Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 24 (8) AY 90/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 49/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 2 Abs. 3 Asylbewerberleistungsgesetz ist seinem Sinn und Zweck nach einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Leistungsausschluss nicht für minderjährige Kinder gilt, deren Eltern (-teile) zwar grundsätzlich die Leistungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen, jedoch keine Leistungen nach dem AsylbLG, sondern „höherwertige” Leistungen nach anderen Leistungsgesetzen - z.B. Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - erhalten.
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.10.2008 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Änderung der für den Zeitraum vom 01.05.2006 bis zum 30.04.2007 durch faktische Auszahlung erteilten Leistungsbewilligungen in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2007 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 30.04.2007 Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG unter Anrechnung der bereits geleisteten Zahlungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Zuerkennung höherer sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle der gewährten Leistungen nach den §§ 3 - 7 AsylbLG.
Die am 00.00.1990 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin zu 3), die am 00.00.1993 in Deutschland geborene Klägerin zu 1) sowie der am 00.00.1995 ebenfalls in Deutschland geborene Kläger zu 2) gingen aus einer Verbindung ihrer am 00.00.1975 geborenen Mutter mit dem am 00.00.1974 geborenen B hervor. Die Eltern, die der Volksgruppe der Roma zugehören, schlossen in der Vergangenheit eine Ehe nach Roma-Ritus und üben das Sorgerecht über die minderjährigen Kläger gemeinschaftlich aus. Im Februar 1992 reisten sie gemeinsam mit der Klägerin zu 3) aus dem ehemaligen Jugoslawien in das Bundesgebiet ein. Ihr Asylantrag vom 2.3.1992 wurde abgelehnt (Bescheid vom 16.6.1992; rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts [VG] Gelsenkirchen vom 22.8.1997). Ein danach von der Ausländerbehörde an die Bundesrepublik Jugoslawien gerichtetes Rückübernahmegesuch blieb erfolglos.
Vor diesem Hintergrund wurden den Klägern in der Vergangenheit durchgängig aufenthaltsrechtliche Duldungen erteilt. Die Klägerin zu 3) verfügt seit dem 30.1.2009 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Außerdem bezogen alle drei Kläger durchgehend seit dem 1.6.1997 Leistungen nach § 3 AsylbLG, wobei von der Beklagten für die Zeit ab dem Monat Mai 2006 keine schriftlichen Bescheide erteilt wurden, sondern lediglich tatsächliche Auszahlungen der monatlichen Leistungen erfolgten.
Zwischenzeitlich heiratete die Mutter der Kläger am 00.00.2002 den am 00.00.1973 geborenen deutschen Staatsangehörigen P. Fortan bildeten die Kläger, ihre Mutter sowie ihr Ehemann eine Haushaltsgemeinschaft. Seit dem 1.1.2005 wurden der Mutter der Kläger, die inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erhalten hatte, und ihrem Ehemann als Bedarfsgemeinschaft von dem Integrationscenter für Arbeit H durchgängig Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II (Alg-II) bewilligt. Zum 15.2.2007 zog der Ehemann aus dem gemeinsamen Haushalt aus. Die Mutter der Kläger erhielt in der Folgezeit weiter Alg-II als eigene Bedarfsgemeinschaft.
Am 8.4.2007 legten die Kläger Widerspruch bei der Beklagten ein, mit dem sie geltend machten, ihnen seien ab dem 1.5.2006 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren. Sofern die Beklagte der Auffassung sei, die Kläger hätten die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, baten sie um nähere Begründung. Die Beklagte veranlasste sodann bei ihrem Ausländeramt eine Prüfung des Sachverhaltes. Diese Prüfung kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, welches die Dauer ihres Aufenthaltes verlängert habe, nicht vorgeworfen werden könne. Die Klägerin zu 3) sei ohne Ausweisdokumente in das Bundesgebiet eingereist. Es bestünden jedoch nachvollziehbare Gründe für die Nichtausreise, weil ihre in Scheidung lebende Mutter im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei.
Dennoch wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.7.2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Kläger lebten mit ihrer Mutter und deren Ehemann in Haushaltsgemeinschaft. Der (leibliche) Vater sei unter einer anderen Anschrift wohnhaft. Laufende Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte die Mutter nicht. Sie stehe vielmehr im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Diese Leistungen entsprächen zwar in ihrer Höhe denen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, beruhten aber auf einer anderen gesetzlichen Grundlage. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG sei die Gewährung von erhöhten Leistungen an Minderjährige jedoch nur möglich, wenn mindestens ein Elternteil erhöhte Leistungen nach Abs. 1 der Vorschrift erhalte. Der Beklagten sei sehr wohl bewusst, dass hier eine Regelungslücke bestehe. Eine andere Entscheidung sei aufgrund der Vorgaben des Gesetzestextes jedoch nicht möglich.
Am 3.8.2007 erteilte die Beklagte einen weiteren Bescheid, mit dem sie die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG an die Kläger für die Zeit ab dem 1.5.2007 ablehnte. Dagegen legten die Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Am 6.8.2007 erließ die Beklagte noch einen Bescheid, mit dem sie den Klägern Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für den Monat September 2007 bewilligte. Auch dagegen legten die Kläger Widerspruch ein. Beide Widerspruchsverfahren wurden zwischenzeitlich ruhend gestellt.
Am 3.8.2007 haben die Kläger durch ihren - von beiden Elternteilen bevollmächtigten - Rechtsanwalt Klage beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Zur Begründung der Klage ist ausgeführt worden, die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG werde dem Ziel sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht gerecht. § 2 Abs. 3 AsylbLG bezwecke, die Leistungsansprüche innerhalb einer Familie einheitlich zu behandeln, wobei die leistungsrechtliche Gleichbehandlung allerdings nicht zu einer Besserstellung von Familienmitgliedern, die an sich keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG hätten, führen solle. Der Leistungsanspruch eines Elternteiles nach § 3 AsylbLG solle nicht auf das Niveau des Leistungsanspruches des Kindes nach § 2 AsylbLG gehoben werden, sondern es solle allein umgekehrt eine Gleichbehandlung von Kindern auf dem niedrigeren Niveau ihrer nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten Eltern erfolgen. Die Auslegung der Beklagten führe nicht zu einer leistungsrechtlichen Gleichbehandlung der Familienmitglieder, sondern verfestige sogar deren leistungsrechtliche Ungleichbehandlung. Ziel, Sinn und Zweck der Norm verlangten, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG erst recht dann nicht ausschließe, wenn der entsprechende Elternteil sogar höherwertige Sozialleistungen nach dem SGB II statt nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte. Dies ergebe sich zumindest mittelbar auch aus Entscheidungen des Hessischen Landessozialgerichts - LSG - (L 7 AY 14/06 ER und L 7 B 90/07 AY) und des SG Freiburg vom 24.1.2008 (S 4 SO 5144/06). Im Übrigen sei im Hinblick auf die tatsächlichen Abläufe in dem vorliegenden Fall nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst hätten. Außerdem habe die Beklagte inzwischen in einem Parallelverfahren einen Abhilfebescheid erlassen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihrer Verwaltungsakte in Form der Überweisungen der Leistungen für die Monate Mai 2006, Juni 2006, Juli 2006, August 2006, September 2006, Oktober 2006, November 2006, Dezember 2006, Januar 2007, Februar 2007, März 2007 und April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2007 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.4.2007 Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG analog SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu dem Inhalt der angefochtenen Bescheide hat sie geltend gemacht, die Entscheidungen des Hessischen LSG seien auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG seien zwar "dem Grunde nach" als erfüllt anzusehen, die Versagung von Leistungen nach § 2 AsylbLG stütze sich aber auf Abs. 3 der Vorschrift. Die Abhilfeentscheidung in einem anderen Fall sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar. Dort seien bereits zuvor Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Kinder bewilligt worden, die durch die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) an die Eltern wieder weggefallen wären. Dadurch wären die Kinder in der Tat durch "bessere" Leistungen an die Eltern schlechter gestellt worden. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger jedoch noch nie Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten, so dass eine Schlechterstellung nicht vorliege.
