L 15 U 263/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 13 U 89/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 263/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 229/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.09.2003 geändert. Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen sowie von Lebzeitenleistungen wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs i.V.m. Asbeststaublungenerkrankung - Asbestose, i.V.m. durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder beim Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren - im Folgenden BK 4104 -) geführt.

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe und die Klägerin zu 2) die Waise des 1933 geborenen und am 00.10.1993 verstorbenen Versicherten I. Der Versicherte erlernte von August 1948 bis Juli 1951 den Beruf des Bauschreiners und war in der Folgezeit als Bauschreiner und Zimmerer von August 1951 bis Mai 1953 bei der Firma C2 in H, von Juni 1953 bis Januar 1954 bei der Firma L1 in S, von April 1954 bis Februar 1958 mit Unterbrechungen bei der Firma I in C1, von März. 1958 bis Mai 1962 bei der Firma W1 in S und schließlich von Juni 1962 bis Juli 1992 bei der Firma Bauschreinerei und Zimmerei Gebr. X1 in C1 beschäftigt. Im Juli 1992 wurde im St. F-Krankenhaus in E ein Bronchialkarzinom der rechten Lunge diagnostiziert. Der Oberarzt dieses Krankenhauses U1 zeigte im Juli 1992 den Verdacht auf eine Berufskrankheit an wegen des Kontaktes mit Asbest und Xyladecor. Die Firma Gebr. X1 zeigte im August 1992 ebenfalls den Verdacht auf eine Berufskrankheit an und teilte mit, der Versicherte sei der Einwirkung von Holzstaub, Holzschutzmitteln und Asbestzementplatten ausgesetzt gewesen. Der Versicherte wurde am 20.08.1992 persönlich angehört und beschrieb seinen Tätigkeitsbereich wie folgt:

Neben dem Abriss und Wiederaufbau von Schiefständen mit in Carbolineum getränkten Brettern habe er Ladenauf- und Ausbauten durchgeführt, die vor 20 Jahren noch mit Asbest verkleidet worden seien. Er habe Asbestplatten mit der Kreissäge geschnitten und selbst verlegt. Später seien die Asbestplatten durch glasfaserverstärkte Rigipsplatten ausgetauscht worden. Auch diese Platten habe er selbst zugeschnitten und nachgehobelt. Auch sei Glasal - eine Eternitart - von ihm verarbeitet worden. In letzter Zeit habe die Firma Gebr. X1 verschiedene Holzschutzmittel der Firma C3 benutzt, die die früher verwandten Holzschutzmittel der Marke Xyladecor abgelöst hätten. Er sei auch bei Abbrucharbeiten eingesetzt worden. Hier sei es stets zu enormen Staubbelastungen gekommen, so sei vor ca. zwei Jahren ein Abbruch von der Stadtverwaltung gestoppt worden, weil die Asbestfeinstaubbelastung zu groß gewesen sei. Vor zehn Jahren habe er in einem Dachgeschoss Holzschädlinge mit dem Gift Avarol bekämpft.

Zur Beschäftigung bei der Firma W1 hat der Versicherte in einem Fragebogen am 07.12.1992 angegeben, er habe Dachstühle, Fenster und Türen gefertigt und dabei mit diversen Holzarten gearbeitet. Auf die Frage, ob er in diesen Zeiten Arbeiten ausgeführt habe, bei denen er asbesthaitigen oder mineralischen Stoffen ausgesetzt war, hat er angegeben, er habe Glaswolle verlegt.

Der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) T2 ist in seiner Stellungnahme vom 03.03.1993 zu dem Ergebnis gekommen, der Versicherte habe bei der Firma Gebr. X1 gelegentlichen Umgang mit asbesthaitigen Bauelementen gehabt, die gesägt, geschliffen oder gebrochen worden seien. Dauer und Intensität seien nicht näher einzugrenzen. Bei der Firma W1 seien keine asbesthaitigen Baustoffe verwendet worden.

Die Firma Gebr. X1 berichtete mit Schreiben vom 31.03.1993 über die Belastung des Versicherten durch Holzschutzmittel. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten hat in einer Stellungnahme des Dipl.-Ing. T3 vom 07.06.1993 eine Exposition gegen Benzol oder seine Homologe verneint; beim Abriss und Wiederaufbau von Schießständen mit in Carbolineum getränkten Brettern sei der Versicherte der Einwirkung einer gewissen Menge Benzo(a)Pyren ausgesetzt gewesen. Das verwendete Holzschutzmittel Kulbasal enthalte u.a. Chromverbindungen.

Unter dem 05.08.1993 hat Prof. Dr. S, Institut für Arbeitsmedizin an der S- Universität C, ein internistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten erstattet, in dem er die Auffassung vertrat, der Versicherte habe als Bauschreiner u.a. Kontakt mit asbestfaserhaltigen Stäuben gehabt, denen eine karzinogene Bedeutung zukomme. Die seit 1988 vorliegenden Röntgenbilder hätten jedoch keinen eindeutigen Hinweis für asbestassoziierte Lungen- und/oder Pleuraveränderungen erkennen lassen. Sofern die kumulative berufliche Asbestfaserexposition 25 Jahre unterschreite, könne nicht von einer BK 4104 ausgegangen werden.

Auf Anregung des Staatlichen Gewerbearztes Dr. F, der im übrigen Prof. Dr. S zustimmte, berechnete der TAD der Beklagten eine kumulative Asbestfaserstaubdosis von 5,34 Faserjahren (Stellungnahme vom 24.11.1993): Es sei davon auszugehen, dass der Versicherte als Zimmermann und Tischler sowohl Asbestzementwellplatten demontiert als auch zugeschnitten, geschliffen und in Tür- oder Fensterelemente eingebaut habe. Ein gelegentlicher Umgang mit Asbestzementbauteilen sei mit je zehn Schichten pro Jahr angemessen bewertet.

