L 8 R 1047/11 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 R 2736/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 1047/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.10.2011 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 106.594,81 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und die Erhebung von Säumniszuschlägen auf Grund einer Betriebsprüfung in Höhe von insgesamt 426.379,22 Euro.

Der Antragsteller betreibt seit dem 1.1.1992 unter der Firma S ein Malerunternehmen in E. Wegen einer Leistungsmissbrauchsanzeige der ARGE E prüfte das Hauptzollamt (HZA) E am 29.6.2009 die Geschäftsunterlagen des Antragstellers. Hierdurch erfuhr die Antragsgegnerin zunächst, dass für den Antragsteller drei slowakische Staatsbürger Arbeiten ausgeführt hatten. Hierbei handelte es sich um T M, dessen Sohn Q M und um B T1. Alle drei Personen waren unter der Anschrift "F-straße 00, E" wohnhaft und unterhielten daneben einen Wohnsitz in der Slowakei; unter der E Anschrift hatten sie jeweils ein Gewerbe angemeldet. Sie waren in Deutschland ausschließlich für den Antragsteller tätig und erledigten hauptsächlich Fliesenleger- und Maurerarbeiten. Eigene Beschäftigte hatten sie nicht. Ihre Tätigkeiten rechneten sie gegenüber dem Antragsteller in Einzelrechnungen ab. Alle Rechnungen sind sehr ähnlich aufgebaut. Sie beziehen sich für die Person des Q M auf die Zeit vom 15.7.2006 bis 31.10.2008, für die Person des T M auf die Zeit vom 12.5.2006 bis 31.7.2009 und für die Person des B T1 auf die Zeit vom 1.7.2008 bis 31.7.2009. T M machte in einem Fragebogen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht vom 7.8.2009 ergänzende Angaben. Danach verrichtete er seit ca. 2004 im Auftrag des Antragstellers Fliesenleger- und Maurertätigkeiten. Er habe ein Startkapital von ca. 2.000,00 Euro für Arbeitsmittel, Fliesenkelle und Estrich eingesetzt und führe Umsatzsteuer ab. Eigene Büroräume unterhalte er nicht, alle Geschäftsunterlagen befänden sich beim Antragssteller, für den er ausschließlich tätig sei. Die Abrechnung erfolge nach Stunden oder nach der gestellten Aufgabe des Antragstellers, sein durchschnittlicher monatlicher Gewinn betrage 2.000,00 bis 2.500,00 Euro netto. Auch B T1 hat unter dem 7.8.2009 einen Fragebogen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ausgefüllt. Er gab an, seit dem 17.9.2007 im Auftrag des Antragstellers Maurer- und Fliesenlegerarbeiten verrichtet zu haben. Er habe ein Startkapital von ca. 1.000,00 bis 1.500,00 Euro angesetzt und sei nur für den Antragsteller tätig gewesen. Er führe Umsatzsteuer ab, unterhalte keine eigenen Büroräume, alle Geschäftsunterlagen befänden sich beim Antragsteller, der auch Hilfe bei der Rechnungsstellung geleistet habe. Die Abrechnung erfolge nach Akkord und Stunden nach Vereinbarung, sein durchschnittlicher Gewinn betrage 2.000,00 bis 2.500,00 Euro netto monatlich.

Daneben erledigte auch S T seit Juni 1998 Maler- und Fliesenlegerarbeiten im Auftrag des Antragstellers. Er beantragte am 22.9.2009 die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und gab an, nur für den Antragsteller tätig gewesen zu sein, bei vorheriger unterschiedsloser versicherungspflichtiger Beschäftigung dort. Er habe regelmäßige 39 Wochenstunden zu einem festen Stundenlohn gearbeitet und bei Abwesenheit des Antragstellers auch den Telefondienst übernommen. Waren habe er auf Rechnung des Antragsstellers gekauft. Eigene Beschäftigte oder eigene Betriebsräume habe er nicht gehabt. Zudem legte er zahlreiche Rechnungen vom 30.6.1998 bis Februar 2009 vor.

Ferner hat das HZA E Zeugen vernommen. Die Zeugin T K ließ sich dahingehend ein, für den Antragsteller seien die drei Slowaken Q und T M und B T1 tätig gewesen. Diese hätten hauptsächlich Fliesen gelegt. Der Antragsteller habe sie als seine Angestellten bezeichnet und ihnen auch Anweisungen gegeben. Die slowakischen Arbeiter hätten sich genauso wie sie als Auszubildende gegen halb sieben morgens in der Firma eingefunden. Dann sei man zu den Baustellen aufgebrochen. Die Herren M und T1 seien dann den ganzen Tag auf den Baustellen gewesen und hätten oft bis 17.00 Uhr gearbeitet. Der Antragsteller habe das gesamte Material gestellt. Es habe nichts mitgebracht werden müssen. Das Werkzeug sei teilweise gestellt worden. Der Antragsteller habe immer neues gekauft.

Ähnlich ließen sich auch die Zeugen L A und S T ein. Der Zeuge L A ergänzte darüber hinaus, die slowakischen Mitarbeiter hätten von Montag bis Freitag regelmäßig von 6.30 Uhr bis 17.00 Uhr und auch noch am Samstag von 6.30 Uhr bis 13.00 Uhr gearbeitet. Man habe für die Tätigkeiten Stundenzettel schreiben müssen. Auf diesem Zettel hätten alle Namen gestanden, die an einem Tag auf einer Baustelle gearbeitet hätten. Die slowakischen Mitarbeiter seien darüber hinaus mit dem Firmenauto des Antragstellers zu den Baustellen gefahren. Einen eigenen PKW hätten sie zwar besessen, das Auto habe aber meistens vor der "Firma" des Antragstellers geparkt.

Mit Schreiben vom 3.3.2011 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 254.917,88 Euro nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 168.446,81 Euro für die Zeit vom 1.2.2006 bis zum 30.6.2009 an. Er habe sowohl Q M und T M als auch B T1 und S T sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er sei ihr einziger Auftraggeber gewesen, wodurch sich finanzielle Abhängigkeiten ergeben hätten. Für T M seien für die Zeit vom 25.2.2006 bis zum 30.6.2009 Beiträge nachzuentrichten, für Q M vom 5.6.2006 bis zum 30.10.2008, für B T1 vom 1.6.2008 bis 30.6.2009 und für S T von Juni 1998 bis Februar 2009. Zudem seien Säumniszuschläge zu zahlen. Der Antragsteller habe insbesondere nicht unverschuldet keine Kenntnis von seiner Beitragspflicht gehabt.

Der Antragsteller nahm dahingehend Stellung, dass die Antragsgegnerin ihre Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der slowakischen Mitarbeiter nur unzureichend begründet habe. Diese seien tatsächlich selbstständig tätig gewesen. Sie hätten die Aufträge nicht höchstpersönlich erfüllen müssen, hätten auch nicht dauerhaft bei ihm gearbeitet. Nach Beendigung seiner Aufträge seien sie immer wieder in die Slowakei zurückgekehrt und dort für andere Auftraggeber im Rahmen von angemeldeten Geschäftsbetrieben tätig gewesen. Weisungen seien nur unmittelbar im Zusammenhang mit der Ausführung der Arbeiten der einzelnen Projekte erfolgt, Aufträge hätten auch abgelehnt werden können, und es habe keine starren Arbeitszeiten gegeben. Die drei Auftragnehmer seien lediglich verpflichtet gewesen, den Auftrag zu erfüllen. Es habe für die slowakischen Mitarbeiter auch das unternehmerische Risiko bestanden, die Arbeiten zu seiner Zufriedenheit zu erledigen. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche zudem der zumindest beschränkte Einsatz von Betriebsmitteln, das Fehlen von Ansprüchen auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie die schwankende Entgelthöhe, die zudem ein Vielfaches des gesetzlichen Mindestlohns betragen habe, nämlich 20,00 bzw. 25,00 Euro pro Stunde. Außerdem hätten die drei Personen in ihrer Heimat ein Gewerbe angemeldet gehabt und seien auch dort versichert gewesen. Schließlich sei auch die Berechnung der Beträge fehlerhaft. Insbesondere seien die dort aufgeführten Tage nicht zutreffend. Die Antragsgegnerin habe zudem nicht nachgewiesen, wo und in welchem Umfang die drei Arbeitnehmer tätig gewesen seien. Darüber hinaus müsse die Wertigkeit der Zeugenaussagen angezweifelt werden. Er habe sich von allen Zeugen im Unfrieden getrennt, so dass es naheliege, dass diese den Sachverhalt zu seinen Ungunsten dargestellt hätten.

Mit Bescheid vom 5.8.2011 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller für den Prüfzeitraum vom 1.6.1998 bis 30.6.2009 Sozialversicherungsbeiträge incl. Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 426.379,22 Euro nach.

Der Antragsteller erhob Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, was die Antragsgegnerin unter dem 22.9.2011 ablehnte. Hierauf hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf am 10.10.2011 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat er seine Argumentation aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Er hat angegeben, die drei slowakischen Auftragnehmer immer nur dann beauftragt zu haben, wenn er Aufträge nicht alleine mit den bei ihm Beschäftigten erledigen konnte. Die drei Slowaken seien dann, wenn es ihre Auftragslage zugelassen habe, in die Bundesrepublik eingereist. Für die einzelnen Aufträge seien die Vertragsbedingungen individuell am Telefon ausgehandelt worden, eine schriftliche Fixierung der Aufträge sei hingegen nicht erfolgt. Die drei slowakischen Arbeiter hätten auch keine festen Arbeitszeiten gehabt und auch zu anderen Zeiten gearbeitet als seine Beschäftigten. Eine Ausschließlichkeitsvereinbarung habe es nicht gegeben. Sie hätten jederzeit andere Aufträge annehmen können. Zur Auftragserfüllung hätten sie fremde Hilfskräfte heranziehen dürfen. Für ihre Selbstständigkeit spreche ferner, dass Überstunden nicht bezahlt worden seien, die Bezahlung zum Teil auf Stundenbasis, zum Teil aber auch anhand von Fest- oder Pauschalpreisen erfolgt sei. Ein unternehmerisches Risiko sei darin zu sehen, dass Schlechtwettergeld nicht gewährt worden sei. Zudem dränge sich der Verdacht auf, dass die Antragsgegnerin die Entgelte geschätzt habe, ohne dies nachvollziehbar darzulegen. Die Antragsgegnerin könne ihre Feststellungen insbesondere nicht auf Zeugenaussagen stützen. Das folge für die Vernehmung der drei slowakischen Arbeiter durch das HZA E daraus, dass bei ihrer Vernehmung lediglich ein Dolmetscher für tschechisch, nicht aber für rumänisch anwesend gewesen sei. Davon abgesehen liege aber auch eine unbillige Härte vor. Seine wirtschaftliche Existenz sei bei einer Vollziehung des Bescheides gefährdet.

Die Antragsgegnerin ist dem Begehren u.a. mit Hinweis auf ihre bisherigen Ausführungen im Verwaltungsverfahren entgegengetreten.

Das SG hat das Begehren des Antragstellers mit Beschluss vom 28.10.2011 zurückgewiesen. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 4.11.2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 18.11.2011 Beschwerde erhoben. Zur Begründung wiederholt und intensiviert er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er sieht sich durch die Entscheidung auch in seinem grundgesetzlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da das SG die Entscheidung vor Ablauf einer ihm noch offenen stehenden Stellungnahmefrist abgesetzt habe. Zur Begründung greift er die von ihm im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren dargestellten Argumente erneut auf und intensiviert sie ergänzend.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, juris, m.w.N.). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschlüsse v. 24.6.2009, L 8 B 4/09 R ER; v. 27.7.2009, L 8 B 5/09 R ER; v. 18.2.2010, L 8 B 13/09 R ER; v. 8.10.2010, L 8 R 368/10 B ER; jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de).

Nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.

Ausgehend davon, bestehen hier zunächst keine überwiegenden Zweifel daran, dass zwischen dem Antragsteller und den Mitarbeitern T und Q M, B T1 und S T im Streitzeitraum die Versicherungs- und Beitragspflicht auslösende Beschäftigungsverhältnisse im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV bestanden haben.

Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil v. 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, SozR 2200 § 1127 Nr. 8; v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die (schriftlichen) vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den (schriftlichen) Vereinbarungen abweichen.

Nach dem Akteninhalt aber auch nach den Ausführungen des Antragstellers im Verfahren bestehen gewichtige Gründe für die Annahme, dass zwischen dem Antragsteller und den drei erwähnten slowakischen Mitarbeitern jeweils abhängige Beschäftigungsverhältnisse in Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV vorgelegen haben.

Hierfür spricht zunächst einmal die von den Zeugen beschriebene Integration der slowakischen Mitarbeiter in den Betrieb des Antragstellers in organisatorischer Hinsicht. Die Zeugen haben jeweils streng regelhafte Arbeitszeiten der Mitarbeiter von montags bis freitags von 6.30 Uhr bis 17.00 Uhr und sodann noch einmal am Samstag von 6.30 Uhr bis 13.00 Uhr dargestellt. Diese Arbeitszeiten räumt selbst der Antragsteller incl. einer halben Stunde Mittagspause ein. Die Mitarbeiter haben sich zudem jeden Morgen auf dem Firmengelände des Antragstellers getroffen, um mit firmeneigenen Fahrzeugen zu den jeweiligen Baustellen zu fahren. Auf den Baustellen wurden sie von dem Antragsteller kontrolliert, der ihnen auch Weisungen in der Sache erteilte. Sowohl das zu verarbeitende Material als zum Teil auch Werkzeug wurden von ihm gestellt.

Der Senat sieht gegenwärtig keinen hinreichenden Anlass, die Richtigkeit der Aussagen der Zeugen K, T und A in Zweifel zu ziehen, und zwar auch nicht aufgrund des pauschalen, nicht näher substantiierten Vortrags des Antragstellers, die Geschäftsbeziehung zu diesen Zeugen im Streit beendet zu haben. Die Zeugen haben, nachdem sie explizit auf ihre Wahrheitspflicht hingewiesen worden sind, übereinstimmende und in sich stimmige Aussagen abgegeben.

Ob die slowakischen Arbeiter - wie von dem Antragsteller behauptet - nach den zwischen ihnen und dem Antragsteller getroffenen Vereinbarungen berechtigt waren, in Auftrag gegebene Arbeiten durch Dritte erledigen zu lassen, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war durch eine solche Vereinbarung die Abwicklung der Vertragsverhältnisse im Tatsächlichen nicht geprägt, da die slowakischen Mitarbeiter die Arbeitsleistung immer in eigener Person erbracht haben.

Typische Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit lassen sich dagegen nicht feststellen. So verfügten die slowakischen Mitarbeiter über keine eigene Betriebsstätte. Wenn nunmehr in der Beschwerdeschrift der Antragsteller auf einen Lagerraum unter ihrer Meldeadresse hinweist, so ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, inwieweit dieser Lagerraum mit der von den Mitarbeitern ausgeübten Tätigkeit in Zusammenhang gestanden haben soll.

Mit dem SG ist auch davon auszugehen, dass die Tätigkeiten nach summarischer Prüfung nicht durch ein typisches Unternehmerrisiko gekennzeichnet waren. Maßgebliches Kriterium hierfür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werden, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist.

Hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolgs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist zunächst festzustellen, dass die Arbeitnehmer monatlich Rechnungen gestellt und Vergütungen erhalten haben, auch wenn aufgrund unterschiedlichen Stundenumfangs die Vergütung monatsweise geschwankt haben mag. Zwar sind manche Rechnungen ihrem Wortlaut nach auf die Zahlung von Festpreisen für bestimmte Gewerke gerichtet. Es bestehen indessen erhebliche Zweifel, ob ihnen tatsächlich entsprechende Vereinbarungen zugrunde lagen. Diese kommen insbesondere durch den Vergleich von Rechnungen von Q und T M auf, bei deren Abfassung der Antragsteller, wie er selbst einräumt, zudem geholfen hat. So hat T M zum Teil Gewerke in Rechnung gestellt, die Q M bereits einige Zeit zuvor erbracht hatte. Auch hat Q M Gewerke doppelt in Rechnung gestellt. Beispielhaft sei das Gewerk "Vollwärmeschutzarbeiten an ihrem Haus E-straße 00 Fassadenflächen im Bereich der Fassadenfläche zum Garagenhof" genannt. Dieses Gewerk hat Q M sowohl unter dem 15.7. als auch unter dem 10.9.2006 in Rechnung gestellt. Sodann hat T M es nochmals unter dem 10.9.2006 abgerechnet. Nimmt man hinzu, dass sowohl die Zeugen als auch der Antragsteller regelhafte Arbeitszeiten beschrieben haben, legt dies eher den Schluss nahe, dass nicht die Herstellung von Werken, sondern lediglich Arbeitszeit vergütet worden ist und die im Wortlaut anderslautende Rechnungslegung insofern der Verschleierung diente.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die in anderen Rechnungen angegebenen Stundenlöhne von 20,00 Euro bis 25,00 Euro tatsächlich so vereinbart worden sind, obwohl sich die Zeugenaussagen über den Umfang der erbrachten Arbeitsleistung einerseits und die auf den entsprechenden Rechnungen aufgeführten Stundenzahlen andererseits nicht ohne weitere Erläuterungen in Einklang bringen lassen. Die jeweils monatlich erzielten Vergütungen erreichen nämlich keine Höhe, die den Schluss auf eine selbstständige Tätigkeit nahelegen würde, zumal die Mitarbeiter bei der gewählten Vertragsgestaltung ihren Versicherungsschutz vollständig selbst finanzieren und darüber hinaus das Risiko von Auftragsschwankungen abfedern mussten.

Darüber hinaus rechtfertigt das Fehlen von Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sich allein genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet. Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich, geht man davon aus, dass die Mitarbeiter über längere zusammenhängende Zeiträume hinweg an einen Auftraggeber gebunden waren, für den sie zumindest während der tatsächlichen Beschäftigung ihre gesamte Arbeitskraft, wovon anhand der dargestellten Arbeitszeit auszugehen ist, zur Verfügung stellten.

Des Weiteren mussten die slowakischen Mitarbeiter sächliche Mittel allenfalls in geringem Umfang einsetzen, wobei ohne Schilderung der sonstigen Umstände nicht einmal klar ist, in was die bei ihrer Befragung angegebenen Investitionen in Höhe von bis zu 2.000,00 Euro überhaupt getätigt wurden.

Ob die slowakischen Mitarbeiter darüber hinaus in ihrem Heimatland im Rahmen eines angemeldeten Gewerbes selbstständige Tätigkeiten für andere Auftraggeber verrichtet haben, kann dahinstehen. Dieses spielt für die Charakterisierung ihrer Tätigkeiten im Auftrag des Antragstellers nur eine untergeordnete Rolle, da grundsätzlich selbstständige Tätigkeiten auch neben einer abhängigen Beschäftigung ausgeführt werden können und ein Zusammenhang zwischen den in Betracht kommenden Tätigkeiten weder ersichtlich ist noch vom Antragsteller behauptet wird. Zudem sind Einzelheiten über vermeintliche Tätigkeiten der slowakischen Arbeiter in ihrer Heimat weder ersichtlich noch vorgetragen.

Auch an der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung für den Mitarbeiter S T bestehen - entsprechend der Ausführungen des Sozialgerichts - keine erheblichen Bedenken. Der Antragsteller hat hierzu nichts substantiiert vorgetragen. Wiederum überwiegen die Indizien, die in einer Gesamtbetrachtung für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechen. So sind abermals die regelhafte, auf Monate bezogene Rechnungslegung des Zeugen T, seine festen Arbeitszeiten, die sonstige organisatorische Eingliederung in den Betriebsablauf des Antragstellers, fehlende eigene Mitarbeiter und das Nichtvorhandensein einer eigenen Betriebsstätte zu nennen. Herr T war darüber hinaus im Wesentlichen mit seiner gesamten Arbeitskraft nur für den Kläger tätig, sodass ein unternehmerisches Risiko nicht zu erkennen ist.

Mit dem SG geht auch der Senat davon aus, dass nach summarischer Prüfung ein bezüglich des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen vorsätzliches Handeln des Antragstellers überwiegend wahrscheinlich ist. Zum einen hat sich der Zeuge T in diesem Sinne eingelassen. Er führt aus, dass der Antragsteller seine "Anstellung" gerade davon abhängig gemacht habe, dass das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen umgangen werde. Hinsichtlich der slowakischen Mitarbeiter deuten die oben aufgezeigten "Unregelmäßigkeiten" bei der Rechnungslegung ebenfalls darauf hin, dass die Rechnungen eben nur zur buchhalterischen Abdeckung von "Schwarzlohnzahlungen" dienten und damit bewusst die Verhinderung der Inanspruchnahme auf Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen angestrebt wurde. Es ist daher überwiegend wahrscheinlich, dass für die Verjährung der streitgegenständlichen Beitragsansprüche - auf die sich der Antragsteller auch nicht beruft - § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und nicht die kurze Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV greift.

Schließlich hatte der Senat bei summarischer Prüfung auch keine Zweifel an der Richtigkeit der Beitragshöhe. Die Beklagte hat vielmehr ihrem Beitragsbescheid die Summen zugrunde gelegt, die sich aus den vorliegenden Rechnungen ergeben. Auch der Antragsteller hat nicht dargestellt, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Vergütungen die tatsächlich gezahlten Vergütungen überstiegen. Zugunsten des Antragstellers hat die Antragsgegnerin darauf verzichtet, weitergehende Beiträge nach § 28f Abs. 2 SGB IV zu schätzen (obwohl z.B. T M angegeben hat, dass er bereits seit ca. 2004 für den Antragsteller gearbeitet habe).

Soweit der Antragsteller moniert, die in dem Bescheid ausgeworfenen Beiträge seien zeitlich nicht richtig zugeordnet, so hätte ihm freigestanden, diese Zuordnung zu korrigieren. Dies hat er verabsäumt. Solange er einen entsprechenden Vortrag schuldig bleibt, ist es nachvollziehbar, die zeitliche Zuordnung anhand der Rechnungsdaten bzw. aufgrund der im jeweiligen Rechnungstext vorhandenen zeitlichen Bezugnahmen vorzunehmen. Hinsichtlich der Beitragshöhe spielt dabei regelmäßig keine Rolle, wie vielen Arbeitstagen in einem Monat der Verdienst zugeordnet wird, da für die Höhe des Beitrags regelmäßig nur die Höhe des Verdienstes maßgebend ist.

Des Weiteren stößt auch die Berechnung der Säumniszuschläge nicht auf Bedenken. Wenn der Antragsteller hier z.B. beanstandet, dem Monat Juni 2009 sei ein Säumniszuschlag in Höhe von 15.970,00 Euro zugeordnet, so geht er fehl. Dieser aufsummierte Säumniszuschlag betrifft den Monat Juni 2009 und die 10 Folgemonate, in denen eben kein zusätzlicher zu verbeitragender Verdienst festgestellt werden konnte. Die Antragsgegnerin hätte natürlich auch - was dem Gesetzeswortlaut näher käme - den 10 "Folgemonaten" in der erstellten Tabelle jeweils nur den einfachen erstmals für Juni 2009 zuzuordnenden Betrag zuordnen können. Der Betrag von 15.970,- Euro hätte sich dann jedoch durch Aufsummierung ergeben.

Im Übrigen ist entgegen der Ausführungen des Antragstellers die Berechnung der Beiträge und der Säumniszuschläge durchaus nachvollziehbar. Die tabellarische Darstellung entspricht den Üblichkeiten in einem Beitragsverfahren und ist auch in sich schlüssig, wenngleich dem Antragsteller zugegeben werden muss, dass sie für einen ungeübten Betrachter nicht leicht zugänglich ist. Das macht sie aber noch nicht rechtswidrig.

Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller schließlich darauf, die Vollziehung des Beitragsbescheides bedeute für ihn eine unbillige Härte. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für den Antragsteller verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile durch eine Zahlung hat der Antragsteller schließlich nicht substantiiert dargelegt, bzw. jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Diese müssten im Weiteren auch noch das Interesse der Antragsgegnerin an der aktuellen Einziehung der Forderung überwiegen. Das Interesse der Antragsgegnerin an einer zeitnahen Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung wird aber gerade dann hoch sein, wenn der Antragsteller behauptet, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Gerade in einer solchen Situation ist die Antragsgegnerin gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung sicherzustellen. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Zerstörung seiner Lebensgrundlage zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zur Zeit. Eine solche Darstellung ist dem Antragsteller jedoch nicht gelungen, auch wenn die überreichte "Betriebswirtschaftliche Auswertung" nahelegt, dass der Antragsteller die geforderte Summe aus dem laufenden Geschäftsbetrieb nicht wird aufbringen können. Ergänzend ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller für die geltend gemachte Forderung der Antragsgegnerin mit seinem gesamten und nicht nur mit seinem geschäftlichen Vermögen haftet. Er hat aber seine Einkommens- und Vermögenssituation außerhalb seines Geschäftsbetriebs mit keinem Wort aufgezeigt, so dass eine etwaige sonstige Einkommens- oder Vermögenslosigkeit nicht dargestellt und schon gar nicht glaubhaft gemacht ist, zumal die vorliegenden Rechnungen es nahelegen, dass der Antragsteller über Vermögen zumindest in Form von Immobilien verfügt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) entspricht der ständigen Senatspraxis, im einstweiligen Rechtsschutz von einem Viertel des Hauptsachestreitwerts (Senat, Beschluss v. 27.7.2009, a.a.O.) einschließlich der Säumniszuschläge (Senat, Beschlüsse v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, und v. 3.9.2009, L 8 B 12/09 R, jeweils juris und sozialgerichtsbarkeit.de) auszugehen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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