L 3 R 150/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 300/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 150/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.01.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Hinterbliebenenrente in Form einer Witwen- bzw. Geschiedenenwitwenrente.

Die am 00.00.1941 geborene Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Am 00.00.1964 heiratete sie den Versicherten S K, ebenfalls spanischer Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde seinerzeit nach spanischem Recht geschlossen und mit am 00.00.2004 rechtskräftig gewordenem Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - N vom 28.04.2004 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses (ohne Datum) gemäß Artikel 17 Abs. 1 S. 1, Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB - nach spanischem Recht geschieden. Durch gerichtlichen Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Versicherte ab Rechtskraft der Scheidung einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 310,00 Euro an die Klägerin zu zahlen. Beide Ehegatten gingen anschließend keine neue Ehe ein.

Seit August 2003 bezieht die Klägerin von der Beklagten Altersrente für Frauen in Höhe von damals monatlich 254,25 Euro.

Nachdem der Versicherte am 00.00.2006 verstorben war, wandte die Klägerin sich zunächst telefonisch, nachfolgend unter dem 14.05.2007 schriftlich wegen einer Hinterbliebenenrente an die Beklagte.

Die Beklagte wertete das Schreiben der Klägerin als Antrag auf Witwenrente und lehnte diesen mit Bescheid vom 08.05.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Witwenrente nach § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - nur dann gewährt werden könne, wenn im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten die Ehe noch bestehe; die Klägerin sei im Zeitpunkt des Todes des Versicherten jedoch bereits von diesem geschieden gewesen. Die Zahlung einer Witwenrente an geschiedene Ehegatten gemäß § 243 SGB VI komme ebenfalls nicht in Betracht, weil dies eine Ehescheidung vor dem 01.07.1977 voraussetze.

Der gegen diesen Bescheid am 29.05.2008 eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 30.09.2008 zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 13.10.2008 bei dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe eine Witwenrente an geschiedene Ehegatten zu, obwohl ihre Ehe nicht vor dem in § 243 SGB VI genannten Stichtag (01.07.1977) geschieden worden sei. Hintergrund dieses Stichtags sei die Einführung des Rechtsinstituts des Versorgungsausgleichs zum 01.07.1977 gewesen. Sei ein solcher jedoch - wie in ihrem Fall - nicht durchgeführt worden, weil das spanische Recht einen Versorgungsausgleich nicht kenne, so müsse ihr entgegen dem Wortlaut des § 243 SGB VI Geschiedenenwitwenrente gewährt werden. Im Übrigen erfasse § 243 SGB VI - ebenso wie § 46 SGB VI - lediglich Ehen, die nach deutschem Recht nach Juni 1977 geschieden worden seien. Sie sei jedoch nach spanischem Recht geschieden worden. Sofern das deutsche Recht die Gewährung einer Hinterbliebenenrente bei Scheidungen nach dem 30.06.1977 auch dann ausschließe, wenn ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt worden sei, verstoße dies nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen europarechtliche Vorschriften. Im Übrigen sei die begehrte Rente für sie lebensnotwendig; denn die Witwenrente, die sie von dem spanischen Rentenversicherungsträger beziehe, betrage lediglich ca. 50 Euro monatlich.

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet.

Mit Urteil vom 28.01.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das am 09.02.2010 abgesandte Urteil hat die Klägerin am 15.02.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, § 243 SGB VI sei zumindest analog anzuwenden. Darüber hinaus ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz - GG -. Dessen Schutz erstrecke sich nach der Entscheidung des BVerfG vom 30.11.1982 - 1 BvR 818/81 - nicht nur auf die nach deutschem Recht geschlossenen Ehen, sondern bei ausländischen Staatsbürgern auch auf die nach dem Recht ihrer Heimatländer geschlossenen Ehen. Aufgrund der genannten Entscheidung des BVerfG sei einer Versicherten, die ihr Bevollmächtigter als Rechtsberater der Sozialabteilung der spanischen Botschaft in Bonn ebenfalls vertreten habe und deren Rente zunächst rechtskräftig abgelehnt worden sei, schließlich von dem zuständigen Unfallversicherungsträger Witwenrente gewährt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.01.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 08.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2008 zu verurteilen, ihr Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Versicherten S K nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof mit der Frage vorzulegen, ob § 243 SGB VI insoweit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, als eine Geschiedenenwitwenrente auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Ehe nach dem 30.06.1977 geschieden und ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wurde, sowie dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage vorzulegen, ob die Verweigerung der Witwenrente mit Blick darauf, dass ihr nach dem Tod des nach spanischem Recht geschiedenen Versicherten nach spanischem Recht kein Unterhaltsanspruch mehr zusteht, gegen das Grundgesetz verstößt, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Streitakte S 15 R 160/08 (Sozialgericht Düsseldorf) Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2008 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes, denn sie erfüllt weder die Voraussetzungen für eine Witwenrente an Ehegatten nach § 46 SGB VI noch für eine Witwenrente an Geschiedene nach § 243 SGB VI.

