Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AS 4409/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1914/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.10.2010 abgeändert und der Antrag der Antragsteller auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, die "Zustimmung zum Umzug in die Straße B 00, C" gemäß § 22 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch vorläufig zu erteilen, abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung B 00, C gemäß § 22 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erteilen.
Die miteinander verheirateten Antragsteller beziehen als Bedarfsgemeinschaft mit ihrer 2009 geborenen Tochter K von der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Sie bewohnten zunächst eine Wohnung unter der Anschrift I-straße 00, 2. Obergeschoss, in C. Die Kaltmiete dieser 66 qm großen Wohnung betrug 359,25 Euro. Mit Bescheid vom 26.05.2010 bewilligte die Antragsgegnerin u. a. für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.10.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 1.204,83 Euro (Regelleistungen 677,00 Euro; KdU 527,83 Euro) monatlich.
Mit Schreiben vom 26.05.2010 bot der Vermieter der Antragsteller diesen aufgrund von Feuchtigkeitsschäden im Deckenbereich ihrer Wohnung den Umzug in eine andere Wohnung im selben Haus (1. Obergeschoss) an und bat die Antragsgegnerin um Genehmigung des Umzugs. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Schreiben vom 31.05.2010 ab. Es handele sich um bauliche Mängel der bisherigen Wohnung, die vom Vermieter zu beseitigen seien. Sollte für den Zeitraum der Sanierung ein Verbleib in der Wohnung nicht möglich sein, habe der Vermieter geeigneten Ausweichwohnraum zur Verfügung zu stellen. Sollten die Antragsteller trotz dieses Hinweises umziehen, würde sich an der Bewilligung der Höhe der Grundmiete nichts ändern. Im Rahmen ihres Widerspruchs gegen diesen Bescheid reichten die Antragsteller eine Mietbescheinigung für eine neue Wohnung B 00 in C ein. Danach beträgt die Kaltmiete ohne Nebenkosten für die 65 qm große Wohnung 395 Euro. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2010 zurück. Es sei nicht von einer Umzugsnotwendigkeit auszugehen, da ein Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht unzumutbar sei. "Umzug" bedeute die endgültige Lösung des Mietverhältnisses, nicht nur den vorübergehenden Umzug in eine andere Wohnung im selben Haus während der Dauer von Renovierungsarbeiten. Das erstmalig im Widerspruchsverfahren vorgelegte Mietangebot über die Wohnung B 00 entspreche nicht den Angemessenheitskriterien. Die in der Mietbescheinigung ausgewiesene Kaltmiete von 395 Euro liege oberhalb der Angemessenheitsgrenze von 381,92 Euro für eine 3 Personen-Bedarfsgemeinschaft. Für den Einzug in eine unangemessene Wohnung sei eine Zustimmung nicht zu erteilen.
Am 08.09.2010 übersandten die Antragsteller eine neue Mietbescheinigung mit nunmehr geänderter Kaltmiete von 380 Euro.
Die Antragsteller haben am 22.09.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund (Az.: S 30 AS 4394/10) erhoben und Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie haben beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, "ihnen die Zustimmung zum Umzug in die Straße B 00 in C zu erteilen".
Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 15.10.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die Zusicherung für die Unterkunftskosten der begehrten Wohnung zu erteilen. Der Umzug sei erforderlich und die KdU mit nunmehr 380 Euro unstreitig angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Ein Umzug liege bereits dann vor, wenn die konkret angemietete Wohnung verlassen werden müsse. Wolle man es ausreichen lassen, dass Wohnraum unter demselben Dach in einer anderen Wohnung des Vermieters vorhanden sei, wäre der Begriff des Umzugs von dieser Zufälligkeit abhängig. Die Antragsteller hätten einen Mietvertrag über eine Wohnung im 2. Obergeschoss. Bei Untauglichkeit dieser Wohnung stehe es ihnen frei, sich einen anderen Vermieter zu suchen als bisher. Der Umzug sei auch erforderlich, da die bisherige Wohnung - von der Antragsgegnerin unangezweifelt - von Schimmel befallen sei und der Antragsteller zu 2) an einer Asthmaerkrankung leide. Im Übrigen sei auch anerkannt, dass insbesondere bei Kleinkindern der dauernde Aufenthalt in einer Wohnung, in welcher sich Schimmelsporen befänden, zu einer erhöhten Disposition für Atemwegserkrankungen führe. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Vermieter die Wohnung B nur bis zum 15.10.2010 frei halte.