In einem weiteren nach der Obduktion des Versicherten am 18.10.1993 erstellten Gutachten ist Prof. Dr. N, Institut für Pathologie der S-Universität C, zu dem Ergebnis gekommen, der Versicherte sei an einer berufsbedingten Asbestose erkrankt, im fibrosierten Lungengewebe habe man Asbestkörperchen nachweisen können. Das Bronchialkarzinom sei wahrscheinlich Folge dieser Asbestose.

Demgegenüber hat der Pathologe Prof. Dr. N1, Berufsgenossenschaftliche Krankenanstalten C C, in einem Gutachten vom 30.05.1994 die Auffassung vertreten, aus der staubanalytischen Untersuchung lasse sich eine vergleichsweise vermehrte Asbestbelastung der Lunge ableiten. So habe man in einer Probe 100 Asbestkörperchen pro Gramm Lungengewebe gefunden. Bei der Interpretation dieses Ergebnisses müsse berücksichtigt werden, dass für die staubanalytische Untersuchung nur fortgeschritten autolytisches oder entzündlich durchsetztes Gewebe zur Verfügung gestanden habe. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen sei nicht auszuschließen, dass die Maximalzahl von 100 Asbestkörperchen noch als zu niedrig einzustufen sei. Der einmalige Nachweis von Asbestkörperchen in einem Fibrosierungsareal - hier im rechten überlappen - reiche für die DiagnosesteIlung einer Minimalasbestose nicht aus. Da für das Vorliegen asbestassoziierter flbrosierender Lungenveränderungen im Sinne einer Minimalasbestose in der Regel der Nachweis von 1000 Asbestkörperchen und mehr pro ccm Lungengewebe geführt werden müsse und auch die durchgeführten histomorphologischen Untersuchungen das Muster einer Minimalasbestose oder Asbestose nicht gezeigt hätten, müsse eine BK 4104 verneint werden.

Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.1994 fest, dass beim Versicherten Berufskrankheiten nach den Nrn. 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen), 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) oder eine BK 4104 nicht vorgelegen habe. Mit weiterem Bescheid vom 11.10.1994 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) die Zahlung einer Waisenrente mit der Begründung ab, der Tod des Versicherten sei nicht Folge einer Berufskrankheit.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren sind Prof. Dr. N (ergänzende Stellungnahme vom 19.07.1995) und Prof. Dr. N1 (Stellungnahme vom 07.11.1995) jeweils bei ihrer Auffassung verblieben. Nach Durchführung einer elektronenmikroskopischen Faseranalytik durch Prof. Dr. T hat Prof. Dr. N1 die Auffassung vertreten, das elektronenmikroskopische Ergebnis habe keine vergleichsweise vermehrte Asbestbelastung der Lunge ergeben. Die Direktorin des Instituts für Arbeitsmedizin der Universität Düsseldorf Prof. Dr. C vertrat die Auffassunq. gegen das Vorliegen eines asbestinduzierten Bronchialkarzinoms spreche, dass lediglich in einem Schnittpräparat eine minimale Asbestose mit maximal 100 Asbestkörperchen pro ccm Lungengewebe und elektronenmikroskopisch keine Asbestfasern nachgewiesen worden seien. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1996, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 25.06.1996, die Widersprüche der Klägerinnen zurück. Dagegen haben die. Klägerinnen fristgerecht Klage zum Sozialgericht Münster erhoben und die Auffassung vertreten, es sei zumindest eine Minimalasbestose nachgewiesen. Die Beklagte hat eine weitere Stellungnahme ihres TAO vom 26.05.1998 vorgelegt, die zu dem Ergebnis gekommen ist, im theoretisch denkbar ungünstigsten Fall liege eine kumulative Dosis von 10,68 Faserjahren vor.

Das Sozialgericht hat zunächst ein Gutachten von Prof. Dr. L, dem ehemaligen Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Mainz, vom 24.10.2000 eingeholt. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, eine asbestverursachte Lungenfibrose oder Pleuraerkrankung habe beim Versicherten nicht gesichert werden können. Eine Verursachung des tödlichen Lungenkrebses durch die Exposition gegen Asbest auch in Kombination mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) oder Chrom sei daher nicht wahrscheinlich.

Des Weiteren ist auf Antrag der Klägerinnen Prof. Dr. X, Direktor des Instituts der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Gießen, als Sachverständiger gehört worden. Dieser hat die Anerkennung einer BK 4104 vorgeschlagen: Dem von Prof. Dr. N erhobenen histologische Befund einer interstitiellen Fibrose mit Einschluss von Asbestkörperchen sei der Vorrang einzuräumen. Die topographisch enge Beziehung zwischen Asbestkörperchen und Lungenfibrose entspreche dem typischen Bild einer Minimalasbestose. Unter Berücksichtigung der geringen biologischen Beständigkeit der Asbestfasern im menschlichen Lungengewebe (sog. Fahrerfluchtphänomen) seien bei Kenntnis der Latenzzeit von mindestens ca. 30 Jahren die staubanalytischen Untersuchungen weder mit dem Licht- noch mit dem Elektronenmikroskop zuverlässig genug und damit geeignet, eine toxikologisch relevante Asbestexposition im Sinne eines Gegenbeweises auszuschließen. Die Arbeitsanamnese sei von der Beklagten mangelhaft ermittelt worden, insbesondere sei die berufliche Tätigkeit des Versicherten als Bauschreiner in den Jahren 1948 bis 1962 nicht hinreichend berücksichtigt worden. Der Versicherte sei auch der Einwirkung eines Chrom-VI-haltigen Holzschutzmittels und von PAK ausgesetzt gewesen. Bei geringer Einwirkungsdauer und -intensität seien diese Stoffe aber nicht hinreichend wahrscheinlich kausal geworden.

Die Beklagte ist dem Gutachten unter Vorlage einer Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin und Umweltmedizin Dr. T1 vom 20.12.2001 entgegengetreten: Die Kriterien der Minimalasbestose seien nicht erfüllt. Prof. Dr. X ist in einer ergänzenden Stellungnahme vom 27.03.2002 bei seiner Auffassung verblieben.

