Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 402/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 132/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.10.2010 abgeändert. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 12.165,88 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Antragsgegnerin ein durchsetzbarer Anspruch gegen den Antragsteller aus dem Abrechnungsbescheid vom 24.01.2001 zusteht. Das Hauptsachverfahren ist zum Az. S 14 KA 403/10 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängig.
Der Antragsteller ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Ausweislich des bestandskräftigen Quartalskonto/Abrechnungsbescheides vom 24.01.2001 für das Quartal III/2000 macht die Antragsgegnerin gegen ihn mittels vollstreckbarer Ausfertigung vom 05.02.2001 eine Forderung in Höhe von 95.177,57 DM (= 48.663,52 EUR) geltend. Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 21.05.2001 erließ das Amtsgericht (AG) C am 25.05.2001 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (30 M 1671/01) an die Nordrheinische Ärzteversorgung als Drittschuldnerin auf die Rentenanwartschaften des Antragstellers. Die Zustellung an die Drittschuldnerin erfolgte am 11.06.2001. Diese teilte der Antragsgegnerin am 13.06.2001 mit, dass die gepfändete Forderung anerkannt werde und vier Vorpfändungen in Höhe von ca. 56.000,00 DM zzgl. Kosten und Zinsen vorlägen. Am 21.05.2001 ging beim AG Köln der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers ein. Mit Beschluss vom 18.02.2002 - 71 IN 5/02 - eröffnete das AG das Insolvenzverfahren. Die Restschuldbefreiung wurde am 17.02.2009 erteilt. Die Nordrheinische Ärzteversorgung teilte der Antragsgegnerin mit (Schreiben vom 23.04.2009), sie gehe von einer Erledigung der Pfändung aus, nachdem der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom Insolvenzverfahren erfasst worden sei. Dem widersprach die Antragsgegnerin mit dem Bemerken, der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses werde von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt.
Der Antragsteller hat am 13.08.2010 Klage erhoben und zugleich um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Der Anspruch der Antragsgegnerin sei durch die erteilte Restschuldbefreiung erloschen und die Zwangsvollstreckung aus dem Abrechnungsbescheid vom 24.01.2001 daher unzulässig. Einstweiliger Rechtsschutz sei geboten, da die Antragsgegnerin die Zwangsvollstreckung betreibe. Er beziehe bereits seit dem 01.05.2009 eine Altersversorgung von der Nordrheinischen Ärzteversorgung in Höhe von monatlich 1.557,79 EUR. Die Rentenansprüche seien zur Aufrechterhaltung seines aktuellen und auf diese Ansprüche ausgerichteten Lebensstandards notwendig. Würde die Antragsgegnerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorgehen, hätte dieses für ihn zwingend nicht zu duldende Einschränkungen bezüglich seines Lebensstandards zur Folge, welche nicht wieder rückgängig zu machen seien.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Abrechnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.01.2001 zu Praxisnummer 000 für das Quartal III/2000 bis zum Erlass des Urteils in dieser Sache einstweilen einzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Die Forderung sei bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstrickt gewesen. Die durch eine wirksame Pfändung erlangte öffentlich-rechtliche Beschlagnahme und Verstrickung werde von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt und habe auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch Bestand. Das gelte unabhängig davon, ob eine Restschuldbefreiung beantragt bzw. bereits erlangt worden sei. Es bestehe ein Absonderungsrecht. Von dem Umstand, dass der Antragsteller bereits im Rentenbezug sei, habe sie erst am 02.09.2010 Kenntnis erlangt. Sie sei davon ausgegangen, dass der Antragsteller Rentenzahlungen erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres ab Mai 2013 erhalten werde. Sie habe keinerlei Zwangsvollstreckungsversuche aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unternommen.
Mit Beschluss vom 28.10.2010 hat das SG antragsgemäß entschieden. Der Anordnungsanspruch sei gegeben, da die Antragsgegnerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses keine Rechte mehr herleiten könne, denn dieser werde von der Restschuldbefreiung erfasst. Die Voraussetzungen für den Anordnungsgrund seien ausreichend dargetan. Dem Antragsteller sei es nicht zuzumuten, sich gegen etwaige Vollstreckungsversuche der Antragsgegnerin zur Wehr setzen zu müssen.
