Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 AY 125/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 85/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger vom 13.8.2010 wird der Beschluss des Sozialgerichts Münsters 2.8.2010 geändert. Den Klägern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Münster unter dem Az. S 16 AY 125/09 ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt P, N beigeordnet. Als Kostenbeteiligung des Klägers zu 1) werden monatliche Raten i.H.v. 95,00 EUR, erstmals zu zahlen für den Monat Februar, fällig jeweils am Ersten des Folgemonats, festgesetzt. Die Zahlungen sind an die Oberjustizkasse zu leisten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Hauptsache begehren die Kläger eine höhere Nachzahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der am 00.00.1978 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1978 geborene Klägerin zu 2) sind verheiratet. Aus dieser Ehe sind vier in den Jahren von 1997-2003 geborene Kinder, die Kläger zu 3) bis 6), hervorgegangen. Die Familie ist kurdischer Herkunft und reiste 1999 in die Bundesrepublik ein. Seitdem bzw. seit ihrer Geburt halten sie sich durchgehend hier auf. In der Vergangenheit erhielten sie für einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Nachdem der Kläger zu 1) gegen Ende des Jahres 2007 eine abhängige Beschäftigung aufgenommen hatte und hieraus laufend Einkünfte erwarb, schieden die Kläger dauerhaft aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG aus. Die Einkünfte des Klägers zu 1) beliefen sich in der Zeit von Oktober 2007 bis März 2009 bzw. September 2009 bis Oktober 2010 auf Beträge i.H.v. 994,86 EUR und 1.437,14 EUR (netto) monatlich. Daneben erhielt die Familie Kindergeld, Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG). Am 15.6.2009 stellten die Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung der Höhe der ihnen in der Vergangenheit seit dem 1.1.2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug gewährten Leistungen nach Maßgabe des § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Sie vertraten die Auffassung, ihnen stünden für den vergangenen Zeitraum höhere Leistungen nach Maßgabe des § 2 AsylbLG zu. Diesem Antrag gab die Beklagte bezogen auf sämtliche Kläger mit Bescheid vom 9.7.2009 für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.10.2007 statt. In dem Bescheid bewilligte sie den Klägern gemeinsam einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 3.941,28 EUR. Bei der Berechnung dieses Betrages machte die Beklagte im Hinblick auf den sog. Aktualitätsgrundsatz Abzüge von der im Rahmen des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) pauschalierten Regelleistung. Den dagegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, der Aktualitätsgrundsatz dürfe im Rahmen der Nachberechnungen nach § 44 SGB X keine Rolle spielen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.10.2009 zurück. Sie führte zur Begründung aus, auf dem Boden der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Nichtberücksichtigung nachträglich nicht mehr zu deckender Bedarfe bei der Berechnung des Nachzahlungsbetrages nicht zu beanstanden.
Dagegen erhoben die Kläger am 2.11.2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster, mit der sie ihr Begehren auf Nachzahlung ungekürzter Leistungen gemäß § 2 AsylbLG nebst Zinsen weiterverfolgen. Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung vertreten, dass die vorgenommenen Kürzungen rechtmäßig und die angefochtenen Bescheide deswegen zutreffend seien. Ferner weist sie darauf hin, dass die Kläger seit geraumer Zeit insbesondere aufgrund des Erwerbseinkommens des Klägers zu 1) unabhängig von Leistungen nach dem AsylbLG bzw. dem 2. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) lebten. Wegen des dauerhaften Wegfalls der Bedürftigkeit bestünden keine weitergehenden Nachzahlungsansprüche mehr. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte auch einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag mit dem Inhalt, die zugebilligte Nachzahlung um 50 % zu erhöhen, abgelehnt. Mit Beschluss vom 2.8.2010 hat das SG den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Den Klägern zu 1) und 2) stehe schon deshalb kein Anspruch auf die Gewährung der beantragten (weiteren) Leistungen zu, weil sie ihren Lebensunterhalt seit März 2009 durch Einkommen des Klägers zu 1) sicherstellten. Das BSG habe in seinem Urteil vom 29.9.2009 (Az. B 8 SO 16/08 R) deutlich gemacht, dass eine Nachgewährung von sozialhilferechtlichen Leistungen unter Anwendung des § 44 SGB X nur dann in Betracht komme, wenn der geltend gemachte Bedarf nicht zwischenzeitlich entfallen sei. Ein aktueller noch zu deckender