Der TAO der Beklagte befragte zur Asbestbelastung des Versicherten im Betrieb der Firma Gebr. X1 seine ehemaligen Arbeitskollegen C2 und W sowie seinen letzten direkten Vorgesetzten, den Tischler- und Zimmerermeister T3 sowie den ehemaligen Arbeitgeber X1 und errechnete eine kumulative Dosis von 0,8 Faserjahren. Asbesthaltige Materialien seien nur gelegentlich in sporadischen Sonderfällen bearbeitet und montiert worden (Stellungnahme des Dipl.-Ing. T2 vom 22.11.2002).

Prof. Dr. X ist in einer weiteren Stellungnahme vom 19.12.2002 bei seiner Auffassung verblieben: Durch Autopsie und Histologie sei bei dem Versicherten eine Asbeststaublungenerkrankung im Sinne einer Minimalasbestose voll bewiesen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 03.09.2003, im Wesentlichen gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. X, die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin zu 1) als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten Lebzeitenrente wegen einer BK 4104 und den Klägerinnen zu 1) und 2) Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

Mit der Berufung hat die Beklagte ein Gutachten des Prof. Dr. U vom 29.06.2004 vorgelegt und vorgetragen, es sei mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit kein Zusammenhang zwischen der beruflichen Asbestexposition und dem Auftreten des Lungenkrebs herzuleiten, so dass von einer schädigungsunabhängigen Tumorerkrankung. auszugehen sei. Aus den Ergebnissen der Asbestkörperchenfiltration und elektronenmikroskopischen Faseranalyse könne keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass die international diskutierten Grenzkonzentrationen im vorliegenden Fall überschritten seien. Zudem müsse kritisch diskutiert werden, ob es wahrscheinlicher sei, dass eine minimale Lungenfibrose anderer Genese vorliege, beispielsweise als Reaktion auf die kombinierte Strahlen- und Chemotherapie.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 03.09.2003 zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerinnen halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Prof. Dr. U habe sich nicht hinreichend mit dem Gutachten des Prof. Dr. X insbesondere zur Problematik des sog. Fahrerfluchtphänomens auseinandergesetzt. Die von Prof. Dr. U aufgeworfene Frage einer möglichen Verursachung der Fibrose durch die vorangegangene Krebstherapie sei eine bekannte Problematik. Es sei davon auszugehen, dass insbesondere Prof. Dr. N diese Erkenntnisse bei der Begutachtung mit berücksichtigt habe.

Das Gericht hat zunächst in einem Termin zur Beweisaufnahme am 15.02.2005 zur Asbestbelastung im Betrieb der Firma Gebr. X1 den Dipl.-Bauingenieur X1 und den Zimmermann C2 uneidlich als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Des Weiteren wurde ein Gutachten eingeholt von dem Bergassessor a.D. Prof. Dipl.-Ing. N2 vom 10.06.2005 zur Exposition des Versicherten gegenüber Asbest und PAK. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, der Versicherte sei während seiner Tätigkeit in Bauschreinereien von August 1948 bis Mai 1962 einer Asbestbelastung von 15,23 und während seiner Beschäftigung bei der Firma Gebr. X1 von 22,08 Faserjahren ausgesetzt gewesen. Er ist bei dieser Berechnung davon ausgegangen, der Versicherte sei bei der Firma C2 zu 20 %, bei der Firma L1 zu mindestens 30 %, bei der Firma I zu 35 %, im Betrieb der Firma W1 zu 25 % und im Betrieb der Firma Gebr. X1 zu 10 % seiner Arbeitszeit asbestexponiert gewesen. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf das Sachverständigengutachten Bezug genommen. Hinzu komme eine Belastung durch PAK von insgesamt 0,11 Benzo[a]pyren-Jahren [(lJg/m3)xJahre] BaP-Jahren, die relativ unbedeutend sei.

Die Beklagte hat diesem Gutachten widersprochen und gerügt, der Sachverständige habe ohne ergänzende Beweisanordnung des Senats eigene Ermittlungen angestellt, als er die Arbeitskollegen des Versicherten bei der Firma W1, I1 und F1 befragt habe. Die darauf beruhenden Ausführungen seien nicht verwertbar. Der Sachverständige habe sich auch über die Ergebnisse der Befragung der Zeugen T3 und C2 hinweggesetzt; seine prozentuale Einschätzung der Asbestexposition stehe nicht im Bezug zum zu beurteilenden Einzelfall. Der Sachverständige habe auch zu Unrecht für die gesamte Zeit der Beschäftigung bis 1992 den Umgang mit Asbestzementmaterialien zugrundegelegt. Asbest-Brandschutzplatten seien bereits Ende der 70-er Jahre durch asbestfreies Material ersetzt worden.

Daraufhin hat der Senat die vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten geführten Betriebsakten beigezogen und eine Stellungnahme der Beigeladenen zur Asbestfaserbelastung in deren Mitgliedsbetrieben angefordert. Die Präventionsabteilung der Beigeladenen hat den ehemaligen Unternehmer I und die jetzigen Unternehmer der Firmen C2 und L1 befragt und ist zu dem Ergebnis gekommen, in keinem der genannten Betriebe könne im Vollbeweis eine Asbestexposition nachgewiesen werden, wenn man im Sinne einer worst-case-Betrachtung 5 % der Arbeitszeit als asbestexponiert annehme, so ergebe sich in der Summe ein Wert von 1,1 Faserjahren. Des weiteren sind im Termin zur Beweisaufnahme am 12.03.2007 der Schreiner W zur Asbestexposition im Betrieb der Firma Gebr. X1 und zur Asbestbelastung im Betrieb der Firma W1 der Modellschreiner F1 (Termin am 17.11.2006) gehört worden. Die Technische SachverständigensteIle im Servicebereich Berufskrankheiten der Beklagten errechnete auf der Basis der Angaben des Zeugen W eine Faserbelastung von insgesamt 0,7 Faserjahren.

