L 12 AS 59/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 274/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 59/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.09.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954), dessen Artikel 1 das Sozialgesetzbuch (SGB) II - Grundsicherung für Arbeitsuchende - beinhaltet.

Der 1966 geborene Kläger bezieht seit dem vorherigen Bezug von Arbeitslosenhilfe seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II.

Mit seiner am 20.07.2005 beim Sozialgericht Düsseldorf eingegangenen Klage machte er geltend, durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt unmittelbar und gegenwärtig in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt zu sein. Die Höhe der Regelleistung ermögliche kein Leben in Menschwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes (GG) und gemäß den UN-Menschenrechten. Anhand einer Vielzahl von Beispielen verdeutlichte er, aus welchem Grunde seines Erachtens die derzeit gewährte Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung für ein menschenwürdiges Leben nicht ausreichten. Außerdem wirkten sich die nur geringen Pflichtversicherungsbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung negativ auf seine zu erwartende Altersrente aus. Das Gesetz sei zudem nicht rechtmäßig zustande gekommen, da der Gesetzgeber vor der Wahl nicht hinreichend deutlich gemacht habe, was er nach der Wahl umzusetzen gedenkt. Durch eine Klage unmittelbar gegen das Gesetz sei wirksamer und umfassender Rechtsschutz gewährt, da es ihm nicht um die Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit einzelner Verwaltungsakte, sondern die Überprüfung des Gesetzes als solches ginge. Die allgemeine Überprüfung der gesetzlichen Bestimmungen sei von grundsätzlicher Bedeutung. Aus § 90 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfG) ließe sich eine entsprechende Legitimation des Gerichts zur Entscheidung über das Gesetz ableiten. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt greife auch ohne weitere Umsetzungsakte unmittelbar in seine Rechte ein. Es würde z.B. von Arbeitgebern als Drohkulisse eingesetzt, um Löhne zu drücken. Die Regelungen zur Einstandspflicht in Bedarfsgemeinschaften hätten unter Umständen schon im Vorfeld Einfluss auf die Wahl des Partners. Da das Gesetz gegen die UN-Menschenrechtskonvention verstoße, die nach Artikel 25 GG unmittelbar gelte, sei nach Artikel 100 Abs. 2 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt für verfassungswidrig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hielt die Klage für unzulässig, da eine abstrakte Normenkontrolle im Sozialgerichtsgesetz nicht vorgesehen sei. Der Kläger könne sich zulässigerweise lediglich gegen Verwaltungakte wenden, die aufgrund des angegriffenen Gesetzes erlassen worden seien. Zudem sei die Klage auch unbegründet, da das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.09.2009 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der Kläger wende sich mit der Klage ausdrücklich nicht gegen einzelne Verwaltungsakte, die auf Basis des von ihm angegriffenen Gesetzes erlassen worden seien, sondern gegen das Gesetz als solches. Eine abstrakte Normenkontrolle sei jedoch nicht statthaft. Anders als die Verwaltungsgerichtsordnung (dort § 47) sehe das SGG ein solches Normenkontrollverfahren nicht vor. Nur in besonderen Ausnahmefällen könne Rechtschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen im Wege der Feststellungsklage oder auch der Leistungsklage in Betracht kommen (zu den Voraussetzungen näher etwa Meyer-Ladewig, SGG, § 55 Rdz. 10 a ff unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG; BSG, Urteil vom 31.05.2006 - B 6 KA 69/04 R - ). Der Kläger wende sich jedoch nicht gegen eine untergesetzliche Rechtsnorm, sondern gegen ein Gesetz, so dass ein Ausnahmefall nicht vorliege.

Soweit der Kläger vortrage, durch das Gesetz selbst und nicht erst durch aufgrund des Gesetzes erlassene Verwaltungsakte in seinen Grundrechten betroffen zu sein, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch bei einer solchen direkten Betroffenheit durch das Gesetz selbst sei eine Klage vor dem Sozialgericht gegen das Gesetz nicht zulässig. Sollte der Kläger mit dieser Argumentation recht haben, stünde ihm jedoch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht offen (Bundesverfassungs-gericht, Beschluss vom 09.03.1994 - 1 BvR 1369/90 -).

Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 23.10.2009 zugestellt.

Hiergegen richtet sich seine Berufung vom 12.11.2009. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen, ohne auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid einzugehen und sich mit dessen Inhalt auseinanderzusetzen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.09.2009 abzuändern und das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt für verfassungswidrig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist sowie auf den Vortrag der Beteiligten im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da sie unzulässig ist. Hierzu verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich zur Vermeidung von Wiederholungen nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers zur Begründung seiner Berufung führt zu keiner abweichenden Entscheidung, denn es lässt eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheides vermissen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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