L 19 AS 512/11 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 201/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 512/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.02.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 00.00.1961 geborene Antragsteller ist leiblicher Vater des am 00.00.2002 geborenen Kindes B X. Durch Änderungsbescheid vom 15.07.2010 gewährte die Rechtsvorgängerin des Antragsgegners (nachfolgend: Antragsgegner) dem Antragsteller und seinem Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 1.176,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2010. Er ging davon aus, dass eine Aufnahme des Sohnes in die Bedarfsgemeinschaft erfolgt war.

Seit dem 03.09.2010 ist Frau N und ihre am 00.00.2009 geborene Tochter B unter der Adresse L-Ring 00, O gemeldet. Frau N ist polnische Staatsangehörige und geschieden. Sie hat das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter inne. Sie hat in Polen gearbeitet und befindet sich unentgeltlich in Elternzeit bis zum 21.01.2013. Ihre Tochter erhält von ihrem Vater Unterhalt in Höhe von ca. 162,00 EUR mtl. Durch Bescheid vom 16.12.2010 lehnte die Familienkasse N die Gewährung von Kindergeld für das Kind B an den Antragsteller mit der Begründung ab, dass das Kind nicht sein leibliches Kind und der Antragsteller nicht mit der Kindesmutter verheiratet sei. Mit Schreiben vom 14.12.2010 teilt die Ausländerbehörde der Stadt O Frau N mit, dass sie bislang die Voraussetzungen der Freizügigkeit im Sinne des Freizüg/EU nicht habe nachweisen können.

Am 08.09.2010 zeigte der Antragsteller beim Antragsgegner an, dass Frau N mit ihrer Tochter B bei ihm als Lebenspartnerin eingezogen sei. Er benötige die Betreuung durch seine Lebenspartnerin, da er psychisch nicht in der Lage sei, alleine zu leben.

Durch Bescheid vom 15.12.2010 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 551,11 EUR (359,00 EUR Regelleistung + 192,11 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2011. Er führte aus, dass über den Leistungsanspruch von Frau N und ihrer Tochter bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde bzw. bis zur Vorlage des Aufenthaltstitels nicht entschieden werden könne. Daher könne auch nicht der auf Frau N und ihrer Tochter entfallende Anteil der Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen werden. Über den Leistungsanspruch des Sohnes des Antragstellers könne erst nach Vorlage eines Nachweises über seinen tatsächlichen Aufenthalt und Schulbesuch in Deutschland entschieden werden. Nach Auskunft der vom Antragsteller benannten Schule besuche der Sohn diese Schule nicht. Nach Angaben des Antragstellers gegenüber dieser Schule besuche der Sohn weiterhin die Schule in Polen.

Mit Schreiben vom 06.01.2011 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, zur Klärung seines Anspruchs den Aufenthaltstitel von Frau N und deren Tochter, eine Schulbescheinigung hinsichtlich seines Sohnes und eine Kundenkarte der Bank über die Änderung der Kontodaten bis zum 23.01.2011 vorzulegen.

Durch Bescheid vom 28.03.2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 620,16 EUR (364,00 EUR Regelleistung + 256,16 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2011.

Am 07.01.2011 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweilige Verfügung beantragt zur Klärung seiner Situation und zur Gewährung des Minimums des Sozialgeldes für sich und seine Familienmitglieder.

Er hat vorgetragen, dass ihm und seinen Familienmitgliedern ein Sozialgeld bis zur Regulierung seines Schadensersatzanspruchs aus § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Darlehen zu gewähren sei. Seine zukünftige Frau, die Mutter seines Kindes, brauche keinen eigenen Antrag zu stellen, da er darlehensweise Sozialgeld für sich und seine Familienmitglieder bis zur Auszahlung des Amtshaftungsanspruches begehre. Seine Wohnung L-Ring 00 sei zwischenzeitlich gekündigt. Deshalb halte er sich in Polen auf.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass die Ausführungen des Antragstellers zum Amtshaftungsanspruch für die aktuellen Ermittlungen zum Sachverhalt irrelevant seien.

Durch Beschluss vom 15.02.2011 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 18.02.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 16.03.2011 Beschwerde eingelegt.

Er verfolgt sein Begehren weiter.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich als im Bescheid vom 28.03.2011 bewilligt nicht glaubhaft gemacht (1.). Ein Anordnungsanspruch auf Gewährung von Sozialgeld an den Sohn des Antragstellers ist nicht glaubhaft gemacht (2.). Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag des Antragstellers hinsichtlich der Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an Frau N und deren Tochter B als unzulässig abgewiesen (3.).

