L 20 AS 2026/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 3 (2,10) AS 265/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AS 2026/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 07.05.2010 wird als unzulässig verworfen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 10.07.2007 hatte das Sozialgericht dem Kläger, der seinerzeit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog, ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt. Das Klageverfahren endete durch Annahme eines Anerkenntnisses der Beklagten mit Schriftsatz des Klägers vom 01.10.2007. Nach einem Hinweis des Sozialgerichts auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie auf den Umstand, dass eine Kostenauferlegung zu Lasten der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Klageveranlassung wegen mangelnder Information der Beklagten durch den Kläger unbillig wäre, nahm der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.10.2007 einen zuvor gestellten Antrag auf Kostenentscheidung zurück.

Auf Anforderung des Sozialgerichts übersandte der Kläger im Dezember 2009 eine neue Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie weitere Belege. Daraus geht hervor, dass er mittlerweile eine Erwerbsminderungsrente bezieht. Nach weiterer Korrespondenz zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers, auf die Bezug genommen wird, änderte das Sozialgericht mit Beschluss vom 07.05.2010 seinen Beschluss vom 10.07.2007 ab und setzte als Kostenbeteiligung des Klägers an die Landeskasse zu zahlende monatliche Raten von 15,00 EUR fest, erstmals zu zahlen im Juni 2010. Das Gericht könne nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 120 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Nach dem Renteneinkommen des Klägers seien nach der Tabelle zu § 115 ZPO monatliche Raten von 15,00 EUR zu zahlen. Zur Rechtsmittelbelehrung führte das Sozialgericht aus, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei nach § 127 Abs. 2 ZPO unanfechtbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger am 09.06.2010 "Widerspruch" eingelegt. Er beantrage entsprechend § 105 SGG mündliche Verhandlung. Ihm entstehe durch die nachträgliche "Berechnung von Kosten" ein unzumutbarer Nachteil. Die Kosten hätten im Urteil zur Hauptsache der gegnerischen Partei auferlegt werden müssen.

II.

1. Der "Widerspruch" des Klägers ist als Beschwerde i.S.v. § 172 SGG auszulegen. Denn die für das sozialgerichtliche Verfahren geltende Verfahrensordnung des SGG sieht (in § 172 Abs. 1 SGG) gegen Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte allein die Beschwerde an das Landessozialgericht vor. Wenn der Kläger unter Hinweis auf § 105 SGG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, so übersieht er, dass diese Möglichkeit (unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG) allein für Gerichtsbescheide i.S.v. § 105 SGG besteht. Um einen solchen Gerichtsbescheid, welcher anstelle einer Entscheidung durch Urteil eine Entscheidung über die Klage selbst im schriftlichen Verfahren ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter trifft, handelt es sich bei einem Beschluss, der nicht die Klage selbst, sondern die Bewilligung bzw. die Modalitäten der Prozesskostenhilfe betrifft, jedoch nicht.

2. Kommt deshalb als Rechtsmittel des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 10.07.2007 allein eine Beschwerde i.S.v. § 172 SGG in Betracht, ist diese gleichwohl nach näherer Maßgabe des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG unzulässig.

Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Handelt es sich um einen solchen Fall der unzulässigen Beschwerde, so ist die Beschwerde nach § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen.

a) Die Frage, ob Einkommen oder Vermögen des Klägers einzusetzen sind (§ 115 ZPO) und ob dementsprechend Ratenzahlungen anzuordnen sind (§ 120 ZPO), betrifft die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse i.S.v. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (vgl. nur LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2009 - L 19 AS 817/09 B PKH). Denn wird bei einschränkungslos beantragter Prozesskostenhilfe diese lediglich unter Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt, so handelt es sich bei der Auferlegung der Zahlungen um eine teilweise Ablehnung der begehrten Prozesskostenhilfe unter Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine einschränkungslose Gewährung (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 12.02.2009 - L 3 B 794/08 AS-PKH; vgl. auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 172 Rn. 6h).

b) Ist in diesen Fällen die Beschwerde ausgeschlossen, so kann nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten, wenn eine ursprünglich ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Anwendung von § 120 Abs. 4 ZPO erst durch nachträgliche Anordnung von Ratenzahlungen nach § 115 ZPO wegen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers geändert wird (vgl. hierzu bereits den Beschluss des 19. Senat des LSG NRW vom 07.12.2009 - L 19 B 13/09 AL).