Schließlich sind zu den Voraussetzungen einer Minimalasbestose Auskünfte der Deutschen Gesellschaft für Pathologie vom 13.02.2007 und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin vom 23.05.2007, auf die Bezug genommen wird, eingeholt worden. Des Weiteren hat das Gericht ein Gutachten nach Aktenlage von dem von der Deutschen Gesellschaft für Pathologie empfohlenen Sachverständigen Prof. Dr. C1, Institut für allgemeine und spezielle Pathologie des Universitätsklinikums des Saarlandes in I vom 30.05.2008 eingeholt. Prof. Dr. C1 hat ausgeführt, beim Versicherten habe keine BK 4104 vorgelegen. Eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura sei weder im Obduktionsgutachten noch bei den übrigen Begutachtungen festgestellt worden. Aufgrund der radiologischen, makroskopischen und mikroskopischen Befunde, insbesondere der nicht tumorbefallenen und nicht strahlentherapierten linken Lunge, könne selbst eine minimale Asbestose ausgeschlossen werden. Nach dem derzeit herrschenden medizinischen Wissensstand sei für die Diagnose einer sog. Minimalasbestose der Nachweis einer zumindest im Bereich der Bronchien gelegenen Fibrose sowie der Nachweis von Asbestkörperchen nach den Helsinki-Kriterien erforderlich. Das Vorliegen von Pseudo-Asbestkörperchen müsse sicher ausgeschlossen sein, ebenso wie Fibroseursachen anderer Genese, z.B. bedingt durch eine Bestrahlung der Lunge, eine Entzündung der Lunge oder durch lungentoxische Arzneimittel. Mit dem Gutachten des Prof. Dr. N stimme er nicht überein, dieser habe sowohl Gewebe aus dem linken Lungenoberlappen sowie auch aus dem linken Lungenunterlappen untersucht. In beiden Fraktionen habe sich kein Hinweis für eine auch nur minimale Fibrose ergeben. Danach sei die Diagnose einer Asbestose als Hauptleiden nicht aufrechtzuerhalten.

Auf Antrag der Klägerinnen sind nach § 109 SGG Prof. Dr. N und sodann Prof. Dr. X ergänzend gehört worden. Prof. Dr. N ist bei seiner Auffassung verblieben und hat ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Beurteilung durch ausgeprägte postmortale autolytische Veränderungen des Lungengewebes eingeschränkt gewesen sei. Gegen eine durch Strahlenbehandlung verursachte Fibrose spreche, dass entsprechende Veränderungen der Gefäße fehlten. Auch Prof. Dr. X geht nach wie vor vom Vorliegen einer BK 4104 aus, eine Minimalasbestose sei nachgewiesen. Beim Versicherten habe eine vergleichsweise vermehrte Asbestbelastung der Lunge vorgelegen und es sei eine Lungenfibrose mit Ablagerungen von Asbestkörperchen in einem Bezirk des rechten Lungenoberlappens nachgewiesen. Gegen eine Strahlenfibrose spreche die histomorphologische Andersartigkeit der durch ionisierende Strahlen verursachte Lungenveränderungen im Vergleich zu den durch Asbestfaserstaub verursachten. Fibrosierungen. Prof. Dr. C1 ist ergänzend gehört worden und ebenfalls bei seiner Auffassung verblieben. Er hat darauf hingewiesen, dass es neben den nicht wegzudiskutierenden Veränderungen im Zusammenhang mit der Bestrahlung unzweifelhaft fibrosierende Veränderungen gegeben habe, die auf Folgezustände nach zurückliegenden Lungenentzündungen hinwiesen. Bereits im Frühjahr 1992 sei beim Versicherten röntgenologisch eine Lungenentzündung in der rechten Lunge nachgewiesen worden.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf die schriftlichen Sachverständigengutachten und auf die Terminsniederschriften, wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den. Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Streitakten und der beigezogenen Betriebsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung werden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin zu 1) Lebzeitenleistungen wegen einer BK 4104 und den Klägerinnen zu 1) und 2) Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Eine BK 4104 hat bei dem Versicherten nicht vorgelegen.

Zur Anerkennung einer Berufskrankheit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich derer Art und Ausmaß müssen im Sinne des.Vollbeweises", also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2 mwN). Der Vollbeweis einer Krankheit ist dann geführt, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 8, 59, 61).

In Anwendung dieser Grundsätze lassen sich die Voraussetzungen einer BK 4104 nicht feststellen. Der Versicherte hat an Lungenkrebs i.S.d. BK 4104 gelitten und ist an den Folgen dieser Erkrankung auch gestorben. Daran besteht keinerlei Zweifel. Die weiteren Voraussetzungen der BK 4104 lassen sich aber nicht feststellen. Der Lungenkrebs des Versicherten steht weder in Verbindung mit einer Asbeststaublungenerkrankung. (Asbestose) noch mit einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura. Der Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren ist auch nicht geführt.

Unter den mit der Sache befassten Ärzten besteht insoweit Einigkeit, dass asbestverursachte Erkrankungen der Pleura nicht nachgewiesen sind. Weder in den radiologischen Befunden, analysiert im Gutachten von Prof. Dr. S, noch im Rahmen der Obduktion fielen diesbezüglich typische Befunde der Pleura auf. Der Sachverständige Prof. Dr. C1 zieht daraus überzeugend den Schluss, dass eine asbestverursachte Erkrankung der Pleura mit Sicherheit auszuschließen ist.

Es liegt aber auch keine Asbeststaublungenerkrankung zumindest in Form einer Minimalasbestose vor. Der röntgenologische Befund gibt, worauf Prof. Dr. S unter Auswertung der seit 1988 vorliegenden Röntgenbilder und des Computertomogramms vom 29.07.1992 hinweist, keine eindeutigen Hinweise auf asbestassoziierte Lungenveränderungen. Dieser Einschätzung hat auch Prof. Dr. X nicht widersprochen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass sich diskrete asbestassoziierte Pleura- und Lungenveränderungen dem radiologischen Nachweis entziehen können.