Auf die mündliche Verhandlung vom 20.10.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger könnten sich auf den Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht berufen. Solange sie nicht volljährig seien, könne es einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für sie selbst nicht geben. Das AsylbLG knüpfe an den konkreten Aufenthaltsstatus des jeweiligen Leistungsberechtigten an, so dass es erforderlich sei, dass der Elternteil, mit dem das minderjährige Kind in einer Haushaltsgemeinschaft lebe, Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte, mit der Folge, dass eine unmittelbare Leistungsgewährung nach dem SGB II nicht ausreiche (im Ergebnis ebenso Oberverwaltungsgericht [OVG] Niedersachsen, Beschluss vom 21.6.2000 - 12 L 3349/00 sowie Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.6.2008 - Az. B 8/9b AY 1/07 R). Der Gesetzgeber hätte in § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht nur auf den Leistungsbezug nach § 2 Abs. 1 AsylbLG verweisen können, sondern auch auf den Leistungsbezug nach dem SGB II. Dies habe er jedoch nicht getan. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung sinnvoll und zweckmäßig sei. Wenn der Wortlaut eindeutig sei, sei es allein Sache des Gesetzgebers, die Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG zu ändern.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 21.11.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 22.12.2008, einem Montag, Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde von ihrem Prozessbevollmächtigten zusätzlich eine Vollmacht der zwischenzeitlich volljährig gewordenen Klägerin zu 3) vorgelegt.
Ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag machen die Kläger geltend, die in dem angefochtenen Urteil zitierte Entscheidung des OVG Niedersachsen besage zu der hier maßgeblichen Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG nichts. Sie betreffe vielmehr einen anderen Fall. Dasselbe gelte für die von dem SG in Bezug genommene Entscheidung des BSG. Im Übrigen sei in dem Urteil die ohnehin völlig herrschende - wenn nicht gar einhellige - Auffassung vertreten worden, dass eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen gehöre. Der in dem angefochtenen Urteil erwähnte Aspekt der Gewaltenteilung stehe dem nicht entgegen. Es gehe nicht darum, die Gesetzgebung zu ersetzen, sondern darum, anhand von Sinn und Zweck des Gesetzes dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu entsprechen.
Die Beteiligten haben in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine einvernehmliche Regelung dahingehend getroffen, dass die Leistunsgzeiträume ab Mai 2007 leistungsrechtlich entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens behandelt werden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.10.2008 zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihrer Verwaltungsakte in Form der Überweisungen der Leistungen für die Monate Mai 2006 bis April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2007 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1.5.2006 bis zum 30.4.2007 Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Sie beruft sich ergänzend nochmals auf die Entscheidung des BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R (Rn. 25, 47/48). Dort werde stets darauf verwiesen, dass minderjährige Kinder nur dann Analogleistungen erhalten könnten, wenn mindestens ein in dem Haushalt lebender Elternteil diese Leistungen beziehe. Im Übrigen bestätige das BSG, dass bei den für die Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erforderlichen Vorbezugszeiten tatsächlich nur der Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG zähle, auch wenn der Hilfeempfänger stattdessen "höherwertige Leistungen" wie Alg-II, Erwerbseinkommen usw. erhalten habe. Das BSG halte sich hier strikt an den Wortlaut des Gesetzes.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowohl betreffend die ausländerrechtlichen Angelegenheiten der Kläger als auch betreffend die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen nach Maßgabe des § 2 AsylbLG für die Zeit vom 1.5.2006 bis zum 30.4.2007. Hierauf haben die Kläger ihren Klageantrag jedenfalls zulässigerweise beschränkt bzw. für den Folgezeitraum ab Mai 2007 in der mündlichen Verhandlung eine vergleichsweise Regelung mit der Beklagten getroffen (zu dieser Möglichkeit BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 AY 1/08 R Rn. 10, sowie im Hinblick auf die insoweit vergleichbare Situation im Falle des § 96 SGG Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rz. 11a). Es kann daher offen bleiben, ob die gesondert angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3. bzw. 6.8.2007 nach Maßgabe der Vorschrift des § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens waren (dazu BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R Rn. 10).
Die Berufung der Kläger ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
I. Die Zulässigkeit der Klage und der Berufung scheitert nicht an der mangelnden Prozessfähigkeit der (minderjährigen) Kläger. Denn die gemeinschaftlich sorgeberechtigten Eltern haben den Klägerbevollmächtigten ordnungsgemäß (dazu BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R) zur Führung des Verfahrens bevollmächtigt. Im Übrigen ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG zulässig (BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R Rz. 11 - sog. "unechter Höhenstreit").
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu z.B. Urteile vom 25.2.2008 - L 20 SO 31/07 und vom 17.5.2010 - L 20 AY 10/10) ist - dem sog. Rechtsträgerprinzip folgend - die Stadt H richtige Beklagte.
II. Die durch die tatsächliche Auszahlung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG an die Kläger erlassenen Verwaltungsakte der Beklagten für den Leistungszeitraum von Mai 2006 bis April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2007 sind rechtswidrig. Die Kläger sind deswegen beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Ihnen stehen für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach höhere Leistungen nach Maßgabe der Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG zu.
(Minderjährige) Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG haben einen Anspruch auf Analogleistungen, wenn sie in ihrer Person die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen und der Leistungsanspruch nicht nach § 2 Abs. 3 AsylbLG eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R Rn. 25; Urteil des Senats vom 28.7.2008 - L 20 AY 20/08 Rn. 31; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 2 AsylbLG Rn. 42 m.w.N.).
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG liegen vor. Alle drei Kläger haben vor dem 1.5.2006 länger als 48 Monate Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und damit die Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt. Von einer rechtsmissbräuchlichen Verlängerung des Aufenthaltes der Kläger in der Bundesrepublik (dazu grundsätzlich BSG a.a.O. Rz. 32 ff.) ist nicht auszugehen. Die Ausländerbehörde der Beklagten hat insoweit bezogen auf die Kläger eine für diese positive Stellungnahme abgegeben. Diesem Votum hat sich die Beklagte im Ergebnis angeschlossen. Auch sonst ist weder vorgetragen noch für den Senat aus den Akten ersichtlich, dass eine rechtsmissbräuchliche Verlängerung des Aufenthaltes der Kläger vorliegen könnte. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf ein möglicherweise rechtsmissbräuchliches Verhalten der Eltern der Kläger. Es kann deswegen dahinstehen, welche Konsequenzen ein solches Verhalten ggf. für einen Leistungsanspruch der Kläger haben könnte.
Da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG für sich genommen (bei allen Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft) erfüllt sind, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites allein darauf an, ob für die Kläger höhere Leistungen nach § 2 Abs. 3 AsylbLG gleichwohl ausgeschlossen sind.
Dem reinen Wortlaut nach ist dies, wie das SG zutreffend ausführt, der Fall. Denn die in dem hier fraglichen Zeitraum sämtlich noch minderjährigen Kläger lebten mit ihrer Mutter als einzigem (leiblichen) Elternteil in Haushaltsgemeinschaft, wobei die Mutter damals keine Leistungen von der Beklagten und damit auch keine Leistungen nach § 2 AsylbLG bezog.
Entgegen der Auffassung des SG ist damit die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 AsylbLG noch nicht endgültig bestimmt. Denn auch wenn eine Rechtsnorm von ihrem Wortlaut her klar gefasst ist, kann sie (unbeabsichtigt) lückenhaft gefasst und deshalb bei der Rechtsanwendung auszufüllen sein (vgl. dazu Rüthers, Rechtstheorie, 4. Auflage 2008, Rn. 842 ff.). Hierbei sind, worauf die Kläger zu Recht hinweisen, die allgemein anerkannten juristischen Auslegungsregeln heranzuziehen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96; BSG a.a.O. Rn. 19). Eine ausfüllungsbedürftige, unbeabsichtigte Normlücke liegt vor, wenn die Gesetzgebung vorhandene, nach den Normzwecken regelungsbedürftige Rechtsfragen übersehen hat (Rüthers, a.a.O. Rn. 852). Dies ist nach Überzeugung des Senates bei § 2 Abs. 3 AsylbLG der Fall.
Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum 1. Änderungsgesetz (ÄndG) zum AsylbLG (BT-Drs. 13/2746, S. 16) ergibt, sollte mit der am 1.6.1997 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 3 AsylbLG erreicht werden, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt werden als ihren Eltern, mit denen sie in Haushaltsgemeinschaft leben. Dazu könne es ohne die Neuregelung kommen, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag gestellt hätten, während die Kinder eine Duldung besäßen. Eine solche unterschiedliche Behandlung von mehreren Familienmitgliedern wäre jedoch nicht gerechtfertigt, da die minderjährigen Kinder mit ihren Eltern zusammen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland suchten und ihrem Aufenthalt die gleiche Motivation zugrunde liege, auch wenn es möglich sei, für sie einen anderen aufenthaltsrechtlichen Status zu erlangen als für die Eltern.
Die Begründung stellt damit ausschließlich auf eine Situation ab, in der alle Familienmitglieder gleichzeitig dem Regime des AsylbLG unterfallen und nur die Kinder die Voraussetzungen für den Bezug von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen. Lediglich für diese Fälle wollte der Gesetzgeber also eine Akzessorietät der Leistungen auf dem niedrigeren, durch den Leistungsanspruch der Eltern festgelegten Niveau des § 3 AsylbLG einführen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Begründung noch mit Blick auf die - nicht Gesetz gewordene - Regelung des § 2 Abs. 1 E-AsylbLG erfolgte, die nach Ablauf einer Frist von 24 Monaten eine Besserstellung nur für geduldete leistungsberechtigte Ausländer vorsah, und die damit nur die Konstellation betraf, in der ein minderjähriges Kind leistungsrechtlich bessergestellt werden könnte als seine im selben Haushalt wohnenden Eltern (vgl. SG Freiburg, Urteil vom 24.1.2008 - S 4 SO 5144/06; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 31.5.1999 - 4 L 1884/99). Den umfangreichen Gesetzesmaterialien lassen sich keine Hinweise dafür entnehmen, dass sich im Laufe des relativ langwierigen Gesetzgebungsverfahrens insoweit Änderungen hinsichtlich der dargestellten ursprünglichen gesetzgeberischen Intention ergeben hätten.
Dafür, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG nur die Konstellation erfassen soll, in der auch die Eltern bzw. der Elternteil im Leistungsbezug nach dem AsylbLG stehen, spricht auch die gesetzeshistorische Betrachtung. § 2 Abs. 3 AsylbLG wurde zwar erst mit Wirkung vom 1.6.1997 durch das 1. ÄndG zum AsylbLG eingefügt. Allerdings enthielt § 2 Abs. 2 AsylbLG in der bis zum 31.5.1997 gültigen Fassung eine auf die damalige, etwas abweichende Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. bezogene ähnliche Vorschrift. In der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung (BT-Drs. 12/5008, S. 15 f. - damals noch zu § 1a AsylbLG) heißt es, die Vorschrift schränke Abs. 1 ein, wenn es sich um Ehegatten oder minderjährige Kinder von Asylbewerbern handele, die selbst keinen Asylantrag gestellt hätten. Werde ihnen eine Duldung erteilt, so solle eine Besserstellung nur erfolgen, wenn und solange der Asylbewerber selbst nach Abs. 1 bessergestellt sei. Insofern sollten nahe Angehörige gleich behandelt werden. Es ergebe sich zudem, dass in anderen Fällen, z.B. bei zeitverschiedenen Asylverfahren der Ehegatten, jede Person nach den bei ihr vorliegenden Voraussetzungen nach Abs. 1 zu beurteilen sei.
Ein weiteres Argument für eine an dem dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wonach wesentlich gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02 Rz. 31). Das allein am Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG haftende Verständnis des Sozialgerichts und der Bekalgten führt zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung von leistungsberechtigten minderjährigen Kindern, die in einem Haushalt mit Eltern(-teilen) leben, die ("höherwertige") Sozialleistungen nach anderen Gesetzen erhalten, oder die etwa für sich, nicht aber für ihre Kinder bedarfsdeckendes Einkommen erzielen, gegenüber leistungsberechtigten minderjährigen Kindern, die in einem Haushalt mit Eltern(-teilen) leben, die Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalten. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung vermag der Senat nicht zu erkennen, wenn - wie hier unstreitig - alle zu berücksichtigenden Personen der Haushaltsgemeinschaft grundsätzlich die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen (ebenso SG Hildesheim, Urteil vom 28.1.2010 - S 40 AY 158/10 Rz. 30 ff.; SG Aachen, Urteil vom 30.1.2007 - S 20 AY 20/06 Rz. 19 f.). Die Benachteiligung des betroffenen Personenkreises geht auch über bloße Randbereiche hinaus, weil er - im Übrigen gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt - unabweislich bis zum Eintritt der Volljährigkeit, also ggf. über Jahre, auf die deutlich niedrigeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu verweisen wäre. Der in diesem Zusammenhang vorgetragene Einwand der Beklagten, es liege im Gegensatz zu Fällen, in denen die Familie insgesamt bereits vor dem Wechsel im Leistungsbezug der Eltern bzw. des Elternteiles Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezogen habe, hier eine Schlechterstellung nicht vor, überzeugt nicht, weil die Beantwortung der Frage, ob eine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliegt, nicht von der Zufälligkeit abhängen kann, ob vor dem Wechsel des Leistungsbezuges der Eltern bzw. des Elternteils die Vorbezugszeit von 48 Monaten bereits abgelaufen war oder nicht.
Die Beklagte bzw. das SG berufen sich für ihre Rechtsauffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des OVG Niedersachsen bzw. des BSG. Die zitierte Entscheidung des OVG Niedersachsen (Beschluss vom 21.6.2000 - 12 L 3349/00) betraf eine wesentlich andere Fallgestaltung. Es ging dort im Kern darum, ob der Bezug von Analogleistungen durch die Eltern einen entsprechenden Anspruch der Kinder zu begründen vermag, wenn diese die Vorbezugszeit noch nicht erfüllt haben. Diese Fragestellung bleibt von der hier relevanten Problematik unberührt. Nichts anderes gilt für die Entscheidung des BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R. Auch dort ging es wesentlich darum, ob minderjährige Kinder für sich die Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 erfüllen müssen und durch welche Art von Leistungen der Vorbezugszeit erfüllt werden kann. Die Ausführungen des BSG (a.a.O., Rn. 26) stützen im Übrigen eher die hier vertretene Auffassung. In der Tat kann zwar auch die Klägerseite aus der Entscheidung des Hessischen LSG vom 21.3.2007 - L 7 AY 14/06 ER nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil es dort ebenfalls um die Frage der Erfüllung der Vorbezugszeit nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ging. Darauf kommt es vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten Argumentation jedoch nicht entscheidend an. Soweit der Senat selbst in seinem Urteil vom 28.7.2008 - L 20 AY 20/08 (Rn. 33 f.) ausgeführt hat, § 2 Abs. 1 AsylbLG sei einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich, steht dies der dargestellten Argumentation ebenfalls nicht entgegen, weil es sich auch dort um eine der vorstehend beschriebenen wesentlich anderen Fallgestaltungen handelte, bei der es um die Erfüllung der Vorbezugszeit ging.
Schließlich kann auch das Argument des SG, der Gesetzgeber hätte, wenn er es gewollt hätte, die hier zur Entscheidung stehenden Fallgestaltung aus der Regelung des § 2 Abs. 3 AsylbLG herausnehmen können, schon deswegen nicht zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreites führen, weil - wie dargelegt - insoweit eine Regelungslücke im Gesetz vorliegt. Abgesehen davon hätte der Gesetzgeber im Zeitpunkt der Verabschiedung des 1. ÄndG zum AsylbLG allenfalls über die Herausnahme von Minderjährigen nachdenken können, deren Eltern Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder in Form von Arbeitslosenhilfe bezogen, nicht aber über diejenigen, deren Eltern im Alg-II-Bezug stehen; den diese Leistungen existierten damals noch nicht.
Das Gesetz enthält demnach eine - auch von der Beklagten letztlich nicht bestrittene - Lücke für Fälle, in denen Eltern und Kinder zwar in Haushaltsgemeinschaft leben, aber nicht (mehr) einheitlich Leistungen nach dem AsylbLG erhalten. Eine solche Lücke hat das Gericht auf der Linie des festgestellten Normzwecks teleologisch zu schließen (Rüthers a.a.O., Rn 887 m.w.N.). Wenn - wie hier - bei allein am Wortlaut der Norm orientierter Auslegung die Regelung auch solche Lebenssachverhalte erfasst, die nach dem Normzweck nicht erfasst werden sollen, muss der Textsinn nach seinem erkennbaren Normzweck eingeschränkt werden (Rüthers a.a.O., Rn. 902 f.). Danach sind in § 2 Abs. 3 AsylbLG vor die Wörter "Eltern" und "Elternteil" die Wörter "nach dem AsylbLG leistungsberechtigten" hinzuzulesen (SG Hildesheim, Urteil vom 28.1.2010 - S 40 AY 158/10 Rn. 38; im Ergebnis ebenso SG Aachen, Urteil vom 30.1.2007 - S 20 AY 20/06 Rn. 19 f.; SG Freiburg, Urteil vom 24.1.2008 - S 4 SO 5144/06; Herbst in Mergler/Zink, § 2 AsylbLG Rn. 51; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 8. Auflage 2009, AsylbLG § 2, Rn. 14). Dies führt hier dazu, dass der Leistungsausschluss des § 2 Abs. 3 AsylbLG für die Kläger nicht greift; ihnen stehen für den fraglichen Zeitraum vielmehr die höheren Analogleistungen zu.
Die Beklagte war daher antragsgemäß zur Leistung dem Grunde nach zu verurteilen, ohne dass darüber befunden werden musste, in welchem Umfang in dem streitgegenständlichen Zeitraum bereits erbrachte Leistungen nach § 3 AsylbLG und/oder § 6 AsylbLG zur Anrechnung zu gelangen haben (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die streitige Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG für den Fall des Bezuges "höherwertiger Leistungen" durch die Eltern bzw. einen Elternteil ist noch nicht höchstrichterlich geklärt und betrifft eine unbestimmte Mehrzahl weiterer Fälle. Die Entscheidung der Rechtsfrage steht daher im allgemeinen Interesse. Der Senat misst der Angelegenheit vor diesem Hintergrund grundsätzliche Bedeutung bei und lässt deswegen die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Zuerkennung höherer sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle der gewährten Leistungen nach den §§ 3 - 7 AsylbLG.
Die am 00.00.1990 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin zu 3), die am 00.00.1993 in Deutschland geborene Klägerin zu 1) sowie der am 00.00.1995 ebenfalls in Deutschland geborene Kläger zu 2) gingen aus einer Verbindung ihrer am 00.00.1975 geborenen Mutter mit dem am 00.00.1974 geborenen B hervor. Die Eltern, die der Volksgruppe der Roma zugehören, schlossen in der Vergangenheit eine Ehe nach Roma-Ritus und üben das Sorgerecht über die minderjährigen Kläger gemeinschaftlich aus. Im Februar 1992 reisten sie gemeinsam mit der Klägerin zu 3) aus dem ehemaligen Jugoslawien in das Bundesgebiet ein. Ihr Asylantrag vom 2.3.1992 wurde abgelehnt (Bescheid vom 16.6.1992; rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts [VG] Gelsenkirchen vom 22.8.1997). Ein danach von der Ausländerbehörde an die Bundesrepublik Jugoslawien gerichtetes Rückübernahmegesuch blieb erfolglos.
Vor diesem Hintergrund wurden den Klägern in der Vergangenheit durchgängig aufenthaltsrechtliche Duldungen erteilt. Die Klägerin zu 3) verfügt seit dem 30.1.2009 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Außerdem bezogen alle drei Kläger durchgehend seit dem 1.6.1997 Leistungen nach § 3 AsylbLG, wobei von der Beklagten für die Zeit ab dem Monat Mai 2006 keine schriftlichen Bescheide erteilt wurden, sondern lediglich tatsächliche Auszahlungen der monatlichen Leistungen erfolgten.
Zwischenzeitlich heiratete die Mutter der Kläger am 00.00.2002 den am 00.00.1973 geborenen deutschen Staatsangehörigen P. Fortan bildeten die Kläger, ihre Mutter sowie ihr Ehemann eine Haushaltsgemeinschaft. Seit dem 1.1.2005 wurden der Mutter der Kläger, die inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erhalten hatte, und ihrem Ehemann als Bedarfsgemeinschaft von dem Integrationscenter für Arbeit H durchgängig Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II (Alg-II) bewilligt. Zum 15.2.2007 zog der Ehemann aus dem gemeinsamen Haushalt aus. Die Mutter der Kläger erhielt in der Folgezeit weiter Alg-II als eigene Bedarfsgemeinschaft.
Am 8.4.2007 legten die Kläger Widerspruch bei der Beklagten ein, mit dem sie geltend machten, ihnen seien ab dem 1.5.2006 Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu gewähren. Sofern die Beklagte der Auffassung sei, die Kläger hätten die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, baten sie um nähere Begründung. Die Beklagte veranlasste sodann bei ihrem Ausländeramt eine Prüfung des Sachverhaltes. Diese Prüfung kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, welches die Dauer ihres Aufenthaltes verlängert habe, nicht vorgeworfen werden könne. Die Klägerin zu 3) sei ohne Ausweisdokumente in das Bundesgebiet eingereist. Es bestünden jedoch nachvollziehbare Gründe für die Nichtausreise, weil ihre in Scheidung lebende Mutter im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei.
Dennoch wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.7.2007 zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Kläger lebten mit ihrer Mutter und deren Ehemann in Haushaltsgemeinschaft. Der (leibliche) Vater sei unter einer anderen Anschrift wohnhaft. Laufende Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte die Mutter nicht. Sie stehe vielmehr im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Diese Leistungen entsprächen zwar in ihrer Höhe denen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, beruhten aber auf einer anderen gesetzlichen Grundlage. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG sei die Gewährung von erhöhten Leistungen an Minderjährige jedoch nur möglich, wenn mindestens ein Elternteil erhöhte Leistungen nach Abs. 1 der Vorschrift erhalte. Der Beklagten sei sehr wohl bewusst, dass hier eine Regelungslücke bestehe. Eine andere Entscheidung sei aufgrund der Vorgaben des Gesetzestextes jedoch nicht möglich.
Am 3.8.2007 erteilte die Beklagte einen weiteren Bescheid, mit dem sie die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG an die Kläger für die Zeit ab dem 1.5.2007 ablehnte. Dagegen legten die Kläger ebenfalls Widerspruch ein. Am 6.8.2007 erließ die Beklagte noch einen Bescheid, mit dem sie den Klägern Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für den Monat September 2007 bewilligte. Auch dagegen legten die Kläger Widerspruch ein. Beide Widerspruchsverfahren wurden zwischenzeitlich ruhend gestellt.
Am 3.8.2007 haben die Kläger durch ihren - von beiden Elternteilen bevollmächtigten - Rechtsanwalt Klage beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben. Zur Begründung der Klage ist ausgeführt worden, die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG werde dem Ziel sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht gerecht. § 2 Abs. 3 AsylbLG bezwecke, die Leistungsansprüche innerhalb einer Familie einheitlich zu behandeln, wobei die leistungsrechtliche Gleichbehandlung allerdings nicht zu einer Besserstellung von Familienmitgliedern, die an sich keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG hätten, führen solle. Der Leistungsanspruch eines Elternteiles nach § 3 AsylbLG solle nicht auf das Niveau des Leistungsanspruches des Kindes nach § 2 AsylbLG gehoben werden, sondern es solle allein umgekehrt eine Gleichbehandlung von Kindern auf dem niedrigeren Niveau ihrer nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten Eltern erfolgen. Die Auslegung der Beklagten führe nicht zu einer leistungsrechtlichen Gleichbehandlung der Familienmitglieder, sondern verfestige sogar deren leistungsrechtliche Ungleichbehandlung. Ziel, Sinn und Zweck der Norm verlangten, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG erst recht dann nicht ausschließe, wenn der entsprechende Elternteil sogar höherwertige Sozialleistungen nach dem SGB II statt nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte. Dies ergebe sich zumindest mittelbar auch aus Entscheidungen des Hessischen Landessozialgerichts - LSG - (L 7 AY 14/06 ER und L 7 B 90/07 AY) und des SG Freiburg vom 24.1.2008 (S 4 SO 5144/06). Im Übrigen sei im Hinblick auf die tatsächlichen Abläufe in dem vorliegenden Fall nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich beeinflusst hätten. Außerdem habe die Beklagte inzwischen in einem Parallelverfahren einen Abhilfebescheid erlassen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihrer Verwaltungsakte in Form der Überweisungen der Leistungen für die Monate Mai 2006, Juni 2006, Juli 2006, August 2006, September 2006, Oktober 2006, November 2006, Dezember 2006, Januar 2007, Februar 2007, März 2007 und April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2007 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1.5.2006 bis 30.4.2007 Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG analog SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu dem Inhalt der angefochtenen Bescheide hat sie geltend gemacht, die Entscheidungen des Hessischen LSG seien auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragbar. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG seien zwar "dem Grunde nach" als erfüllt anzusehen, die Versagung von Leistungen nach § 2 AsylbLG stütze sich aber auf Abs. 3 der Vorschrift. Die Abhilfeentscheidung in einem anderen Fall sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar. Dort seien bereits zuvor Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Kinder bewilligt worden, die durch die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) an die Eltern wieder weggefallen wären. Dadurch wären die Kinder in der Tat durch "bessere" Leistungen an die Eltern schlechter gestellt worden. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger jedoch noch nie Leistungen nach § 2 AsylbLG erhalten, so dass eine Schlechterstellung nicht vorliege.
