umfang abzuweisen. Dies hätte den Kläger, dessen wirtschaftlichen Interesse im Ergebnis in gleichem Umfang Rechnung getragen worden wäre, kostenrechtlich in gleicher Weise belastet, da eine dem § 63 SGB X vergleichbare Regelung für den Erlass eines endgültigen Bescheides wie im Übrigen auch für den Erlass eines Bescheides nach den § 48 ff. SGB X nicht vorgesehen ist.

Der Senat folgt nicht der Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 27.05.2009 (L 3 KA 85/06; das Revisionsverfahren ist unter dem Az. B 6 KA 29/09 R beim BSG anhängig), das die Rechtsprechung des BSG, soweit sie auf eine "ursächliche Verknüpfung" zwischen Widerspruch und Erfolg abstellt, nicht für überzeugend hält. Vielmehr komme es im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - (vgl. u.a. Urteile vom 28.04.2009 - 2 A 8/08 -, vom 18.04.1996 - 4 C 6/95 -, vom 14.08.1987 - 8 C 129/84 - und vom 14.01.1983 - 8 C 80/80 -; s.a. Dürr in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl., 2010, § 80 Rdn. 25, Kunze in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 24. Aufl., 2010, § 80 Rdn. 27; Stelkens/Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2009, § 80 Rdn. 32 jeweils m.w.N.) allein auf den äußeren Erfolg an. Werde dem Widerspruch ganz oder teilweise stattgegeben - aus welchen Gründen auch immer - so gelte dies als eine für den Widerspruchsführer erfolgreiche Durchsetzung seines Begehrens.

Mit der Rechtsprechung des BSG setzt der Senat jedoch - wie oben dargestellt - voraus, dass eine Kausalität zwischen Widerspruchseinlegung und dem Erfolg des Widerspruchs besteht.

Der o.a. Ansicht des BSG steht nicht - wie das LSG Niedersachen-Bremen a.a.O. meint - bereits der Wortlaut des § 63 SGB X entgegen, der insofern keinesfalls eindeutig ist. Dies hat auch das BVerwG in seinem Urteil vom 14.01.1983 - 8 C 80/80 - zurückhaltend eingeräumt und gemeint, der Wortlaut sei "nahezu" eindeutig. Nach dieser Regelung kommt es nämlich entscheidend darauf an, dass der Widerspruch erfolgreich ist. Dies kann - wie vom BVerwG - dahin gehend ausgelegt werden, dass es formal auf das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens ankommt oder dahin, dass es darauf ankommt, dass der teilweise oder umfängliche Erfolg - so der Senat im Anschluss an das BSG - auf den Widerspruch zurückzuführen ist.

Soweit das LSG Niedersachsen-Bremen im Anschluss an das BVerwG im Weiteren seine Auffassung auf die Entstehungsgeschichte des § 80 VwVfG stützt, auf dem die spätere Regelung des § 63 SGB X beruht, vermag dies nicht zu überzeugen. Nachdem der Große Senat des BVerwG mit Beschluss vom 01.11.1965 - GrSen 2.65 - und ergänzend der 8. Senat des BVerwG mit Urteil vom 30.08.1972 - VIII C 2.72 - entschieden hatte, dass Kosten eines isolierten Vorverfahrens in damaliger Ermangelung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift nicht nach Maßgabe des Prozessrechts (§ 193 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO )) erstattet werden können (vgl. auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 7/910 S.91 zu § 76), hat der Gesetzgeber mit § 80 VwVfG eine bundeseinheitliche Kostenregelung in dem insgesamt zum 01.01.1977 in Kraft getretenen VwVfG (BGBl I 1253) erlassen. Die Regelung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, die gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG für Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch nicht gilt, hat der Gesetzgeber - ohne weitergehende Begründung - wortgleich für diese Verfahren in § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X übernommen (vgl. BT-Drucks. 8/2034 zu § 61 S. 36).