Bedarf sei u.a. dann nicht anzunehmen, wenn der betreffende Anspruchsteller zwischenzeitlich erwerbstätig sei und seinen Bedarf aus eigenen Einkünften decken könne. Diese Entscheidung sei auf das Asylbewerberleistungsrecht übertragbar. Auch die Kläger zu 3) - 6) hätten keinen Anspruch auf (weitere) Leistungen. Es könne offen bleiben, ob auch ihrem Anspruch entgegenzuhalten sei, dass der Kläger zu 1) seit März 2009 über Erwerbseinkommen verfüge, mit dessen Hilfe er seinen Lebensunterhalt und auch den der Kläger zu 3) - 6) decken könne. Jedenfalls scheitere der Anspruch der Kläger zu 3) - 6) an der Regelung des § 2 Abs. 3 AsylbLG, wonach minderjährige Kinder, die in Haushaltsgemeinschaft mit einem Elternteil lebten, allenfalls dann Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beanspruchen könnten, wenn ein Elternteil diese Leistungen erhalte. Da dies hier nicht der Fall sei, könnten auch die Kläger zu 3) - 6) einen derartigen Anspruch nicht haben.
Gegen den am 9.8.2010 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 13.8.2010 Beschwerde erhoben, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses des SG und die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe begehren. Nach ihrer Auffassung hätte das SG die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nicht verneinen dürfen. Es sei rechtsfehlerhaft, wenn das SG davon ausgehe, dass die Klage aufgrund des Fehlens eines aktuell noch zu deckenden Bedarfes keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Aktualitätsgrundsatz dürfe in dem hier vorliegenden speziellen Problembereich des Anspruches auf Nachzahlung für in der Vergangenheit rechtswidrig versagte Analogleistungen nach § 2 AsylbLG keine Anwendung finden, weil ansonsten das Antragsbegehren der Kläger weitgehend ins Leere liefe und das rechtswidrige Verwaltungshandeln in der Vergangenheit sanktionslos bliebe. Wenn ihnen von Anfang an erhöhte Leistungen gewährt worden wären, hätten sie diese dazu verwandt, ihre Integration zu fördern und ihre soziale Kompetenz auszubauen. Dieser Bedarf habe zwischenzeitlich gar nicht wegfallen können, weil sie ihn mangels finanzieller Leistungsfähigkeit gar nicht hätten befriedigen können. Der Aktualitätsgrundsatz könne nicht zur Anwendung gelangen, und zwar unabhängig davon, ob die Kläger bis heute von öffentlichen Leistungen lebten oder zwischenzeitlich Erwerbseinkommen (oder Vermögen) erzielt hätten. Zudem hätten die den Klägern in der Vergangenheit gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG noch nicht einmal das menschenwürdige Existenzminimum abgedeckt, was verfassungswidrig gewesen sei (Beschluss des erkennenden Senats vom 26.7.2010 - L 20 AY 13/09). Die beantragten Nachzahlungsansprüche erfüllten deshalb in erster Linie den Zweck, das erforderliche Existenzminimum zunächst einmal zu erfüllen und die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Solange dies nicht der Fall sei, könne die Bedürftigkeit nicht entfallen. Deshalb sei die Klage trotz des zwischenzeitlich erzielten Erwerbseinkommens weiterhin begründet. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 29.9.2009 (Az. B 8 SO 16/08 R) den Aktualitätsgrundsatz "gekippt". Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Einschätzung der Kläger, seit der Entscheidung des BSG vom 29.9.2009 gelte der Aktualitätsgrundsatz im Rahmen des AsylbLG nicht mehr, so dass eine Nachzahlung von Leistungen eine aktuelle Bedürftigkeit nicht voraussetze, sei unzutreffend. Vielmehr habe das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sozialhilfeleistungen im Wege des § 44 Abs. 4 SGB X (nachträglich) nur zu erbringen seien, soweit Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII oder (inzwischen) des SGB II ununterbrochen fortbestehe. Sei dagegen die aktuelle Bedürftigkeit temporär oder auf Dauer entfallen, sei eine Nachzahlung in der Regel abzulehnen, da ein sozialhilferechtlicher Bedarf mangels fortbestehender Bedürftigkeit nicht mehr bestehe. Dem könne die Klägerseite nicht entgegenhalten, dass ansonsten rechtswidriges Verwaltungshandeln aus der Vergangenheit sanktionslos bleibe. Denn die nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringenden Leistungen stellten keine Entschädigungsleistung dar, sondern dienten allein der Deckung des aus der Vergangenheit noch vorhandenen Bedarfes. Dem weiteren Einwand, die Leistungen unterhalb des § 2 AsylbLG seien verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt, könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Zudem könne dies lediglich zu einer zukunftsgerichteten Anpassung der Leistungen führen, jedoch nicht einen Anspruch auf nachträgliche Zahlung begründen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet.
Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gewährt, wenn der Betroffene nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1) Hinreichende Erfolgsaussichten können der Rechtsverfolgung nicht von vornherein abgesprochen werden. Entgegen der in dem angefochtenen Beschluss geäußerten Ansicht des SG ist die Sach-und Rechtslage aus Sicht des Senats auch unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 19.9.2009 (B 8 SO 16/08 R) nicht so eindeutig, als dass bereits jetzt ein Bemittelter in vergleichbarer Position wie die Kläger unter Abwägung des Kostenrisikos von der Rechtsverfolgung Abstand nehmen würde (zu diesem Maßstab Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.11.2009 - 1 BvR 2455/08 Rn. 9 m.w.N.).
Im Hinblick auf die Frage der konkreten Berechnung des Nachzahlungsanspruches nach § 44 SGB X ergeben sich hinreichende Erfolgsaussichten bereits aufgrund des Urteils des Senats vom 17.05.2010 - L 20 AY 10/10 bzw. des diesbezüglich unter dem Az. B 8 AY 1/10 R beim BSG anhängigen Revisionsverfahrens. Auf die Klärung dieser Frage würde es nur dann nicht ankommen, wenn unter Berücksichtigung der Grundsätze, die das BSG (Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 Rn. 18 ff.) im Bereich des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) aufgestellt hat, hier davon auszugehen wäre, dass bereits im Zeitpunkt der Stellung des Antrages nach § 44 SGB am 15.6.2009 Bedürftigkeit der Kläger in diesem Sinne nicht mehr bestand bzw. deren Bedürftigkeit in der Folgezeit weggefallen ist (vgl. zum Ganzen bereits Beschluss des Senats vom 12.1.2011 - L 20 AY 145/10 B). Ob dies der Fall ist, bedarf nach dem derzeitigen Sachstand einer rechtlichen Beurteilung. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse stellen sich zwar so dar, dass die Kläger inzwischen nicht mehr auf "Sozialhilfeleistungen im engeren Sinne”, d.h. Leistungen nach dem AsylbLG bzw. SGB XII oder Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, angewiesen sind. Sie erhalten jedoch weiterhin durchgängig Sozialleistungen in Form von Kinderzuschlag und Wohngeld. Beide Leistungen sind abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger bzw. des Klägers zu 1).
Vor diesem Hintergrund ist die Klärung der Frage aufgeworfen, wie genau die Grundsätze aus der zitierten Entscheidung des BSG vom 29.9.2009 auf den Bereich des AsylbLG zu übertragen sind. Dies gilt insbesondere für die Ausfüllung des Begriffs der "Bedürftigkeit" also die Frage, woran diese in der vorliegenden Fallkonstellation zu messen ist. Hierzu liegen bisher noch keine Grundsatzentscheidungen des BSG oder von Obergerichten vor (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8 AY 5/07 R Rn. 16).