Auch aus dem Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung lässt sich nicht der Nachweis einer Minimalasbestose ableiten. Bei der Beantwortung dieser Frage geht der Senat als aktuellem Stand der medizinischen Wissenschaft von den sog. Helsinki-Kriterien aus, wie sie 1997 von A. Tossavainen als Zusammenfassung des internationalen Expertentreffens publiziert worden sind. Danach ist Mindestvoraussetzung für den Nachweis einer Minimalasbestose der histologische Nachweis einer vermehrten Bindegewebsbildung in der Lunge in topographischer Beziehung zu histologisch nachgewiesenen Asbestkörperchen (so die Auskunft der Deutschen Gesellschaft für Pathologie vom 13.02.2007, unter Hinweis auf die Definition der Minimalasbestose im Deutschen Ärzteblatt 94, April 1997, S. 782). Von dieser Definition der Minimalasbestose gehen auch die Sachverständigen Prof. Dr. C1 sowie Prof. Dr. N und Prof. Dr. X in ihren vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahmen aus.

Zweifelsfrei steht zur Überzeugung des Senats fest, dass im rechten überlappen der Lunge des Versicherten Asbestkörperchen in einem Areal herdförmig fibrosierten Lungengewebes gefunden werden konnten. Insoweit stimmen alle Sachverständigen überein. Ansonsten konnten - so Prof. Dr. C1 unter Auswertung des von Prof. Dr. N beschriebenen Befundes - bei Untersuchungen von Gewebe aus dem linken Lungenober- und unterlappen keine Hinweise für auch nur eine minimale Fibrose gefunden werden. Auch in der von Prof. Dr. N und Prof. Dr. N1 sehr ausführlich untersuchten rechten Lunge konnte nur in einem Herd der Nachweis einer Fibrose mit Asbestkörperchen geführt werden. Soweit Prof. Dr. N den fehlenden Nachweis weiterer Fibrosierungsherde auf autolytische Veränderungen der Lunge zurückführt, vermag dies den Senat letztlich nicht zu überzeugen. Insoweit verweist Prof. Dr. C1 nachvollziehbar darauf, dass gerade Fibrosebezirke einer Lunge trotz autolytischer Veränderungen sehr lange Zeit persistieren und sogar bei exhumierten Leichen noch nach vielen Monaten und Jahren noch nachgewiesen werden können. Die Autolyseprozesse konnten demgegenüber im vorliegenden Fall vom Todestag 15.10.1993 bis zum Sektionstag am 18.10.1993 maximal drei Tage dauern.

Die nachgewiesenen fibrotischen Veränderungen können nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Asbestexposition des Versicherten zurückgeführt werden. Zwar sind in dem festgestellten Fibrosierungsherd 100 Asbestkörperchen pro Gramm Lungengewebe gefunden worden, wobei diese Zahl, worauf auch Prof. Dr. C1 in seiner ergänzenden Stellungnahme hinweist, eher noch höher gelegen haben dürfte, da es zu einer Gewichtszunahme der Lungen durch entzündliche Veränderungen gekommen sei. Prof. C1 errechnet insoweit maximal 190 Asbestkörperchen pro Gramm Lungengewebe. Der Nachweis von mindestens 1000 eiweißummantelten Asbestkörperchen ist für die Annahme einer Minimalasbestose nicht mehr zwingend erforderlich. Insoweit entspricht die von Prof. Dr. N1 seinerzeit vertretene Auffassung nicht mehr dem Stand der medizinischen Lehrmeinunq. Gleichwohl reicht im vorliegenden Fall der Nachweis von Asbestkörperchen in lediglich einem Fibrosierungsherd für die Annahme einer Asbestose nicht aus. Entscheidend gegen die asbestbedingte Genese der nachgewiesenen Fibrose in der rechten Lunge spricht der pathologisch-anatomische Befund der linken Lunge, in der keinerlei Fibrosierungen nachweisbar waren. Die Asbestose stellt aber eine beidseitige interstitielle Lungenerkrankung dar, worauf Prof. C1 unter Hinweis auf die einschlägige Fachliteratur überzeugend hinweist. Hinzu kommt, dass für die fibrosierenden Veränderungen in der rechten Lunge einleuchtende andere, von der beruflichen Exposition unabhängige Ursachenfaktoren in Betracht kommen. Insoweit verweisen Prof. Dr. C1 und Prof. Dr. U, dessen Ausführungen der Senat als qualifiziertes Parteivorbringen würdigt, darauf hin, dass die Fibrose Folge der Strahlentherapie sein kann. Prof. C1 verweist auf einen weiteren sich aus der Krankenvorgeschichte ergebenden Kausalfaktor, nämlich eine bereits im Frühjahr 1992, mehrere Monate vor der Lungenkrebsdiagnose, röntgenologisch nachgewiesene Lungenentzündung in der rechten Lunge.