Gegen den ihr am 17.10.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 27.10.2010 Beschwerde eingelegt. Dem Eilantrag fehle es am Anordnungsanspruch. Ein Umzug liege nicht bereits dann vor, wenn die konkret angemietete Wohnung verlassen werden müsse. Dies stelle begrifflich lediglich einen Auszug dar. Ein Umzug hingegen erfordere auch die Auflösung des bestehenden Mietverhältnisses. Bei einem Baumangel, hätten die Antragsteller zunächst als vorrangiges Mittel von einer Mietminderung Gebrauch machen müssen. Eine ordentliche Kündigung zur Beendigung des Mietverhältnisses sei wohl nicht erfolgt. Auch zum Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung sei weder vorgetragen noch durch das Gericht ermittelt worden. Die Antragsteller dürften nach § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt sein. Weiterhin sei die Erforderlichkeit des Umzugs nicht erkennbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Sanierung der bisherigen Wohnung zu über das bestehende Maß hinausgehenden Beschwerden des Antragstellers zu 2) führten. Zu dessen Erkrankung lägen ausreichende medizinische Befunde auch nicht vor. Es sei auch nicht erkennbar, warum die Antragsteller nicht ggf. während der Sanierung auf die angebotene Wohnung ausweichen könnten. Auch der Vortrag zur Eilbedürftigkeit erscheine nicht glaubhaft, zumal die begehrte Wohnung mindestens bereits seit dem 17.08.2010 frei stehe.
Die Antragsteller sind im Anschluss an die Entscheidung des Sozialgerichts umgezogen. Die alte Wohnung sei außerordentlich gekündigt worden und der Vermieter habe die Kündigung angenommen. Auch habe man bereits am 28.06.2010 die Miete gemindert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Antragsteller haben entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, in Breith 2005, 803). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt, erfolgen (BVerfG, a.a.O.; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 29, 29a). Die besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91).
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der begehrten "Zustimmung zum Umzug" nicht erfüllt. In der Sache ist hier das Begehren gemeint, die Antragsgegnerin zu einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB II zu verpflichten.
Bereits die Annahme des Sozialgerichts, dass ein Anordnungsanspruch gegeben sei, ist zweifelhaft. Fraglich ist bereits, ob die Zusicherung selbst gerichtlich einklagbar ist oder Gegenstand einer Klage jedenfalls nach dem Umzug allein die Gewährung der tatsächlichen Kosten der neuen Unterkunft sein kann. Darüber hinaus ist der kommunale Träger gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II nur dann verpflichtet, eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Zu Recht hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erforderlichkeit des Umzugs eine Reihe von Umständen nach bisheriger Aktenlage nicht ausreichend ermittelt sind. Dies gilt für den Umfang des Schimmelbefalls, die Art und den Umfang der Erkrankung des Antragstellers zu 2), die Frage, ob konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Schimmelbefall zu erwarten sind und ob bzw. wie diese sich vermeiden ließen, für den Umfang und die Beeinträchtigung durch Sanierungsarbeiten sowie insbesondere auch für die Frage des Zustandes der angebotenen Ersatzwohnung. Erst bei Kenntnis der Ausprägung dieser Umstände ist es möglich zu beurteilen, ob für die gänzliche Lösung des Mietverhältnisses und den Umzug in die nunmehrige Wohnung plausible, nachvollziehbare und verständliche Gründe vorliegen, von denen sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen.
Die Frage, ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, kann jedoch dahinstehen, da die im Eilverfahren konkret begehrte Erteilung der Zusicherung nicht eilbedürftig war, somit ein Anordnungsgrund fehlte. Zwar bestand für die Antragsteller die Notwendigkeit, sich zügig zu entscheiden, ob sie die begehrte Wohnung anmieten, weil diese nach Ablauf des 15.10.2010 nicht weiter für sie freigehalten werden sollte. Dies allein führte jedoch nicht zu einer Eilbedürftigkeit der Entscheidung über die Zusicherung, weil deren Erteilung keine (notwendige) Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages darstellt. Tatsächlich ist es dem Hilfebedürftigen auch ohne Zusicherung des Leistungsträgers möglich, die von ihm begehrte Wohnung anzumieten. Entsprechend droht durch die Versagung der Zusicherung als solcher keine Verletzung in eigenen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte (vgl. auch Beschluss des erkennenden Senats vom 03.08.2010, L 6 AS 1182/10 B ER).