Da vor diesem Hintergrund die Rechtsverfolgung der Kläger zu 1) und 2) hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und sowohl die Kläger zu 1) und 2) als auch die Kläger zu 3)-6) grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Gewährung von Leistungen nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, greifen die Ausführungen des SG auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG für einen etwaigen Nachgewährungsanspruch der Kläger zu 3) - 6) nicht durch.
2) Die Kläger zu 2) - 6) verfügen über keine eigenen Einkünfte. Sie werden von dem Kläger zu 1) unterhalten. Sie sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen daher nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Der Kläger zu 1) ist demgegenüber nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage, sich ratenweise an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Da die Kläger ausdrücklich einen Anspruch auf Gewährung ratenfreier Prozesskostenhilfe geltend gemacht haben, war die Beschwerde insoweit zurückzuweisen. Hierfür ist folgende Berechnung maßgebend:
Einkünfte gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO:
Nettoarbeitseinkommen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO, § 82 Abs. 2 SGB XII) - durchschnittlich - = 1.347,90 EUR
Kindergeld = 773,00 EUR
Kinderzuschlag = 505,00 EUR
Wohngeld = 300,00 EUR
Gesamteinkommen = 2.925,90 EUR
abzusetzen sind:
Erwerbstätigenpauschale (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO) = 180,00 EUR
Freibeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO
Grundfreibetrag für Kläger zu 1) = 395,00 EUR
Grundfreibetrag für Klägerin zu 2) (Ehefrau) = 395,00 EUR
Freibetrag für Kläger zu 3) bis 6) (Kinder) - 4 x 276,00 EUR - = 1.104,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO) = 600,00 EUR
Abzüge gesamt = 2.674,00 EUR
Verbleibender Betrag = 251,90 EUR
Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO ist nicht vorhanden. Die Höhe der zu leistenden Monatsraten i.H.v. 95,00 EUR ergibt sich aus der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO. Die festgesetzten Raten sind an die Oberjustizkasse zu zahlen (§ 120 Abs. 2 ZPO). Die angeordneten Fälligkeitstermine sind zu beachten. Ist der Kläger zu 1) mit der Zahlung einer Monatsrate länger als drei Monate im Rückstand, kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben (§ 124 Nr. 4 ZPO).
3) Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO).
4) Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
In der Hauptsache begehren die Kläger eine höhere Nachzahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Der am 00.00.1978 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1978 geborene Klägerin zu 2) sind verheiratet. Aus dieser Ehe sind vier in den Jahren von 1997-2003 geborene Kinder, die Kläger zu 3) bis 6), hervorgegangen. Die Familie ist kurdischer Herkunft und reiste 1999 in die Bundesrepublik ein. Seitdem bzw. seit ihrer Geburt halten sie sich durchgehend hier auf. In der Vergangenheit erhielten sie für einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG. Nachdem der Kläger zu 1) gegen Ende des Jahres 2007 eine abhängige Beschäftigung aufgenommen hatte und hieraus laufend Einkünfte erwarb, schieden die Kläger dauerhaft aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG aus. Die Einkünfte des Klägers zu 1) beliefen sich in der Zeit von Oktober 2007 bis März 2009 bzw. September 2009 bis Oktober 2010 auf Beträge i.H.v. 994,86 EUR und 1.437,14 EUR (netto) monatlich. Daneben erhielt die Familie Kindergeld, Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG). Am 15.6.2009 stellten die Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung der Höhe der ihnen in der Vergangenheit seit dem 1.1.2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug gewährten Leistungen nach Maßgabe des § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Sie vertraten die Auffassung, ihnen stünden für den vergangenen Zeitraum höhere Leistungen nach Maßgabe des § 2 AsylbLG zu. Diesem Antrag gab die Beklagte bezogen auf sämtliche Kläger mit Bescheid vom 9.7.2009 für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.10.2007 statt. In dem Bescheid bewilligte sie den Klägern gemeinsam einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 3.941,28 EUR. Bei der Berechnung dieses Betrages machte die Beklagte im Hinblick auf den sog. Aktualitätsgrundsatz Abzüge von der im Rahmen des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) pauschalierten Regelleistung. Den dagegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, der Aktualitätsgrundsatz dürfe im Rahmen der Nachberechnungen nach § 44 SGB X keine Rolle spielen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.10.2009 zurück. Sie führte zur Begründung aus, auf dem Boden der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Nichtberücksichtigung nachträglich nicht mehr zu deckender Bedarfe bei der Berechnung des Nachzahlungsbetrages nicht zu beanstanden.