Im Gesetzgebungsverfahren des § 80 VwVfG wurde zwar erörtert, ob eine Kostenerstattungspflicht dann entfallen soll, wenn einem Widerspruch nicht wegen Rechtswidrigkeit, sondern nur wegen Unzweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO (entsprechend § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB X) ebenfalls Prüfgegenstand ist, stattgegeben wird. Der Regierungsentwurf hat indessen die Differenzierung abgelehnt und zur Begründung (vgl. Bundestags-Drs. 7/910 zu § 76 S. 92) ausgeführt: "Eine unterschiedliche Beurteilung der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit einerseits und der Aufhebung wegen Unzweckmäßigkeit andererseits könnte das Kostenverfahren mit schwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen belasten. Um eine zu kasuistische Regelung zu vermeiden, sind auch besondere Bestimmungen über die Kostentragung bei falscher Sachbehandlung durch die Behörde nicht aufgenommen. Fälle dieser Art können weitgehend nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgewickelt werden". Soweit das LSG Niedersachsen-Bremen zur Begründung seiner Auffassung unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung ausgeführt hat, die Rechtsprechung des BSG sei vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte des § 63 SGB X nicht überzeugend, stützt sie sich ohne den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen, lediglich auf Fragmente der Gesetzesbegründung ("Dies gilt umso mehr, als sie im Ergebnis zu einer umfangreichen Kasuistik führt, die mit der das Kostenverfahren gerade nicht belastet werden sollte"). Zum einen bezieht sich diese Gesetzesbegründung auf einen anderen Sachverhalt (falsche Sachbehandlung durch die Behörde), zum anderen hat der Gesetzgeber nicht - wie es das LSG Niedersachsen-Bremen andeutet - einer unterschiedlichen Behandlung von unterschiedlichen Fallkonstellationen durch die Rechtsprechung vorbeugen wollen. Der Gesetzgeber hielt vielmehr für den zitieren Fall eine eigene Fallgruppenbildung in § 80 VwVfG vor dem Hintergrund des § 839 BGB und einer u.U. schwierigen rechtlichen Abgrenzung für nicht erforderlich. Aus der Entstehungsgeschichte des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG respektive § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X lässt sich keine i.S. der Rechtsprechung des BVerwG einschränkende Auslegung herleiten.

Auch ergeben sich aus dem Bedeutungszusammenhang zwischen § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit den übrigen Bestimmungen dieser Vorschrift keine Hinweise für eine Auslegung im Sinne des BVerwG. Im Rahmen der systematischen Auslegung, die davon ausgeht, dass der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung zu verstehen ist (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 69. Aufl., 2010, Einleitung VII.3.a.bb.), ist zwar auch die Beziehung zwischen den verfahrensrechtlichen Kostenregelungen des SGB X und den prozessrechtlichen Regelungen des SGG zu berücksichtigen. Aber auch aus diesem Zusammenhang lassen sich keine Rückschlüsse ziehen, da die Regelungen zu unterschiedlich sind. Die Kosten des Vorverfahrens gehören, wenn sich das gerichtliche Verfahren an das Vorverfahren anschließt, gemäß § 193 SGG bzw. § 197a SGG i.V.m. § 154 ff. VwGO zu den von der Kostengrundentscheidung des Gerichts umfassten außergerichtlichen Kosten; es gilt der Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 193 Rdn. 5a m.w.N.). Anderenfalls - wie beim vorliegenden sog. isolierten Verfahren - gilt § 63 SGB X. Die Bestimmungen des § 63 SGB X folgen wie die Bestimmungen der §§ 193 ff. SGG zwar dem allgemeinen Grundsatz, dass sich die Kostentragung nach Obsiegen und Unterliegen richtet, knüpfen jedoch grundsätzlich - mit Ausnahme des § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO - nicht an den "Erfolg" des Rechtsmittels an. Zudem sind die prozessrechtlichen Vorschriften des § 193 SGG einerseits, der dem Gericht einen "weiten Spielraum" (Leitherer, a.a.O., § 197a Rdn.10) einräumt, und § 197a SGG i.V.m. § 154 ff. VwGO andererseits, der die Kostenregelung verschiedener Fallgruppen bereits enthält, entgegen der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. so verschieden konzipiert, dass sie nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sind und daher für eine systematische Auslegung § 63 SGB X - gleichermaßen im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG wie des BSG - nicht herangezogen werden können.

Sinn und Zweck des § 63 SGB X hingegen bestätigen die vom BSG entwickelte Rechtsprechung (a.A. BVerwG, Urteil vom 14.01.1983 - 8 C 80/80 - zu § 80 VwVfG). § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat nämlich eine Ausgleichsfunktion. Der "Rechtsträger", der in einem Vorverfahren unterliegt, hat dem Widerspruchsführer die Kosten zu erstatten, die diesem dadurch entstanden sind, dass er zu Unrecht mit dem Verfahren "überzogen" worden ist (vgl. Böhm, Die Kostenentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren in NJW 1977, 1720 m.w.N.). Davon kann indessen bei dem vorliegend gebotenen Erlass eines vorläufigen Bescheides unter Zugrundelegung eines geschätzten (überhöhten) Rückforderungsbetrages keine Rede sein.

Soweit das LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. die Auffassung vertritt, es bedürfe wegen der Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 3 1. Hs. SGB X "des Konstrukts einer kausalen Verknüpfung" nicht, verkennt es, dass diese Vorschrift nicht die Kostengrundentscheidung betrifft, sondern die Erstattungsfähigkeit selbstverschuldeter Aufwendungen und damit die Höhe der zu erstattenden Kosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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