Diese Entscheidung greift die Antragstellerin mit der Beschwerde an. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens meint sie, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht hinreichend dargetan seien.
Sie beantragt,
den Beschluss des SG aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch habe das SG zutreffend bejaht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben. Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragsteller ist § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
1. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senat, Beschluss vom 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
a) Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Mittels einer Sicherungsanordnung trifft das Gericht nur bestandsschützende Maßnahmen (Düring, a.a.O., Rdn. 10). Die Rechtsverwirklichung im Sinn des Absatz 2 Satz 1 wird vereitelt, wenn sich das gefährdete Recht im Hauptsacheverfahren nicht mehr durchsetzen lässt. Die Rechtsverwirklichung wird erschwert, wenn zu befürchten ist, dass eine Zustandsveränderung den Erfolg des Hauptsacheverfahrens weitgehend entwerten würden (Düring, a.a.O., Rdn. 13 m.w.N.). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich, denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -).
b) Die Frage, ob und inwieweit die Antragsgegnerin trotz Restschuldbefreiung (§§ 286, 301 Insolvenzordnung (InsO)) vom 17.12.2009 Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.05.2001 herleiten kann, betrifft den Anordnungsanspruch. Dieser muss als zweite Voraussetzung geprüft und bejaht werden, um eine einstweilige Anordnung erlassen zu können. Dem gleichrangig ist im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG der Anordnungsgrund. Ist dieser zu verneinen, kann eine einstweilige Anordnung mangels Eilbedürftigkeit nicht in Betracht kommen. Allerdings bilden Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Insofern stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderung an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden insoweit aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, Beschluss vom 21.06.2010 - L 11 B 26/09 KA ER -). Daraus folgt, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern, wenn eine Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, dennoch kann auch in diesem Fall nicht gänzlich auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes verzichtet werden (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2011 - L 12 B 50/09 AS ER -). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist insbesondere dann geboten, wenn eine Verletzung des Gebotes, effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG zu gewähren, zu besorgen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.06.2003 - L 10 B 9/03 KA ER - und 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -).
c) Daran fehlt es. Selbst wenn die Antragsgegnerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss versuchen würde zu vollstrecken, dürfte dies derzeit erfolglos bleiben. Die Nordrheinische Ärzteversorgung hat mitgeteilt, dass vier vorrangige Pfändungen vorliegen, jedoch keine pfändbaren Beträge abgeführt werden, da sich aus der Tabelle zu § 850c Zivilprozessordnung kein pfändbarer Betrag ergäbe. Zudem hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 02.02.2011 ausdrücklich erklärt, seit Kenntnisnahme von dem Bezug der vorgezogenen Altersrente keine Vollstreckungsversuche vorgenommen zu haben und diese gegenwärtig auch nicht zu beabsichtigen. Schließlich bleibt zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auch ansonsten einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Er hat lediglich vorgetragen, die Rentenzahlungen seien maßgeblich dafür, dass der er seinen aktuellen und auf diese Ansprüche ausgerichteten Lebensstandart beibehalten könne und etwaige Rentenkürzungen "zwingend nicht zu duldende Einschränkungen bezüglich seines Lebensstandards zur Folge hätten". Hiermit ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist. Dem Antragsteller droht schon nach eigenem Vorbringen keine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte.
d) Ist - wie hier - offensichtlich ein Anordnungsgrund nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG SGG auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird (zur abweichenden Rechtslage nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 SGG vgl. Senat, Beschluss vom 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER -). Anderenfalls würden die den Anordnungsgrund bezeichnenden Tatbestandsmerkmale des § 86b Abs. 2 ("vereitelt" bzw. "wesentlich erschwert" und "zur Abwendung wesentlicher Nachteile") gesetzwidrig hinweg interpretiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 VwGO. Den Wert des Streitgegenstands setzt der Senat in Höhe eines Viertels der zu vollstreckenden Forderung festgesetzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2007 - L 16 B 21/07 KR ER -).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist, ob der Antragsgegnerin ein durchsetzbarer Anspruch gegen den Antragsteller aus dem Abrechnungsbescheid vom 24.01.2001 zusteht. Das Hauptsachverfahren ist zum Az. S 14 KA 403/10 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängig.
