L 11 KA 57/11 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KA 16/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 57/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 04.02.2011 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin zum ärztlichen Notfalldienst.

Mit Bescheid vom 17.12.2010 zog die Bezirksstelle N I der Antragsgegnerin den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen und am Evangelischen Krankenhaus (EVK) N als Belegarzt tätigen Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst für die Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.01.2012 heran. Ausweislich der Anlage zu diesem Bescheid ist der Antragsteller verpflichtet worden, drei "Sitzdienste" in einer Notfallpraxis (20.02., 15.06.2011 und 06.01.2012) und zwei Fahrdienste (20.03.und 17.09.2011) wahrzunehmen. Ein zuvor von ihm gestellter Antrag auf Befreiung vom Notfalldienst wegen des Umfangs seiner belegärztlichen Tätigkeit blieb erfolglos (Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.11.2010). Der hiergegen gerichtete Widerspruch ist wie der Widerspruch gegen den Heranziehungsbescheid vom 17.12.2010 bislang nicht beschieden.

Unter dem 26.01.2011 hat der Antragsteller beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und vorgetragen: Im Rahmen der Interessenabwägung überwiege sein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides bestünden. Er sei belegärztlich tätig. Sämtliche Heranziehungen kollidierten mit den belegärztlichen Not- bzw. Nacht- und Wochenenddiensten. Die Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit müsse sichergestellt sein. Bei gleichzeitiger belegärztlicher Einteilung sei es nicht möglich, Sitzdienst im Notfalldienstbezirk H/N/X auszuüben. Die Voraussetzungen für eine Befreiung lägen vor. Zudem habe die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ausreichend begründet.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Heranziehungs-bescheid der Antragsgegnerin vom 17.12.2010 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass Rechtsgrundlage für die Einrichtung des Notfalldienstes § 75 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei und meint, die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend begründet zu haben.

Mit Beschluss vom 04.02.2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der statthafte und im Übrigen zulässige Antrag sei unbegründet. Rechtsgrundlage für die gerichtliche Prüfung sei § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hiernach entscheide das Gericht nach Ermessen aufgrund einer Ermessensabwägung (wird ausgeführt). Das im Hauptsacheverfahren - hier Widerspruchsverfahren - verfolgte Begehren des Antragstellers habe nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides bestünden nicht. Die Frage danach, ob Befreiungstatbestände griffen, sei nicht rechtserheblich. Der angefochtene Bescheid sei formell rechtmäßig. Nach §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 1 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung (GNO) der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Antragsgegnerin vom 12.12.2001/26.01.2002 entscheide der jeweilige Bezirksstellenleiter der Antragsgegnerin in allen Notfalldienstangelegenheiten seines Bezirksstellenbereichs. Die Heranziehung zum Notfalldienst erfolge gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 GNO durch Verwaltungsakt. Der Heranziehungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Ein Vertragsarzt übernehme als Mitglied der KV mit seiner Zulassung die Verpflichtung, in zeitlicher Hinsicht umfassend für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Das umfasse auch die Zeiten außerhalb der Sprechstunde. Der einzelne Arzt werde dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiere, von der täglichen Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet, müsse dafür aber den Notfalldienst gleichwertig mittragen, solange er in vollem Umfang vertragsärztlich tätig ist. Die KV könne - gegebenenfalls zusammen mit der Ärztekammer - Regelungen in Satzungsform über die Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten (Not- bzw. Bereitschaftsdienst) erlassen. Von dieser Kompetenz habe die Antragsgegnerin im Zusammenwirken mit der ÄKWL durch Erlass der GNO Gebrauch gemacht, die zuletzt mit Wirkung zum 01.02.2011 geändert worden sei. Nach §§ 30 Nr. 2, 31 Abs. 1 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen (HeilBerG) vom 09.05.2000 (GV.NRW. 2000 S. 403 ff.), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2007 (GV.NRW 2007 S. 572), i.V.m. § 26 Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 24.03.2007 und §§ 1, 2 GNO der ÄKWL und der Antragsgegnerin vom 12.12.2001/26.01.2002 sei jeder niedergelassene Arzt im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin zur Teilnahme am organisierten Notfalldienst verpflichtet. Diese Regelungen verstießen weder gegen die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgebot. Die in der Heranziehung eines niedergelassenen Arztes zum ärztlichen Notfalldienst liegende Berufsausübungsregelung sei aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls geboten. Der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung sei weder übermäßig noch unzumutbar. Die genannten Bestimmungen werden die Voraussetzungen für die Pflichtteilnahme am ärztlichen Notfalldienst sowie die Bedingungen, unter denen Befreiungen zu erteilen seien, in den Grundzügen festgelegt und genügten damit dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass der Widerspruch keine Erfolgsaussicht habe. Infolgedessen bedürfe es keiner weiteren Interessenabwägung. Der Antragsteller sei verpflichtet, am ärztlichen Notfalldienst des Notfalldienstbezirks, dem die jeweilige Praxis zugeordnet sei, teilzunehmen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Heranziehungsbescheid vom 17.12.2010 sei auch in formeller Hinsicht rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung benenne § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG. Danach könne die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden habe, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnen. Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse müsse mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der Verwaltungsaktes reichten für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus. Diesen Anforderungen genügten die Darlegungen der Antragsgegnerin, indem sie darauf hinweise, dass die aufschiebende Wirkung der Widersprüche zu einer unübersichtlichen Lage im neugeschaffenen Notfalldienstbezirk führen würde. Die Begründung gehe eindeutig über die Darstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der Verwaltungsakte hinaus, wenn ausgeführt werde:

" ...Dies gilt im konkreten Fall umso mehr, als es sich um eine flächendeckende, zu einem einheitlichen "Starttermin" in Kraft tretende Reform des Notfalldienstes handelt, deren einzelne Komponenten (s. o.) nur in ihrem Zusammenwirken einen funktionsfähigen Notfalldienst gewährleistet. Mithin wäre die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit des Notfalldienstes ab dem 01.02.2011 gefährdet, wenn Ärzte durch Rechtsbehelfe (gerichtet zum Beispiel gegen die konkrete Diensteinteilung oder organisatorische Entscheidungen) einen Aufschub von der Heranziehung zum Notfalldienst erreichen würden. Durch den Aufschub würde eine Versorgungslücke entstehen, die mit einer dem "Notfall"-Begriff (Patienten, deren Gesundheit oder im Einzelfall deren Leben konkret gefährdet ist) immanenten Gefährdungslage nicht vereinbar ist."

Diese Entscheidung greift der Antragsteller mit der Beschwerde an. Er trägt vor: Der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig. Innerhalb seiner Tätigkeit für die Versicherten sei er so eng eingebunden, dass es für ihn unzumutbar sei, zu einem Notfalldienst herangezogen werden, in dem seine Tätigkeit zum jetzigen Stand organisatorisch nicht gesichert und damit ggf. sogar unnütz sei. Im EVK N gebe es keine eigenen Gynäkologen. Er übe jeden vierten Tag Bereitschaftsdienst aus. Zu berücksichtigen sei zudem, dass er 400 bis 500 Geburten per anno ärztlich begleite und die "eigenen" Patienten noch gesondert betreue, deren Geburten sich verständlicherweise nicht nach dem jeweiligen Dienstplan richteten. Wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens gegen die Ablehnung des Befreiungsantrags sei die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen den Heranziehungsbescheid wiederherzustellen. Darüber hinaus sei die angegriffene Entscheidung auch deshalb aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Erlass des Verwaltungsaktes nicht vorgelegen hätten. Soweit das SG davon ausgegangen sei, die Antragsgegnerin habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinreichend begründet, weil sie darauf hingewiesen habe, dass eine aufschiebende Wirkung der Widersprüche zu einer unübersichtlichen Lage im neu geschaffenen Notfalldienstbezirk führe, überzeuge dies nicht. Das SG führe nicht aus, warum eine "unübersichtliche Lage im neu geschaffenen Notfalldienstbezirk" herbeigeführt werde, wenn einer handvoll von Ärzten die gesetzlichen Rechte genommen würden. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin durch überstürzte Invollzugsetzung des neuen Planes eine solche Lage selbst herbeigeführt. Der neue Notfalldienst funktioniere nicht (wird ausgeführt). Infolge fehlender Planbarkeit, Verlässlichkeit und Effektivität der äußerst mangelhaften Organisation komme es zu "erheblichsten" Überlastungen der eingesetzten Ärzte.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt: Die Hinweise des Antragstellers auf die unstreitig eingetretenen Probleme beim Start der Notfalldienstreform belegten, wie wichtig die Anordnung der sofortigen Vollziehung gewesen sei. Wenn sich die Notfalldienstverpflichteten durch Widerspruch gegen den Heranziehungsbescheid vom Notfalldienst hätten "befreien" können, stünden in kürzester Zeit keine Ärzte für die Durchführung des Notfalldienstes mehr zur Verfügung. Im Übrigen sei eine Heranziehung zu fünf Diensten in einem Jahr nicht unzumutbar.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Mit zutreffenden Erwägungen und unter Darlegung der Rechtsgrundlagen hat das SG den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid zum ärztlichen Notfalldienst abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die angefochtene Entscheidung Bezug (§§ 142 Abs. 2 Satz 3, 153 Abs. 2 SGG). Klarzustellen ist vorab, dass entgegen der Ausführungen des SG Rechtsgrundlage für den Heranziehungsbescheid die GNO vom 11.11.2009/20.03.2010 und nicht jene vom 12.12.2001/26.01.2002 ist. Soweit das SG sich auf letztgenannte Fassung der GNO bezogen hat, dürfte es sich indes um ein Versehen gehandelt haben, denn die im weiteren Text des angefochtenen Beschlusses geprüften Regelungen sind solche der GNO vom 11.11.2009/20.03.2010.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

Im Einzelnen:

1. Der Antragsteller ist zur Teilnahme am Notfalldienstes nach Maßgabe des Heranziehungsbescheides vom 17.12.2010 verpflichtet.

Hierzu hat das BSG im Urteil vom 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R - ausgeführt:

Der Kläger ist als zur fachärztlichen Versorgung vertragsärztlich zugelassener Pathologe prinzipiell zur Teilnahme an dem gemeinsam von der Beklagten und der Ärztekammer Nordrhein organisierten ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Rechtsgrundlage für diese Pflicht ist § 1 Abs. 1 GNO in der für die Beurteilung der Verpflichtungsklage in rechtlicher Hinsicht maßgeblichen aktuellen Fassung vom 23.12.2006 (Rheinisches Ärzteblatt 1/2007 S. 61; zur maßgeblichen Rechtslage bei Verpflichtungsklagen vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr. 1 RdNr 5; BSGE 94, 181 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 2, jeweils RdNr 5). Danach haben alle niedergelassenen sowie in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte am organisierten ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Das umfasst nach der Auslegung, die das LSG hinsichtlich der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden und im hier maßgeblichen Umfang inhaltsgleichen Vorgängervorschrift (§ 1 GNO idF vom 1.1.2002, Rheinisches Ärzteblatt 1/2002 S. 65) vorgenommen hat, auch für in der fachärztlichen Versorgung tätige Ärzte die Verpflichtung zur Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst. Dieses Auslegungsergebnis ist mit Bundesrecht vereinbar. Der Senat hat hierzu zuletzt im Urteil vom 6.9.2006 (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr. 5) bekräftigt, dass die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst aus seinem Zulassungsstatus folgt. Dieser auf seinen Antrag hin verliehene Status erfordert es, in zeitlicher Hinsicht umfassend - d.h. auch in den Zeiten außerhalb der Sprechstunde - für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stehen. Der einzelne Arzt wird mithin dadurch, dass die gesamte Ärzteschaft einen Notfalldienst organisiert, von seiner andernfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet. Als Gegenleistung hierfür muss jeder Vertragsarzt den Notfalldienst als gemeinsame Aufgabe aller Ärzte gleichwertig mittragen (vgl. BSG, aaO, RdNr 10).

Hat das BSG in dieser Entscheidung maßgebend auf § 1 der fraglichen GNO als Ermächtigungsgrundlage abgestellt, die es wiederum als von § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V gedeckt ansah, ist mit der Entscheidung vom 11.05.2011 - B 6 KA 23/10 R - eine gewisse Verschiebung hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlage festzustellen, wenn das BSG nunmehr ausführt:

"Die Verpflichtung des Klägers zur Präsenz während seines Notdienstes in der Notfallpraxis am Krankenhaus in S. ergibt sich aus § 8 Abs. 2 Satz 4 GNO. In der seit dem 1.1.2007 geltenden Fassung dieser Norm ist diese Pflicht explizit normiert. Für die hier noch maßgebliche frühere Fassung folgt dasselbe Ergebnis aus der im Lichte der Gewährleistungsverantwortung der KÄV nach § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V gebotenen Auslegung dieser untergesetzlichen Norm. Die Wendung, "bei Bestehen einer Notfallpraxis ( ) sind die zum Notfalldienst herangezogenen Ärzte verpflichtet, den Notfalldienst in der Notfallpraxis zu versehen", begründet mit hinreichender Deutlichkeit die Präsenzpflicht des Arztes."

Ob und inwieweit hieraus hergeleitet werden kann, dass schon § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V unmittelbar Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Heranziehungsbescheid, es mithin zwischengeschalteter Notfalldienstordnungen nunmehr nicht mehr bedarf, mag hier dahinstehen. Jedenfalls ist der vom der Antragsteller angegriffene Heranziehungsbescheid durch die Notfalldienstordnung gedeckt und diese wiederum auf § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V zurückzuführen.

2. Der zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtete Personenkreis wird in § 2 GNO bestimmt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GNO sind zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet

- zugelassene Vertragsärzte - auch soweit sie mit hälftigem Versorgungsauftrag oder unter Job-Sharing-Bedingungen nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen -,

- niedergelassene ermächtigte Ärzte (§ 31 Abs. 1a Ärzte-ZV),

- niedergelassene privatärztlich tätige Ärzte.

Zur Teilnahme am Notfalldienst sind gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 GNO ferner Ärzte verpflichtet, die in einem Anstellungsverhältnis an der ambulanten Versorgung mitwirken (vgl. § 32b Ärzte-ZV, § 95 Abs. 9 SGB V, § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, § 19 Berufsordnung). Übt ein Arzt seine ärztliche Tätigkeit an weiteren Orten aus (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV, § 17 Abs. 2 Berufsordnung), ist er hingen zur Teilnahme am Notfalldienst am weiteren Tätigkeitsort grundsätzlich nicht verpflichtet, es sei denn, die Notfallversorgung kann anders nicht sichergestellt werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GNO). Vertragsärzte, deren Zulassung ruht, aber gleichwohl in privatärztlicher Niederlassung tätig sind, sind zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet, wenn dem nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen (§ 2 Abs. 4 GNO). Nimmt ein Arzt in verschiedenen Formen an der ambulanten Versorgung iSv Abs. 1 bis 4 teil, ist er für jede Teilnahmeform mit dem entsprechenden Einteilungsfaktor am jeweiligen Tätigkeitsort gesondert zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet (§ 2 Abs. 5 GNO). Für die in einem zugelassenen Medizinischen Versorgungszentrum tätigen, angestellten Ärzte gelten die vorstehenden Regelungen mit der Maßgabe entsprechend, dass der Träger des Medizinischen Versorgungszentrums als anstellender Arzt i. S. von Abs. 2 S. 2 gilt (§ 2 Abs. 6 GNO). Über den in den Abs. 1 bis 6 festgelegten Personenkreis hinaus können weitere Ärzte auf freiwilliger Grundlage am Notfalldienst teilnehmen. Der erforderliche Antrag ist an die KVWL zu richten; mit dem Antrag unterwirft sich der Arzt den Bestimmungen der GNO (§ 2 Abs. 7 GNO). Psychologische Psychotherapeuten und Psychologische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nehmen nicht am ärztlichen Notfalldienst teil (§ 2 Abs. 8 GNO). Fachärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie haben die Wahl, am zahnärztlichen oder vertragsärztlichen Notfalldienst teilzunehmen (§ 2 Abs. 9 Satz 1 GNO).

Hieraus folgt, dass grundsätzlich jeder Vertragsarzt zum Notfalldienst verpflichtet ist. Ausnahmen sieht § 2 GNO nur nach Maßgabe der Absätze 8 und 9 vor. Dies ist angesichts des Normbefehls des § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden.

Die belegärztliche Tätigkeit steht dem nicht entgegen. Belegarzt iSd § 121 Abs. 2 SGB V kann nur der Vertragsarzt (§ 95 Abs. 3 SGB V) oder der ermächtigte Arzt (§ 95 Abs. 4 SGB V) sein (Hencke in Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, 4/2010, § 121 Rdn. 5). Zur Ausübung belegärztlichen Tätigkeit bedarf der Vertragsarzt der ausdrücklichen Anerkennung durch seine KV (§§ 38 bis 41 Bundesmantelvertrag-Ärzte). Die Anerkennung setzt voraus, dass das Krankenhaus zur Krankenhausbehandlung zugelassen ist (§ 108 SGB V), die stationäre ärztliche Behandlung nicht vom Krankenhaus abgegolten wird, die stationäre Tätigkeit nicht das Schwergewicht der Gesamttätigkeit des Vertragsarztes bildet, die persönliche Eignung gegeben ist, Wohnung und Praxis des Vertragsarztes so nahe am Krankenhaus liegt, dass die unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der ambulant und stationär zu betreuenden Vers gewährleistet ist (vgl. Hencke aaO).

Ausgehend davon, dass die belegärztliche Tätigkeit nicht das Schwergewicht der Gesamttätigkeit des Vertragsarztes bilden darf, angesichts des der Antragsgegnerin eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums (hierzu BSG, Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 23/10 R -) und des Umstandes, dass die grundsätzliche Verpflichtung eines jeden Vertragsarztes zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst aus seinem Zulassungsstatus folgt (hierzu BSG, Urteil 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R -), sieht es der Senat als gerechtfertigt an, auch Belegärzte in ihrer Funktion als zugelassene Vertragsärzte zur Teilnahme am Notfalldienst zu verpflichten.

2. Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist auch dann hinzunehmen ist, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 6 Rka 66/94 -).

Während § 2 GNO die Teilnahmeverpflichtung begründet, listet § 11 GNO eine Reihe von Befreiungstatbeständen auf. Systematisch greifen die Befreiungstatbestände sekundär ein. Sie suspendieren von der Teilnahmeverpflichtung des § 2 GNO. So enthält § 11 Abs. 1 GNO die diesen Ausnahmetatbestand bestimmende Generalklausel. Hiernach können Ärzte auf schriftlichen Antrag durch den Bezirksstellenleiter vom Notfalldienst auf Dauer oder befristet befreit werden, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts wird das Verfahren nur auf schriftlichen Antrag eingeleitet (vgl. § 10 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Von Amts wegen (hierzu § 10 Satz 1 SGB X) darf die Antragsgegnerin keine Befreiungen aussprechen. Weitere Voraussetzungen für die Befreiung ist, dass schwerwiegende Gründe vorliegen. Dieser der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegende unbestimmte Rechtsbegriff wird in § 11 Abs. 1 GNO nicht definiert. Das ist indessen unschädlich, denn § 11 Abs. 2 GNO

(2) Befreiungsgründe sind insbesondere

a) eine nachgewiesene schwere Erkrankung oder Behinderung des Arztes, sofern sich die Erkrankung oder Behinderung in einem nennenswerten Umfang auf die Praxistätigkeit (z. B. Fallzahlen) nachteilig auswirkt und dem Arzt deshalb die Beauftragung eines Vertreters für den Notfalldienst auf eigene Kosten nicht zugemutet werden kann,

b) eine Schwangerschaft (während der Schwangerschaft und längstens 12 Monate nach der Niederkunft). Über diesen Zeitraum hinaus rechtfertigt der Erziehungsaufwand für minderjährige Kinder eine Befreiung in der Regel nicht.

ist hinlänglich zu entnehmen, wie der Begriff "schwerwiegende Gründe" auszufüllen ist. Liegt ein Antrag vor und nimmt der für die Entscheidung zuständige Bezirksstellenleiter an, dass schwerwiegende Gründe vorliegen, ist die Tatbestandsseite des § 11 Abs. 1 GNO erfüllt. Gleichwohl folgt hieraus keine zwingende Rechtsfolge. Der Antragsgegnerin ist mittels der Verbs "kann" ein Entschließungsermessen eingeräumt, das sie namentlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichförmigkeit des Verwaltungshandelns auszuüben hat. Die Entscheidung über den Befreiungsantrag stellt einen Verwaltungsakt iSd § 31 SGB X dar, indem im Einzelfall eine Regelung getroffen wird. Dieser Verwaltungsakt ist mit dem Widerspruch anfechtbar (§ 83 SGG). Der Widerspruchsbescheid kann mittels Klage einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden (§§ 87 ff. SGG).

Neben der Generalklausel des § 11 Abs. 1 iVm Abs. 2 GNO enthält § 11 GNO weitere Befreiungstatbestände. Hierzu rechnet namentlich § 11 Abs. 4 GNO, darin heißt es:

(4)Belegärztich tätige Ärzte können im Einzelfall auf Antrag unter Berücksichtigung folgender Kriterien befreit werden:

die Anzahl der Belegbetten; kooperative Ausübung der Belegarzttätigkeit,

Einzelpraxis/Berufsausübungsgemeinschaft (z. B. Gemeinschaftspraxis),

- Dienstfrequenz im Notfalldienstbezirk.

Die für Belegärzte vorgesehene Befreiungsmöglichkeit hat ihren Grund darin, dass der Belegarzt verpflichtet ist, die Notdienstbereitschaft für seine stationär untergebrachten Patienten sicherzustellen, und dass er hierfür nach Maßgabe des mit dem Krankenhausträger geschlossenen Belegarztvertrages ggf. persönlich zur Verfügung stehen muss. Zwar hat auch der ambulant operierende Arzt dafür Sorge zu tragen, dass er für seine Patienten erreichbar ist und diese nach der Entlassung im häuslichen Bereich bei Bedarf in qualifizierter Weise ärztlich versorgt werden; er kann die postoperative Betreuung aber durch eine Vertretungsregelung sicherstellen, so dass eine Unvereinbarkeit mit anderweitigen Verpflichtungen jedenfalls nicht zwingend besteht (so BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 6 Rka 66/94 -).

Hieraus erhellt, dass es sich bei der Frage, ob der Vertragsarzt zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet ist (§ 2 GNO) einerseits und andererseits, ob und inwieweit Befreiungstatbestände greifen, um zwei Streitgegenstände handelt.

Der Antragsteller hat das Streitprogramm dergestalt bestimmt (§ 123 SGG), dass das SG bzw. nunmehr der Senat allein darüber befinden sollen, ob und inwieweit die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Heranziehungsbescheides rechtmäßig ist. Das Verfahren auf Erteilung einer Befreiung nach § 11 Abs. 4 GNO ist hiervon zu trennen. Hierüber ist - zutreffend - ein gesonderter Bescheid ergangen, den der Antragsteller mit Widerspruch angefochten hat. Insoweit ist ein Widerspruchsbescheid abzuwarten und ggf. bezogen auf diesen Streitgegenstand nachgängig gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

3. Der Antragsteller wird nicht zwangsverpflichtet, vielmehr infolge des durch die gesamte Ärzteschaft organisierten Notfalldienstes von seiner anderenfalls bestehenden Verpflichtung zur Dienstbereitschaft rund um die Uhr entlastet (vgl. BSG, Urteil vom 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R -). Auch die dem Arzt auferlegte Verpflichtung, den Notfalldienst in einem Bereitschaftsraum abzuleisten, ist rechtmäßig, was nach Auffassung des BSG bereits aus § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgt (vgl. Urteil vom 11.05.2011 - B 6 KA 23/10 R -).

4. Die Antragsgegnerin hat die angeordnete sofortige Vollziehung auch hinreichend schriftlich begründet (§ 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Die Begründung muss erkennen lassen, warum im konkreten Fall das öffentliche Interesse oder das Individualinteresse eines Beteiligten am Sofortvollzug überwiegt und warum dies dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das den Sofortvollzug tragende öffentliche oder individuelle Interesse ("besonderes Interesse") muss mehr als das den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigende Interesse sein, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsaktes reichen für die Begründung des Sofortvollzugs nicht aus (Senat, Beschluss vom 29.10.2010 - L 11 KA 64/10 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -). Etwas anders mag nur dann gelten, wenn das besondere Vollzugsinteresse schon aus der Eigenart der Regelung folgt (Senat, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -). Die Vollziehungsanordnung ist somit grundsätzlich mit einer auf den konkreten Einzelfall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes zu versehen. Die Begründung muss erkennen lassen, aus welchen Gründen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall das Interesse des Betroffenen überwiegt. An die Begründung sind im Hinblick auf die mit ihr verbundene Warnfunktion für die Behörde sowie die dadurch bezweckte Transparenz und Rechtsklarheit hohe Anforderungen zu stellen (Senat, Beschluss vom 04.05.2011 - L 11 KA 120/10 B ER -).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Die hiergegen gerichteten Angriff des Antragstellers greifen nicht durch. Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung nicht lediglich damit begründet, dass der Notfalldienst nur dann funktionsfähig ist, wenn ein einheitlicher Starttermin gewährleistet ist. Sie hat vielmehr dargelegt, dass das eingeschränkte Versorgungsangebot im Notfalldienst nur gewährleistet werden kann, wenn "Planbarkeit, Verlässlichkeit und Effektivität der getroffenen organisatorischen Entscheidungen strikt eingehalten werden". Wesentlich für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist hiernach der Umstand, dass durch Einlegung von Rechtsbehelfen mit aufschiebender Wirkung Versorgungslücken entstünden, die die Antragsgegnerin nicht durch "Ersatzkräfte" ausgleichen kann. Eine zusätzliche Belastung der schon eingeteilten Vertragsärzte mit weiteren Diensten zur Schließung der Versorgungslücken stellt zudem u.U. einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Die Versorgungslücken wären nach Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht hinnehmbar, weil im Rahmen der Notfalldienstreform zum 01.02.2011 die Notfalldienstbezirke im Vergleich zu früher deutlich größer zugeschnitten sind. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass ein Notfalldienst verlässlich nicht planbar ist, wenn jeder zur Teilnahme verpflichtete Vertragsarzt sich dem durch schlichten Widerspruch zumindest zeitweise entziehen könnte.

Angesichts dessen, dass das formelle Begründungserfordernis des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG nicht eine in jeder Hinsicht "richtige" Begründung erfordert und auch "gruppentypisierte" Erwägungen genügen, die hier bezüglich des aus Gründen des Patientenschutzes zu gewährleistenden regelmäßigen Notfalldienstes genannt wurden, ist die spezielle Situation des Antragstellers in diesem Zusammenhang ohnehin ohne Belang (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.07.2011 - 13 B 395/11 -).

Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz. Sie berücksichtigt, dass der Sach- und Streitstand nicht genügend Anhaltspunkte gibt, um den Streitwert nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 GKG festzusetzen. Somit ist auf den Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR abzustellen (§ 52 Abs. 2 GKG). Ein Abschlag wegen des einstweiligen Charakters des Verfahrens ist nicht gerechtfertigt. Für den Zeitraum der Gültigkeit des Notfalldienstplanes (01.02.2011 bis 31.01.2012) hat das einstweiligen Rechtsschutzverfahren faktisch endgültigen Charakter.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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