Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 162/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 462/11 B ER und L 19 AS 463/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.02.2011 werden zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Antragstellerin bezieht laufend in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Verwaltungsakt vom 07.01.2011 ersetzte der Antragsgegner eine Eingliederungsvereinbarung, wodurch die Antragstellerin u.a. verpflichtet wurde, sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebotes auf Vermittlungsvorschläge, die sie von der Agentur für Arbeit/dem Jobcenter Kreis S erhalten habe, zu bewerben. Wegen der Regelungen im Einzelnen wird auf den Verwaltungsakt vom 07.01.2011 Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat hiergegen Widerspruch eingelegt und am 21.01.2011 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs sowie Prozesskostenhilfe begehrt. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, ihr Widerspruch entfalte bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner habe vor Erlass des Verwaltungsaktes keine Bemühungen um eine einvernehmliche Eingliederungsvereinbarung mit ihr unternommen und sie sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes auch nicht in der Lage, den ihr auferlegten Pflichten aus dem Verwaltungsakt nachzukommen.
Mit Beschluss vom 14.02.2011 hat das SG den Antrag sowie Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Leistungsempfänger nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urt. v. 22.09.2010 - B 4 AS 13/09 R) keinen Anspruch auf Vertragsverhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung vor Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes habe und sonstige Aspekte, die die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes begründen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich seien.
Die dagegen gerichteten Beschwerden, mit denen sich die Antragstellerin insbesondere auf ihre Einschränkungen infolge ihrer Erkrankungen beruft, sind zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Verwaltungsakt vom 07.01.2011 anzuordnen.
Eine solche Anordnung ist nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in den Fällen möglich, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt der Wegfall der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs aus § 39 Nr. 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917). Danach hat der Widerspruch u.a. keine aufschiebende Wirkung gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt. Hierdurch werden entsprechende Verwaltungsakte über Eingliederungsvereinbarungen erfasst (Conradis in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 39 Rn. 6). Soweit sich die Antragstellerin auf gegenteilige Kommentarliteratur beruft (Eicher/Spellbrink, SGB II, jetzt vorliegend in 2. Aufl.), betrifft diese die frühere Fassung des § 39 Nr. 1 SGB II, wonach lediglich Verwaltungsakte über Leistungen der Grundsicherung erfasst waren.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist nicht geboten, weil die insoweit erforderliche Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners (zu Letzterem Beschl. des Senats v. 26.04.2010 - L 19 AS 140/10 B ER; Düring in Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Aufl., § 86b Rn. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 12f.) zugunsten von Letzterem ausgeht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II generell dem Vollzugsinteresse den Vorrang eingeräumt hat, auch wenn dieser Umstand das Aussetzungsinteresse insbesondere bei besonders weitreichenden Folgen für den betroffenen Leistungsempfänger durch die Vollziehung nicht grundsätzlich zurücktreten lässt (BVerwG Beschl. v. 03.09.1997 - 11 VR 20/96 = NVwZ-RR 1998, 289, 290; Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 983). Hier sind jedoch weder Rechtsfehler noch so schwerwiegenden Folgen durch die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes feststellbar, wonach das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin als vorrangig angesehen werden könnte.
Die Antragstellerin hatte kein durchsetzbares subjektives öffentliches Recht auf Vertragsverhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung vor Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes. Diesbezüglich nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss Bezug.
Die Inhalte des angefochtenen Verwaltungsaktes begegnen bei der hier möglichen Prüfungsdichte ebenfalls keinen Bedenken. Da solche letztlich von der Klägerin auch nicht geltend gemacht werden, nimmt der Senat diesbezüglich auf seine Entscheidung vom 02.05.2011 - L 19 AS 344/11 B ER - zu einem vergleichbaren eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt Bezug.
Soweit die Antragstellerin schließlich auf ihren eingeschränkten Gesundheitszustand verweist, folgt hieraus ohne weiteres ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB II, der sie von der Erfüllung der Pflichten aus dem Verwaltungsakt freistellt bzw. der Verhängung von Sanktionen wegen der Nichterfüllung dieser Pflichten entgegensteht, sodass aus der sofortigen Vollziehbarkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes keine Rechtsnachteile drohen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Antragsgegner darauf verwiesen hat, dass er derzeit im Hinblick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Vermittlungsversuche unternimmt und im Ergebnis damit auch keine entsprechenden Bemühungen von der Antragstellerin verlangt.
Die Beschwerde ist daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Aufgrund vorstehender Erwägungen hat das SG auch zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Antrag keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) geboten hat.
Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde ist daher zurückzuweisen. Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten folgt insoweit auf einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 4 ZPO.