Der Antragsteller ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Ausweislich des bestandskräftigen Quartalskonto/Abrechnungsbescheides vom 24.01.2001 für das Quartal III/2000 macht die Antragsgegnerin gegen ihn mittels vollstreckbarer Ausfertigung vom 05.02.2001 eine Forderung in Höhe von 95.177,57 DM (= 48.663,52 EUR) geltend. Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 21.05.2001 erließ das Amtsgericht (AG) C am 25.05.2001 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (30 M 1671/01) an die Nordrheinische Ärzteversorgung als Drittschuldnerin auf die Rentenanwartschaften des Antragstellers. Die Zustellung an die Drittschuldnerin erfolgte am 11.06.2001. Diese teilte der Antragsgegnerin am 13.06.2001 mit, dass die gepfändete Forderung anerkannt werde und vier Vorpfändungen in Höhe von ca. 56.000,00 DM zzgl. Kosten und Zinsen vorlägen. Am 21.05.2001 ging beim AG Köln der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers ein. Mit Beschluss vom 18.02.2002 - 71 IN 5/02 - eröffnete das AG das Insolvenzverfahren. Die Restschuldbefreiung wurde am 17.02.2009 erteilt. Die Nordrheinische Ärzteversorgung teilte der Antragsgegnerin mit (Schreiben vom 23.04.2009), sie gehe von einer Erledigung der Pfändung aus, nachdem der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom Insolvenzverfahren erfasst worden sei. Dem widersprach die Antragsgegnerin mit dem Bemerken, der Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses werde von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt.
Der Antragsteller hat am 13.08.2010 Klage erhoben und zugleich um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Der Anspruch der Antragsgegnerin sei durch die erteilte Restschuldbefreiung erloschen und die Zwangsvollstreckung aus dem Abrechnungsbescheid vom 24.01.2001 daher unzulässig. Einstweiliger Rechtsschutz sei geboten, da die Antragsgegnerin die Zwangsvollstreckung betreibe. Er beziehe bereits seit dem 01.05.2009 eine Altersversorgung von der Nordrheinischen Ärzteversorgung in Höhe von monatlich 1.557,79 EUR. Die Rentenansprüche seien zur Aufrechterhaltung seines aktuellen und auf diese Ansprüche ausgerichteten Lebensstandards notwendig. Würde die Antragsgegnerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorgehen, hätte dieses für ihn zwingend nicht zu duldende Einschränkungen bezüglich seines Lebensstandards zur Folge, welche nicht wieder rückgängig zu machen seien.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Abrechnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.01.2001 zu Praxisnummer 000 für das Quartal III/2000 bis zum Erlass des Urteils in dieser Sache einstweilen einzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Die Forderung sei bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstrickt gewesen. Die durch eine wirksame Pfändung erlangte öffentlich-rechtliche Beschlagnahme und Verstrickung werde von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt und habe auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch Bestand. Das gelte unabhängig davon, ob eine Restschuldbefreiung beantragt bzw. bereits erlangt worden sei. Es bestehe ein Absonderungsrecht. Von dem Umstand, dass der Antragsteller bereits im Rentenbezug sei, habe sie erst am 02.09.2010 Kenntnis erlangt. Sie sei davon ausgegangen, dass der Antragsteller Rentenzahlungen erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres ab Mai 2013 erhalten werde. Sie habe keinerlei Zwangsvollstreckungsversuche aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unternommen.
Mit Beschluss vom 28.10.2010 hat das SG antragsgemäß entschieden. Der Anordnungsanspruch sei gegeben, da die Antragsgegnerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses keine Rechte mehr herleiten könne, denn dieser werde von der Restschuldbefreiung erfasst. Die Voraussetzungen für den Anordnungsgrund seien ausreichend dargetan. Dem Antragsteller sei es nicht zuzumuten, sich gegen etwaige Vollstreckungsversuche der Antragsgegnerin zur Wehr setzen zu müssen.