Gemäß § 46 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten unter den in der Vorschrift genannten weiteren Voraussetzungen Anspruch auf kleine bzw. große Witwen- oder Witwerrente. Die Klägerin ist jedoch nicht die Witwe des am 00.00.2006 verstorbenen Versicherten. Witwe oder Witwer ist grundsätzlich, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen ist (BSG SozR Nr. 2 zu § 1263 RVO), wobei als Heirat auch die - hier nicht in Betracht kommende - Begründung einer Lebenspartnerschaft gilt (vgl. Abs. 4 SGB VI). Die Klägerin war im Zeitpunkt des Todes des Versicherten (am 00.00.2006) jedoch nicht mehr mit diesem verheiratet; denn ihre Ehe war bereits am 00.00.2004 durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - N vom 28.04.2004 rechtskräftig geschieden worden.

Die von der Klägerin zumindest erstinstanzlich vertretene Auffassung, (nicht nur § 243 SGB VI, sondern auch) § 46 SGB VI gelte lediglich für Ehen, die nach deutschem Recht und nach dem 30.06.1977 geschieden worden seien, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage; denn § 46 SGB VI regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut und entgegen § 243 SGB VI gerade nicht die Gewährung von Hinterbliebenenrenten an Geschiedene, sondern an im Zeitpunkt des Todes des Ehepartners noch Verheiratete (s.o.).

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente steht der Klägerin ferner nach § 243 SGB VI nicht zu. Gemäß § 243 Abs. 1 bis 4 SGB VI haben Anspruch auf kleine oder große Witwen- bzw. Witwerrente über die in den verschiedenen Absätzen der Vorschrift jeweils genannten weiteren Voraussetzungen hinaus geschiedene Ehegatten, deren Ehe vor dem 01. Juli 1977 geschieden bzw. für nichtig erklärt oder aufgehoben wurde. Die Ehe der Klägerin wurde jedoch nicht vor dem 01.07.1977, sondern erst am 00.00.2004 rechtskräftig geschieden. Der Umstand, dass die Scheidung ausweislich der Gründe des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - N vom 00.00.2004 nach spanischem Recht erfolgte, ist insoweit unerheblich. Entscheidend ist allein, dass die Ehe - wie hier - durch ein rechtskräftiges Urteil im Sinne des § 1564 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - beendet wurde.

§ 243 SGB VI kann entgegen der Meinung der Klägerin nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Anspruch auf Witwenrente an Geschiedene unter den weiteren, in Abs. 1 bis 4 der Vorschrift genannten Voraussetzungen auch dann besteht, wenn die Ehe zwar nach dem 01.07.1977 geschieden, ein Versorgungsausgleich jedoch nicht durchgeführt wurde. Schon der eindeutige Wortlaut des § 243 SGB VI, nach dem eine Witwen- oder Witwerrente an Geschiedene ausdrücklich nur bei Scheidungen vor dem darin genannten Stichtag (01.07.1977) in Betracht kommt, ohne dass der Gesetzestext insbesondere darauf abstellt, ob ein Versorgungsausgleich durchgeführt wurde oder nicht, widerspricht der von der Klägerin begehrten Auslegung (vgl. auch BSG, Beschluss vom 10.07.2002 - B 13 RJ 51/02 B -).