Gegen diese Argumente kann nicht entscheidend angeführt werden, der unterschiedliche· Befall beider Lungenhälften sei auf eingeschränkte Reinigungsfunktionen der vom Tumor betroffenen rechten Lunge zurückzuführen. Insoweit verweist Prof. C1 darauf, dass die Einschränkung der Reinigungsfunktion der rechten Lunge höchstens in der Zeit der klinisch fortgeschrittenen Tumormanifestation, also in der Zeit ab. Frühjahr 1992, aufgetreten sei. Hinsichtlich der Entstehung der Lungenkrebserkrankung durch inhalierte Asbestfasern sei aber dieser Zeitpunkt nicht relevant, da zwischen Tumorinitiation und der klinischen Erkennbarkeit in der Regel mindestens ein Jahrzehnt vergehe. Auch der Einwand der Sachverständigen Prof. Dr. N und Prof. Dr. X, durch ionisierende Strahlen verursachte fibrosierende Lungenveränderungen seien histomorphologisch andersartig, es fehlten für eine Strahlenfibrose "relativ typische" Gefäßveränderungen, kann letztlich eine Strahlenfibrose nicht ausschließen. Insoweit verweist Prof. C1 darauf, dass in den damaligen histologischen Beurteilungen aus dem Institut des Prof. Dr. N und des Prof. Dr. N1 weder eindeutig unauffällige Blutgefäße noch sicher strahleninduzierte Gefäßveränderungen deskriptiv erwähnt werden. Soweit Prof. Dr. X aus einem Großtier-Experiment referiert, dass die durch Strahlung verursachte Lungenfibrose exakt eingegrenzt sei, vermag der Senat keine Schlüsse auf den hier zu entscheidenden Fall zu ziehen, da Prof. Dr. C1 auf seine entgegenstehenden Erfahrungen am Menschen verweist.

Auch die rasterelektronenmikroskopische Untersuchung des Lungengewebes durch Prof. Dr. T hat den Nachweis von Asbestfasern nicht erbracht.

Der Senat folgt in der Beurteilung des medizinischen Sachverhalts den Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. L und - was die Pathologie betrifft - Prof. Dr. C1. Letzterer ist dem Senat von der Deutschen Gesellschaft für Pathologie als Sachverständiger empfohlen worden. Seine Ausführungen belegen eindrucksvoll seine herausragenden Fachkenntnisse. Den Gutachten von Prof. Dr. N und Prof. Dr. X vermochte demgegenüber trotz der unbestreitbar hohen wissenschaftlichen Reputation beider Sachverständiger der Senat nicht zu folgen. Die Überzeugungskraft ihrer Ausfühungen leidet insbesondere daran, dass sie in den im Verwaltungsverfahren bzw. im ersten Rechtszug erstellten Gutachten die Frage einer anderen Genese der Lungenfibrosierung nicht einmal andeutungsweise diskutiert haben, obwohl die Strahlenbehandlung der Lunge und die vom Versicherten durchgemachte Lungenentzündung aktenkundig war.
Der Nachweis einer Exposition von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 Fasern/rn" x Jahre) lässt sich nicht führen. Während der Tätigkeit des Versicherten als Bauschreiner in Mitgliedsbetrieben der Beigeladenen in der Zeit von August 1948 bis Februar 1958 konnte der Voll beweis einer Asbestexposition nach den Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beigeladenen nicht geführt werden (siehe Stellungnahme des Dr. N2 vom 21.08.2006). Während der Tätigkeit des Versicherten in der Bauschreinerei I lag der Schwerpunkt in der Be- und Verarbeitung von Holz. An das konkrete Verarbeiten asbesthaitiger Materialien konnte sich der Unternehmer nicht erinnern. Während der Beschäftigung des Versicherten als Bauschreiner in den Bauschreinerei C2 und L1 berichteten die jetzigen Unternehmer jeweils aus Erzählungen des verstorbenen Betriebsinhabers, dass in den Betrieben überwiegend Treppen, Fenster und Türen hergestellt worden seien. Dachdeckerarbeiten wurden nicht ausgeführt. Die Präventionsabteilung der Beigeladenen konnte allerdings nicht völlig ausschließen, dass der Versicherte in sehr geringem Umfang asbesthaltige Materialien be- und verarbeitet habe und kam unter Annahme schlechtester Arbeitsbedingungen zu dem Ergebnis, dass im Zuständigkeitsbereich der Holz-BG in der Summe 1,1 Faserjahre erreicht worden seien.

Die Berechnungen des Sachverständigen Prof. Dr. N2 vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Sie beruhen im Wesentlichen auf der rein spekulativen Annahme von Arbeiten, die der Versicherte nach den Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beigeladenen überhaupt nicht ausgeführt hat.

Während der Beschäftigung des Versicherten bei der Firma W1 ist eine Asbestfaserbelastung nicht nachgewiesen. Dies ergibt sich zur überzeugung des Senats aus der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten T2 vom 03.03.1993. Diese beruht auf den eigenen Angaben des Versicherten, der im Fragebogen vom 07.12.1992 angegeben hat, er habe in diesem Betrieb Dachstühle, Fenster und Türen gefertigt und dabei mit diversen Holzarten gearbeitet. Auf die ausdrückliche Frage, ob er Arbeiten ausgeführt habe, bei denen er asbesthaitigen oder mineralischen Stoffen ausgesetzt gewesen sei, hat er lediglich angegeben, er habe Glaswolle verlegt.

Soweit der Sachverständige Prof. Dr. N2 für die Tätigkeit in diesem Betrieb ausgehend von einer Asbestexposition während 25 % der Arbeitszeit eine Belastungsdosis von 5,2 Faserjahren veranschlagt, ist dem nicht zu folgen. Dem stehen bereits die eindeutigen Angaben des Versicherten selbst entgegen. Die Annahmen des Sachverständigen lassen sich auch nicht im erforderlichen Vollbeweis der Befragung der Arbeitskollegen des Versicherten I1 und F1 durch den Sachverständigen entnehmen. Herr I1 hat ausweislich des vom Sachverständigen verfassten Vermerkes lediglich mitgeteilt, er sei nur ein halbes Jahr im Betrieb der Firma W1 tätig gewesen und könne keine verlässlichen Aussagen über die vom Versicherten verrichteten Arbeiten machen. Er halte es aber für wahrscheinlich, dass im Betrieb der Firma W1 mit Asbest gearbeitet worden sei.