Dagegen erhoben die Kläger am 2.11.2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster, mit der sie ihr Begehren auf Nachzahlung ungekürzter Leistungen gemäß § 2 AsylbLG nebst Zinsen weiterverfolgen. Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung vertreten, dass die vorgenommenen Kürzungen rechtmäßig und die angefochtenen Bescheide deswegen zutreffend seien. Ferner weist sie darauf hin, dass die Kläger seit geraumer Zeit insbesondere aufgrund des Erwerbseinkommens des Klägers zu 1) unabhängig von Leistungen nach dem AsylbLG bzw. dem 2. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) lebten. Wegen des dauerhaften Wegfalls der Bedürftigkeit bestünden keine weitergehenden Nachzahlungsansprüche mehr. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte auch einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag mit dem Inhalt, die zugebilligte Nachzahlung um 50 % zu erhöhen, abgelehnt. Mit Beschluss vom 2.8.2010 hat das SG den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Den Klägern zu 1) und 2) stehe schon deshalb kein Anspruch auf die Gewährung der beantragten (weiteren) Leistungen zu, weil sie ihren Lebensunterhalt seit März 2009 durch Einkommen des Klägers zu 1) sicherstellten. Das BSG habe in seinem Urteil vom 29.9.2009 (Az. B 8 SO 16/08 R) deutlich gemacht, dass eine Nachgewährung von sozialhilferechtlichen Leistungen unter Anwendung des § 44 SGB X nur dann in Betracht komme, wenn der geltend gemachte Bedarf nicht zwischenzeitlich entfallen sei. Ein aktueller noch zu deckender Bedarf sei u.a. dann nicht anzunehmen, wenn der betreffende Anspruchsteller zwischenzeitlich erwerbstätig sei und seinen Bedarf aus eigenen Einkünften decken könne. Diese Entscheidung sei auf das Asylbewerberleistungsrecht übertragbar. Auch die Kläger zu 3) - 6) hätten keinen Anspruch auf (weitere) Leistungen. Es könne offen bleiben, ob auch ihrem Anspruch entgegenzuhalten sei, dass der Kläger zu 1) seit März 2009 über Erwerbseinkommen verfüge, mit dessen Hilfe er seinen Lebensunterhalt und auch den der Kläger zu 3) - 6) decken könne. Jedenfalls scheitere der Anspruch der Kläger zu 3) - 6) an der Regelung des § 2 Abs. 3 AsylbLG, wonach minderjährige Kinder, die in Haushaltsgemeinschaft mit einem Elternteil lebten, allenfalls dann Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beanspruchen könnten, wenn ein Elternteil diese Leistungen erhalte. Da dies hier nicht der Fall sei, könnten auch die Kläger zu 3) - 6) einen derartigen Anspruch nicht haben.
Gegen den am 9.8.2010 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 13.8.2010 Beschwerde erhoben, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses des SG und die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe begehren. Nach ihrer Auffassung hätte das SG die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nicht verneinen dürfen. Es sei rechtsfehlerhaft, wenn das SG davon ausgehe, dass die Klage aufgrund des Fehlens eines aktuell noch zu deckenden Bedarfes keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Aktualitätsgrundsatz dürfe in dem hier vorliegenden speziellen Problembereich des Anspruches auf Nachzahlung für in der Vergangenheit rechtswidrig versagte Analogleistungen nach § 2 AsylbLG keine Anwendung finden, weil ansonsten das Antragsbegehren der Kläger weitgehend ins Leere liefe und das rechtswidrige Verwaltungshandeln in der Vergangenheit sanktionslos bliebe. Wenn ihnen von Anfang an erhöhte Leistungen gewährt worden wären, hätten sie diese dazu verwandt, ihre Integration zu fördern und ihre soziale Kompetenz auszubauen. Dieser Bedarf habe zwischenzeitlich gar nicht wegfallen können, weil sie ihn mangels finanzieller Leistungsfähigkeit gar nicht hätten befriedigen können. Der Aktualitätsgrundsatz könne nicht zur Anwendung gelangen, und zwar unabhängig davon, ob die Kläger bis heute von öffentlichen Leistungen lebten oder zwischenzeitlich Erwerbseinkommen (oder Vermögen) erzielt hätten. Zudem hätten die den Klägern in der Vergangenheit gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG noch nicht einmal das menschenwürdige Existenzminimum abgedeckt, was verfassungswidrig gewesen sei (Beschluss des erkennenden Senats vom 26.7.2010 - L 20 AY 13/09). Die beantragten Nachzahlungsansprüche erfüllten deshalb in erster Linie den Zweck, das erforderliche Existenzminimum zunächst einmal zu erfüllen und die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Solange dies nicht der Fall sei, könne die Bedürftigkeit nicht entfallen. Deshalb sei die Klage trotz des zwischenzeitlich erzielten Erwerbseinkommens weiterhin begründet. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 29.9.2009 (Az. B 8 SO 16/08 R) den Aktualitätsgrundsatz "gekippt". Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Einschätzung der Kläger, seit der Entscheidung des BSG vom 29.9.2009 gelte der Aktualitätsgrundsatz im Rahmen des AsylbLG nicht mehr, so dass eine Nachzahlung von Leistungen eine aktuelle Bedürftigkeit nicht voraussetze, sei unzutreffend. Vielmehr habe das BSG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sozialhilfeleistungen im Wege des § 44 Abs. 4 SGB X (nachträglich) nur zu erbringen seien, soweit Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII oder (inzwischen) des SGB II ununterbrochen fortbestehe. Sei dagegen die aktuelle Bedürftigkeit temporär oder auf Dauer entfallen, sei eine Nachzahlung in der Regel abzulehnen, da ein sozialhilferechtlicher Bedarf mangels fortbestehender Bedürftigkeit nicht mehr bestehe. Dem könne die Klägerseite nicht entgegenhalten, dass ansonsten rechtswidriges Verwaltungshandeln aus der Vergangenheit sanktionslos bleibe. Denn die nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringenden Leistungen stellten keine Entschädigungsleistung dar, sondern dienten allein der Deckung des aus der Vergangenheit noch vorhandenen Bedarfes. Dem weiteren Einwand, die Leistungen unterhalb des § 2 AsylbLG seien verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt, könne ebenfalls nicht gefolgt werden. Zudem könne dies lediglich zu einer zukunftsgerichteten Anpassung der Leistungen führen, jedoch nicht einen Anspruch auf nachträgliche Zahlung begründen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet.
Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gewährt, wenn der Betroffene nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1) Hinreichende Erfolgsaussichten können der Rechtsverfolgung nicht von vornherein abgesprochen werden. Entgegen der in dem angefochtenen Beschluss geäußerten Ansicht des SG ist die Sach-und Rechtslage aus Sicht des Senats auch unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 19.9.2009 (B 8 SO 16/08 R) nicht so eindeutig, als dass bereits jetzt ein Bemittelter in vergleichbarer Position wie die Kläger unter Abwägung des Kostenrisikos von der Rechtsverfolgung Abstand nehmen würde (zu diesem Maßstab Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.11.2009 - 1 BvR 2455/08 Rn. 9 m.w.N.).
Im Hinblick auf die Frage der konkreten Berechnung des Nachzahlungsanspruches nach § 44 SGB X ergeben sich hinreichende Erfolgsaussichten bereits aufgrund des Urteils des Senats vom 17.05.2010 - L 20 AY 10/10 bzw. des diesbezüglich unter dem Az. B 8 AY 1/10 R beim BSG anhängigen Revisionsverfahrens. Auf die Klärung dieser Frage würde es nur dann nicht ankommen, wenn unter Berücksichtigung der Grundsätze, die das BSG (Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 Rn. 18 ff.) im Bereich des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) aufgestellt hat, hier davon auszugehen wäre, dass bereits im Zeitpunkt der Stellung des Antrages nach § 44 SGB am 15.6.2009 Bedürftigkeit der Kläger in diesem Sinne nicht mehr bestand bzw. deren Bedürftigkeit in der Folgezeit weggefallen ist (vgl. zum Ganzen bereits Beschluss des Senats vom 12.1.2011 - L 20 AY 145/10 B). Ob dies der Fall ist, bedarf nach dem derzeitigen Sachstand einer rechtlichen Beurteilung. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse stellen sich zwar so dar, dass die Kläger inzwischen nicht mehr auf "Sozialhilfeleistungen im engeren Sinne”, d.h. Leistungen nach dem AsylbLG bzw. SGB XII oder Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, angewiesen sind. Sie erhalten jedoch weiterhin durchgängig Sozialleistungen in Form von Kinderzuschlag und Wohngeld. Beide Leistungen sind abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger bzw. des Klägers zu 1).
Vor diesem Hintergrund ist die Klärung der Frage aufgeworfen, wie genau die Grundsätze aus der zitierten Entscheidung des BSG vom 29.9.2009 auf den Bereich des AsylbLG zu übertragen sind. Dies gilt insbesondere für die Ausfüllung des Begriffs der "Bedürftigkeit" also die Frage, woran diese in der vorliegenden Fallkonstellation zu messen ist. Hierzu liegen bisher noch keine Grundsatzentscheidungen des BSG oder von Obergerichten vor (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8 AY 5/07 R Rn. 16).
Da vor diesem Hintergrund die Rechtsverfolgung der Kläger zu 1) und 2) hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und sowohl die Kläger zu 1) und 2) als auch die Kläger zu 3)-6) grundsätzlich die Voraussetzungen für eine Gewährung von Leistungen nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, greifen die Ausführungen des SG auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG für einen etwaigen Nachgewährungsanspruch der Kläger zu 3) - 6) nicht durch.
2) Die Kläger zu 2) - 6) verfügen über keine eigenen Einkünfte. Sie werden von dem Kläger zu 1) unterhalten. Sie sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen daher nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Der Kläger zu 1) ist demgegenüber nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage, sich ratenweise an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Da die Kläger ausdrücklich einen Anspruch auf Gewährung ratenfreier Prozesskostenhilfe geltend gemacht haben, war die Beschwerde insoweit zurückzuweisen. Hierfür ist folgende Berechnung maßgebend:
Einkünfte gem. § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO:
Nettoarbeitseinkommen (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO, § 82 Abs. 2 SGB XII) - durchschnittlich - = 1.347,90 EUR
Kindergeld = 773,00 EUR
Kinderzuschlag = 505,00 EUR
Wohngeld = 300,00 EUR
Gesamteinkommen = 2.925,90 EUR
abzusetzen sind:
Erwerbstätigenpauschale (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b ZPO) = 180,00 EUR
Freibeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO
Grundfreibetrag für Kläger zu 1) = 395,00 EUR
Grundfreibetrag für Klägerin zu 2) (Ehefrau) = 395,00 EUR
Freibetrag für Kläger zu 3) bis 6) (Kinder) - 4 x 276,00 EUR - = 1.104,00 EUR
Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 115 Abs 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO) = 600,00 EUR
Abzüge gesamt = 2.674,00 EUR
Verbleibender Betrag = 251,90 EUR
Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO ist nicht vorhanden. Die Höhe der zu leistenden Monatsraten i.H.v. 95,00 EUR ergibt sich aus der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO. Die festgesetzten Raten sind an die Oberjustizkasse zu zahlen (§ 120 Abs. 2 ZPO). Die angeordneten Fälligkeitstermine sind zu beachten. Ist der Kläger zu 1) mit der Zahlung einer Monatsrate länger als drei Monate im Rückstand, kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben (§ 124 Nr. 4 ZPO).
3) Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO).
4) Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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