aa) Denn nach dem Willen des Gesetzgebers ist seit der zum 01.04.2008 erfolgten Änderung des § 172 SGG die Beschwerde gegen Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren nur noch eröffnet, wenn das Gericht die hinreichende Erfolgsaussicht des klägerischen Begehrens verneint hat. Daran fehlt es jedoch nicht nur, wenn bereits von Anfang an Prozesskostenhilfe unter Auferlegung von Ratenzahlungen bewilligt worden ist; auch eine Ablehnung des Antrags auf Abänderung der zu leistenden Ratenzahlungen wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO beruht nur auf der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers. Darüber hinaus ist jedoch auch kein sachlicher Grund ersichtlich, den (umgekehrten) Fall der nachträglichen (höheren oder ggf. auch erstmaligen) Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO anders zu behandeln, auch wenn damit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abweichend von der ursprünglichen Entscheidung wieder eingeschränkt (und damit teilweise abgelehnt) wird. Denn diese nachträgliche Einschränkung wirkt sich letztlich in gleicher Weise aus und die Entscheidung des Sozialgerichts beruht auch in diesem Falle allein auf der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers (vgl. LSG NRW, a.a.O.).

bb) Nach Ansicht des Senat kann hiergegen auch nicht eingewandt werden, der eindeutige Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG und der gesetzgeberische Wille stehe einem Beschwerdeausschluss in Fällen des § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO entgegen; weder Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/7716 S. 22, Nr. 29 zu b) erfassten die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung, welche dem Antragsteller eine Rechtsposition wieder entziehe und die deshalb weder eine planwidrige Regelungslücke noch einen gleichartigen Sachverhalt darstelle (so etwa LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.01.2010 - L 1 AL 137/09 B, und LSG Sachsen, Beschluss vom 03.05.2010 - L 3 AS 608/09 B PKH; ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.10.2009 - L 11 R 898/09 PKH-B und LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.06.2008 - L 5 B 163/08 AS).

Diese gegenteilige Ansicht übersieht, dass unter den Gesetzeswortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG als (teilweise, s.o.) "Ablehnung von Prozesskostenhilfe" zwanglos auch eine erst spätere Auferlegung von Ratenzahlungen gefasst werden kann. Denn aus § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO geht hervor, dass das Prozesskostenhilfeverfahren mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keineswegs (außerhalb der Fälle des § 127 Abs. 3 ZPO) seinen Abschluss gefunden hat. Vielmehr können innerhalb des Vierjahreszeitraumes des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO Änderungen zum Nachteil des Antragstellers stets berücksichtigt und die Prozesskostenhilfebewilligung jeweils den geänderten Verhältnisses angepasst werden. Im Umfang einer Entscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO zum Nachteil des Antragstellers wird dann die Prozesskostenhilfe i.S.v. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG - wenn auch zu einem Zeitpunkt nach zuvor weitergehender Bewilligung - dessen Wortlaut entsprechend "abgelehnt". Der damit einhergehende Beschwerdeausschluss trifft ersichtlich auch den Zweck des § 172 Abs. 3 Satz 3 SGG, eine Entscheidung des Sozialgerichts in Prozesskostenhilfesachen, die allein die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers beurteilt, von vornherein einer Überprüfung durch das Landessozialgericht zu entziehen.

3. Doch selbst, wenn die Beschwerde des Klägers zulässig wäre, wäre sie jedenfalls unbegründet: Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug. Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde auch nicht gegen die Berechnung durch das Sozialgericht, sondern ist der Meinung, die Beklagte - die in der Hauptsache ein Anerkenntnis abgegeben hatte - hätte im Falle eines Urteils seine außergerichtlichen Kosten tragen müssen. Diese Frage steht allerdings in keinem Zusammenhang mit dem Umstand, dass in den Einkommensverhältnissen des Klägers eine Verbesserung eingetreten ist, welche nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO das Sozialgericht zu einer Änderung der Entscheidungen über vom Kläger zu leistende Zahlungen berechtigte.

Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass der Kläger nach Annahme des Anerkenntnisses der Beklagten auf einer Kostenentscheidung des Sozialgerichts in der Hauptsache hätte bestehen können, sofern er seinerzeit die ihm vom Gericht mitgeteilte Auffassung nicht geteilt haben sollte, die Beklagte habe keinen hinreichenden Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil der Kläger sie zuvor nicht hinreichend über alle relevanten Umstände informiert habe. Allerdings hat der Kläger seinerzeit mit anwaltlichem Schriftsatz im Anschluss an die entsprechende Mitteilung des Sozialgerichts seinen Antrag auf Kostenentscheidung gerade zurückgenommen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

5. Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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