Die von dem Sachverständigen im Vermerk vom 01.04.2005 zusammengefassten Angaben des Zeugen F1 sind von diesem bei seiner Vernehmung als Zeuge nicht in vollem Umfang bestätigt worden. In dem Vermerk ist aufgenommen worden, der Zeuge F1 sei "zwischen 1958 und 1962 eine gewisse Zeit" im Betrieb der Firma W1 tätig gewesen. Tatsächlich hat der Zeuge, wie von ihm bei seiner Vernehmung vor dem Berichterstatter am 17.11.2006 angegeben, in diesem Betrieb nur vom 06.07. bis 05.08.1959 gearbeitet. In dem Vermerk des Sachverständigen vom 01.04.2005 heißt es weiter: "Herr F1 hat deutlich gemacht, dass in der Zimmerei und auch in der Bauschreinerei W1 vielfach Asbestzement (Eternit) in Form von Platten verarbeitet wurde. Eternitverkleidungen wurden an Balkonen und Fassaden vorgenommen. Es war damals so, dass sehr viel Eternit in nahezu allen Bereichen zum Einsatz kam. Es dürfte so gewesen sein, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Arbeitszeit mit der Be- und Verarbeitung insbesondere zur Verkleidung von Außenwänden von Asbestzementen aller Art aufgewendet wurde."

Dazu hat der Zeuge F1 im Termin zur Beweisaufnahme bekundet, seine Angaben seien so nicht ganz richtig wiedergegeben worden. Er habe lediglich in allgemeiner Form gesagt, dass damals in den Firmen viel mit Eternit gearbeitet worden sei. Seine Angaben beträfen nicht die konkreten Verhältnisse bei der Firma W1. Dort hat der Zeuge nach seiner Aussage nur vom 06.07. bis 05.08.1959 Zimmererarbeiten auf Neubauten verrichtet. An Arbeiten mit Asbestmaterialien konnte er sich nicht mehr erinnern. Der Versicherte habe ihm allerdings erzählt, dass er beim Bau von Unterständen in der Bauernschaft auch mit Eternitplatten gearbeitet habe. Diese Aussage vom Hörensagen ist nicht geeignet den Vollbeweis asbestbelastender Arbeiten zu führen, zumal von solchen Arbeiten in dem vom Versicherten selbst ausgefüllten Fragebogen nicht die Rede ist.

Im Betrieb der Firma Gebr. X1 hat der Kläger zweifelsohne mit Asbestmaterialien gearbeitet. Die Faserjahrbelastung liegt aber nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme und den durch die Aussagen der vom Gericht gehörten Zeugen bestätigten Berechnungen des TAD der Beklagten im allenfalls niedrigen einstelligen Bereich. Im Betrieb der Firma Gebr. X1 hat der Kläger nach den Bekundungen der Zeugen W, C2 und X1 wie folgt mit Asbestmaterialien gearbeitet:

Auf zwei Baustellen mit einer Dauer von zwei Wochen bzw. weniger als einer Woche sind mit Prom-Asbestplatten Säulen und Stahlträger verkleidet worden. Die Platten mussten trocken auf Länge geschnitten werden und wurden dann mit Leim und Schrauben angebracht. Die Betriebsschlosserei und die zum Betrieb gehörige Ziegelei wurden mit Asbestwellplatten gedeckt. Das Eindecken der Schlosserei dauerte ca. einen halben Tag. über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren wurden Glasalplatten verarbeitet bei der Verkleidung der Traufen über den Fenstern, im Schnitt an etwa 20 bis 30 Eigenheimen pro Jahr. Diese Arbeiten dauerten pro Baustelle ca. zwei Stunden.

Nach der Berechnung des Dipl.-Ing. T2 vom 24.04.2007 ergibt sich unter Zugrundelegung insbesondere der Aussage des Zeugen W insgesamt eine Asbestbelastung von 0,7 Faserjahren:

1. Zuschnitt und Verarbeitung von asbesthaitigen Brandschutztplatten an insgesamt drei Wochen: 0,41 Faserjahre
2. Zuschnitt und Veerlegen von AZ-Wellplatten an einem halben Tag: 0,01 Faserjahre
3. Pass-Schnitte von Asbestzement-Glasalplatten und Montage an Traufen von 30 Häusern zu je 2 Stunden: 0,20 Faserjahre
4. Be- und Verarbeiten von kleinformatigen AZ-Platten als Fassadenverkleidung an insgesamt 200 Stunden: 0,08 Faserjahre

Der Senat folgt diesen Berechnungen, denen Asbestfaserkonzentrationen zugrunde gelegt worden sind, die dem aktuellen BK-Report 1/2007 Faserjahre", herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, entsprechen. Zusätzlich ist noch die Exposition beim Neubau der Ziegelei zu berücksichtigen, die nach der Berechnung des Dipl.-Ing. T2 vom 22.11.2002 mit 0,17 Faserjahren zu veranschlagen ist. Zugunsten der Klägerin sollte auch berücksichtigt werden, dass nach Aussage des Zeugen W der Versicherte über eine Dauer von fünf bis sechs Jahren beim Bau von etwa 20 bis 30 Eigenheimen pro Jahr Glasalplatten zur Verkleidung der Traufen mit einer täglichen Expositionsdauer von zwei Stunden zugeschnitten hat. Der Zeuge C2 hat allerdings lediglich ca. 20 Bauvorhaben in der gesamten Zeit bestätigt. Wenn man somit zugunsten der Klägerinnen im Sinne einer worst-case-Annahme von insgesamt 180 Bauvorhaben ausgeht, ergibt sich auf der Basis der Berechnungen des Dipl.-Ing. T2 insoweit eine Belastung von 0,20 x 6 = 1,20 Faserjahren, worauf auch der Sachverständige Prof. Dr. C1 hinweist.

Obwohl sich die bei den Berechnungen des Dipl.lng. T2 vom 22.11.2002 und vom 24.04.2007 berücksichtigten Belastungszeiten teilweise überschneiden, geht der Senat zugunsten der Klägerinnen davon aus, dass der Versicherte zusätzlich noch in dem von Dipl.-Ing. T2 bei den Berechnungen vom 20.12.2002 auf der Basis der Befragungen der Zeugen X1, W und C2 sowie des früheren Vorgesetzten T3 angenommenen Umfang im Zeitraum von 1962 bis 1985 wie folgt belastet war:

5. Zuschnitt und Montage von AZ-Wellplatten an etwa 1 Tag pro Jahr
6. Zuschnitt von AZ- Tafeln mit Kreissäge oder Flex und Montage als Fensterfüllung oder Attika an etwa 2 Tagen pro Jahr
7. Aufnageln von AZ-Platten auf Lattung als Fassadenverkleidung an etwa 2 Tagen pro Jahr.