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Antragsteller die Erteilung der Zusicherung wohl vorrangig begehren, damit die höheren Kosten der neuen Wohnung von der Antragsgegnerin übernommen werden. Einen ausdrücklichen Eilantrag auf konkrete Gewährung dieser Kosten haben die Antragsteller nicht gestellt, so dass die Überprüfung der Voraussetzungen eines solchen Eilantrags bzw. des § 22 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 SGB II nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Die im vorliegenden Verfahren allein streitige Erteilung bzw. Versagung der Zusicherung gem. § 22 Abs. 2 SGB II ist für die Bestimmung der Höhe der zu erbringenden KdU ohne Belang. Die in § 22 Abs. 3 SGB II vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen ist keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R Rn 27 m.w.N. = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn 78 m.w.N.). Ist der Umzug i.S.v. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II erforderlich und sind die Kosten der neuen Unterkunft angemessen, sind diese Kosten vom Leistungsträger auch dann zu zahlen, wenn eine Zusicherung nicht vorliegt. Das in § 22 Abs. 2 SGB II normierte Zusicherungsverfahren ist für den späteren Leistungsanspruch damit nicht konstitutiv sondern hat allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn 79). Versagt der Leistungsträger die begehrte Zusicherung, obliegt es der Entscheidung des Hilfebedürftigen, ob er - trotz des dadurch erkennbaren (Kosten-)Risikos - dennoch umzieht oder in der "alten" Wohnung verbleibt bis der Leistungsträger sein Einverständnis mit einem Umzug bzw. einer begehrten neuen Wohnung erklärt. Weder ist es Aufgabe des Eilrechtsschutzes, dem Hilfebedürftigen diese Entscheidung zu erleichtern, noch kann das Eilverfahren hier eine echte Hilfestellung leisten. Da im Eilverfahren in aller Regel keine abschließende, sondern lediglich eine summarische Prüfung von Tatbestandsmerkmalen erfolgen kann, würde diese nur vorläufige Entscheidung das Risiko des Wohnungswechsels für den Hilfebedürftigen nicht beseitigen können. Eine Sicherheit dahingehend, ob der Umzug erforderlich und/oder die neue Wohnung angemessen ist und deren Kosten vom Leistungsträger damit dauerhaft in voller Höhe übernommen werden, könnte eine Entscheidung im Eilverfahren nicht geben. Die begehrte Erteilung der Zusicherung ist mangels Beeinträchtigung von Rechten der Antragsteller damit nicht eilbedürftig.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung B 00, C gemäß § 22 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erteilen.
Die miteinander verheirateten Antragsteller beziehen als Bedarfsgemeinschaft mit ihrer 2009 geborenen Tochter K von der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Sie bewohnten zunächst eine Wohnung unter der Anschrift I-straße 00, 2. Obergeschoss, in C. Die Kaltmiete dieser 66 qm großen Wohnung betrug 359,25 Euro. Mit Bescheid vom 26.05.2010 bewilligte die Antragsgegnerin u. a. für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.10.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 1.204,83 Euro (Regelleistungen 677,00 Euro; KdU 527,83 Euro) monatlich.
Mit Schreiben vom 26.05.2010 bot der Vermieter der Antragsteller diesen aufgrund von Feuchtigkeitsschäden im Deckenbereich ihrer Wohnung den Umzug in eine andere Wohnung im selben Haus (1. Obergeschoss) an und bat die Antragsgegnerin um Genehmigung des Umzugs. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Schreiben vom 31.05.2010 ab. Es handele sich um bauliche Mängel der bisherigen Wohnung, die vom Vermieter zu beseitigen seien. Sollte für den Zeitraum der Sanierung ein Verbleib in der Wohnung nicht möglich sein, habe der Vermieter geeigneten Ausweichwohnraum zur Verfügung zu stellen. Sollten die Antragsteller trotz dieses Hinweises umziehen, würde sich an der Bewilligung der Höhe der Grundmiete nichts ändern. Im Rahmen ihres Widerspruchs gegen diesen Bescheid reichten die Antragsteller eine Mietbescheinigung für eine neue Wohnung B 00 in C ein. Danach beträgt die Kaltmiete ohne Nebenkosten für die 65 qm große Wohnung 395 Euro. Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2010 zurück. Es sei nicht von einer Umzugsnotwendigkeit auszugehen, da ein Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht unzumutbar sei. "Umzug" bedeute die endgültige Lösung des Mietverhältnisses, nicht nur den vorübergehenden Umzug in eine andere Wohnung im selben Haus während der Dauer von Renovierungsarbeiten. Das erstmalig im Widerspruchsverfahren vorgelegte Mietangebot über die Wohnung B 00 entspreche nicht den Angemessenheitskriterien. Die in der Mietbescheinigung ausgewiesene Kaltmiete von 395 Euro liege oberhalb der Angemessenheitsgrenze von 381,92 Euro für eine 3 Personen-Bedarfsgemeinschaft. Für den Einzug in eine unangemessene Wohnung sei eine Zustimmung nicht zu erteilen.
Am 08.09.2010 übersandten die Antragsteller eine neue Mietbescheinigung mit nunmehr geänderter Kaltmiete von 380 Euro.
Die Antragsteller haben am 22.09.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund (Az.: S 30 AS 4394/10) erhoben und Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Sie haben beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, "ihnen die Zustimmung zum Umzug in die Straße B 00 in C zu erteilen".
Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 15.10.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die Zusicherung für die Unterkunftskosten der begehrten Wohnung zu erteilen. Der Umzug sei erforderlich und die KdU mit nunmehr 380 Euro unstreitig angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Ein Umzug liege bereits dann vor, wenn die konkret angemietete Wohnung verlassen werden müsse. Wolle man es ausreichen lassen, dass Wohnraum unter demselben Dach in einer anderen Wohnung des Vermieters vorhanden sei, wäre der Begriff des Umzugs von dieser Zufälligkeit abhängig. Die Antragsteller hätten einen Mietvertrag über eine Wohnung im 2. Obergeschoss. Bei Untauglichkeit dieser Wohnung stehe es ihnen frei, sich einen anderen Vermieter zu suchen als bisher. Der Umzug sei auch erforderlich, da die bisherige Wohnung - von der Antragsgegnerin unangezweifelt - von Schimmel befallen sei und der Antragsteller zu 2) an einer Asthmaerkrankung leide. Im Übrigen sei auch anerkannt, dass insbesondere bei Kleinkindern der dauernde Aufenthalt in einer Wohnung, in welcher sich Schimmelsporen befänden, zu einer erhöhten Disposition für Atemwegserkrankungen führe. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass der Vermieter die Wohnung B nur bis zum 15.10.2010 frei halte.
Gegen den ihr am 17.10.2010 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 27.10.2010 Beschwerde eingelegt. Dem Eilantrag fehle es am Anordnungsanspruch. Ein Umzug liege nicht bereits dann vor, wenn die konkret angemietete Wohnung verlassen werden müsse. Dies stelle begrifflich lediglich einen Auszug dar. Ein Umzug hingegen erfordere auch die Auflösung des bestehenden Mietverhältnisses. Bei einem Baumangel, hätten die Antragsteller zunächst als vorrangiges Mittel von einer Mietminderung Gebrauch machen müssen. Eine ordentliche Kündigung zur Beendigung des Mietverhältnisses sei wohl nicht erfolgt. Auch zum Vorliegen einer außerordentlichen Kündigung sei weder vorgetragen noch durch das Gericht ermittelt worden. Die Antragsteller dürften nach § 543 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch nicht zur außerordentlichen Kündigung berechtigt sein. Weiterhin sei die Erforderlichkeit des Umzugs nicht erkennbar. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Sanierung der bisherigen Wohnung zu über das bestehende Maß hinausgehenden Beschwerden des Antragstellers zu 2) führten. Zu dessen Erkrankung lägen ausreichende medizinische Befunde auch nicht vor. Es sei auch nicht erkennbar, warum die Antragsteller nicht ggf. während der Sanierung auf die angebotene Wohnung ausweichen könnten. Auch der Vortrag zur Eilbedürftigkeit erscheine nicht glaubhaft, zumal die begehrte Wohnung mindestens bereits seit dem 17.08.2010 frei stehe.
Die Antragsteller sind im Anschluss an die Entscheidung des Sozialgerichts umgezogen. Die alte Wohnung sei außerordentlich gekündigt worden und der Vermieter habe die Kündigung angenommen. Auch habe man bereits am 28.06.2010 die Miete gemindert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Antragsteller haben entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das von Antragstellerseite geltend gemachte Recht (sog. Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit, d.h. die Dringlichkeit, die Angelegenheit sofort vor einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu regeln (sog. Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, in Breith 2005, 803). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss eine umfassende Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt, erfolgen (BVerfG, a.a.O.; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rn 29, 29a). Die besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom 16.05.1995, 1 BvR 1087/91).
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der begehrten "Zustimmung zum Umzug" nicht erfüllt. In der Sache ist hier das Begehren gemeint, die Antragsgegnerin zu einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB II zu verpflichten.
Bereits die Annahme des Sozialgerichts, dass ein Anordnungsanspruch gegeben sei, ist zweifelhaft. Fraglich ist bereits, ob die Zusicherung selbst gerichtlich einklagbar ist oder Gegenstand einer Klage jedenfalls nach dem Umzug allein die Gewährung der tatsächlichen Kosten der neuen Unterkunft sein kann. Darüber hinaus ist der kommunale Träger gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II nur dann verpflichtet, eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Zu Recht hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erforderlichkeit des Umzugs eine Reihe von Umständen nach bisheriger Aktenlage nicht ausreichend ermittelt sind. Dies gilt für den Umfang des Schimmelbefalls, die Art und den Umfang der Erkrankung des Antragstellers zu 2), die Frage, ob konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Schimmelbefall zu erwarten sind und ob bzw. wie diese sich vermeiden ließen, für den Umfang und die Beeinträchtigung durch Sanierungsarbeiten sowie insbesondere auch für die Frage des Zustandes der angebotenen Ersatzwohnung. Erst bei Kenntnis der Ausprägung dieser Umstände ist es möglich zu beurteilen, ob für die gänzliche Lösung des Mietverhältnisses und den Umzug in die nunmehrige Wohnung plausible, nachvollziehbare und verständliche Gründe vorliegen, von denen sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen.
Die Frage, ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, kann jedoch dahinstehen, da die im Eilverfahren konkret begehrte Erteilung der Zusicherung nicht eilbedürftig war, somit ein Anordnungsgrund fehlte. Zwar bestand für die Antragsteller die Notwendigkeit, sich zügig zu entscheiden, ob sie die begehrte Wohnung anmieten, weil diese nach Ablauf des 15.10.2010 nicht weiter für sie freigehalten werden sollte. Dies allein führte jedoch nicht zu einer Eilbedürftigkeit der Entscheidung über die Zusicherung, weil deren Erteilung keine (notwendige) Voraussetzung für den Abschluss des Mietvertrages darstellt. Tatsächlich ist es dem Hilfebedürftigen auch ohne Zusicherung des Leistungsträgers möglich, die von ihm begehrte Wohnung anzumieten. Entsprechend droht durch die Versagung der Zusicherung als solcher keine Verletzung in eigenen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte (vgl. auch Beschluss des erkennenden Senats vom 03.08.2010, L 6 AS 1182/10 B ER).
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Antragsteller die Erteilung der Zusicherung wohl vorrangig begehren, damit die höheren Kosten der neuen Wohnung von der Antragsgegnerin übernommen werden. Einen ausdrücklichen Eilantrag auf konkrete Gewährung dieser Kosten haben die Antragsteller nicht gestellt, so dass die Überprüfung der Voraussetzungen eines solchen Eilantrags bzw. des § 22 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 SGB II nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens ist. Die im vorliegenden Verfahren allein streitige Erteilung bzw. Versagung der Zusicherung gem. § 22 Abs. 2 SGB II ist für die Bestimmung der Höhe der zu erbringenden KdU ohne Belang. Die in § 22 Abs. 3 SGB II vorgesehene Zusicherung zu den Aufwendungen ist keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 10/06 R Rn 27 m.w.N. = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn 78 m.w.N.). Ist der Umzug i.S.v. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II erforderlich und sind die Kosten der neuen Unterkunft angemessen, sind diese Kosten vom Leistungsträger auch dann zu zahlen, wenn eine Zusicherung nicht vorliegt. Das in § 22 Abs. 2 SGB II normierte Zusicherungsverfahren ist für den späteren Leistungsanspruch damit nicht konstitutiv sondern hat allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rn 79). Versagt der Leistungsträger die begehrte Zusicherung, obliegt es der Entscheidung des Hilfebedürftigen, ob er - trotz des dadurch erkennbaren (Kosten-)Risikos - dennoch umzieht oder in der "alten" Wohnung verbleibt bis der Leistungsträger sein Einverständnis mit einem Umzug bzw. einer begehrten neuen Wohnung erklärt. Weder ist es Aufgabe des Eilrechtsschutzes, dem Hilfebedürftigen diese Entscheidung zu erleichtern, noch kann das Eilverfahren hier eine echte Hilfestellung leisten. Da im Eilverfahren in aller Regel keine abschließende, sondern lediglich eine summarische Prüfung von Tatbestandsmerkmalen erfolgen kann, würde diese nur vorläufige Entscheidung das Risiko des Wohnungswechsels für den Hilfebedürftigen nicht beseitigen können. Eine Sicherheit dahingehend, ob der Umzug erforderlich und/oder die neue Wohnung angemessen ist und deren Kosten vom Leistungsträger damit dauerhaft in voller Höhe übernommen werden, könnte eine Entscheidung im Eilverfahren nicht geben. Die begehrte Erteilung der Zusicherung ist mangels Beeinträchtigung von Rechten der Antragsteller damit nicht eilbedürftig.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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