L 9 AS 1932/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 AS 80/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 1932/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.09.2010 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 06.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden in beiden Rechtszügen nicht erhoben. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 410 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin hatte an Leistungsempfänger nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Wohnraum vermietet. Streitig ist, ob die beklagte B - Arbeitgemeinschaft für P (jetzt: Jobcenter P) befugt war, von ihr Erstattung einer Mietzahlung durch Verwaltungsakt zu fordern.

Die SGB-II-Leistungsempfänger U und L (im folgenden: Leistungsempfänger) mieten zum 01.01.2006 von der Klägerin eine Wohnung in der Q-straße 00 in P. Die monatliche Netto-Kaltmiete betrug 350 EUR, die monatliche Nebenkostenvorauszahlung 60 EUR. Sie zahlten die Brutto-Kaltmiete von 410 EUR nur für Januar 2006, für die vier Monate Februar bis einschließlich Mai 2006 dagegen nicht. Wegen der Mietrückstände kündigte die Klägerin den Mietvertrag zum 30.04.2006. Nachdem die Wohnung nicht fristgemäß geräumt worden war, erhob die Klägerin im Mai 2006 vor dem Amtsgericht (AG) P Räumungsklage (Beiakte AG P). Der Räumungsanspruch der Klägerin wurde von den Leistungsempfängern vor dem AG P anerkannt (Anerkenntnisurteil vom 30.06.2006) und ein Ausgleich der Mietrückstände durch die Beklagte in Aussicht gestellt.

Die Beklagte bewilligte den Leistungsemfängern aufgrund ihres Antrages vom 27.04.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit ab dem 27.04.2006 (Bescheid vom 20.06.2006).

Die Beklagte überwies die Miete für zwei Monate in Höhe von 820 EUR an die Klägerin, die Gutschrift auf dem Konto der Klägerin erfolgte am 23.06.2006. Die Leistungsempfänger zogen Anfang August 2006 aus der Wohnung der Klägerin aus. Eine weitere Monatsmiete ging bei der Klägerin am 07.07.2006 ein. Die Beklagte hatte die Klägerin über die Direktzahlung der Miete nicht informiert und insbesondere keine Übernahmeerklärung abgegeben.

Es waren insgesamt nach Angaben der Klägerin noch drei Monatsmieten offen, als am 04.05.2007 eine weitere Mietzahlung von 410 EUR dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurde. Diese Zahlung beruhte auf einer irrtümlich erfolgten Überweisung der Beklagten. Die Klägerin rechnete diesen Betrag auf ihre älteste Forderung, d.h. als Miete für den Monat Februar 2006 an. Aus der Überweisung der Beklagten ergab sich kein Bezugsmonat oder eine Verrechnungsbestimmung.

Nachdem der Fehler seitens der Beklagten bemerkt worden war, forderte sie mit Schreiben vom 08.05.2007 unter Hinweis auf ein "technisches Versehen" den Betrag von 410 EUR von der Klägerin zurück. Die Klägerin erwiderte, sie habe noch eine offene Mietforderung gegenüber den Leistungsempfängern für den Monat Juni 2006; über diese Forderung hatte die Klägerin einen Vollstreckungsbescheid (vom 24.07.2006) gegenüber den Leistungsempfängern erwirkt.

Mit weiteren Schreiben vom 22.08.2007 und 14.11.2007 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Erstattung. In der Erinnerung vom 22.08.2007 verwies die Beklagte auf eine versehentliche Mietzahlung für August 2006; diese weitere versehentliche Zahlung konnte allerdings bereits durch Zurückbuchung rückgängig gemacht werden. In der Erinnerung vom 14.11.2007 verwies die Beklagte dann auf eine versehentliche Zahlung für August 2007, obwohl es um eine Überweisung aus Mai 2007 ging. Mit Schreiben vom 26.11.2007 forderte die Beklagte von der Klägerin dann die Erstattung der versehtlichen Mietzahlung aus Mai 2007.

Mit Bescheid vom 06.12.2007 machte die Beklagte ihre Erstattungsforderung in Höhe von 410 EUR sodann gegenüber der Klägerin gemäß § 50 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend.

Die Klägerin erhob hiergegen am 28.12.2007 Widerspruch und machte geltend, die Beklagte solle sich an die Leistungsempfänger halten, die durch die Überweisung der Miete begünstigt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 SGB X seien erfüllt. Der Erstattungsanspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur, weil er die Kehrseite des Leistungsanspruches sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.02.2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) P erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.03.2008 an das SG Münster verwies. Zur Begründung macht sie geltend, es sei für sie ersichtlich gewesen, dass es sich um eine von der Beklagten veranlasste Mietzahlung für die Leistungsempfänger handele, hingegen habe sich aus der Überweisung kein bestimmter Bezugsmonat ergeben. Sie habe deshalb davon ausgehen können, dass es sich um eine nachträglich bewilligte Mietzahlung der Beklagten auf die Zahlungsrückstände der Leistungsempfänger gehandelt habe. Die mittels Verwaltungsakt geltend gemachte Erstattungsforderung sei rechtswidrig, weil zwischen Klägerin und Beklagten keine öffentlich-rechtliche Leistungsbeziehung bestehe. Es sei der Beklagten daher auch verwehrt, den irrtümlich gezahlten Betrag durch Verwaltungsakt von der Klägerin zurückzufordern. Es käme allenfalls ein privatrechtlicher Bereicherungsanspruch der Beklagten in Betracht, für den der Zivilrechtsweg eröffnet sei.

Die Beklagte hat erwidert, es habe eine sozialrechtliche Leistungsbeziehung zwischen Klägerin und Beklagter bestanden. Grundlage hierfür seien die von der Beklagten an die Klägerin überwiesenen Sozialleistungen gewesen. Gerade hierauf berufe sich doch die Klägerin, indem sie darauf hinweise, der Annahme gewesen zu sein, ihr würden diese Zahlungen wegen der noch bestehenden Mietrückstände der früheren Mieter zustehen. Zur weiteren Begründung beruft sich die Beklagte auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach der Erstattungsanspruch die Kehrseite des Leistungsanpruchs sei (Urteil vom 29.10.1986, 7 RAr 77/85).

Mit Urteil vom 30.09.2010 hat das SG Münster die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Beklagte habe zu Recht die irrtümlich an die Klägerin als frühere Vermieterin der Leistungsempfänger geleistete Miete in Höhe von 410 EUR durch Verwaltungsakt gemäß § 50 Abs. 3 SGB X zurückgefordert. Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, seien sie gemäß § 50 Abs. 2 SGB X zu erstatten.

Die Miete von 410 EUR sei ohne zugrunde liegenden Verwaltungsakt der Klägerin überwiesen worden. Seit dem Auszug der Mieter U und L seien zwischenzeitlich 10 Monate vergangen, als im Mai 2007 eine weitere Monatsmiete infolge eines technischen Versehens - es sollte an den neuen Vermieter der Leistungsempfänger gezahlt werden - an die Klägerin überwiesen wurde. Bei einer Leistungsgewährung nach § 22 Abs. 4 SGB II an den Vermieter führe dies zwar nicht dazu, dass dieser Anspruchsinhaber des Leistungsanspruchs werde. Allerdings habe der Vermieter ähnlich wie der Abzweigungsberechtigte einen Auszahlungsanspruch. Es handele sich mithin um eine Rückforderungskonstellation einer irrtümlichen Überweisung auf ein fremdes Konto.

Hierdurch verliere die Leistung ihren öffentlich-rechtlichen Charakter nicht dadurch, dass sie fehlgeleitet werde. Wer eine ihm nicht zustehende Leistung entgegennehme, über deren öffentlich-rechtlichen Charakter keine Zweifel bestünden, begründe ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, das eine Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 2 SGB X auslöse. Der Klägerin sei aufgrund der Umsatzanzeige der Sparkasse P vom 04.05.2007 bewusst gewesen, dass es sich um die Miete für die Leistungsempfänger als ihre ehemaligen Mieter gehandelt habe, auch sei als Leistungsträger die Arbeitsgemeinschaft P angegeben worden.

Der Klägerin hätten sich aufgrund des Zeitablaufs von 10 Monaten nach Auszug der Leistungsempfänger Zweifel aufdrängen müssen, ob es sich um eine Zahlung auf Mietrückstände gehandelt habe, zumal in der Überweisung kein Bezugsmonat angegeben worden sei. Hier wäre zumindest ein Anruf der Klägerin bei der Beklagten erforderlich gewesen, um diese Frage zu klären. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, ihre Erstattungsforderung durch Verwaltungsakt geltend zu machen und sei nach Auffassung des Gerichts nicht auf den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch gegenüber der Klägerin bzw. den Leistungsempfängern zu verweisen.

Die Kammer habe der Rechtsfrage, ob bei der vorliegenden Rückforderungskonstellation ein zivilrechtlicher Bereicherungsanspruch greife oder ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs. 2 SGB X gegeben sei, grundsätzliche Bedeutung beigemessen und gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung zugelassen.

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 13.10.2010 zugestellte Urteil des SG Münster hat die Klägerin am 02.11.2010 Berufung erhoben.

Sie ist der Auffassung, zwischen der Beklagten und ihr habe kein sozialrechtliches Leistungsverhältnis bestanden. Ein solches lasse sich auch nicht aus § 22 Abs. 4 SGB II herleiten. Der Vermieter erlange daraus weder einen Leistungs- noch einen Auszahlungsanspruch. Die streitige Mietzahlung beruhe allein auf einem Versehen. Zu dem Zeitpunkt der irrtümlichen Zahlung habe kein Mietverhältnis mehr bestanden; dies sei auch der Beklagten bekannt gewesen. Zu dem Erlass eines Verwaltungsaktes sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen. Der vermeintliche Anspruch sei im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 30.09.2010 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 06.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG Münster rechtlich für zutreffend.

Der Senat hat mit Beschluss vom 08.02.2011 den Streitwert vorläufig auf 410 EUR festgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-, der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der vom Amtsgericht P beigezogenen Akte in dem Verfahren der Klägerin gegen U und L (14 C 250/06 (XXI)), die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das SG Münster hat ihre Anfechtungsklage zu Unrecht abgewiesen. Diese ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 ist rechtswidrig. Die Beklagte war nicht befugt, ihr Erstattungsbegehren gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt geltend machen.

1. Die Anfechtungsklage der Klägerin gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 SGG ist zulässig und begründet.

a) Die Anfechtungsklage ist zulässig.

Der Senat hat zwar nicht zu entscheiden, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist (§ 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG). Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist allerdings zu Recht vom SG bejaht worden. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG. Der Beklagte hat nämlich als Sozialleistungsträger durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin die Erstattung einer Sozialleistung (Kosten der Unterkunft) gefordert, die an die Klägerin gezahlt worden war. Der Streit betrifft daher eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Grundsicherung.

Ob die Beklagte befugt war, durch Verwaltungsakt zu handeln, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht des Rechtsweges. Die verwendete Handlungsform des Verwaltungsaktes eröffnet diesen für die Klägerin als seines Adressaten vielmehr gerade. Der Erstattungsbescheid "ist rechtlich notwendig und damit stets allein nach öffentlichem Recht zu entscheiden" (BSG, Urteil vom 24.07.2001, B 4 RA 102/00 R, SozR 3-1300 § 50 Nr. 24).

b) Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2008 ist rechtswidrig.

aa) Die Beklagte war nicht befugt, ihren Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin durch den Erlass eines Verwaltungsaktes festzusetzen. Ihr fehlte die Befugnis, sich hier der Handlungsform des Verwaltungsaktes zu bedienen.

(1) Für die Festsetzung eines Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist es erforderlich, dass es sich um einen Anspruch handelt, der sich als Kehrseite des Leistungsanspruchs in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis darstellt. Erforderlich ist ein subordinationsrechtlich strukturiertes Leistungsverhältnis (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.09.2005, 12 A 3513/03, Juris, Rn. 27 und 29).

Ein solches subordinationsrechtlich strukturiertes Leistungsverhältnis bestand aber nur zwischen dem beklagten SGB-II-Träger und den Leistungsempfängern. Daraus folgt, dass der SGB-II-Träger einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Miete gegenüber dem Vermieter nicht durch Verwaltungsakt geltend machen darf (vgl. dazu auch Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 16.01.2002, 4 K 2436/01.NW, Juris, Rn. 22 bis 26), sondern darauf zu verweisen ist, gemäß § 54 Abs. 5 SGG unmittelbar auf Zahlung zu klagen (zum Vorstehenden zum Sozialhilferecht bereits Urteil des erkennenden Senats vom 19.03.2009, L 9 SO 9/07, Juris).

(2) Eine subordinationsrechtlich strukturiertes Leistungsverhältnis hätte sich auch dann nicht ergeben, wenn die Beklagte gegenüber der Klägerin - was nicht der Fall war - eine Übernahmeerklärung abgegeben hätte.

Weder das wirtschaftliche Interesse des Vermieters an einem potenten und zuverlässigen Zahler in Gestalt des Grundsicherungs- oder Sozialhilfeträgers noch das vom Sozialhilfeträger erfüllte öffentliche Interesse daran, einem Hilfesuchenden Unterkunft und Heizung zu sichern, reichen für die Annahme aus, der Grundsicherungs- und Sozialhilfeträger wolle mit seiner Erklärung, er "übernehme" die Kosten der Unterkunft für den Hilfesuchenden und werde sie unmittelbar an den Vermieter zahlen (überweisen), eine eigene materiell-rechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Vermieter begründen. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, um die Annahme zu rechtfertigen, eine dem Vermieter gegenüber abgegebene Übernahmeerklärung des Grundsicherungs- oder Sozialhilfeträgers beschränke sich nicht auf die bloße Mitteilung des Hilfeanspruchs und der direkten Zahlungsweise, sondern bezwecke mehr, nämlich die Begründung einer materiell-rechtlichen Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter. Notwendig ist vor allem, dass der Grundsicherungs- oder Sozialhilfeträger seinen Rechtsbindungswillen gegenüber dem Vermieter unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, Urteil vom 19.05.1994, 5 C 33/91; vgl. bereits Urteil des erkennenden Senats vom 19.03.2009, L 9 SO 9/07, Juris). Daran fehlt es.

(3) Dem hier gewonnene Ergebnis steht das von der Beklagten angeführte Urteil des BSG (vom 24.07.2001, B 4 RA 102/00 R, SozR 3-1300 § 50 Nr. 24) nicht entgegen.

Im dort zugrunde liegenden Fall machte der beklagte Rentenversicherungsträger einen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt gegenüber einem Steuerberater als Kläger geltend, der mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Pfändung der Forderungen einer Witwe aus ihrer Witwenrente gegenüber dem Rentenversicherungsträger erwirkt hatte. Das BSG hatte zunächst ausgeführt, dass ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) an der Anspruchsinhaberschaft des Pfändungsschuldners nichts ändert, sondern nur dazu führt, dass der Drittschuldner schuldbefreiend nur noch an den Pfändungsgläubiger leisten kann. Anschließend führte das BSG aus:

"Wenn die Zahlung an einen Dritten (d.h. nicht an den Rechtsinhaber) erfolgt, kommt es - wie ausgeführt - für die Qualifizierung der Zahlung als Sozialleistung, die diesem erbracht wurde, allein darauf an, ob der Leistungsträger den Dritten als zur Entgegennahme der Zahlung mit Erfüllungswirkung gegenüber dem Sozialleistungsberechtigten befugt erachtet hat und ob der Dritte bei Erhalt der Zahlung erkennen musste, dass ihm als vermeintlich Empfangszuständigen zur Erfüllung eines (vermeintlichen) Sozialleistungsanspruchs eines anderen gezahlt wurde."

Beides ist hier nicht der Fall. Denn die Zahlung der Beklagten erfolgte überraschend erst Monate nach dem Auszug der Leistungsberechtigten und dies aufgrund eines von der Beklagten selbst eingeräumten Versehens.

(4) Auch das von der Beklagten zitierte Urteil des LSG Sachsen (vom 05.06.2003, L 3 AL 94/02) stützt ihr Begehren nicht. Dort wurden einem Leistungsempfänger für diverse Fahrten Fahrtkosten erstattet. Dabei kann es zu einer Überzahlung, die auf einer Fehlbuchung basierte. Der Leistungsempfänger hätte - so das LSG - nicht erkennen müssen, dass es sich bei dieser einen Zahlung um eine Fehlbuchung handelte, weil er nachvollziehbar davon ausgehen durfte, auch diese Zahlung diene der Erfüllung seiner Ansprüche auf Fahrtkostenerstattung.

bb) Wegen des Verstoßes bereits gegen das Handlungsformverbot hatte der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob der Beklagten gegenüber der Klägerin ein Erstattungsanspruch materiell-rechtlich zusteht (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch Urteil des erkennenden Senats vom 19.03.2009, L 9 SO 9/07, m.w.N.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil die Klägerin als juristische Person und gewerbliche Vermieterin von Leistungsberechtigten nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehört.

Gerichtskosten waren nicht zu erheben. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB X sind die SGB-II-Träger von den Gerichtskosten befreit. Wie die Bezugnahme in § 64 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB X auf § 197a Abs. 3 SGG zeigt, sind hiervon - insoweit entsprechend der früheren Regelung in § 188 Abs. 2 Halbsatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) - ausgenommen lediglich Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern (Roos in von Wulffen, 6. Auflage, 2008, § 64 SGB X Rn. 18, Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 197a Rn. 2a; zum Vorstehenden zum Sozialhilferecht bereits Urteil des erkennenden Senats vom 19.03.2009, L 9 SO 9/07, Juris). Diese Ausnahme greift vorliegend nicht, weil es sich bei der Klägerin nicht um einen Sozialleistungsträger handelt.

Wegen des insoweit lediglich klarstellenden Charakters des § 197a Abs. 3 SGG ist allerdings nicht der Umkehrschluss gerechtfertigt, dass Streitigkeiten, in denen SGB-II-Träger als Kläger oder Beklagte beteiligt sind und die nicht Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Sozialleistungsträgern zum Inhalt haben, gerichtskostenfreie Verfahren sind, für die die Kostenentscheidung nach § 193 SGG und nicht nach § 197a SGG zu erfolgen hat (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.01.2007, L 20 B 137/06 SO, Rn. 7). Denn eine Bereichsausnahme für sämtliche Angelegenheiten des Grundsicherungsrechts - mit Ausnahme der Erstattungsstreitigkeit zwischen Trägern - sehen weder § 197a SGG noch § 183 SGG vor. Vielmehr handelt es sich dann um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG, wenn weder die Klägerin noch der Beklagte zum in § 183 SGG genannten privilegierten Personenkreis gehören (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 SO 5195/06, Rn. 23; zum Vorstehenden zum Sozialhilferecht bereits Urteil des erkennenden Senats vom 19.03.2009, L 9 SO 9/07, Juris).

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X. Denn die hierin statuierte Gerichtskostenfreiheit erfasst nur die Person, nicht die Rechtsstreitigkeit als solche (BSG, Beschluss vom 11.06.2008, B 8 SO 45/07 B, Rn. 7; vgl. auch Leitherer, a.a.O., § 183 Rn. 6a). Damit bemisst sich die Kostenentscheidung nach § 197a SGG. Hiernach hat die Beklagte gemäß §§ 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG, 154 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 VwGO die notwendigen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Ihre Erhebung käme nur gegenüber der unterlegenen Beklagten in Betracht. Wegen ihrer personenbezogenen Befreiung hiervon gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X scheidet dies aber aus.

Da Gerichtskosten an sich jedoch anfallen und lediglich deshalb nicht erhoben werden, weil derjenige, der sie im konkreten Fall tragen müsste, also der SGB-II-Träger, hiervon befreit ist, war eine Streitwertfestsetzung erforderlich.

3. Die Feststellung des Streitwertes beruht entsprechend des Berufungsantrages der Klägerin, der auf Aufhebung eines Erstattungsbescheides über 410 EUR gerichtet gerichtet ist, auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3, 40, und 47 Gerichtskostengesetz (GKG).

4. Gründe, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved