L 12 SO 478/10 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 27 SO 59/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 478/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.07.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit seiner Klage vom 05.02.2010 wendet sich der Kläger inhaltlich gegen einen Bescheid der Beklagten vom 27.05.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.01.2010, mit welchem diese vom Kläger erzielte Erträge aus Wertpapieren als Einkommen im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) angerechnet hat.

Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts verweist der Senat gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zunächst auf den zutreffenden Tatbestand des angegriffenen Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.07.2010.

Das Urteil ist dem Kläger am 10.08.2010 zugestellt worden.

Am 27.08.2010 hat der Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.07.2010 eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Die Rechtsfrage, in welchem Umfang Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB XII in Abzug zubringen sind und wie sich die Höhe der Einkünfte berechnet, sei bisher in der Rechtsprechung nicht geklärt. Eine Klärung liege im allgemeinen Interesse. Die aus dem Grundwertfond erzielten jährlichen Erträge würden durch die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Fond erheblich überschritten. Es sei insbesondere nicht sachgerecht, hinsichtlich dieser Aufwendungen keine Pauschale zu berücksichtigen. Auch würden die Erträge automatisch wieder angelegt und nicht an ihn ausgekehrt. Solange seine Vermögenswerte die Schongrenze deutlich unterschritten, könne die automatische Wiederanlage der Erträge nicht zu einer Berücksichtigung dieser zu seinen Lasten führen. Andernfalls würde die gesetzlich festgeschriebene Schongrenze ausgehebelt. Darüber hinaus sei auch im SGB XII wie im Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) eine Bagatellgrenze von 50,00 EUR jährlich zu beachten.

Die Beklagte hat im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass die Frage der Errechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und deren Anrechnung im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB XII keiner weitergehenden grundsätzlichen Klärung bedürfe. In § 82 SGB XII sowie der diesbezüglich erlassenen Verordnung zur Durchführung habe der Gesetzgeber die vom Kläger benannten klärungsbedürftigen Rechtsfragen abschließend entschieden. Auch habe das Bundessozialgericht (BSG) hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen zwischenzeitlich abschließende Entscheidungen getroffen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die ebenfalls Gegenstand der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gemäß § 145 SGG hat keinen Erfolg.

Diese ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht vorliegend nicht den Berufungsstreitwert, den § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG derzeit mit 750,00 EUR beziffert. Maßgeblich ist vorliegend, dass der Kläger mit seiner Klage weitere Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 3,70 EUR geltend macht. Er wehrt sich gegen eine Einkommensanrechnung in dieser Höhe, welche die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2009 in der Fassung des Widerspruchs- und Teilabhilfebescheids vom 21.01.2010 für den Monat Juni 2009 vorgenommen hat. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt vor diesem Hintergrund 3,70 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, da entgegen dem Vorbringen des Klägers keine der Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG erfüllt ist.

Die Berufung ist danach nur zuzulassen, wenn

1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

2.das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, oder

3.ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Erforderlich für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist, dass die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 144, Rn. 28; Landessozialgericht Bayern, Beschluss vom 30.11.2006 - L 11 AS 216/06 NZB - Rn. 20). Ist lediglich ein tatsächlicher, individueller Sachverhalt zu beurteilen, so fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 26.03.2010 - L 6 B 110/09 AS NZB - Rn. 15).

Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls ist hier entgegen dem Vorbringen des Klägers die Klärung einer Rechtsfrage, die von allgemeinem Interesse ist, zur Überzeugung des Senats nicht zu erwarten.

Die von Kläger aufgeworfene und als von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG eingestufte Rechtsfrage, in welchem Umfang Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB XII in Abzug zubringen sind und wie sich die Höhe der anrechnbaren Einkünfte berechnet, ist zur Überzeugung des Senats abschließend im Gesetz bzw. durch höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwischenzeitlich hinreichend geklärt.

Wie von der Beklagten im Widerspruchsbescheid und dem Sozialgericht in der Begründung des angefochtenen Urteils bereits ausgeführt, ergeben sich der Einkommensbegriff des SGB XII sowie die Form der Einkommensanrechnung zunächst aus §§ 82 ff. SGB XII sowie der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII. Dass diesem auch Einkünfte aus Kapitalvermögen unterfallen und in welcher Art solche konkret zu errechnen und anzurechnen sind, ergibt sich bereits abschließend aus § 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII. Auch existiert mittlerweile eine ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im SGB II und SGB XII (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - Rn. 15, m.w.N.; BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - Rn. 16, m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - Rn. 21, m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - Rn. 15 f., m.w.N.; BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 4/08 R - Rn. 13 ff., m.w.N.; BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - Rn. 11 ff., m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R - Rn. 20, m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R - Rn. 19 ff., m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 43/07 R - 22 ff., m.w.N.; BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14/7b AS 12/07 R - Rn. 18 ff., m.w.N.; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Auflage 2010, § 82, Rn. 13 ff., m.w.N.). Die dort aufgestellten Grundsätze finden auch im Hinblick auf Einnahmen aus Kapitalvermögen Anwendung (BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - Rn. 17 ff., m.w.N.). Zinsgutschriften aus Sparguthaben sind danach Einnahmen in Geld und als Einkommen des Leistungsempfängers zu berücksichtigen. Dieses gilt auch dann, wenn es sich wie vorliegend bei dem verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt (BSG, Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - Rn. 17 ff., m.w.N.). Außerdem folgt aus den gesetzlichen Vorgaben klar und nicht auslegungsbedürftig in welcher Form und in welchem Umfang vom Inhaber des Kapitalvermögens zur Erzielung der Einkünfte getätigte Aufwendungen einkommensmindernd zu berücksichtigen sind (§ 6 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII). Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat sich klar gegen die Möglichkeit einer pauschalierten Geltendmachung und Berücksichtigung solcher Kosten entschieden. Eine weitergehende diesbezügliche grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit vermag der Senat nicht zu erblicken. Vielmehr ist im Hinblick auf den Kläger diesbezüglich lediglich ein tatsächlicher, individueller Sachverhalt zu beurteilen. Fraglich war im Klageverfahren die individuelle Höhe der mit der Erzielung der Einkünfte aus Kapitalvermögen verbundenen notwendigen Ausgaben sowie ihr konkreter Nachweis im Prozess.

Die Frage, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen - wie vom Kläger vorgebracht - ggf. auch im Bereich der Einkommensanrechnung nach dem SGB XII eine Bagatellgrenze entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (ALG II-VO) von 50,00 EUR zu berücksichtigen ist, stellt sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht als eine die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründende Rechtsfrage dar. Dass insbesondere die Einkommensanrechnung im SGB II und SGB XII im Detail unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben folgt und für die Ungleichbehandlung ausreichend rechtfertigende Gründe vorliegen, hat das Bundessozialgericht bereits entschieden (BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 29/09 R - Rn. 35 ff., m.w.N.; BSG, Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R - Rn. 25 f., m.w.N.). Auch liegt vorliegend eine den Wert von 50,00 EUR übersteigende Einnahme vor.

Aus dem gleichen Grund besteht keine Divergenz nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Die sozialgerichtliche Entscheidung weicht nicht von der Entscheidung eines der in der Vorschrift genannten Gerichte ab, sondern nimmt auf diese Bezug und legt die Erkenntnisse aus diesen seiner Entscheidung zugrunde.

Es liegt auch kein wesentlicher, die Entscheidung ggf. beeinflussender Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG vor. Der Kläger hat das Vorliegen eines solchen nicht behauptet. Auch ist ein solcher für den Senat nicht ersichtlich.

Schließlich weist der Senat darauf hin, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde dann nicht erfolgreich sein kann, wenn diese nach Zulassung die Berufung unverzüglich als offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet zurückzuweisen wäre (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - L 7 SO 2173/06 NZB -). In diesem Fall beruht die Entscheidung regelmäßig nicht auf etwaigen Verfahrensfehlern (Leitherer in: Mayer-Ladewig, a.a.O., § 144, Rn. 35). Dieses wäre zur Überzeugung des Senats vorliegend der Fall. Die Abweisung der Klage durch das Sozialgericht stellt sich nach Aktenlage aus den vorstehend dargestellten Gründen auch inhaltlich als zutreffend dar.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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