L 11 SF 199/11 AB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 1634/11
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 SF 199/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Gesuch des Antragstellers auf Ablehnung von Richter C wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. In der Hauptsache wenden sich die Kläger im Rahmen einer vor dem Sozialgerichts (SG) Köln erhobenen Anfechtungsklage gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten (Bescheid vom 15.09.2010, Änderungsbescheid vom 21.02.2010, Widerspruchsbescheid vom 16.03.2011). Zuständig für den Rechtsstreit ist die 6. Kammer des SG; deren Vorsitzender, Richter C, ist der Lebensgefährte der Verfasserin des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 16.03.2011. Der Beklagte erachtet Richter C aufgrund des persönlichen Näheverhältnisses zu seiner Mitarbeiterin als befangen.

II.

Das Befangenheitsgesuch des Antragstellers (AS) ist nicht begründet.

Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den AS von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rechtsprechung, vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 12.07.1986 - 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 - und vom 02.12.1992 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 5/92 -, Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.1993 - 12 RK 45/92 -).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Senat, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2011 für die ab 01.01.2011 eingehenden Beschlusssachen (u.a.) betreffend Ablehnung von Gerichtspersonen des SG Köln zuständig ist, hat sich mit dieser Rechtsfrage bereits in seinem Beschluss vom 21.02.2011 - L 11 SF 2/11 AB - befasst und ausgeführt:

"Allein der Umstand, dass der zur Entscheidung berufene Richter und die Mitarbeiterin der Beklagten, die deren Widerspruchsbescheid verfasst hat, in einem - eheähnlichen - Näheverhältnis stehen, begründet nach objektiven Maßstäben vorliegend keine Besorgnis der Befangenheit.

§ 41 ZPO regelt die Fälle, in denen ein Richter ohne jede Ausnahme von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist. Die vorliegende Fallkonstellation ist indes von § 41 ZPO ebenso wenig erfasst wie die Fallgestaltung einer sog. instanzüberschreitenden Richterrichterehe in der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 20.10.2003 - II ZB 31/02 -) und des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 24.11.2005 - B 9a VG 6/05 B -). Auf diese Rechtsprechung kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg berufen; denn sie trägt ihr Begehren nicht. Der BGH hat nämlich in den Fällen der instanzübergreifenden Richterrichterehe die von der Beklagten postulierte generelle Annahme einer Befangenheit verneint und das BSG hat diese Rechtsprechung ausdrücklich nur in den Fällen für unanwendbar erachtet, in denen zusätzlich zu dem Näheverhältnis - anders als vorliegend - ein Verstoß des vorinstanzlichen Richters gegen die Prozessordnung geltend gemacht wird, mithin nichts Anderes als der mögliche Verdacht im Raum steht, ein Richter würde "eine berufliche Fehlleistung" seines Ehegatten nicht objektiv zu würdigen in der Lage oder willens sein.

Ob Kritik (s. dazu z.B. Vollkommer in EWiR 2004, 205; Feiber in NJW 2004, 650, und im Übrigen die umfassende Übersicht von Wagner in jurisPR-SozR 15/2006) an der Rechtsprechung des BGH berechtigt ist und ob ggf. welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, kann vorliegend dahinstehen; denn es liegt bereits eine der instanzüberschreitenden Richterrichterehe vergleichbare Fallgestaltung nicht vor. Zu beachten ist nämlich bei der im Rahmen des § 42 ZPO gebotenen Einzelfallprüfung, dass es sich bei der Widerspruchsentscheidung des Beklagten um eine im Rahmen der Massenverwaltung getroffene "gebundene" Entscheidung handelt, wie bereits die Begründung des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2010 "An die Weisungen und Richtlinien des kommunalen Trägers - hier des S-Kreises - ist die ARGE S als leistungsgewährende Stelle gebunden." hinreichend belegt. Daraus folgt, dass aus bzw. aufgrund dieser Entscheidung oder der Mitwirkung der Lebenspartnerin von Richter C an dieser Entscheidung anders als bei jeder "freien" richterlichen Entscheidung überhaupt kein Konfliktpotential infolge eines persönlichen Näheverhältnisses oder die Gefahr einer durch das persönliche Näheverhältnis beeinflussten richterlichen Entscheidung besteht. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des § 60 Abs. 2 SGG, auch wenn dieser nicht auf Art und Inhalt der Verwaltungsentscheidung abstellt. Indes regelt die Vorschrift eine aufgrund der weitaus größeren Sachnähe erheblich stärker ausgeprägte Konfliktsituation, nämlich das der Richter selber bei dem Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat."

Anlass diese Rechtsprechung abzuändern, besteht auch in Kenntnis des Beschlusses des 15. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, der für die bis zum 31.12.2010 eingegangen Ablehnungsverfahren betreffend des SG Köln zuständig war, vom 15.02.2011 - L 15 SF 379/10 AB - nicht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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