L 11 KA 47/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 52 (16,9) KA 59/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 47/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 101/11 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.02.2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der bis einschließlich Januar 2010 als praktischer Arzt in D zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen Regresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise in den Quartalen I/1999 bis I/2001.

Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen (Prüfungsausschuss) setzte auf Prüfanträge der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen/Ersatzkassen in Westfalen-Lippe bzw. von Amts gegen den Kläger nach dessen Anhörung Regresse in Gesamthöhe von 55.332,82 EUR wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise bei veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen (vpmL) fest (Beschluss vom 20.09.2001 i.H.v. 19.717,43 EUR (38.563,96 DM) für die Quartale I/1999 bis IV/1999, Beschluss vom 19.06.2002 i.H.v. 32.950,12 EUR (64.444,84 DM) für die Quartale I/2000 bis IV/2000 sowie Beschluss vom 09.06.2004 i.H.v. 2.665,27 EUR für das Quartal I/2001). Dabei legte der Prüfungsausschuss Überschreitungen der vpmL-Verordnungskosten des Klägers im Vergleich zu den nach Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern einschließlich Familienangehörigen gewichteten Durchschnittswerten der Fachgruppe der Allgemeinmediziner von +94,8 % (Quartal I/2001) bis +244,2 % (Quartal III/2000) zugrunde.

Mit seinen Widersprüchen verwies der Kläger insbesondere auf die Altersstruktur seiner Praxis. Der Rentneranteil sei im Vergleich zur Fachgruppe der Allgemeinmediziner mit 48,85 % (Quartal I/2001) bis 53, 2% (Quartal III/2000) sehr hoch. Auffällig sei der mit 30 % hohe Anteil der Patienten im Alter zwischen 70 und 100 Jahren. Die Betreuung der Patientengruppe der polymorbiden Rentner, die wegen ihrer Größe im Vergleich zur Fachgruppe eine Praxisbesonderheit darstelle, erkläre die Überschreitungen bei den Heilmittelverordnungen. Aus den beigefügten beispielhaften Auswertungen seiner vpmL-Verordnungen für das Quartal I/2000 und den ebenfalls überreichten Krankenblättern ergebe sich, dass in diesem Quartal insgesamt 84 Patienten physikalisch-medizinische Leistungen verordnet worden seien. Von diesen seien 43 Rentner, darunter acht Heimpatienten, gewesen. Insgesamt acht Patienten hätten Verordnungen wegen eines Schlaganfalls und fünf Patienten wegen Lymphödemen erhalten. Weiterhin fielen sieben Patienten mit Gelenkprothesen und fünf mit Frakturen auf. Zudem gehörten ein Fall mit Parkinson und ein Fall mit Multipler Sklerose zu seinem Patientengut. Ferner seien elf Patienten wegen ausgeprägter HWS/LWS-Syndrome und drei wegen eines Band¬scheibenvorfalls behandelt worden und hätten ebenfalls Verordnungen erhalten. Die Patienten mit Bandscheibenvorfällen litten nachweislich unter ausgeprägten therapie¬resistenten radikulären Beschwerden. Das Verordnungsvolumen der aufgelisteten Rentner betrage 29.069,08 DM; damit entfielen 70 % des gesamten Verordnungsvolumens auf diese Patientengruppe. Für 8 % der behandelten Rentner seien Rezepte ausgestellt worden. Damit werde deutlich, dass er insgesamt sparsam mit der Verordnung von vpmL umgehe. Da jedoch die Gruppe der Rentner und der Anteil der schwerkranken polymorbiden Patienten viel größer als bei der Fachgruppe sei, überschreite er den Durchschnitt der Fachgruppe jenseits der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis. Zudem behandele er auch einen hohen Anteil an weiblichen Patienten (z.B. 60,39 % im Quartal II/2000 bzw. 58,12 % im Quartal IV/2000), der ebenfalls als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen sei. Seine Praxis weise auch eine orthopädische Ausrichtung auf; so habe er z.B. im Quartal IV/2000 124 Patienten mit Bandscheibenvorfall, Prolaps etc. und 93 Patienten mit Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens behandelt. Seine Behandlung habe zu erheblichen Einsparungen aufgrund geringer Krankenhauseinweisungen geführt. Schließlich seien die Behandlungskosten für die Patientin Korthals nicht zu berücksichtigen, da diese von dem Haftpflichtversicherer beglichen worden seien.

Der Beklagte reduzierte die Regresse mit dem Kläger am 26.03.2007 zugegangenem Beschluss vom 15.11.2006 im Wesentlichen wegen zusätzlicher Berücksichtigung von Patientenzuzahlungen auf insgesamt 50.066,07 EUR: Nach eingehender Überprüfung und orientierender Durchsicht der Verordnungsunterlagen seien keine Gründe zu erkennen, die die beanstandeten Überhöhungen in vollem Umfang als notwendig und wirtschaftlich erscheinen ließen. Eine von der Vergleichsgruppe abweichende Klientel, die die beanstandeten Überschreitungen in vollem Umfang erklären könne, sei nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt worden. Der Hinweis auf die Betreuung alter und zum Teil hochbetagter Patienten könne den Kläger nicht vollständig entlasten, auch wenn hierin grundsätzlich eine Besonderheit zu sehen sei. Eine häufige Abrechnung der Gebührennummer (GNR) 32 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) könne zwar als Indiz für eine vermehrte Betreuung von alten Patienten bzw. Patienten in Altenheimen gewertet werden. Bei einer nahezu durchschnittlichen Fallzahl und unter Berücksichtigung, dass auch von anderen Allgemeinärzten Alten- und Pflegeheime betreut würden, ergebe sich aber bei einer Abrechnungshäufigkeit der GNR 32 EBM von zwischen 99 (I/1999) und 59 (II/1999) keine Besonderheit gegenüber der Fachgruppe. Überdies seien den aufgelisteten Verordnungen des Quartals I/2000 auch nur acht Heimpatienten zu entnehmen, denen physikalisch-medizinische Leistungen verordnet worden seien. Von einer Durchschnittspraxis würden in ähnlichem Umfang wie von dem Kläger Heimpatienten mit kostenintensiven Verordnungen behandelt. Dem erhöhten Rentneranteil sei durch die Gewichtung der Vergleichszahlen ausreichend Rechnung getragen worden. Auch aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich kein anderes Ergebnis; es seien keine Besonderheiten der Klientel ersichtlich. Der Vortrag des Klägers sei auch nicht ausreichend substantiiert; erforderlich sei eine ausführliche Begründung der Diagnosen. In vielen Fällen sei aber nicht ersichtlich, wann z.B. die Operation einer Fraktur oder eines Gelenkschadens oder die neurologische Schädigung erfolgt bzw. aufgetreten sei, die die Verordnung physikalischer Leistungen in dem vorliegenden Umfang hätten notwendig machen können. Zudem falle auf, dass sehr viele, vor allem jüngere Patienten keine Krankengymnastik, sondern passive Anwendungen überwiegend als Kombinationsverordnungen von Fango und Massage erhalten hätten. Nur in einem der Fälle sei statt Fango als Wärmetherapie die wesentlich kostengünstigere Alternative Heißluft verordnet worden. Insgesamt sei in einem überdurchschnittlichen Maß passive Therapie verordnet worden. Die Behandlung schwerstkranker sowie kostenintensiver Patienten sei nicht grundsätzlich eine Praxisbesonderheit, da solche Fälle in jeder Praxis anzutreffen seien. Der Kläger habe zwar zum Teil kostenintensive Fälle; er habe aber nicht dargelegt, dass er mehr solcher Fälle habe behandeln müssen als der Durchschnitt. Ebenso werde in jeder hausärztlichen Praxis ein gewisser Anteil an Patienten mit orthopädischen und neurologischen Erkrankungen, wie sie auch vom Kläger aufgeführt worden seien, behandelt. Seinem Vorbringen, für die Überschreitungen sei die Behandlung polymorbider Rentner ursächlich, sei nicht zu folgen. Nach den Verordnungsstatistiken bestünden zum Teil ganz erhebliche prozentuale Überschreitungen in allen Versichertenbereichen; in sechs der neun geprüften Quartale seien die Überschreitungen gegenüber der Vergleichsgruppe bei den Mitgliederversicherten und nicht bei den Rentnerversicherten am höchsten. Kompensatorische Einsparungen seien nicht festzustellen; auch bei den Arzneikosten bestünden deutliche Überschreitungen. Eigene physikalisch-medizinische Leistungen würden von der Vergleichsgruppe nur in weniger als 1 % der Behandlungsfälle erbracht, so dass hier keine Einsparungen festzustellen seien. Im Hinblick auf das sog. Verböserungsverbot sei dem Kläger die vom Prüfungsausschuss für das Jahr 1999 festgesetzte Toleranz von +100 % zu belassen. Allerdings seien Gründe, die eine höhere als die für die Jahre 2000 und 2001 festgesetzte Toleranz von +60 % rechtfertigen könnten, nicht zu erkennen.

Mit seiner Klage vom 10.04.2007 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, der Beschluss des Beklagten sei schon deswegen rechtswidrig, weil bis auf die Quartale II/2000 und I/2001 die Ausschlussfrist von vier Jahren versäumt sei. Diese Frist gelte nämlich auch für den Zeitraum zwischen den Entscheidungen der Prüfgremien. Der Beklagte habe dem 50%igen Rentneranteil in seiner Klientel mit der vorgenommenen Rentnergewichtung nicht ausreichend Rechnung getragen. Aus der im Widerspruchsverfahren überreichten Liste der Altersstruktur gehe hervor, dass in allen geprüften Quartalen der Anteil der 70- bis 80jährigen Patienten mindestens 20 % und der der 80- bis 90jährigen bei 8% gelegen habe. Nicht bekannt sei die Abrechnungshäufigkeit der Vergleichsgruppe bei der GNR 32 EBM, so dass die Argumentation des Beklagten nicht nachvollziehbar sei. Zudem hätte die Abrechnungshäufigkeit der GNR 25 EBM, die viele Hausbesuche belege, berücksichtigt werden müssen. Keine Aussagekraft habe der Hinweis auf Überschreitungen in allen Versichertenbereichen, da sein Verordnungsverhalten im Wesentlichen durch die Gruppe der Rentner bestimmt werde. Das zur Berechnung der Regresse herangezogene Datenmaterial sei nicht fehlerfrei, da die Behandlungskosten für die Patientin Korthals berücksichtigt worden seien. Auch sei der Schluss des Beklagten, eine passive Therapie sei unwirtschaftlich, gerade im Hinblick auf das versorgte Patientengut nicht haltbar. So könnten krankengymnastische Übungen bei alten Patienten kontraindiziert sein. Im Übrigen werde er dadurch benachteiligt, dass die Verordnungen für Knappschaftsversicherte nicht in das Verordnungsvolumen der Allgemeinmediziner einflössen, die Knappschaftsärzte seien. Dies führe zu statistischen Verschiebungen, da er kein Knappschaftsarzt sei, aber viele Knappschaftsversicherte behandele.

Der Kläger hat beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 15.11.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über seine Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
hilfsweise,
Beweis über die Frage zu erheben, ob die durchgeführte Rentnergewichtung nach mathematischen Grundsätzen überhaupt zu sachgerechten Ergebnissen führen kann.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage mit Urteil vom 25.02.2010 abgewiesen: Der Beschluss des Beklagten sei formell rechtmäßig. Mit den innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergangenen Bescheiden des Prüfungsausschusses sei diese Frist wirksam gehemmt worden. Auch lägen mangels qualifizierten Verwirkungsverhaltens des Beklagten die Voraussetzungen für eine Verwirkung nicht vor. Der Beschluss sei auch materiell rechtmäßig. Weder ersichtlich noch substantiiert geltend gemacht worden sei, dass die der Prüfung nach Durchschnittswerten zugrundegelegte Datenlage fehlerhaft sei. Die Einbeziehung der Behandlungskosten der Patientin Korthals mindere die Gesamtverordnungskosten nicht wesentlich und sei auch im Hinblick auf die festgelegte Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses ohne weitere Auswirkungen. Diese Grenze sei mit Fallwertüberschreitungen von +40 % beanstandungsfrei bestimmt worden. Da die bei der Verordnung von vpmL bestehenden Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts sich nicht durch Unterschiede in der Praxisstruktur erklären ließen, bestehe der Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit, den der Kläger zu widerlegen nicht vermocht habe. Er habe Praxisbesonderheiten nicht nachweisen können. Seinem Vorbringen eines überdurchschnittlichen Rentneranteils rsp. der Behandlung besonders vieler polymorbider Rentner habe der Beklagte mit der Gewichtung der Vergleichszahlen Rechnung getragen und ansonsten zutreffend festgestellt, dass die Praxis des Klägers gegenüber der Vergleichsgruppe keine Besonderheiten aufweise. Zudem habe er die sog. intellektuelle Prüfung durchgeführt und das Verordnungsverhalten des Klägers auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt. Die Beanstandung des Klägers, knappschaftsärztliche Verordnungen für Knappschaftsversicherte flössen nicht in das Gesamtverordnungsvolumen der Allgemeinmediziner ein, führe nicht weiter. Die Vergleichsgruppe setze sich aus vielen in Westfalen-Lippe tätigen Hausärzten zusammen, die wie der Kläger auch Versicherte der Knappschaft behandelten, ohne Knappschaftsarzt zu sein. Im Übrigen komme es nicht auf die Versicherteneigenschaft, sondern auf das spezielle Morbiditätsrisiko an. Dass dieses bei der Gruppe der Knappschaftsversicherten höher sei als das der bei anderen Krankenkassen Versicherten, habe der Kläger nicht dargelegt bzw. nachgewiesen. Schließlich sei auch der Umfang der Regresse frei von Rechtsfehlern festgelegt worden. Die Prüfgremien seien nicht gehalten, das Ausmaß der Unwirt-schaftlichkeit exakt rechnerisch festzustellen, wenn sie sich wie vorliegend mit einer im Rahmen des unwirtschaftlichen Mehrbetrages liegenden Kürzung begnügten. Soweit der Beklagte dem Kläger vor dem Hintergrund der über dem Durchschnitt liegenden Altersstruktur der Patientenklientel seiner Praxis in den Prüfquartalen I/1999 bis IV/1999 im Hinblick auf das sog. Verböserungsverbots eine Toleranz von +100 % gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe und für die übrigen streitigen Quartale +60 % belassen habe, seien Ermessensfehler nicht ersichtlich. Der Beklagte habe Toleranzen gewährt, mit denen jeweils ein Mehraufwand oberhalb der Grenze des offensichtlichen Missver-hältnisses verbleibe. Die vom Kläger begehrte Beweisaufnahme sei auf ein nicht beweisbedürftiges Thema gerichtet. Sein Vorbringen sei nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an der von dem Beklagten vorgenommenen Rentnergewichtung zu begründen.

Gegen das am 29.03.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.04.2010 Berufung eingelegt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.07.2011 hat der Beklagte im Hinblick auf den Fall der Patientin Korthals den Regress um 2.400,00 EUR reduziert; der Kläger hat das Anerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Im Übrigen hat er erklärt, dass er die Rügen der Verfristung bzw. Verwirkung nicht aufrecht erhalte.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beigeladene zu 4) habe zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die ihr in den streitigen Quartalen entstandenen Arzneimittel- und Heilmittelkosten pro Fall aufgegliedert nach Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern mitzuteilen. Der Anteil der von ihm behandelten Knappschaftspatienten betrage ca. 35 %. Bei den in seiner näheren Umgebung vermehrt tätigen Vertragsärzten, die zugleich Knappschaftsärzte seien, seien die Verordnungen von Arznei- und Heilmitteln für Knappschaftspatienten nicht in der dem statistischen Fallkostenvergleich zugrundegelegten Statistik enthalten. Damit werde er sowohl gegenüber Vertragsärzten, die zugleich Knappschaftsärzte seien, als auch gegenüber Vertragsärzten, die weniger Knappschaftspatienten betreuten, benachteiligt, wenn Knappschaftspatienten in der Arznei- und Heilmittelversorgung teurer seien als andere Versicherte. Insofern seien die von der Beigeladenen zu 4) begehrten Daten entscheidungserheblich; mit ihnen könne die Aussagekraft der Statistik überprüft werden. Wenn die Beigeladenen zu 4) darauf verweise, dass auch der Fallwert der Knappschaftsärzte in Westfalen-Lippe für einen Vergleich nicht geeignet sei, weil es besondere Behandlungsprogramme gebe, bei denen zur Vermeidung von stationären Behandlungen auf eine intensivere Arzneimitteltherapie gesetzt werde, müsse dies in gleicher Weise für Vertragsärzte gelten, die Knappschaftspatienten behandelten. Im Übrigen existiere die Arzneimittelstatistik für das Quartal I/1999 in unterschiedlichen Varianten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.02.2010 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Beschlusses vom 15.11.2006 zu verurteilen, über seine Widersprüche gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 20.09.2001, 19.06.2002 und 09.06.2004 unter Beachtung der Rechtsauffasssung des Senats neu zu entscheiden.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 4) trägt vor, da das Knappschaftsarztsystem nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sei, würden Behandlungs- oder Verordnungsdaten von Knappschaftsärzten nicht an die Prüfstellen der vertragsärztlichen Versorgung weitergeleitet. Bei deren Wirtschaftlichkeitsprüfung würden jedoch alle Verordnungskosten des vertragsärztlichen Bereichs in Westfalen-Lippe, mithin der Fachgruppe des Klägers, herangezogen. Darin seien mehr als 75 % der Verordnungskosten der knappschaftlich Versicherten enthalten, da diese insoweit nicht von Knappschaftsärzten behandelt würden. Dadurch sei eine für einen statistischen Fallkostenvergleich notwendige repräsentative und weit mehr als ausreichend große Datenbasis vorhanden. Entsprechende Fachgruppendurchschnittswerte des Knappschaftsarztsystems könnten nicht zur Verfügung gestellt werden, da diese Daten bereits gelöscht worden seien. Zudem sei fraglich, ob ein Vergleich mit den Fallkosten im Knappschaftsarztsystem aussagekräftig wäre. Zum Einen sei ungewiss, ob dieselbe Datenbasis verwendet werde. Im Knappschaftsarztsystem würden nämlich unbereinigte Bruttodaten - ggf. inklusive irrtümlich eingeflossener Hilfsmittelkosten - herangezogen, die erst im einzelnen Prüffall bereinigt würden. Zum Anderen könnten die Fallkosten im Knappschaftsarztsystem aufgrund seit 1999 zunehmend geführter besonderer Versorgungsformen, bei denen Krankenhauseinweisungen ggf. zu Lasten höherer Verordnungskosten vermieden würden, höher ausfallen. Diese ggf. höheren Verordnungskosten wären dabei aber auf die besonderen Versorgungsformen, an denen der Kläger nicht teilnehme, zurückzuführen und nicht auf allgemein höhere Verordnungskosten knappschaftlich Versicherter. Im Übrigen könne als Praxisbesonder-heit nur ein außergewöhnliches Patientengut, nicht aber die Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse berücksichtigt werden.

Der Senat hat bei den Beteiligten Nachfrage gehalten, ob vpmL bei Versicherten der Beigeladenen zu 4) anders als bei sonstigen gesetzlich Versicherten vergütet würden. Dies haben Beklagter und Beigeladener zu 4) unter Hinweis darauf, dass die Preise einheitlich vereinbart würden, verneint.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akten des am gleichen Tag verhandelten Rechtsstreits L 11 KA 46/10 (S 52 (16, 9) KA 60/07 SG Dortmund) und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Beschluss des Beklagten vom 15.11.2006 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Der Senat nimmt Bezug auf die Entscheidungen des Beklagten und des SG (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:

Rechtsgrundlage der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), der bis zum 31.12.2003 die Prüfung nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode vorsah. Rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen diese Prüfmethode nicht (u.v.a. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 06.12.2004 - B 6 KA 84/03 R -, schon zuvor Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.05.1978 - 1 BvR 951/77 -) und werden von dem Kläger auch nicht geltend gemacht.

Nach den zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode (u.v.a. BSG, Urteile vom 09.09.1998 - B 6 KA 50/97 R -, vom 09.06.1999 -B 6 KA 21/98 R -, vom 06.09.2000 - B 6 KA 46/99 R -, vom 12.12.2001 - B 6 KA 7/01 R - und vom 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R -). Die Abrechnungs- bzw. Verordnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe - bzw. ggf. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt (u.v.a. BSG, Urteile vom 10.05.2000 - B 6 KA 25/99 R -, vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -, vom 12.12.2001 - B 6 KA 7/01 R - und vom 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R -). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs-/Verordnungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, mithin ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungs-/Verordnungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheins¬beweises der Unwirtschaftlichkeit (u.v.a. BSG, Urteile vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -, vom 06.09.2000 - B 6 KA 46/99 R -, vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R - und vom 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R -). Unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit ist eine Prüfung gleichermaßen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Ansatzes einzelner Leistungspositionen bzw. mehrerer zu Leistungssparten zusammengefasster Leistungspositionen der Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen (u.v.a. BSG, Urteile vom 28.10.1992 - 6 RKa 3/92 -, vom 09.03.1994 - 6 RKa 18/92 -, vom 12.12.2001 - B 6 KA 7/01 R - und vom 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R -). Ein statistischer Einzelleistungsvergleich setzt voraus, dass davon Leistungen betroffen sind, die für die gebildete Vergleichsgruppe typisch sind und zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht werden (u.v.a. BSG, Urteile vom 28.10.1992 - 6 RKa 3/92 - und vom 09.03.1994 - 6 RKa 18/92 -).

Davon ausgehend hat der Beklagte mit seinem Beschluss vom 15.11.2006 in beanstandungsfreier Weise im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums (u.v.a. BSG, Urteile vom 28.10.1992 - 6 RKa 3/92 - und vom 15.11.1995 - 6 RKa 4/95 -) eine unwirtschaftliche Verordnungsweise des Klägers in den Quartalen I/1999 bis I/2001 angenommen.

Der Rechtmäßigkeit der Entscheidung stehen zunächst weder versäumte Antragsfristen, eine Ausschlussfrist noch eine Verwirkung entgegen.

Die von den Beigeladenen in § 15 Abs. 2 der in der Zeit vom 01.07.1993 bis 31.12.2001 geltenden Gemeinsamen Prüfvereinbarung geregelte Frist, innerhalb derer Prüfanträge zu stellen sind, dient allein dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung. Aus deren Versäumnis kann kein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden. Dem Interesse des Vertrags(zahn)arztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient vielmehr die sog. Ausschlussfrist (BSG, Urteile vom 03.02.2010 - B 6 KA 14/09 R-, vom 05.05.2010 - B 6 KA 20/09 R - und vom 18.08.2010 - B 6 KA 14/09 R -). Diese sich auf vier Jahre belaufende Frist (BSG, Urteile vom 14.05.1997 - 6 Rka 63/95 - und vom 27.06.2001 - B 6 KA 66/00 R -) ist u.a. gewahrt, wenn der Bescheid über die Honorarkürzung dem Vertrags(zahn)arzt - wie vorliegend die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 20.09.2001 (Quartale I/1999 bis IV/1999), vom 19.06.2002 (Quartale I/2000 bis IV/2000) und vom 09.06.2004 (Quartal I/2001) - innerhalb von vier Jahren nach der vorläufigen Honorarabrechnung zugegangen sind. Es liegen - wie der Kläger selber erkannt hat - auch die Voraussetzungen des im Bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch) entwickelten Rechtsinstituts der Verwirkung nicht vor. Danach entfällt eine Leistungspflicht nämlich nur, wenn - anders als im vorliegenden Rechtsstreit - der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. im Weiteren z.B. BSG, Urteile vom 01.04.1993 - 1 RK 16/92 - m.w.N. und vom 29.01.1997 - 5 RJ 52/94 -).

Der Bescheid des Beklagten ist auch ansonsten rechtmäßig.

Der Beklagte hat die Abrechnungswerte bzw. Verordnungskosten des Klägers mit den entsprechenden Werten seiner Fachgruppe, nämlich der der Allgemeinmediziner/prak-tischen Ärzte, verglichen. Der Einwand des Klägers, dabei seien unzutreffende statistische Werte zugrunde gelegt worden, weil er in seiner Praxis eine hohe Anzahl von Knappschaftspatienten behandele, deren Behandlungskosten in seine Abrechnungswerte eingeflossen seien, während in der Vergleichsgruppe bei den Vertragsärzten, die einen Knappschaftsarztvertrag abgeschlossen hätten, die Behandlungskosten von Knappschaftspatienten nicht berücksichtigt würden, greift nicht. Dies könnte nur dann zu den Kläger belastenden Verschiebungen bei den statistischen Abrechnungswerten führen, wenn die Versorgung von Knappschaftspatienten durch den Kläger Mehrkosten im Vergleich zu den übrigen gesetzlich krankenversicherten Patienten, deren Kosten Vergleichsbasis sind, verursachen würde. Dabei käme lediglich eine geringfügige Verschiebung in Betracht, weil die von dem Kläger geschilderte Konstellation für die gesamte Vergleichsgruppe gilt. In deren Abrechnungswerte sind ebenfalls die Verordnungskosten der knappschaftlich Versicherten eingeflossen, weil diese zu mehr als 75 % nicht von Knappschaftsärzten, sondern von den der Vergleichsgruppe angehörigen Vertragsärzten, die keinen Knappschaftsarztvertrag abgeschlossen haben, veranlasst worden sind. Einer damit allenfalls geringfügigen Verschiebung wäre bereits durch die Einräumung einer Überschreitungstoleranz von +60 bzw. +100 % im Vergleich zur Fachgruppe hinreichend Rechnung getragen.

Indes ist bereits die von dem Kläger gesetzte Prämisse, nämlich dass Knappschaftsversicherte höhere Kosten verursachen, wenn sie von Vertragsärzten behandelt werden, die wie er keinen Knappschaftsarztvertrag abgeschlossen haben, nicht erfüllt. Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich auf den allgemein gültigen Grundsatz an, dass hinsichtlich des Leistungsrechts und des Leistungserbringerrechts sowohl für die knappschaftlich Versicherten als auch die Knappschaft als Kranken-versicherungsträger uneingeschränkt die allgemeinen Vorschriften des Rechts der ge-setzlichen Krankenversicherung gelten (BSG, Urteil vom 13.05.1998 - B 6 KA 53/97 R -), es mithin keinen Kostenunterschied z.B. bei den Verordnungskosten abhängig von der Kassenzugehörigkeit gibt (s. im Weiteren zu Arzneimittelkosten Urteil des Senats vom 13.07.2011 - L 11 KA 46/10 -). Vorliegend wird bereits hinsichtlich der letztlich in Rede stehenden Verordnung von vpmL durch die von den Krankenkassen gemeinsam geschlossenen Verträge belegt, dass die Leistungserbringer für vpmL unabhängig von der Kassenzugehörigkeit der Behandelten die gleiche Vergütung erhalten, also bei einem Vergleich dieser Verordnungskosten auch nicht aufgrund der Kassenzugehörigkeit zu unterscheiden ist.

Eine höhere Kostenverursachung durch Knappschaftsversicherte käme somit nur in Betracht, wenn diese "kränker" wären als die übrigen gesetzlich Versicherten, d.h. in höherem Maße ärztlicher Behandlung bzw. Verordnung bedürften. Dafür besteht indes kein Anhaltspunkt. Auch der Kläger hat nicht geltend macht, dass knappschaftlich Versicherte anders zu behandeln bzw. zu versorgen sind als Versicherte anderer Krankenkassen bzw. von ihm anders behandelt würden. Einer Beiziehung der Abrechnungsunterlagen für knappschaftlich Versicherte bedarf es, unabhängig davon, dass dies nach dem Vorbringen der Beigeladenen zu 4) auch nicht möglich ist, nicht. Selbst wenn sich daraus im Bereich der knappschaftlichen Versorgung höhere Fallkosten ergeben würden, würde dies Nichts über die Morbiditätsstruktur der knappschaftlich Versicherten aussagen. Im Übrigen ist es unerheblich, ob bei der Behandlung durch Knappschaftsärzte z.B. aufgrund besonderer Versorgungsformen höhere oder ggf. niedrigere Fallkosten entstehen, denn die Abrechnungswerte der Knappschaftsärzte sind nicht in die von dem Beklagten zugrundegelegten Statistiken einbezogen.

Der Kläger kann mit seinem Vorbringen einer Einbeziehung in besondere Behandlungsprogramme innerhalb der knappschaftlichen Versorgung auch nicht erfolgreich auf einen Verstoß gegen den in Art. 3 Grundgesetz (GG) normierten Gleichbehandlungsgrundsatz rekurrieren. Es liegt schon deshalb keine allein durch Art. 3 GG geschützte gleiche Ausgangslage vor, weil der Kläger kein Knappschaftsarzt ist.

Dem Hinweis des Klägers auf unterschiedliche Werte in den Statistiken der Arzneikosten für das Quartal I/1999 ist schon deshalb nicht nachzugehen, weil es im vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf ankommt, ob die Überschreitung bei den Arzneikosten 103,3 % oder 107,7 % beträgt.

Davon ausgehend hat der Beklagte beanstandungsfrei Regresse bei den vpmL-Verordnungskosten des Klägers festgesetzt, da diese die nach Versichertenstatusgruppen gewichteten Verordnungskosten der Vergleichsgruppe um über 90 % bis über 240 % überschreiten.

Den sich aus den Abrechnungswerten ergebenden Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit hat der Kläger nicht entkräftet; denn er hat nicht hinreichend dargelegt, dass bei ihm weitere besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Ärzte untypisch sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 27.06.2001 - B 6 KA 43/00 - m.w.N.). Eine solche Entkräftung des Anscheinsbeweises kann sich aus Praxisbesonderheiten und aus sog. kompensierenden Einsparungen ergeben (u.v.a. BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -).

Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 21.06.1995 - 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (BSG, Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -); diese Abweichung muss sich gerade auf die überdurchschnittlich häufig erbrachten Leistungen auswirken.

In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass wegen des jedenfalls typischerweise unterschiedlichen Behandlungsaufwands von älteren gegenüber jüngeren Patienten ein gegenüber dem Vergleichsgruppendurchschnitt erhöhter Anteil älterer Patienten einer Praxis im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl bei den Behandlungskosten wie bei den Verordnungskosten zu berücksichtigen ist (BSG, Beschluss vom 31.05.2006 - B 6 KA 68/05 B - m.w.N.). Diesen Umstand hat der Beklagte auch von Amts wegen berücksichtigt. Er hat die Morbiditätsstruktur der Praxis des Klägers geprüft und für den Anteil der Rentner Abweichungen gegenüber der Fachgruppe (48,85 % bis 53,02 % zu 27,18 % bzw. 30,14 %) ermittelt. Dem sich danach ergebenden erhöhten Anteil hat er dadurch Rechnung getragen, dass er den Verordnungswerten des Klägers fiktive Verordnungswerte gegenübergestellt hat, die denen entsprechen, die die Vergleichsgruppe bei einer der Praxisstruktur des Klägers entsprechender Rentneranzahl gehabt hätte. Eine darüber hinausgehende verfeinerte Differenzierung kann nicht verlangt werden. Die nach dem Versichertenstatus definierte Gruppe der Rentner besteht typischerweise aus Personen, die eine Altersrente oder eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen oder über einen Rentenbezieher familienversichert sind. Im Rahmen der unvermeidlichen Typisierung ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass Patienten mit besonders hohem Behandlungsaufwand in dieser Versichertengruppe stärker als in den beiden anderen Gruppen (Mitglieder und Familienangehörige) vertreten sind. Aber auch bei den Rentnerversicherten gibt es wie in jeder Versichertengruppe und in jeder einzelnen Praxis wiederum Patienten mit besonders hohem und solche mit eher geringem Behandlungsbedarf (vgl. BSG, Beschluss vom 31.05.2006 - B 6 KA 68/05 B -). Zu Recht hat der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei den Verordnungskosten des Klägers mit Ausnahme des Quartals III/1999 in allen Versichertenbereichen zum Teil ganz erhebliche prozentuale Überschreitungen festzustellen sind.

Soweit der Kläger der Auffassung ist, die von ihm behandelten älteren Patienten wiesen eine höhere Morbiditätsrate als ansonsten von seiner Fachgruppe behandelte ältere Patienten auf und hätten deshalb noch weitergehenderer Verordnungen von vpmL bedurft, so hätte er im Verwaltungsverfahren substantiiert darlegen müssen, bei welchem der von ihm behandelten Patienten aufgrund welcher Erkrankungen im Einzelnen welcher im Vergleich zum Durchschnitt der Versichertengruppe der Rentner erhöhter Verordnungsaufwand erforderlich war. Insbesondere an der letzten Voraussetzung mangelt es; der Kläger hat insoweit lediglich vorgetragen, er habe beispielhaft im Quartal I/2000 43 Rentnern vpmL verordnet. Dieser Anzahl ist - wie bereits ausgeführt - durch die gewichteten Verordnungswerte Rechnung getragen worden. Nicht zu erkennen ist aber auch unter Einbeziehung der von dem Kläger überreichten Auswertung seiner vpmL-Verordnungen, dass darüber hinaus ein erhöhter, d.h. über das bereits berücksichtigte bei Rentnern "übliche" Maß hinausgehender vpmL-Verordnungsaufwand erforderlich war.

Es ist indes Angelegenheit des Vertragsarztes - und nicht des Beklagten oder des Gerichts -, entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - m.w.N.).

Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der von dem Kläger geschilderten Krankheitsbilder einiger seiner Patienten (z.B. Lymphödeme, Gelenkprothesen, Frakturen, Parkinson, Multiple Sklerose, HWS/LWS-Syndrom, Bandscheibenvorfall, Schmerzsymptomatik, Bewegungseinschränkung, Muskelspannungsstörung). Daraus lässt sich nicht ansatzweise eine von der Zusammensetzung der Patienten herrührende Praxisstruktur entnehmen, die von der der Vergleichsgruppe abweicht. Derartige Krankheitsbilder gehören zum dieser typischen Behandlungsfeld.

Schließlich ist auch nicht zu erkennen und von dem Kläger auch nicht dargetan, aus welchem Grund ein vom ihm behaupteter erhöhter Anteil weiblicher Patienten eine Praxisbesonderheit darzustellen vermag. Ein Erfahrungssatz, dass bei weiblichen Patienten ein erhöhter Bedarf an vpmL besteht, existiert nicht.

Ebenso wie bei Praxisbesonderheiten ist es hinsichtlich kompensatorischer Einsparungen Aufgabe des geprüften Arztes, die durch Überschreitungen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewiesene unwirtschaftliche Behandlungsweise zu widerlegen oder zu erschüttern. Die Anerkennung kompensierender Einsparungen setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG und des erkennenden Senats voraus, dass zwischen dem Mehraufwand auf der einen und den Kostenunterschreitungen auf der anderen Seite ein kausaler Zusammenhang besteht. Es muss festgestellt werden, durch welche vermehrten Leistungen der Arzt in welcher Art von Behandlungsfällen aus welchem Grund welche Einsparungen erzielt hat (u.v.a. BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 Rka 1/97 - sowie Urteile des Senats vom 29.01.1997 - L 11 Ka 52/96 -, vom 13.05.1998 - L 11 KA 14/98 -, vom 24.11.2010 - L 11 KA 74/08 - und zuletzt vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Die Darlegungs- und Beweislast liegt wie bei der Behauptung einer Praxisbesonderheit (s.o.) beim Vertragsarzt. Er muss das Vorliegen der Einsparungen, den methodischen Zusammenhang mit dem Mehraufwand, die medizinische Gleichwertigkeit und die kostenmäßigen Einsparungen darlegen und ggf. nachweisen. Das bedeutet nicht, dass der Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelfallprüfung - anführen und medizinisch erläutern müsste; entscheidend ist vielmehr die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit. Gelingt der erforderliche Nachweis nicht, geht dies zu Lasten des Arztes (BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 Rka 1/97 -).

Davon ausgehend bedarf es keiner weiteren Erörterung, dass das pauschale Vorbringen der Klägers, er habe durch seine Behandlungs- bzw. Verordnungsweise Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen eingespart, zur Darlegung kompensatorischer Einspa-rungen nicht ausreicht.

Der Beklagte hat schließlich auch eine intellektuelle Prüfung durchgeführt. Diese dient im Wesentlichen dazu, die rechtliche Prüfung des Behandlungs- bzw. Verordnungsverhaltens durch medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte zu ergänzen und abzurunden (vgl. BSG vom 09.06.1999 - B 6 KA 21/98 R - und vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/2 R -; LSG NRW vom 05.04.2000 - L 11 KA 90/99 - ). Dem ist der Beklagte in hinreichendem Maß nach¬gekommen, wobei unschädlich ist, dass er die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen nicht ausdrücklich unter die Überschrift "intellektuelle Prüfung" gestellt hat. Er hat die quantitative Dimension der Abrechungsabweichung umfangreich unter Berücksichtigung der Frage nach Praxisbesonderheiten gewürdigt und auch abschließend zutreffend festgestellt, dass das Vorbringen des Klägers keine Besonderheiten in der Morbiditätsstruktur seiner Klientel erkennen lässt. Er hat zudem in Auswertung der Verordnungen aufgezeigt, dass Verordnungsverhalten des Klägers zu sehr auf eine passive Therapie ausgerichtet ist und dass bei kritischerer Indikationsstellung Einsparungen (z.B. teure Fango-Therapie) zu erzielen sind.

Auch im Übrigen sind bei der Festsetzung des Regresses keine Rechtsfehler zu erkennen; auf die Entscheidung des SG wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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