L 13 EG 14/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 3 EG 16/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 14/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 13/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Anerkenntnis der Bekl.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichs Köln vom 21.01.2010 geändert und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bestimmung des Bemessungszeitraums für einen Anspruch auf Elterngeld.

Vor Februar 2008 war die Klägerin arbeitslos. Im Frühjahr 2008 wurde sie schwanger. Für Oktober 2008 bekam die Klägerin noch ihr volles Gehalt; daneben bekam die Klägerin für einen Tag, nämlich den 31.10.2008, Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchuG) von ihrer beigeladenen Krankenkasse. Am 00.12.2008 gebar die Klägerin ihre Tochter T.

Am 13.01.2009 beantragte die Klägerin Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter. Mit Bescheid vom 02.04.2009 gewährte die Beklagte ihr Elterngeld. Dabei legte die Beklagte acht Einkommensmonate, nämlich Februar 2008 bis September 2008, zugrunde.

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2009 mit der Begründung zurückgewiesen, der Monat Oktober 2008 sei zurecht nicht berücksichtigt worden, weil Mutterschaftsgeld bezogen worden sei; für diesen Fall sehe § 2 Abs. 7 Satz 6 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) vor, dass der betreffende Monat unberücksichtigt bleiben müsse.

Die Klägerin hat am 18.07.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und vorgetragen, im Hinblick auf die Regelung im § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG sei eine sog "teleologische Reduktion" vorzunehmen; der Monat des Beginns des Mutterschutzes müsse unberücksichtigt bleiben, wenn sich die Nichtberücksichtigung im Einzelfall zulasten des Berechtigten auswirke. Das SG hat der Klage mit Urteil vom 21.01.2010 stattgegeben und dazu ausgeführt:

"Die Beklagte hat zu Unrecht den Oktober 2008 sowie die im Oktober 2008 geleisteten Gehaltserhöhungen für August und September 2008 nicht berücksichtigt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG macht von diesem Grundsatz, dass nämlich die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes zu berücksichtigen sind, eine Ausnahme. Nach § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG bleiben Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der Reichsversicherungsordnung oder dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG sind in Hinblick auf den nicht berücksichtigten Monat Oktober 2008 nicht erfüllt. Denn die Kammer ist der Auffassung, dass diese Vorschrift nur dann Anwendung findet, wenn in den dort genannten Fällen - insbesondere dem hier relevanten Fall des Bezugs von Mutterschaftsgeld - Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.

Der Wortlaut ist nicht eindeutig und daher auslegungsbedürftig. Für die Auffassung der Kammer spricht, dass die in § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG genannten Fälle den Wegfall des Einkommens aus Erwerbstätigkeit implizieren. Dadurch ist auch zu erklären, warum in der dritten Fallgruppe - der auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung - ein Zusatz hinzugefügt wurde; die auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung ist nur dann relevant - und führt zur Anwendung des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG - wenn durch die auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist.

Systematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Regelung in § 2 Abs. 7 Satz 7 BEEG hinzuzuziehen; danach gilt das gleiche für Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Wehrdienst nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes oder des Vierten Abschnitts des Soldatengesetzes oder Zivildienst nach Maßgabe des Zivildienstgesetzes geleistet hat, wenn dadurch Erwerbseinkommen ganz oder teilweise weggefallen ist.

Auch im Rahmen dieser Fallgruppe ist - ebenso wie bei der schwangerschaftsbedingten Erkrankung - nicht alleine die Tatsache entscheidend, dass Wehr- oder Zivildienst geleistet wurde, sondern es muss hinzukommen, dass dadurch Erwerbseinkommen ganz oder teilweise weggefallen ist.

Es sind daher, um einen unter § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG zu subsumierenden Fall anzunehmen, zwei Komponenten zu prüfen: den Ausnahmetatbestand an sich, vorliegend mithin die Zahlung des Mutterschaftsgeldes, und in einem zweiten Schritt, ob trotz des Vorliegens dieses Tatbestands Einkommen aus Erwerbstätigkeit - was beim Bezug von Mutterschaftsgeld die Regel sein dürfte, hier aber ausnahmsweise nicht zutrifft - weggefallen ist.

Für die von der Kammer vorgenommene Auslegung spricht auch die Gesetzesbegründung. Sinn und Zweck der Regelung und Intention des Gesetzgebers ist es, ein Absinken des Elterngeldes durch das in diesen Monaten geringere oder fehlende Erwerbseinkommen zu vermeiden (BT-Drucksache 16/2785, S. 38). Wenn aber der Gesetzgeber annimmt, dass die in § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG genannten Fälle, zum (teilweisen) Wegfall des Erwerbseinkommens führen und hiervon ausgehend eine Ausnahmeregelung zu § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG trifft, dann ist nicht nachzuvollziehen, warum dann dennoch die Ausnahmeregelung zur Anwendung kommen soll, wenn die Annahme des Gesetzgebers - ausnahmsweise wie hier - nicht zutrifft.

Die Kammer hat bei der Auslegung die sich hieraus für die Praxis ergebenden Konsequenzen, insbesondere die in diesem Zusammenhang relevante Vorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 4 Halbsatz 1 BEEG, wonach Grundlage der Einkommensermittlung die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers sind, nicht aus dem Blick verloren. Die Auslegung der Kammer führt nicht dazu, dass der Beklagten ein unüberschaubarer Mehraufwand entsteht; denn die Beklagte hat sich ohnehin zunächst ausgehend von dem Grundsatz in § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG die letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes anzuschauen; erst in einem zweiten Schritt prüft sie, ob gegebenenfalls eine Ausnahme im Sinne von § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG vorliegt, und daher einzelne Monate unberücksichtigt bleiben müssen. Dass die Klägerin aber im Oktober 2008 noch volles Gehalt bekommen hat, lässt sich auf den ersten Blick feststellen. In diesem Zusammenhang wird noch einmal betont, dass es vorliegend nicht um die Frage einer Günstigkeitsbetrachtung geht, sondern nur um die Frage, ob in dem betreffenden, nicht berücksichtigten Monat überhaupt Einkommen aus Erwerbstätigkeit weggefallen ist." Dagegen richtet sich die rechtzeitige Berufung der Beklagten, die Folgendes vorbringt: "Da die Klägerin bereits ab dem 31.10.2008 von der Techniker Krankenkasse Mutterschaftsgeld bezogen hat, durfte der Monat Oktober 2008 entgegen der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts bei der Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes nicht berücksichtigt werden, sondern hätte stattdessen übersprungen werden müssen. Der Bemessungszeitraum hätte sich somit um einen Monat weiter in die Vergangenheit verschieben müssen. Gemäß § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG bleiben Kalendermonate, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld bezogen hat, bei der Bestimmung der zwölf für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes zu Grunde zu legenden Kalendermonate unberücksichtigt. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit klar und eindeutig. Insbesondere knüpft der Wortlaut von § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG bezüglich des Bezuges von Mutterschaftsgeld ausdrücklich nicht an einen Wegfall oder eine Minderung des Erwerbseinkommens an. Wegen der Eindeutigkeit des Wortlautes ist entgegen der Auffassung des Gerichts erster Instanz daher auch kein Raum für eine Auslegung dieser Regelung. Wie in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.06.2009 (Az.: B 10 EG 8/08 R) ausgeführt wird, wollte der Gesetzgeber alleine die in § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 genannten Tatbestände privilegieren. Im Gegensatz zu der Wahlmöglichkeit bei Selbständigen hat der Gesetzgeber bei Nichtselbstständigen eine Wahlmöglichkeit nicht zugelassen, auch wenn dies dazu führt, dass im Einzelfall wie vorliegend eine geringere Elterngeldzahlung resultiert. Aus diesem Grund ist auch ohne Relevanz, dass die Klägerin für den Oktober von ihrem Arbeitgeber ihr volles Gehalt erhalten hat."

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.01.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

Berufungszurückweisung.

Sie trägt i.W. vor:

"Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen: Die Berufungsbeklagte hat ausführlich dazu Stellung genommen, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG generell schon immer dann teleologisch reduziert werden muss, wenn sich diese als Privilegierung gedachte Norm im Einzelfall nachteilig für die Bemessung des Elterngeldes auswirkt. Dass die Norm eine Privilegierung beabsichtigt, scheint nun auch die Berufungsklägerin in ihrer Berufungsbegründung anzuerkennen. Nach Ansicht der Klägerin hat damit stets ein Vergleich zwischen dem Monat der Einkommenseinbuße und dem als Ersatz dafür heranzuziehenden Monat stattzufinden.

Gegenüber diesem sehr viel allgemeiner gehaltenen und begründeten Standpunkt der Berufungsbeklagten hat das Sozialgericht Köln jedoch allein auf die Sachlage in dem hiesigen Streit abgestellt. Es hat insoweit überzeugend dargelegt, dass jedenfalls im vorliegenden Fall eine Benachteiligung der Klägerin, die durch § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG vermieden werden soll, schon deshalb von vornherein ausscheidet, da die Klägerin für den Monat Oktober 2008 noch ein volles Gehalt erhalten hat, obwohl sie sich im letzten Tag des Monats bereits im Mutterschutz befunden hat. Aus diesem Grunde hat das Sozialgericht Köln richtigerweise von Vorhinein eine Anwendbarkeit des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG verneint. Da der Monat Oktober 2010 keinen Einkommensnachteil für die Klägerin gebracht hat, ist er auch zu berücksichtigen. Erwähnenswert ist, dass der Wortlaut innerhalb des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG nicht so eindeutig ist, wie es die Berufungsklägerin meint, da jedenfalls für den vergleichbaren Sachverhalt der schwangerschaftsbedingten Krankheit auf einen Einkommenswegfall abgestellt wird. Die einzelnen Fallgruppen in § 2 Abs. 7 Satz 6 und 7 BEEG unterschiedlich nach dem konkreten Einkommenswegfall zu behandeln, wäre aber unlogisch und würde der an sich vorhandenen Homogenität der Ausnahmetatbestände widersprechen."

Nachdem die Klägerin und ihre Krankenkasse einem Verzicht auf Mutterschaftsgeld für den Monat Oktober zugestimmt hatten, hat der Senat die Krankenkasse beigeladen. Die Beklagte hat insoweit ausgeführt:

"Darüber hinaus hatte die Klägerin nach diesseitiger Auffassung auch keine "Gestaltungsmöglichkeit" bzgl. des Mutterschaftsgeldes. Die Berechnung der gesetzlichen Schutzfrist richtet sich nach dem vom behandelnden Gynäkologen bestimmten voraussichtlichen Entbindungstermin und dem hierüber ausgestellten Zeugnis (§ 5 Abs. 2 S. 1 MuSchG). Die Klägerin hatte sich allenfalls zum damaligen Zeitpunkt "ausdrücklich" zur Arbeitsleistung bereit erklären können (3 Abs. 2 MuSchG). Dies hat sie jedoch nicht gemacht, sondern sie ist offensichtlich ab dem 31.10.2008, also zum vom Arzt festgelegten Termin offiziell in Mutterschutz gegangen."

Die Klägerin hat im Senatstermin insoweit auf Befragen klargestellt, dass für sie eine solche Bereiterklärung aus gesundheitlichen schwangerschaftsbedingten Gründen nicht in Frage kam.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften und die Gerichts- sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Nachdem feststeht, dass eine Bereiterklärung der Klägerin zur Arbeitsleistung gemäß § 5 Abs. 2. S. 1 MuSchG für den letzten Tag im Oktober 2008 vor der Geburt ihrer Tochter aus gesundheitlichen Gründen für sie nicht in Frage kam, kommt es auf die Gestaltung des Merkblatts der Beigeladenen zum Mutterschaftsgeld und die Frage, ob diese (Gestaltungs-)Möglichkeit dort hinreichend deutlich gemacht ist, für etwaige Ansprüche gegen die Beigeladene wegen einer möglichen Falschberatung nicht (mehr) an. Nach den damit allein streitentscheidenden Normen des BEEG hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des im Oktober 2008 von ihrem Arbeitgeber ausgezahlten Arbeitsentgelts.

Die Grundvoraussetzungen zum Bezug von Elterngeld liegen zwar vor: Nach den Feststellungen des Senates hat die Klägerin im Bezugszeitraum mit ihrer Tochter in einem Haushalt gelebt, sie betreut i.S.v. § 1 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 BEEG und keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG. Der Senat stützt diese Feststellungen auf die Angaben der Klägerin in ihrem Elterngeldantrag sowie ihre glaubhaften Ausführungen in der mündlichen Verhandlung.

Die Klägerin hat indes keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des Oktobergehalts von 2008 gewährt, weil nach § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG dieser Monat nicht zum Bemessungszeitraum zählt.

Der Bemessungszeitraum zur Berechnung des Elterngelds umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG grundsätzlich die zwölf Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes. Durch den Bezug von Mutterschaftsgeld im Oktober 2008 verschiebt sich dieser Bemessungszeitraum nach § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG jedoch um einen Monat.

Eine Auslegung dieser Norm gegen ihren Wortlaut, ist nicht möglich (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 17.02.2011 - B 10 EG 21/09 R -, juris Rdn. 20 m.w.N.).

Ebenso wenig lässt sich das von der Klägerin erstrebte Ergebnis durch richterliche Rechtsfortbildung im Wege einer teleologischen Reduktion erreichen, den das SG faktisch beschritten hat. Dafür fehlt es an einer vom Gesetzgeber übersehenen Unvollständigkeit des Gesetzes. Denn der Gesetzgeber hat die im Einzelfall möglichen nachteiligen Auswirkungen der Verschiebung des Bemessungszeitraums bei abhängig beschäftigten Müttern sehr wohl gesehen. Gerade die Konstellation, dass durch eine Verschiebung des Bemessungszeitraums Monate ohne oder mit geringem Einkommen aus Erwerbstätigkeit zur Grundlage der Elterngeldberechnung werden, war bei der Verabschiedung des BEEG bekannt. Der Gesetzgeber hat diese Konstellation in § 2 Abs. 8 Satz 4 BEEG nämlich ausdrücklich geregelt - aber bewusst ausschließlich für die selbständig tätigen Eltern, indem er ihnen ein Wahlrecht eingeräumt hat. Danach kommt es nur dann zur Verschiebung des Bemessungszeitraums, wenn die oder der selbstständig tätige Elterngeldberechtigte dies ausdrücklich beantragt. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es dazu, "ein Wahlrecht der Betroffenen sei erforderlich, da der Wechsel auf frühere Kalendermonate bei jungen Müttern, deren Betrieb sich noch im Aufbau befindet, zu Nachteilen führen könne, während es im konkreten Einzelfall überhaupt nicht zu Einkommensreduzierungen gekommen sein müsse, weil die Zahlungseingänge aus selbstständiger Arbeit häufig mit längerer Verzögerung zur Leistungserbringung erfolgten" (Bundestagsdrucksache 16/2785 S. 38). Dem Gesetzgeber kann indes nicht entgangen sein, dass sich vergleichbare Konstellationen, in denen die Verschiebung des Bemessungszeitraums sich nachteilig auswirkt, auch bei abhängig Beschäftigten, wie im Fall der Klägerin, ergeben können. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber generell beabsichtigte, ein Absenken des Elterngelds durch das in diesen Monaten geringere oder fehlende Erwerbseinkommen zu vermeiden. Denn die Verschiebung des Bemessungszeitraums bei abhängig Beschäftigten stellt typischerweise sicher, dass ihr Elterngeld nicht gerade durch das geringere oder fehlende Erwerbseinkommen im Monat mit schwangerschaftsbedingter Erkrankung absinkt. Sie sollen also das Erwerbsrisiko aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung - wie auch sonst - nicht tragen müssen. Ergibt sich das Absinken des Erwerbseinkommens dagegen aufgrund des niedrigeren oder fehlenden Einkommens im nunmehr in den Bemessungszeitraum einbezogenen Monat, so mutet der Gesetzgeber damit den Betroffenen letztlich lediglich dasselbe Risiko wie anderen Elterngeldberechtigten zu, nämlich die Nachteile durch den Ausfall von Erwerbseinkommen aus nicht-schwangerschaftsbedingten Gründen wie im Fall der Klägerin als Folge von früherer Arbeitslosigkeit.

Fehlt es somit an einer Regelungslücke, scheidet eine teleologische Reduktion, also eine Einschränkung der Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus aus (wie hier SG Hamburg, Urteil vom 27.04.2010 - S 31 EG 19/09 - juris Rdn. 19).

Die Vorschrift des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG verstößt in der hier gefundenen Auslegung auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt also seine Präzisierung im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts (BSG, Urteil vom 17.02.2011 - B 10 EG 17/09 R -, Rdn. 34 f. m.w.N.).

Nach diesen Vorgaben verstößt die unterschiedliche Regelung zur Bestimmung des Bemessungszeitraums bei abhängig Beschäftigten im Vergleich zu selbständig tätigen Elterngeldberechtigten, denen der Gesetzgeber ein Wahlrecht hinsichtlich der Monate mit schwangerschaftsbedingten Erwerbsausfall eingeräumt hat, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn diese Unterscheidung ist nach der gesetzgeberischen Konzeption durch hinreichend gewichtigte sachliche Gründe gerechtfertigt.

Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, geht der Gesetzgeber nachvollziehbar davon aus, dass der Wechsel auf frühere Kalendermonate bei jungen Müttern, deren Betrieb sich noch im Aufbau befindet, zu Nachteilen führen kann, während es im konkreten Einzelfall überhaupt nicht zu Einkommensreduzierungen gekommen sein muss, weil die Zahlungseingänge aus selbständiger Arbeit häufig mit längerer Verzögerung zur Leistungserbringung erfolgen. Solche bei Selbständigen typischen und unvorhersehbaren Schwankungen des Einkommens hat der Gesetzgeber bei abhängig Beschäftigten nicht angenommen und deswegen bei ihnen auf ein Wahlrecht verzichtet.

Mit Blick auf die Gruppe der Mütter mit Einkommen aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit fehlt schon an einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Normadressaten. § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG behandelt unterschiedslos alle Mütter gleich, die ganz oder teilweise aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung Einkommen einbüßen, indem er den betreffenden Monat aus der Bemessungsgrundlage des Elterngeldes ausklammert. Auch hinsichtlich der Berechnung des Elterngeldes durch den stattdessen in die Bemessungsgrundlage aufgenommenen Monat behandelt das Gesetz die betroffenen Mütter gleich. Er regelt die Berechnung des Einkommens unterschiedslos nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BEEG.

Darüber hinaus verbietet Art. 3 Abs. 1 GG aber auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die eine Ungleichbehandlung sachwidrig erscheinen lassen (BSG, a.a.O., Rdnr. 34 m.w.Nw.). Die Klägerin und ihr vergleichbare abhängig beschäftigte Mütter werden durch die ausnahmslose Verschiebung des Bemessungszeitraums, der sich für sie im Ergebnis elterngeldmindernd auswirkt, mit solchen Müttern gleich behandelt, bei denen sich diese Verschiebung im vom Gesetzgeber beabsichtigten Sinne auswirkt und das Elterngeld erhöht. Vor dem Hintergrund des vom BEEG gestalteten Normbereichs besteht somit zwar ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Denn das BEEG ist darauf ausgerichtet, Eltern von Erwerbsrisiken zu entlasten, die kausal mit der Schwangerschaft zusammenhängen. Es trifft auch zu, dass diese Regelung im Ergebnis dazu führt, dass eine Gruppe von Müttern aufgrund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung im Ergebnis weniger Elterngeld erhält, während dies aufgrund derselben Regelung bei anderen Müttern mit einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung nicht der Fall ist.

Die Rechtfertigung für dieser Gleichbehandlung sieht der Senat jedoch - verfassungsrechtlich zulässig - im Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung und der beabsichtigten raschen Abwicklung des Elterngelds (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 27.04.2010 - S 31 EG 19/09 - Juris Rdnr. 19). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein dadurch wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Eine solche zulässige Typisierung setzt voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht sehr intensiv ist (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 28.09.2010 - 1 BvR 1660/08 - juris Rdnr. 10 m.w.Nw.).

Dies trifft auf die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 6 BEEG zu. Anders als selbständig tätige Mütter, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit marktabhängigen Schwankungen ausgesetzt sind, die keine regelmäßige Aussage über Einnahmen und Ausgaben zulassen, ist bei abgängig Beschäftigten eine verwaltungstechnisch einfach feststellbare Größe über die elterngeldrelevante Zusammensetzung des Gehaltes in Form der monatlichen Lohnabrechnungen vorhanden. Hierauf wollte - und durfte - der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung abstellen. Es würde einen erheblich höheren Verwaltungsaufwand bedeuten, wollte man von den Elterngeldbehörden im Rahmen ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht im jeweiligen Einzelfall verlangen, hypothetische Vergleichsberechnungen anzustellen, um die wirtschaftlich günstigste Regelung für die betroffene Mutter zu ermitteln und dabei vorher die für die Elterngeldberechnung maßgebliche Entgeltbestandteile sowie die nicht in die Berechnung einzubeziehenden Zahlungen - etwa steuerfreie Leistungen - in den Vergleichsmonaten zu ermitteln. Der mit diesem höheren Verwaltungsaufwand verbundene Zeitverlust stünde zudem dem verfassungsrechtlich auf Art 6 GG beruhenden Ziel einer raschen Elterngeldgewährung entgegen. Gründe für Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der hier streitentscheidenden Normen sind damit nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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