Diese Entscheidung greift die Antragstellerin mit der Beschwerde an. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens meint sie, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht hinreichend dargetan seien.
Sie beantragt,
den Beschluss des SG aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch habe das SG zutreffend bejaht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben. Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragsteller ist § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
1. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom vom 18.09.2002 - L 10 B 9/02 KA ER - und vom 23.08.2002 - L 10 B 12/02 KA ER -). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senat, Beschluss vom 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
a) Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Mittels einer Sicherungsanordnung trifft das Gericht nur bestandsschützende Maßnahmen (Düring, a.a.O., Rdn. 10). Die Rechtsverwirklichung im Sinn des Absatz 2 Satz 1 wird vereitelt, wenn sich das gefährdete Recht im Hauptsacheverfahren nicht mehr durchsetzen lässt. Die Rechtsverwirklichung wird erschwert, wenn zu befürchten ist, dass eine Zustandsveränderung den Erfolg des Hauptsacheverfahrens weitgehend entwerten würden (Düring, a.a.O., Rdn. 13 m.w.N.). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich, denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -).
b) Die Frage, ob und inwieweit die Antragsgegnerin trotz Restschuldbefreiung (§§ 286, 301 Insolvenzordnung (InsO)) vom 17.12.2009 Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.05.2001 herleiten kann, betrifft den Anordnungsanspruch. Dieser muss als zweite Voraussetzung geprüft und bejaht werden, um eine einstweilige Anordnung erlassen zu können. Dem gleichrangig ist im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG der Anordnungsgrund. Ist dieser zu verneinen, kann eine einstweilige Anordnung mangels Eilbedürftigkeit nicht in Betracht kommen. Allerdings bilden Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Insofern stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderung an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden insoweit aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, Beschluss vom 21.06.2010 - L 11 B 26/09 KA ER -). Daraus folgt, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern, wenn eine Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, dennoch kann auch in diesem Fall nicht gänzlich auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes verzichtet werden (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2011 - L 12 B 50/09 AS ER -). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist insbesondere dann geboten, wenn eine Verletzung des Gebotes, effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG zu gewähren, zu besorgen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.06.2003 - L 10 B 9/03 KA ER - und 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -).
c) Daran fehlt es. Selbst wenn die Antragsgegnerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss versuchen würde zu vollstrecken, dürfte dies derzeit erfolglos bleiben. Die Nordrheinische Ärzteversorgung hat mitgeteilt, dass vier vorrangige Pfändungen vorliegen, jedoch keine pfändbaren Beträge abgeführt werden, da sich aus der Tabelle zu § 850c Zivilprozessordnung kein pfändbarer Betrag ergäbe. Zudem hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 02.02.2011 ausdrücklich erklärt, seit Kenntnisnahme von dem Bezug der vorgezogenen Altersrente keine Vollstreckungsversuche vorgenommen zu haben und diese gegenwärtig auch nicht zu beabsichtigen. Schließlich bleibt zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auch ansonsten einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat. Er hat lediglich vorgetragen, die Rentenzahlungen seien maßgeblich dafür, dass der er seinen aktuellen und auf diese Ansprüche ausgerichteten Lebensstandart beibehalten könne und etwaige Rentenkürzungen "zwingend nicht zu duldende Einschränkungen bezüglich seines Lebensstandards zur Folge hätten". Hiermit ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist. Dem Antragsteller droht schon nach eigenem Vorbringen keine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte.
d) Ist - wie hier - offensichtlich ein Anordnungsgrund nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG SGG auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird (zur abweichenden Rechtslage nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 SGG vgl. Senat, Beschluss vom 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER -). Anderenfalls würden die den Anordnungsgrund bezeichnenden Tatbestandsmerkmale des § 86b Abs. 2 ("vereitelt" bzw. "wesentlich erschwert" und "zur Abwendung wesentlicher Nachteile") gesetzwidrig hinweg interpretiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 VwGO. Den Wert des Streitgegenstands setzt der Senat in Höhe eines Viertels der zu vollstreckenden Forderung festgesetzt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2007 - L 16 B 21/07 KR ER -).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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