1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers auf Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich als im Bescheid vom 28.03.2011 bewilligt ist nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann offenbleiben, ob der Antragsteller für die Zeit ab der Antragstellung bei Gericht am 07.01.2011 durchgehend leistungsberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist oder ob die Voraussetzungen des Leistungsauschlusses nach § 7 Abs. 4a SGB II - ungenehmigte Abwesenheit aus dem orts- und zeitnahen Bereich - zumindest für Teilzeiträume vorliegen. Der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren selbst angegeben, dass er sich wegen der Kündigung der Wohnung zeitweise in Polen aufhält. Jedenfalls stehen ihm nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich als im Bescheid vom 28.03.2011 bewilligt - nämlich 620,00 EUR - zu. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller in dem Bescheid vom 28.03.2011 den Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von 364,00 EUR nach § 20 Abs. 2 SGB II i.d.F. ab dem 01.01.2011 (Gesetz vom 24.03.2011, BGBl. I 453) n.F. gewährt. Daher kann dahinstehen, ob zwischen dem Antragsteller und Frau N eine Einstandsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II besteht und dem Antragsteller deshalb nur ein abgesenkter Regelbedarf in Höhe von 328,00 EUR nach § 20 Abs. 4 SGB II n.F. zusteht. Des weiteren hat der Antragsgegner entsprechend dem Kopfteilprinzip (zur Anwendung des Kopfteilprinzips bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch mehrere Personen BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = juris Rn 19 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) ein Drittel der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 216,56 EUR für den Antragsteller übernommen, da die Wohnung L-Ring 00, O unter Zugrundelegung der Angaben des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner und im erstinstanzlichen Verfahren seit dem 07.01.2011 von drei Personen genutzt wird. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ein Sonderfall vorliegt, der eine vom Prinzip der Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach "Kopfzahl" abweichende Aufteilung rechtfertigen würde, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers. Gegen die Höhe der vom Antragsgegner angesetzten tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 768,50 EUR (Kaltmiete 450,00 EUR + Betriebskosten 210,00 EUR + Heizkosten 108,50 EUR) hat sich der Antragsteller auch nicht gewandt. Ob dem Antragsteller ein Mehrbedarf wegen dezentraler Warmwasserbereitung nach § 22 Abs. 7, 77 Abs. 6 SGB II n.F. zusteht, ist im Hauptsacheverfahren zu klären.

Ebenso hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf darlehensweise Gewährung von Sozialgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts seiner Lebensgefährtin und der beiden Kinder bis zur Auszahlung des Amtshaftungsanspruchs an ihn nicht glaubhaft gemacht. Für dieses Begehren ist eine Anspruchsgrundlage im SGB II nicht ersichtlich. Bei den Ansprüchen aus dem SGB II handelt es sich jeweils um Individualansprüche des einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft. Anspruchsinhaber ist nach der Konzeption des SGB II nicht die Bedarfsgemeinschaft, sondern die einzelne Person der Bedarfsgemeinschaft (vgl. BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 56/06 R = juris Rn 17). Mithin lässt sich aus dem SGB II kein eigener Anspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Dritten - hier seiner Lebensgefährtin und der beiden Kinder -, unabhängig von der Form der Leistung - Zuschuss oder Darlehen - ableiten.

2. Dahinstehen kann, ob der Antragsteller berechtigt ist, prozessual für seinen minderjährigen Sohn Ansprüche nach dem SGB II geltend zumachen (siehe zur Vertretung von Minderjährigen im Prozess: BSG Urteil vom 02.07.2009 - B 14 AS 54/08 R = juris Rn 19). Jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch auf Gewährung von Sozialgeld an den Sohn des Antragstellers nach §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 23 SGB II n.F. nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Antragsteller mit seinem Sohn eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bildet. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehört zu einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II u.a. das dem Haushalt angehörende unverheiratete minderjährige Kind, soweit es die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen kann. Vorliegend hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er seinen Sohn in dem hier streitigen Zeitraum ab dem 07.01.2011 in seinen Haushalt L-Ring 00, O aufgenommen hat. Nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte hält sich der Sohn des Antragstellers nicht in der Bundesrepublik, sondern in Polen auf, da er dort die Schule besucht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Sohn des Antragstellers im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in die Bundesrepublik eingereist ist. Vielmehr hat die Grundschule, die H-schule in O, bei der der Sohn des Antragstellers als Schüler angemeldet ist, auf Anfrage des Senats bestätigt, dass der Sohn des Antragstellers die Grundschule tatsächlich nicht besucht.

3. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag des Antragstellers hinsichtlich der Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an Frau N und deren Tochter B als unzulässig abgewiesen.

Der Antragsteller ist nicht berechtigt, die Ansprüche von Frau N und deren Tochter B aus dem SGB II im eigenen Namen geltend zu machen.

Auch wenn unterstellt wird, dass der Antragsteller als Vertreter von Frau N und deren Tochter B im erstinstanzlichen Verfahren aufgetreten ist, also Ansprüche nicht aus eigenem Recht, sondern in fremden Namen geltend gemacht hat, ist der Antrag insoweit unzulässig. Das Sozialgericht hat den Antrag nach Fristsetzung zur Vorlage einer Prozessvollmacht (vgl. hierzu BSG Urteil vom 13.12.2000 - B 6 KA 29/00 = juris Rn 16) wegen Fehlens einer Prozessvollmacht nach § 73 Abs. 6 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig abgewiesen. Nach dieser Norm hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Wegen der Präklusionswirkung einer erstinstanzlichen Entscheidung, die auf den fehlenden Nachweis einer Bevollmächtigung beruht, kann dieser Verfahrensmangel durch die Vorlage einer Prozessvollmacht im Beschwerdeverfahren, nicht geheilt werden. Deshalb kann dahinstehen, ob die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Vollmacht von Frau N vom 07.09.2010 den Anforderungen an eine Prozessvollmacht genügt bzw. ob der Antragsteller überhaupt nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGG vertretungsbefugt für Frau N und deren Tochter ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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