Auf die mündliche Verhandlung vom 20.10.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kläger könnten sich auf den Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht berufen. Solange sie nicht volljährig seien, könne es einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für sie selbst nicht geben. Das AsylbLG knüpfe an den konkreten Aufenthaltsstatus des jeweiligen Leistungsberechtigten an, so dass es erforderlich sei, dass der Elternteil, mit dem das minderjährige Kind in einer Haushaltsgemeinschaft lebe, Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalte, mit der Folge, dass eine unmittelbare Leistungsgewährung nach dem SGB II nicht ausreiche (im Ergebnis ebenso Oberverwaltungsgericht [OVG] Niedersachsen, Beschluss vom 21.6.2000 - 12 L 3349/00 sowie Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.6.2008 - Az. B 8/9b AY 1/07 R). Der Gesetzgeber hätte in § 2 Abs. 3 AsylbLG nicht nur auf den Leistungsbezug nach § 2 Abs. 1 AsylbLG verweisen können, sondern auch auf den Leistungsbezug nach dem SGB II. Dies habe er jedoch nicht getan. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob eine gesetzliche Regelung sinnvoll und zweckmäßig sei. Wenn der Wortlaut eindeutig sei, sei es allein Sache des Gesetzgebers, die Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG zu ändern.
Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 21.11.2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 22.12.2008, einem Montag, Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde von ihrem Prozessbevollmächtigten zusätzlich eine Vollmacht der zwischenzeitlich volljährig gewordenen Klägerin zu 3) vorgelegt.
Ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag machen die Kläger geltend, die in dem angefochtenen Urteil zitierte Entscheidung des OVG Niedersachsen besage zu der hier maßgeblichen Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG nichts. Sie betreffe vielmehr einen anderen Fall. Dasselbe gelte für die von dem SG in Bezug genommene Entscheidung des BSG. Im Übrigen sei in dem Urteil die ohnehin völlig herrschende - wenn nicht gar einhellige - Auffassung vertreten worden, dass eine teleologische Reduktion, eine systematische oder eine historische Auslegung von Vorschriften entgegen ihrem Wortlaut sogar zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen gehöre. Der in dem angefochtenen Urteil erwähnte Aspekt der Gewaltenteilung stehe dem nicht entgegen. Es gehe nicht darum, die Gesetzgebung zu ersetzen, sondern darum, anhand von Sinn und Zweck des Gesetzes dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu entsprechen.
Die Beteiligten haben in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine einvernehmliche Regelung dahingehend getroffen, dass die Leistunsgzeiträume ab Mai 2007 leistungsrechtlich entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang des vorliegenden Verfahrens behandelt werden.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.10.2008 zu ändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihrer Verwaltungsakte in Form der Überweisungen der Leistungen für die Monate Mai 2006 bis April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2007 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1.5.2006 bis zum 30.4.2007 Leistungen gemäß § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Sie beruft sich ergänzend nochmals auf die Entscheidung des BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R (Rn. 25, 47/48). Dort werde stets darauf verwiesen, dass minderjährige Kinder nur dann Analogleistungen erhalten könnten, wenn mindestens ein in dem Haushalt lebender Elternteil diese Leistungen beziehe. Im Übrigen bestätige das BSG, dass bei den für die Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erforderlichen Vorbezugszeiten tatsächlich nur der Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG zähle, auch wenn der Hilfeempfänger stattdessen "höherwertige Leistungen" wie Alg-II, Erwerbseinkommen usw. erhalten habe. Das BSG halte sich hier strikt an den Wortlaut des Gesetzes.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowohl betreffend die ausländerrechtlichen Angelegenheiten der Kläger als auch betreffend die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen nach Maßgabe des § 2 AsylbLG für die Zeit vom 1.5.2006 bis zum 30.4.2007. Hierauf haben die Kläger ihren Klageantrag jedenfalls zulässigerweise beschränkt bzw. für den Folgezeitraum ab Mai 2007 in der mündlichen Verhandlung eine vergleichsweise Regelung mit der Beklagten getroffen (zu dieser Möglichkeit BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 AY 1/08 R Rn. 10, sowie im Hinblick auf die insoweit vergleichbare Situation im Falle des § 96 SGG Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 96 Rz. 11a). Es kann daher offen bleiben, ob die gesondert angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3. bzw. 6.8.2007 nach Maßgabe der Vorschrift des § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens waren (dazu BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R Rn. 10).
Die Berufung der Kläger ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
I. Die Zulässigkeit der Klage und der Berufung scheitert nicht an der mangelnden Prozessfähigkeit der (minderjährigen) Kläger. Denn die gemeinschaftlich sorgeberechtigten Eltern haben den Klägerbevollmächtigten ordnungsgemäß (dazu BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R) zur Führung des Verfahrens bevollmächtigt. Im Übrigen ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG zulässig (BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R Rz. 11 - sog. "unechter Höhenstreit").
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu z.B. Urteile vom 25.2.2008 - L 20 SO 31/07 und vom 17.5.2010 - L 20 AY 10/10) ist - dem sog. Rechtsträgerprinzip folgend - die Stadt H richtige Beklagte.
II. Die durch die tatsächliche Auszahlung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG an die Kläger erlassenen Verwaltungsakte der Beklagten für den Leistungszeitraum von Mai 2006 bis April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2007 sind rechtswidrig. Die Kläger sind deswegen beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Ihnen stehen für den streitgegenständlichen Zeitraum dem Grunde nach höhere Leistungen nach Maßgabe der Vorschrift des § 2 Abs. 1 AsylbLG zu.
(Minderjährige) Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG haben einen Anspruch auf Analogleistungen, wenn sie in ihrer Person die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen und der Leistungsanspruch nicht nach § 2 Abs. 3 AsylbLG eingeschränkt ist (BSG, Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R Rn. 25; Urteil des Senats vom 28.7.2008 - L 20 AY 20/08 Rn. 31; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, § 2 AsylbLG Rn. 42 m.w.N.).
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG liegen vor. Alle drei Kläger haben vor dem 1.5.2006 länger als 48 Monate Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhalten und damit die Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt. Von einer rechtsmissbräuchlichen Verlängerung des Aufenthaltes der Kläger in der Bundesrepublik (dazu grundsätzlich BSG a.a.O. Rz. 32 ff.) ist nicht auszugehen. Die Ausländerbehörde der Beklagten hat insoweit bezogen auf die Kläger eine für diese positive Stellungnahme abgegeben. Diesem Votum hat sich die Beklagte im Ergebnis angeschlossen. Auch sonst ist weder vorgetragen noch für den Senat aus den Akten ersichtlich, dass eine rechtsmissbräuchliche Verlängerung des Aufenthaltes der Kläger vorliegen könnte. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf ein möglicherweise rechtsmissbräuchliches Verhalten der Eltern der Kläger. Es kann deswegen dahinstehen, welche Konsequenzen ein solches Verhalten ggf. für einen Leistungsanspruch der Kläger haben könnte.
Da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG für sich genommen (bei allen Mitgliedern der Haushaltsgemeinschaft) erfüllt sind, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites allein darauf an, ob für die Kläger höhere Leistungen nach § 2 Abs. 3 AsylbLG gleichwohl ausgeschlossen sind.
Dem reinen Wortlaut nach ist dies, wie das SG zutreffend ausführt, der Fall. Denn die in dem hier fraglichen Zeitraum sämtlich noch minderjährigen Kläger lebten mit ihrer Mutter als einzigem (leiblichen) Elternteil in Haushaltsgemeinschaft, wobei die Mutter damals keine Leistungen von der Beklagten und damit auch keine Leistungen nach § 2 AsylbLG bezog.
Entgegen der Auffassung des SG ist damit die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 AsylbLG noch nicht endgültig bestimmt. Denn auch wenn eine Rechtsnorm von ihrem Wortlaut her klar gefasst ist, kann sie (unbeabsichtigt) lückenhaft gefasst und deshalb bei der Rechtsanwendung auszufüllen sein (vgl. dazu Rüthers, Rechtstheorie, 4. Auflage 2008, Rn. 842 ff.). Hierbei sind, worauf die Kläger zu Recht hinweisen, die allgemein anerkannten juristischen Auslegungsregeln heranzuziehen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96; BSG a.a.O. Rn. 19). Eine ausfüllungsbedürftige, unbeabsichtigte Normlücke liegt vor, wenn die Gesetzgebung vorhandene, nach den Normzwecken regelungsbedürftige Rechtsfragen übersehen hat (Rüthers, a.a.O. Rn. 852). Dies ist nach Überzeugung des Senates bei § 2 Abs. 3 AsylbLG der Fall.
Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum 1. Änderungsgesetz (ÄndG) zum AsylbLG (BT-Drs. 13/2746, S. 16) ergibt, sollte mit der am 1.6.1997 in Kraft getretenen Neufassung des § 2 Abs. 3 AsylbLG erreicht werden, dass innerhalb einer Familie minderjährigen Kindern keine anderen Leistungen gewährt werden als ihren Eltern, mit denen sie in Haushaltsgemeinschaft leben. Dazu könne es ohne die Neuregelung kommen, wenn beide Elternteile lediglich für sich einen Asylantrag gestellt hätten, während die Kinder eine Duldung besäßen. Eine solche unterschiedliche Behandlung von mehreren Familienmitgliedern wäre jedoch nicht gerechtfertigt, da die minderjährigen Kinder mit ihren Eltern zusammen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland suchten und ihrem Aufenthalt die gleiche Motivation zugrunde liege, auch wenn es möglich sei, für sie einen anderen aufenthaltsrechtlichen Status zu erlangen als für die Eltern.
Die Begründung stellt damit ausschließlich auf eine Situation ab, in der alle Familienmitglieder gleichzeitig dem Regime des AsylbLG unterfallen und nur die Kinder die Voraussetzungen für den Bezug von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen. Lediglich für diese Fälle wollte der Gesetzgeber also eine Akzessorietät der Leistungen auf dem niedrigeren, durch den Leistungsanspruch der Eltern festgelegten Niveau des § 3 AsylbLG einführen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Begründung noch mit Blick auf die - nicht Gesetz gewordene - Regelung des § 2 Abs. 1 E-AsylbLG erfolgte, die nach Ablauf einer Frist von 24 Monaten eine Besserstellung nur für geduldete leistungsberechtigte Ausländer vorsah, und die damit nur die Konstellation betraf, in der ein minderjähriges Kind leistungsrechtlich bessergestellt werden könnte als seine im selben Haushalt wohnenden Eltern (vgl. SG Freiburg, Urteil vom 24.1.2008 - S 4 SO 5144/06; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 31.5.1999 - 4 L 1884/99). Den umfangreichen Gesetzesmaterialien lassen sich keine Hinweise dafür entnehmen, dass sich im Laufe des relativ langwierigen Gesetzgebungsverfahrens insoweit Änderungen hinsichtlich der dargestellten ursprünglichen gesetzgeberischen Intention ergeben hätten.
Dafür, dass § 2 Abs. 3 AsylbLG nur die Konstellation erfassen soll, in der auch die Eltern bzw. der Elternteil im Leistungsbezug nach dem AsylbLG stehen, spricht auch die gesetzeshistorische Betrachtung. § 2 Abs. 3 AsylbLG wurde zwar erst mit Wirkung vom 1.6.1997 durch das 1. ÄndG zum AsylbLG eingefügt. Allerdings enthielt § 2 Abs. 2 AsylbLG in der bis zum 31.5.1997 gültigen Fassung eine auf die damalige, etwas abweichende Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. bezogene ähnliche Vorschrift. In der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung (BT-Drs. 12/5008, S. 15 f. - damals noch zu § 1a AsylbLG) heißt es, die Vorschrift schränke Abs. 1 ein, wenn es sich um Ehegatten oder minderjährige Kinder von Asylbewerbern handele, die selbst keinen Asylantrag gestellt hätten. Werde ihnen eine Duldung erteilt, so solle eine Besserstellung nur erfolgen, wenn und solange der Asylbewerber selbst nach Abs. 1 bessergestellt sei. Insofern sollten nahe Angehörige gleich behandelt werden. Es ergebe sich zudem, dass in anderen Fällen, z.B. bei zeitverschiedenen Asylverfahren der Ehegatten, jede Person nach den bei ihr vorliegenden Voraussetzungen nach Abs. 1 zu beurteilen sei.
Ein weiteres Argument für eine an dem dargestellten Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wonach wesentlich gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden dürfen (BVerfG, Beschluss vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02 Rz. 31). Das allein am Wortlaut des § 2 Abs. 3 AsylbLG haftende Verständnis des Sozialgerichts und der Bekalgten führt zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung von leistungsberechtigten minderjährigen Kindern, die in einem Haushalt mit Eltern(-teilen) leben, die ("höherwertige") Sozialleistungen nach anderen Gesetzen erhalten, oder die etwa für sich, nicht aber für ihre Kinder bedarfsdeckendes Einkommen erzielen, gegenüber leistungsberechtigten minderjährigen Kindern, die in einem Haushalt mit Eltern(-teilen) leben, die Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhalten. Einen sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung vermag der Senat nicht zu erkennen, wenn - wie hier unstreitig - alle zu berücksichtigenden Personen der Haushaltsgemeinschaft grundsätzlich die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen (ebenso SG Hildesheim, Urteil vom 28.1.2010 - S 40 AY 158/10 Rz. 30 ff.; SG Aachen, Urteil vom 30.1.2007 - S 20 AY 20/06 Rz. 19 f.). Die Benachteiligung des betroffenen Personenkreises geht auch über bloße Randbereiche hinaus, weil er - im Übrigen gleichbleibende Verhältnisse vorausgesetzt - unabweislich bis zum Eintritt der Volljährigkeit, also ggf. über Jahre, auf die deutlich niedrigeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu verweisen wäre. Der in diesem Zusammenhang vorgetragene Einwand der Beklagten, es liege im Gegensatz zu Fällen, in denen die Familie insgesamt bereits vor dem Wechsel im Leistungsbezug der Eltern bzw. des Elternteiles Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bezogen habe, hier eine Schlechterstellung nicht vor, überzeugt nicht, weil die Beantwortung der Frage, ob eine zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliegt, nicht von der Zufälligkeit abhängen kann, ob vor dem Wechsel des Leistungsbezuges der Eltern bzw. des Elternteils die Vorbezugszeit von 48 Monaten bereits abgelaufen war oder nicht.
Die Beklagte bzw. das SG berufen sich für ihre Rechtsauffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des OVG Niedersachsen bzw. des BSG. Die zitierte Entscheidung des OVG Niedersachsen (Beschluss vom 21.6.2000 - 12 L 3349/00) betraf eine wesentlich andere Fallgestaltung. Es ging dort im Kern darum, ob der Bezug von Analogleistungen durch die Eltern einen entsprechenden Anspruch der Kinder zu begründen vermag, wenn diese die Vorbezugszeit noch nicht erfüllt haben. Diese Fragestellung bleibt von der hier relevanten Problematik unberührt. Nichts anderes gilt für die Entscheidung des BSG vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R. Auch dort ging es wesentlich darum, ob minderjährige Kinder für sich die Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 erfüllen müssen und durch welche Art von Leistungen der Vorbezugszeit erfüllt werden kann. Die Ausführungen des BSG (a.a.O., Rn. 26) stützen im Übrigen eher die hier vertretene Auffassung. In der Tat kann zwar auch die Klägerseite aus der Entscheidung des Hessischen LSG vom 21.3.2007 - L 7 AY 14/06 ER nichts zu ihren Gunsten herleiten, weil es dort ebenfalls um die Frage der Erfüllung der Vorbezugszeit nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ging. Darauf kommt es vor dem Hintergrund der vorstehend dargestellten Argumentation jedoch nicht entscheidend an. Soweit der Senat selbst in seinem Urteil vom 28.7.2008 - L 20 AY 20/08 (Rn. 33 f.) ausgeführt hat, § 2 Abs. 1 AsylbLG sei einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich, steht dies der dargestellten Argumentation ebenfalls nicht entgegen, weil es sich auch dort um eine der vorstehend beschriebenen wesentlich anderen Fallgestaltungen handelte, bei der es um die Erfüllung der Vorbezugszeit ging.
Schließlich kann auch das Argument des SG, der Gesetzgeber hätte, wenn er es gewollt hätte, die hier zur Entscheidung stehenden Fallgestaltung aus der Regelung des § 2 Abs. 3 AsylbLG herausnehmen können, schon deswegen nicht zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreites führen, weil - wie dargelegt - insoweit eine Regelungslücke im Gesetz vorliegt. Abgesehen davon hätte der Gesetzgeber im Zeitpunkt der Verabschiedung des 1. ÄndG zum AsylbLG allenfalls über die Herausnahme von Minderjährigen nachdenken können, deren Eltern Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder in Form von Arbeitslosenhilfe bezogen, nicht aber über diejenigen, deren Eltern im Alg-II-Bezug stehen; den diese Leistungen existierten damals noch nicht.
Das Gesetz enthält demnach eine - auch von der Beklagten letztlich nicht bestrittene - Lücke für Fälle, in denen Eltern und Kinder zwar in Haushaltsgemeinschaft leben, aber nicht (mehr) einheitlich Leistungen nach dem AsylbLG erhalten. Eine solche Lücke hat das Gericht auf der Linie des festgestellten Normzwecks teleologisch zu schließen (Rüthers a.a.O., Rn 887 m.w.N.). Wenn - wie hier - bei allein am Wortlaut der Norm orientierter Auslegung die Regelung auch solche Lebenssachverhalte erfasst, die nach dem Normzweck nicht erfasst werden sollen, muss der Textsinn nach seinem erkennbaren Normzweck eingeschränkt werden (Rüthers a.a.O., Rn. 902 f.). Danach sind in § 2 Abs. 3 AsylbLG vor die Wörter "Eltern" und "Elternteil" die Wörter "nach dem AsylbLG leistungsberechtigten" hinzuzulesen (SG Hildesheim, Urteil vom 28.1.2010 - S 40 AY 158/10 Rn. 38; im Ergebnis ebenso SG Aachen, Urteil vom 30.1.2007 - S 20 AY 20/06 Rn. 19 f.; SG Freiburg, Urteil vom 24.1.2008 - S 4 SO 5144/06; Herbst in Mergler/Zink, § 2 AsylbLG Rn. 51; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 8. Auflage 2009, AsylbLG § 2, Rn. 14). Dies führt hier dazu, dass der Leistungsausschluss des § 2 Abs. 3 AsylbLG für die Kläger nicht greift; ihnen stehen für den fraglichen Zeitraum vielmehr die höheren Analogleistungen zu.
Die Beklagte war daher antragsgemäß zur Leistung dem Grunde nach zu verurteilen, ohne dass darüber befunden werden musste, in welchem Umfang in dem streitgegenständlichen Zeitraum bereits erbrachte Leistungen nach § 3 AsylbLG und/oder § 6 AsylbLG zur Anrechnung zu gelangen haben (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die streitige Auslegung des § 2 Abs. 3 AsylbLG für den Fall des Bezuges "höherwertiger Leistungen" durch die Eltern bzw. einen Elternteil ist noch nicht höchstrichterlich geklärt und betrifft eine unbestimmte Mehrzahl weiterer Fälle. Die Entscheidung der Rechtsfrage steht daher im allgemeinen Interesse. Der Senat misst der Angelegenheit vor diesem Hintergrund grundsätzliche Bedeutung bei und lässt deswegen die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
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