Eine analoge Anwendung des § 243 SGB VI auf Fälle, in denen - wie hier - die Ehe nach dem 30.06.1977 geschieden wurde, ohne dass ein Versorgungsausgleich stattfand, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Insoweit fehlt es bereits an einer - für eine Analogie notwendigen - ungewollten Regelungslücke. Zutreffend ist zwar, dass im Zusammenhang mit der zum 01.07.1977 erfolgten Neuregelung des Scheidungsrechts durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14.06.1976 (BGBl. I S. 1421) bestimmt wurde, dass Geschiedenenwitwenrente nur noch solchen (damals nur) Frauen gewährt wird, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 01.07.1977 beendet worden ist (vgl. Art. 4 Nr. 2 Buchst. a) des 1. EheRG bzw. die Vorgängervorschriften des § 243 SGB VI, nämlich § 42 AVG bzw. § 1265 RVO). Auch trifft es zu, dass § 243 SGB VI bzw. dessen Vorgängervorschriften auf der Erwägung beruh(t)en, dass im Falle einer Ehescheidung nach dem 30.06.1977 ein Versorgungsausgleich stattzufinden hat und es daher grundsätzlich der Gewährung einer Witwenrente zur Unterhaltssicherung des geschiedenen Ehepartners nicht mehr bedarf. Dies bedeutet jedoch nicht im Umkehrschluss und lässt sich im Übrigen auch der Gesetzesbegründung nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber jedem Ehepartner, bei dessen Ehescheidung (nach dem 30.06.1977) ausnahmsweise kein Versorgungsausgleich durchgeführt wurde, sei es weil die Ehegatten den Versorgungsausgleich ausgeschlossen haben, keine ausgleichsfähigen Anwartschaften bestanden oder die Ehe - wie hier - bei ausländischer Staatsangehörigkeit beider Ehegatten nach ausländischem Recht geschieden wurde und das ausländische Recht keinen Versorgungsausgleich kennt, unter den in § 243 SGB VI genannten weiteren Voraussetzungen eine Hinterbliebenenrente zukommen lassen wollte. Vielmehr beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 243 SGB VI bzw. den insoweit inhaltsgleichen Vorgängervorschriften, bei Scheidungen nach dem 30.06.1977 lediglich das Gesamtsystem der Geschiedenenwitwenrente durch das des Versorgungsausgleichs zu ersetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 -) - und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die "Gesamtregelung" im Einzelfall ausnahmsweise zu einer Schlechterstellung der geschiedenen Ehefrau führt (vgl. insoweit auch die im Namen der Bundesregierung abgegebene Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in dem unter dem Aktenzeichen 1 BvL 55/83 bei dem BVerfG anhängig gewesenen Verfahren).

Es ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten, geschiedenen Ehegatten, deren Ehe nach dem 30.06.1977 geschieden, ein Versorgungsausgleich jedoch nicht durchgeführt wurde, unter den in § 243 SGB VI genannten weiteren Voraussetzungen Anspruch auf eine Geschiedenenwitwenrente zu gewähren. Vielmehr ist die Regelung des § 243 SGB VI verfassungsgemäß - mit der Folge, dass es der hilfsweise begehrten Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage an das BVerfG nicht bedarf.

Das BVerfG, dessen Ausführungen sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung der Rechtslage inhaltlich anschließt, hat bereits in seinem Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - festgestellt, dass die Vorgängervorschrift des § 243 SGB VI, nämlich § 42 S. 1 AVG in der Fassung des 1. EheRG, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit nach dem 30.06.1977 geschiedene Ehefrauen auch dann keine Hinterbliebenenrente erhalten, wenn ein Versorgungsausgleich nicht stattgefunden hat. Nach dieser Entscheidung verletzt die genannte Regelung weder die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG bzw. den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch verstößt sie gegen das Rückwirkungsverbot.

Ein Verstoß gegen Art. 14 GG scheidet unabhängig von der Frage, ob Hinterbliebenenrenten der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterliegen, aus; denn selbst wenn unterstellt wird, dass die Geschiedenenwitwenrente als Vollrecht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt, gilt dies jedenfalls nicht für die Rechtsposition, welche die Klägerin in dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 243 SGB VI bzw. der insoweit inhaltsgleichen Vorgängervorschrift (= § 42 AVG) inne hatte.

Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist (BVerfGE 69, 272 (300 f)). Die in Betracht kommende Position muss ein subjektiv-öffentliches Recht auf Leistung begründen, das dem Einzelnen eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen eines Eigentümers entspricht. Das ist der Fall, wenn der Berechtigte davon ausgehen kann, dass es sich um eine ihm ausschließlich zustehende Rechtsposition handelt. Solche Rechtspositionen sind von denjenigen zu unterscheiden, auf die nach der jeweiligen Gesetzeslage lediglich eine Aussicht besteht, die anders als eine Anwartschaft nicht allein durch Ablauf einer Wartezeit und den Eintritt des Versicherungsfalls zum Vollrecht erstarken kann (vgl. BVerfGE 53, 257 (289 f); 69, 272 (300 f); Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 -).