Daraus errechnet Dipl.-Ing. T2 eine Belastungsdosis von 0,58 Faserjahren für den Zeitraum vom 01.06.1978 bis 31.12.1985 (91 Monate). Für den Gesamtzeitraum ab 01.06.1962 (283 Monate) ergibt sich hochgerechnet eine Dosis von rund 1,81 Faserjahren. Insgesamt entfällt auf die Tätigkeit des Versicherten bei der Firma Gebr. X1 eine nachgewiesene Belastung von ca. 3,1 Faserjahren.

Eine darüber hinausgehende Exposition des Versicherten ist nicht bewiesen. Der Versicherte war zwar auch bei verschiedenen Abbrüchen eingesetzt worden, u.a. in historischen Gebäuden. Dabei hat es auch - so der Zeuge X1 - sehr gestaubt. Asbeststäube konnten aber weder von dem Zeugen X1 noch von den Zeugen C2 und W bestätigt werden. Insbesondere wurden - so übereinstimmend die Zeugen C2 und W - keine eternitgedeckten Dächer abgerissen.

Die Angaben des Versicherten, eine Abbruchbaustelle sei von der Stadtverwaltung wegen zu hoher Asbestfeinstaubbelastung gestoppt worden, konnte von keinem der Zeugen bestätigt werden. Im Übrigen kann es sich dabei auch nur, worauf Dipl.-Ing. T2 in seiner Stellungnahme vom 26.05.1998 hinweist, um ein kurzzeitiges Ereignis und nicht eine längerdauernde Exposition gehandelt haben.

Soweit der Versicherte eine Belastung durch mit Asbest verkleideten Ladenauf- und -ausbauten angegeben hat, konnte von den Zeugen lediglich die Einrichtung einer Drogerie bestätigt werden, in der Säulen mit Prom-Asbest verkleidet worden seien. Ansonsten seien solche Arbeiten "eigentlich nur sehr selten" vorgekommen (so der Zeugen C2). Im Übrigen sind im Ladenausbau keine asbesthaitigen Materialien verarbeitet worden, sondern resopalbeschichtete Platten, die nach der Erinnerung des Zeugen W keine asbesthaitigen Wirkstoffe enthielten.

Der Senat stützt seine Beurteilung der Asbestbelastung des Klägers auf die durch die Vernehmung der Zeugen bestätigten Berechnungen des TAD der Beklagten und der Beigeladenen. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. N2 höhere Expositionswerte vorschlägt, so beruhen dessen Ausführungen auf rein hypothetischen Annahmen. Er lässt sowohl die Angaben des Versicherten als auch die Angaben der vom TAD befragten Zeugen außer Acht. Soweit er selbst Arbeitskollegen, namentlich den Zeugen F1, befragt hat, so hat er deren Angaben missverständlich, wenn nicht falsch wiedergegeben. Nach alledem lassen sich die Voraussetzungen einer BK 4104 nicht feststellen.

Den Klägerinnen stehen auch keine Hinterbliebenenleistungen zu. Dies setzt nach § 63 Abs. 2 SGB VII voraus, dass der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Die Voraussetzungen der BK 4104 sind - wie ausgeführt - nicht erfüllt. Der Tod des Versicherte ist auch nicht Folge einer anderen Berufskrankheit. Er war zwar - dies allerdings nur in geringem Maße - der Einwirkung von PAK (BK 4113) und von Chrom-VI- Verbindungen (BK 1103) ausgesetzt.

Der Kläger hat mit dem Holzschutzmittel Kulbasal U gearbeitet, das in flüssiger Form im Anstrichmittel-Streichverfahren verarbeitet wurde (so Dipl.-Ing. T3 in der Stellungnahme vom 07.06.1993). Ansonsten gibt es keine Hinweise auf die Einwirkung von chromhaitigen Stoffen.

Der Versicherte hat des Weiteren beim Abriss und dem Wiederaufbau von Schießständen mit in Karbolineum getränkten Brettern gearbeitet, die - so Dipl.-Ing. T3 - eine gewisse Menge (unter 0,05 Gewichtsprozent) BaP enthielten. Insoweit errechnet Prof. Dr. N2 "bei realistischer Betrachtungsweise" eine kumulative Belastung von 0,11 BaP- Jahren. Der Grenzwert der BK 4113 erfordert dagegen die Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 BaP-Jahren.

Die Einwirkungen von Chlor und PAK sind weder allein noch im Zusammenwirken mit Asbest im Sinne der Synkanzerogenese (siehe dazu Urteil des BSG vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - Breithaupt 2010, 35ff) für die Lungenkrebserkrankung des Versicherten im Rechtssinne ursächlich geworden. In der gesetzlichen Unfallversicherung werden nur solche Gesundheitsschäden entschädigt, die ursächlich auf den Arbeitsunfall oder auf die Berufskrankheit zurückzuführen sind. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausaltheorie der rechtlich wesentlichen Bedingung sind als Ursachen und Mitursachen im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - seit BSGE 1, 76 ff., BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 14 mwN). Der Ursachenzusammenhang muss wahrscheinlich sein. Darunter ist zu verstehen, dass nach vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkten ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (ständige Rechtsprechung des BSG, s. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 14 mwN).

Prof. Dr. X hat - insoweit in übereinstimmung mit Prof. Dr. L - für den Senat überzeugend angesichts der nur geringen Einwirkungen eine Verursachung des Lungenkrebses im Sinne der Synkanzerogenese für unwahrscheinlich erachtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Es besteht kein Grund, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved