L 8 LW 5/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 LW 3/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 5/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4.8.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Altersrente auch für die Zeit ab dem 1.2.1998 bis zum 31.8.2004.

Der am 00.00.1933 geborene Kläger war seit dem 1.1.1993 als landwirtschaftlicher Unternehmer bei der Beklagten versichert und zahlte Pflichtbeiträge. Im Januar 1997 hielt er Nachfrage bezüglich möglicherweise bestehender Beitragsrückstände. Dies nahm die Beklagte zum Anlass abzuklären, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente vorlagen. In diesem Zusammenhang forderte sie bei der Beigeladenen als dem für den Kläger zuständigen Träger der allgemeinen Rentenversicherung einen Versicherungsverlauf an, der ihr im Juli 1997 zugesandt wurde. Darin waren lediglich in der Zeit vom 29.8.1955 bis 30.6.1961 Pflichtbeitragszeiten gespeichert.

Als der Kläger im Januar 1998 das 65. Lebensjahr vollendete, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 13.1.1998 die Beendigung der Versicherungspflicht zum 31.1.1998 fest. Ergänzend wies sie darauf hin, dass die Zeit vom 1.8.1955 bis zum 30.6.1961 als wartezeitrelevante Fiktivzeit bei der Ermittlung der Wartezeit für eine Rente berücksichtigt werde. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte vorsorglich die Weiterversicherung, um die relevante Wartezeit für eine Altersrente der Beklagten erfüllen zu können. Die Beklagte half dem Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 27.5.1998 dahingehend ab, dass für ihn Versicherungspflicht über die Vollendung des 65. Lebensjahres hinaus bis zur Erfüllung der 15jährigen Wartezeit bestehe. Aller Voraussicht nach werde der Kläger diese Wartezeit mit Ablauf des Januar 2002 erfüllen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger nur insoweit Widerspruch ein, als dass "die Feststellung der bisherigen Pflichtbeitragszeiten" Gegenstand des Bescheides sei. Eine weitergehende Widerspruchsbegründung erfolgte in der Folge trotz Aufforderung durch die Beklagte nicht. Die Beklagte beendete die Mitgliedschaft des Klägers zum 31.1.2002 mit Bescheid vom 19.2.2002. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass ihm ein Merkblatt beiliege. Unter dem 31.1.2002 verpachtete der Kläger das gärtnerische Unternehmen aufgrund schriftlichen Vertrages an seinen Sohn U.

Die Beigeladene gewährte dem Kläger Regelaltersrente ab dem 1.2.1998 (Bescheid v. 8.5.2003). Sein Begehren auf Anerkennung zusätzlicher Kindererziehungszeiten (KEZ) hatte zunächst keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid v. 9.9.2003, Urteil des Sozialgerichts [SG] Düsseldorf v. 26.11.2004 [Az.: S 10 RJ 213/03]). In einem vor dem erkennenden Senat am 20.9.2006 geschlossenen Vergleich v. 20.9.2006 (Az.: L 8 R 8/05) erklärte sich die Beigeladene bereit, nach Vorlage der jeweiligen Geburtsurkunden und einer Erklärung des Klägers, dass eine anderweitige überwiegende Erziehung der Kinder nicht stattgefunden habe, eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung zu treffen, ob die KEZ für die Kinder U und C rückwirkend ab Beginn der dem Kläger zustehenden Altersrente zu berücksichtigen seien. Im Jahr 2008 erkannte die Beigeladene zusätzliche Pflichtbeitragszeiten für die Zeit vom 15.8.1948 bis 19.9.1951 an, aufgrund des 2006 geschlossenen Vergleichs zudem im Jahr 2010 weitere 24 Monate Pflichtbeiträge für KEZ.

Parallel hierzu verfolgte die inzwischen verstorbene Ehefrau des Klägers ihren eigenen Anspruch auf Altersrente. In dem diesbezüglichen Verfahren (Az.: S 11 (3,9,10,20) LW 24/00 SG Düsseldorf) legte sie als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 25.9.2004, der Beklagten übergeben am 28.9.2004, die Kopie eines auf den 4.2.2002 datierten, an die Beklagte gerichteten Schreibens des Klägers bei. Darin wiederholte dieser einen angeblichen Antrag auf Altersrente vom 21.3.1998. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, dem Kläger Formblätter für die Beantragung von Altersrente zuzusenden, die er unter dem 15.11.2004 zurückreichte. Daraufhin gewährte die Beklagte ihm Altersrente ab dem 1.11.2004 (Bescheid v. 5.4.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 19.1.2006, abgesandt am 20.1.2006).

Hiergegen hat der Kläger am 23.2.2006 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass er bereits mit formlosem Antrag vom 26.1.1998 Altersrente beantragt habe. Die Beklagte habe ihm damals falsche Auskünfte erteilt, denn die erforderliche 15jährige Wartezeit sei bereits bei Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt gewesen.

Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5.4.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2006 zu verurteilen, ihm Altersrente ab dem 26.1.1998 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass nach den ihr im Januar 1998 vorliegenden Informationen lediglich 132 auf die Wartezeit anrechenbare Kalendermonate belegt gewesen seien (71 Monate für die Zeit vom 1.8.1955 bis zum 30.6.1961 bei der Beigeladenen und 61 Monate für die Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte vom 1.1.1993 bis zum 31.1.1998). Sie habe den Kläger daher nicht fehlerhaft beraten. Eine fehlerhafte Beratung von Seiten der Alterskasse sei somit nicht erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der 2008 von der Beigeladenen anerkannten zusätzlichen Pflichtbeitragszeiten sei (rückblickend) die Wartezeit im Januar 1998 noch nicht erfüllt gewesen. Informationen über einen Rentenantrag des Klägers vor dem 22.11.2004 habe sie nicht.

Das SG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urteil v. 4.8.2009, auf dessen Gründe Bezug genommen wird).

Gegen das ihm am 26.9.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.10.2009 Berufung erhoben. Er vertieft und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er habe bereits am 26.1.1998 postalisch einen formlosen "Kurzantrag" auf Altersrente gestellt und im Übrigen sein Rentenbegehren gegenüber der Beklagten in verschiedenen Telefonaten Anfang des Jahres 1998 zum Ausdruck gebracht. Zumindest sei er so zu stellen, als habe er einen Rentenantrag bereits im Januar 1998 gestellt. Denn wie sich herausgestellt habe, sei die Auskunft der Beklagten aus Januar 1998, er habe nur 132 von 180 nötigen Monaten der 15jährigen Wartezeit erfüllt, falsch gewesen. Hierbei habe die Beklagte nämlich weder seine Lehrzeit von August 1948 bis September 1951 noch die weiteren anzurechnenden 24 Monate KEZ berücksichtigt. Der Betrieb sei "intern" bereits Anfang Januar 1998 an seinen Sohn übergeben worden. Allein aufgrund der falschen Auskünfte der Beklagten habe er den Betrieb offiziell weitergeführt. Ein im Dezember 1997 geschlossener 10-Jahresmietvertrag habe als internes Papier weiter Bestand gehabt. Zudem ergebe sich aus einem in der Rentenakte seiner verstorbenen Ehefrau abgehefteten Vermerk über eine Betriebsbesichtigung vom 21.9.2001, dass die Baumschule seit ca. 15 Jahren nicht mehr betrieben worden sei. Schließlich verstoße das Erfordernis der Abgabe gegen Verfassungsrecht.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.6.2011 hat sich die Beklagte bereit erklärt, dem Kläger bereits ab dem 1.9.2004 Altersrente zu gewähren. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen und beantragt darüber hinaus,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4.8.2009 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 5.4.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2006 zu verurteilen, ihm Altersrente ab dem 1.2.1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Die den Kläger und seine verstorbene Ehefrau betreffenden Leistungsakten der Beklagten, die Beitragsakte des Klägers, die Rentenakte des Klägers bei der Beigeladenen sowie die Vorprozessakten S 10 RJ 213/03, S 10 RJ 91/03 und S 11 (3,9,10,20) LW 24/00, jeweils SG Düsseldorf, sind beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Jedenfalls nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 29.6.2011 anerkannt hat, dass dem Kläger bereits ab dem 1.9.2004 Altersrente zu gewähren ist, ist dieser durch den angefochtenen Bescheid vom 5.4.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2006 nicht beschwert i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da ihm für einen Zeitpunkt vor dem 1.9.2004 ein Anspruch auf Altersrente gegen die Beklagte nicht zusteht.

Nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) in der hier anwendbaren, bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung hängt der Anspruch auf Altersrente von drei Bedingungen ab: der Vollendung des 65. Lebensjahres, der Erfüllung der Wartezeit von 15 Jahren und der Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft. Nach § 44 Abs. 1 ALG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) setzt die Rentenbewilligung darüber hinaus einen Antrag voraus. Der Ausnahmefall des § 115 Abs. 3 Satz 1 SGB VI (Bezug einer Erwerbsminderungsrente bis zum Erreichen der Altersgrenze) liegt hier nicht vor. Die Antragstellung hat unmittelbare Folgen für den Rentenbeginn. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 ALG i.V.m. § 99 Abs. 1 SGB VI ist die Rente von dem Kalendermonat an zu leisten, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die letzte Anspruchsvoraussetzung erfüllt ist. Bei einer späteren Antragstellung ist die Rente erst ab dem Antragsmonat zu zahlen.

1. Der Nachweis eines Rentenantrags vor September 2004, für den der Kläger die materielle Beweislast trägt, ist nicht geführt.

a) Erstmals mit Schriftsatz vom 25.9.2004, der der Beklagten am 28.9.2004 ausgehändigt worden ist, hat die Ehefrau des Klägers als Anlage zu einem Schriftsatz in ihrem eigenen Rentenverfahren die Kopie des auf den 4.2.2002 datierten, an die Beklagte gerichteten Schreibens des Klägers vorgelegt, in dem dieser einen angeblichen Antrag auf Altersrente vom 21.3.1998 wiederholt. Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bereit erklärt hat, diese Anlage als Rentenantrag des Klägers anzusehen und daraufhin Altersrente ab dem 1.9.2004 zu gewähren. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob mit der Überreichung dieses Schriftsatzes eine wirksame Antragstellung im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erfolgt ist.

b) Eine frühere - schriftliche oder mündliche - Antragstellung des Klägers ist nicht bewiesen. Sie lässt sich insbesondere den Akten der Beklagten nicht entnehmen. Dies gilt namentlich für das auf den 4.2.2002 datierte Schreiben des Klägers wie für den darin erwähnten angeblichen Antrag vom 21.3.2008.

c) Der Senat sieht sich nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme gedrängt.

aa) Soweit der Kläger vorträgt, er habe Anfang 1998 einen formlosen "Kurzantrag" an die Beklagte abgesandt, führt dies selbst für den Fall, dass der Kläger die Versendung beweisen könnte, nicht zu einer früheren Antragstellung. Denn der Antrag wird nach allgemeinen Grundsätzen erst mit Zugang bei der Beklagten wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Hierfür hat der Kläger jedoch keinen Beweis angetreten. Im Übrigen ist der Vortrag des Klägers zu dem angeblichen schriftlichen Antrag auch in sich widersprüchlich. So hat er als Antragsdatum zunächst den 26.1.1998 angegeben, und sodann in seinem Schriftsatz vom 2.5.2011 einen Antrag vom 16.1.1998 erwähnt, während in seinem auf den 4.2.2002 datierten Schreiben von einem Antrag vom 21.3.1998 die Rede ist.

bb) Der Senat braucht auch über die Behauptung des Klägers zum Inhalt seiner angeblichen Telefonate mit Mitarbeiter(inne)n der Beklagten im Januar 1998 keinen Beweis zu erheben. Er kann vielmehr die konkretisierenden Angaben des Klägers hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als wahr unterstellen. Der Kläger hat vorgetragen: "Auslöser meiner Telefonate mit der Beklagten war deren Mitteilung, dass meine Versicherungspflicht am 31.1.1998 ende. Ich habe dann bei der Beklagten angerufen und gesagt, ich sei doch jetzt 65 und bekäme Rente. Dann hat man mir gesagt, so einfach sei das nicht, ich hätte die 180 Monate nicht beisammen. Ich habe dann erklärt, dass ich diese Monate - wie auch immer - auf jeden Fall beisammen hätte. Seitens der Beklagten hat man mir erklärt, das sei zwar gesetzlich nicht vorgesehen, möglicherweise könnte ich aber über das 65. Lebensjahr hinaus Beiträge zahlen."

Damit hat der Kläger keine mündliche Antragstellung beschrieben, sondern ein typisches Beratungsgespräch anlässlich des Bescheides vom 13.1.1998, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers zum 31.1.1998 zunächst beendet hatte, sowie angesichts des Umstandes, dass der Kläger mit den bei der Beklagten geleisteten Pflichtbeiträgen und den in seinem Rentenkonto bei der Beigeladenen gespeicherten Zeiten die 15jährige Wartezeit (noch) nicht erfüllte. Vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont der Beklagten her (vgl. § 133 BGB) ging es dem Kläger allein darum, die Rechtslage zu klären und letztlich die Möglichkeit eingeräumt zu bekommen, weiterhin wartezeitrelevante Pflichtbeiträge zahlen zu können. Dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt nach Beratung durch die Beklagte davon ausging, die Wartezeit sei nicht erfüllt und es gebe dementsprechend keinen Anlass, Altersrente zu beantragen, wird bestätigt durch den Umstand, dass der Kläger mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.1.1998 sogar ausdrücklich die weitere Beitragszahlung beantragt und schließlich auch aufgenommen hat. Gleiches gilt für das Schreiben des Klägers vom 16.5.1998, in dem dieser eindeutig kein Rentenbegehren formuliert - und im Übrigen auch mit keinem Wort Bezug auf die nunmehr behaupteten Telefonate mit der Beklagten nimmt - sondern (lediglich) die Weiterversicherung bei der Beklagten wünscht.

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen Versäumung der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI kann dem Kläger nicht zugebilligt werden. Ob eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Drei-Monats-Frist überhaupt zulässig wäre, kann offen bleiben (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 14.11.2002, B 13 RJ 39/01 R, SozR 3-2600 § 115 Nr. 9; Urteil v. 6.5.2010, B 13 R 44/09 R, SozR 4-1200 § 14 Nr. 13; jeweils m.w.N.). Denn gemäß § 27 Abs. 3 SGB X kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Der Kläger hat indessen innerhalb der maßgeblichen Frist weder Wiedereinsetzung beantragt noch den Rentenantrag nachgeholt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er hieran wegen höherer Gewalt gehindert war.

3. Der Kläger ist auch nicht im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als hätte er bereits innerhalb der Frist des § 99 Abs. 1 SGB VI oder zu einem anderen früheren Zeitpunkt als im September 2004 einen Rentenantrag gestellt.

a) Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist (statt aller: BSG, Urteil v. 30.9.2009, B 9 VG 3/08 R, SozR 4-3100 § 60 Nr. 6 m.w.N.).

b) Die Beklagte hat dem Kläger im Jahr 1998 keine unzutreffende Auskunft erteilt, indem sie ihm mitgeteilt hat, die Wartezeit von 15 Jahren sei nicht erfüllt. Auch unter Einbeziehung der Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keine 15 Jahre mit Pflichtbeiträgen beisammen, weil es hierzu der Anerkennung von KEZ durch die Beigeladene bedurfte. Den hierfür erforderlichen Nachweis einer überwiegenden Erziehung seiner Kinder durch ihn (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI) hatte der Kläger, wie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 20.9.2006 im Verfahren L 8 R 8/05 belegt, jedoch noch nicht einmal zu diesem Zeitpunkt erbracht. Vielmehr sind die weiteren Pflichtbeitragszeiten für Berufsausbildung und KEZ erst 2008 bzw. 2010 im Versicherungskonto des Klägers gespeichert worden.

c) Selbst wenn die Beklagte ihre Pflicht zur Auskunfterteilung und Beratung verletzt haben sollte, ist diese nicht für die verspätete Antragstellung im Sinne einer wesentlichen Bedingung kausal gewesen. Denn das spätere Verhalten des Klägers zeigt, dass ihm offensichtlich an einer möglichst frühzeitigen Antragstellung gar nicht gelegen war und dass er sich zumindest nicht nachhaltig um die diesbezügliche Förderung seiner Belange gekümmert hat. So hat der Kläger ungeachtet seiner Behauptung, im Januar 1998 bereits einen schriftlichen Rentenantrag an die Beklagte verschickt zu haben, jedenfalls bis in den Herbst 2004 hinein keinerlei Anstrengungen unternommen, hinsichtlich der Bearbeitung des vermeintlichen Rentenantrages nachzufragen. Selbst als die Beklagte ihm durch Bescheid vom 19.02.2002 mitteilte, dass nunmehr auch nach ihrer Auffassung die Wartezeit als erfüllt anzusehen sei, hat er keinen Rentenantrag gestellt, obwohl er von der Beklagten über das Antragserfordernis abermals mit dem dem Bescheid beiliegenden Merkblatt aufgeklärt worden ist. Selbst der von der Beklagten der Rentengewährung zugrunde gelegte Antrag von September 2004 ist eher "zufällig" dadurch zustande gekommen, dass die verstorbene Ehefrau das auf den 04.02.2002 datierte Schreiben in ihrem eigenen Verfahren überreicht hat. Es gibt daher keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Falle einer Beratung über die Möglichkeit eines Rentenantrags bereits im Januar 1998 (oder später) tatsächlich einen solchen Antrag gestellt hätte.

4. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob der Kläger sein Unternehmen bereits vor Januar 2002 an seinen Sohn formwirksam abgegeben hat bzw. ob das Unternehmen gemäß § 21 Abs. 2 ALG als abgegeben gilt. Aus diesem Grund sind auch die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers hinsichtlich des Abgabeerfordernisses als Voraussetzung für eine Rentengewährung nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG unerheblich. Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass er diese Bedenken in Übereinstimmung mit der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht teilt (vgl. zuletzt BSG, Urteil v. 25.2.2010, B 10 LW 1/09 R, SozR 4-5868 § 13 Nr. 5; Urteil v. 19.2.2009, B 10 LW 9/00 R, SozR 4-5868 § 1 Nr. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Teilanerkenntnis der Beklagten war nicht im Sinne einer Kostenquotelung zu berücksichtigen, da es nur einen ganz geringen Teil der Klageforderung ausmacht.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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