In dem Zeitpunkt, in dem der Gesetzgeber durch die zur Prüfung gestellte Regelung für die Zukunft Witwenrenten an Geschiedene zum Fortfall brachte, hatte die Klägerin jedoch keine ihr in diesem Sinne ausschließlich zustehende Rechtsposition inne. Außer dem Eintritt des Versicherungsfalls - also des Todes des Versicherten - waren weitere Voraussetzungen für den Erhalt einer solchen Rente erforderlich, nämlich u.a. dass die Ehe der Klägerin zukünftig geschieden wurde. Damit war die Entstehung eines Anspruchs auf eine Geschiedenenwitwenrente bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung völlig ungewiss (ebenso für den dortigen Fall BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - mit weiterer Begründung).

Ebenso wenig verletzt § 243 SGB VI den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 67, 231 (236) m.w.N.).

Die Klägerin wird zwar durch den Ausschluss der Geschiedenenwitwenrente schlechter gestellt als jene geschiedenen Frauen, für die der Wegfall dieser Rente ganz oder teilweise durch einen bei der Scheidung (nach dem 30.06.1977) durchzuführenden Versorgungsausgleich kompensiert wird. Diese Schlechterstellung ist jedoch u.a. dadurch gerechtfertigt, dass die Gewährung einer Witwenrente an Geschiedene für diejenigen Frauen, die - wie die Klägerin - nach dem 30.06.1977 ohne Ansprüche auf einen Versorgungsausgleich geschieden worden sind, zur Folge gehabt hätte, dass auf unabsehbare Zeit zwei unterschiedliche Systeme, nämlich die Hinterbliebenenrente an Geschiedene einerseits und der Versorgungsausgleich andererseits, nebeneinander bestanden hätten (BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 -; vgl. auch BVerfGE 53, 257 (309 f)).

Darüber hinaus ist § 243 SGB VI - auch dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - festgestellt - nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig.

Eine "unechte Rückwirkung", die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Fällen vorliegt, in denen - wie hier - eine Norm auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (vgl. BVerfGE 64, 87 (104) m.w.N.), ist mit der Verfassung vereinbar, sofern sich diese in den aus dem rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit ergebenden verfassungsrechtlichen Grenzen halten. Danach ist das Vertrauen des Betroffenen auch bei einer nur "unechten" Rückwirkung enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem dieser nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Indessen kann der Einzelne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung bedarf es danach der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfGE 51, 356 (363); 58, 81 (121), 64, 87 (104)).

Ausgehend hiervon ist die von der Klägerin beanstandete Regelung mit dem Rückwirkungsverbot vereinbar. Zwar ist ihr Vertrauen durch § 243 SGB VI bzw. deren Vorgängervorschrift enttäuscht worden, denn sie konnte bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung (zum 01.07.1977) im Falle einer Scheidung bei Vorversterben des Versicherten mit einer Hinterbliebenenrente rechnen, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt waren. Das öffentliche Interesse an der angegriffenen Regelung überwiegt jedoch gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Beibehaltung der früheren Regelung; denn es bestand ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dem System des Versorgungsausgleichs auch für alle geschiedenen Ehefrauen Geltung zu verschaffen (so BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 -).

Die Klägerin kann die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 243 SGB VI über die vom BVerfG in seinem Beschluss vom 13.05.1986 - 1 BvL 55/83 - einer Prüfung unterzogenen Grundrechte bzw. verfassungsrechtlichen Prinzipien hinaus - schließlich auch nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 GG und die hierzu ergangene Entscheidung des BVerfG vom 30.11.1982 - 1 BvR 818/81 - stützen. Das BVerfG hat in diesem Beschluss lediglich festgestellt, dass es mit Art. 6 Abs. 1 GG, der die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, nicht vereinbar ist, wenn eine Hinterbliebene bei im Übrigen gleichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur deswegen von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen wird, weil ihre Ehe als sog. "hinkende Ehe" nur nach einer ausländischen Rechtsordnung wirksam gewesen ist, nicht jedoch den deutschen Vorschriften über die Form der Eheschließung genügt. Grund für das Nichtbestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Witwenrente an Geschiedene ist jedoch nicht eine etwaige Unwirksamkeit ihrer Ehe mit dem Versicherten - diese wurde vielmehr wirksam geschlossen - , sondern der Umstand, dass die Scheidung nach dem 30.06.1977 erfolgte (s.o.).

Eine Unvereinbarkeit des § 243 SGB VI mit europäischem Recht ist ebenfalls nicht feststellbar - mit der Folge, dass sich der Senat auch nicht zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Sinne von Art. 234 des Vertrages von Amsterdam vom 02.10.1997 (BGBl. 1998 II Seite 386; früher Art. 177 EWG-Vertrag) veranlasst sieht. Weder lässt sich dem Vorbringen der Klägerin entnehmen, welche konkrete gemeinschaftsrechtliche Regelung vorliegend verletzt sein könnte, noch ist eine solche ersichtlich. Insbesondere verstößt die Versagung einer Hinterbliebenenrente nach deutschem Recht nicht gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG-Vertrag. Danach dürfen nationale Regelungen nicht so ausgestaltet sein, dass EG-Wanderarbeitnehmer bzw. deren Angehörige wegen der jeweiligen Nationalität Nachteile erfahren. § 243 SGB VI diskriminiert die Klägerin in diesem Sinne jedoch weder unmittelbar noch mittelbar. Es mag zwar sein, dass ein Versorgungsausgleich anlässlich der Scheidung der Klägerin und des Versicherten schon deshalb nicht durchgeführt wurde, weil diese im Zeitpunkt der Scheidung lediglich die spanische Staatsangehörigkeit besaßen und das somit gemäß Art. 17 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz EGBGB in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung iVm Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auf die Scheidung anwendbare spanische Recht dieses Rechtsinstitut im Gegensatz zu den deutschen Rechtsvorschriften nicht kennt. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Witwenrente an Geschiedene richtet sich jedoch nach denselben Grundsätzen und Maßstäben wie bei einem deutschen Staatsangehörigen. Auch der Stichtag des 01.07.1977 gilt für Scheidungen nach deutschem Recht ebenso wie für Scheidungen nach ausländischem Recht. Die von der Klägerin beanstandete Benachteiligung beruht daher letztlich nicht auf der Regelung des § 243 SGB VI, sondern allein auf den bereits genannten Vorschriften des EGBGB, nach denen bei Eheschließung zweier spanischer Staatsangehöriger nach spanischem Recht auch bezüglich der Scheidungsfolgen spanisches Recht anwendbar ist. Regelungen im Gemeinschaftsrecht zum anwendbaren Recht in Ehesachen bzw. bei Ehescheidung gibt es im europäischen Gemeinschaftsrecht derzeit jedoch nicht (vgl. Ludwig, in jurisPK-BGB, 4. Auflage 2009, Art. 17 EGBGB Rdnr. 1), so dass ein Verstoß gegen europäisches Recht (auch) insofern ausscheidet. Ebenso wenig existieren sonstige europarechtliche Vorgaben, nach denen der Gesetzgeber verpflichtet sein könnte, den geschiedenen Ehegatten in irgendeiner Form an der Altersversorgung des Versicherten partizipieren zu lassen. Derartige Vorgaben enthalten insbesondere weder die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene, die innerhalb der Gemeinschaft zu und abwandern, noch die zum 01.05.2010 an ihre Stelle getretene Verordnung (EG) 883/04 vom 29.04.2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABL. EG Nr. L 166 vom 30.09.2004, S. 1), die nach Inkrafttreten ihrer Durchführungsverordnung VO (EG) 987/09 (ABL. EG Nr. 1, 284 vom 30.10.2009, S. 1) zum 01.11.2009 seit dem 01.05.2010 anwendbar ist. Demgemäß ist (auch) die Rentenversicherung nicht verpflichtet, etwaige Defizite des internationalen Familienrechts auszugleichen (so auch LSG NRW, Urteil vom 23.06.2006 - L 14 R 301/05 -). Das gilt im Übrigen umso mehr, als das EGBGB im Hinblick auf die Durchführung eines Versorungsausgleichs Ausnahmeregelungen für geschiedene Ehegatten enthält, deren Ehe nicht nach deutschem Recht geschieden wurde; denn nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB ist ein Versorgungsausgleich unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen ausnahmsweise auch dann durchzuführen, wenn das auf die Scheidung anzuwendende ausländische Recht - wie im Falle der Klägerin - einen Versorgungsausgleich nicht kennt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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