Mangels entsprechender Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens ist auch für dieses Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Antragstellerin bezieht laufend in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann Grundsicherungsleistungen für Erwerbsfähige nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Verwaltungsakt vom 07.01.2011 ersetzte der Antragsgegner eine Eingliederungsvereinbarung, wodurch die Antragstellerin u.a. verpflichtet wurde, sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tag nach Erhalt des Stellenangebotes auf Vermittlungsvorschläge, die sie von der Agentur für Arbeit/dem Jobcenter Kreis S erhalten habe, zu bewerben. Wegen der Regelungen im Einzelnen wird auf den Verwaltungsakt vom 07.01.2011 Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat hiergegen Widerspruch eingelegt und am 21.01.2011 beim Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs sowie Prozesskostenhilfe begehrt. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, ihr Widerspruch entfalte bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Der Antragsgegner habe vor Erlass des Verwaltungsaktes keine Bemühungen um eine einvernehmliche Eingliederungsvereinbarung mit ihr unternommen und sie sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes auch nicht in der Lage, den ihr auferlegten Pflichten aus dem Verwaltungsakt nachzukommen.
Mit Beschluss vom 14.02.2011 hat das SG den Antrag sowie Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Leistungsempfänger nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urt. v. 22.09.2010 - B 4 AS 13/09 R) keinen Anspruch auf Vertragsverhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung vor Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes habe und sonstige Aspekte, die die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes begründen könnten, weder vorgetragen noch ersichtlich seien.
Die dagegen gerichteten Beschwerden, mit denen sich die Antragstellerin insbesondere auf ihre Einschränkungen infolge ihrer Erkrankungen beruft, sind zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Verwaltungsakt vom 07.01.2011 anzuordnen.
Eine solche Anordnung ist nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in den Fällen möglich, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folgt der Wegfall der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs aus § 39 Nr. 1 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917). Danach hat der Widerspruch u.a. keine aufschiebende Wirkung gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt. Hierdurch werden entsprechende Verwaltungsakte über Eingliederungsvereinbarungen erfasst (Conradis in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 39 Rn. 6). Soweit sich die Antragstellerin auf gegenteilige Kommentarliteratur beruft (Eicher/Spellbrink, SGB II, jetzt vorliegend in 2. Aufl.), betrifft diese die frühere Fassung des § 39 Nr. 1 SGB II, wonach lediglich Verwaltungsakte über Leistungen der Grundsicherung erfasst waren.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG ist nicht geboten, weil die insoweit erforderliche Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners (zu Letzterem Beschl. des Senats v. 26.04.2010 - L 19 AS 140/10 B ER; Düring in Jansen, Kommentar zum SGG, 3. Aufl., § 86b Rn. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 12f.) zugunsten von Letzterem ausgeht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II generell dem Vollzugsinteresse den Vorrang eingeräumt hat, auch wenn dieser Umstand das Aussetzungsinteresse insbesondere bei besonders weitreichenden Folgen für den betroffenen Leistungsempfänger durch die Vollziehung nicht grundsätzlich zurücktreten lässt (BVerwG Beschl. v. 03.09.1997 - 11 VR 20/96 = NVwZ-RR 1998, 289, 290; Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 983). Hier sind jedoch weder Rechtsfehler noch so schwerwiegenden Folgen durch die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes feststellbar, wonach das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin als vorrangig angesehen werden könnte.
Die Antragstellerin hatte kein durchsetzbares subjektives öffentliches Recht auf Vertragsverhandlungen über eine Eingliederungsvereinbarung vor Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes. Diesbezüglich nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss Bezug.
Die Inhalte des angefochtenen Verwaltungsaktes begegnen bei der hier möglichen Prüfungsdichte ebenfalls keinen Bedenken. Da solche letztlich von der Klägerin auch nicht geltend gemacht werden, nimmt der Senat diesbezüglich auf seine Entscheidung vom 02.05.2011 - L 19 AS 344/11 B ER - zu einem vergleichbaren eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt Bezug.
Soweit die Antragstellerin schließlich auf ihren eingeschränkten Gesundheitszustand verweist, folgt hieraus ohne weiteres ein wichtiger Grund im Sinne des § 31 Abs. 1 SGB II, der sie von der Erfüllung der Pflichten aus dem Verwaltungsakt freistellt bzw. der Verhängung von Sanktionen wegen der Nichterfüllung dieser Pflichten entgegensteht, sodass aus der sofortigen Vollziehbarkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes keine Rechtsnachteile drohen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Antragsgegner darauf verwiesen hat, dass er derzeit im Hinblick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen keine Vermittlungsversuche unternimmt und im Ergebnis damit auch keine entsprechenden Bemühungen von der Antragstellerin verlangt.
Die Beschwerde ist daher mit der auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Aufgrund vorstehender Erwägungen hat das SG auch zu Recht Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil der Antrag keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) geboten hat.
Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde ist daher zurückzuweisen. Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten folgt insoweit auf einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 4 ZPO.
Mangels entsprechender Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens ist auch für dieses Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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