Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KN 119/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 30/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 234/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Die Beschwerde d.Kl. gegen die Nichtzulassung der Revision wird als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dortmund vom 12.06.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Regelaltersrente.
Der 1941 oder 1942 geborene Kläger (früherer Name: B - B - L ) ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er arbeitete von 1964 bis 1971 sozialversicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland im Bergbau (Juli 1964 - Mai 1967 und Januar bis April 1970) und im Übrigen außerhalb des Bergbaus. 1971 kehrte er nach Marokko zurück, 1972 stellte er über die Deutsche Botschaft in Rabat bei der (damaligen) LVA Oberbayern einen "Antrag auf Beitragserstattung aus der Rentenversicherung der Arbeiter in Deutschland". Bereits mit Schreiben vom 25.10.1972 erkundigte er sich nach dem Verbleib "seines Geldes". Die LVA Oberbayern lehnte den Antrag ab, weil ein Erstattungsanspruch erst bestehe, wenn seit dem Wegfall der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre verstrichen seien; dieser Zeitpunkt werde frühestens am 24.07.1973 erreicht (Bescheid vom 17.01.1973).
Am 09.06.1973 beantragte der Kläger unmittelbar bei der LVA Oberbayern erneut, ihm die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Mit Schreiben vom 20.05.1974 erinnerte er die Beklagte an die Erledigung seines Antrags. Die LVA Oberbayern stellte den unter Mitberücksichtigung aller ihr von der Beklagten mitgeteilten Beitragszeiten zu erstattenden Betrag mit 5.877,40 DM (2.682,73 DM für nichtknappschaftliche und 3.194,66 DM für knappschaftliche Versicherungszeiten) fest und wies den Kläger darauf hin, dass durch die Erstattung alle Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen seien (Bescheid vom 12.06.1974). Der Bescheid konnte zunächst nicht zugestellt werden. Mit Schreiben vom 09.09.1974 erinnerte der Kläger die (damalige) LVA Rheinprovinz (unter Angabe einer neuen Adresse in Nador) an die Erstattung der Beiträge, mit Schreiben vom 21.11.1974 die LVA Oberbayern daran, den Rentenbetrag zu überweisen, den er während seiner Arbeitszeit in der Bundesrepublik Deutschland abgeführt habe. Die LVA Oberbayern teilte ihm am 15.02.1975 an seine neue Adresse mit, dass der Erstattungsbetrag überwiesen werde. Der Erstattungsbescheid wurde dem Kläger über die Deutsche Botschaft in Rabat am 16.04.1975 über die deutsche Botschaft in Rabat zugestellt, der Erstattungsbetrag wurde am 22.04.1975 zur Zahlung angewiesen. Eine Empfangsbestätigung oder eine Quittung befindet sich nicht bei den Akten.
Im Mai 1998 beantragte der Kläger (nun bei der Beklagten) erneut, ihm seine Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Die Beklagte leitete den Antrag an die LVA Oberbayern weiter, die dem Kläger mit Schreiben vom 04.06.1998 (zugestellt am 20.07.1998) mitteilte, dass ihm bereits mit Bescheid vom 12.06.1974 die Hälfte aller Beiträge bis einschließlich zum 23.07.1971 erstattet worden seien. Im Mai 2001 beantragte der Kläger bei der LVA Schwaben auf dem dafür vorgesehenen zweisprachigen (deutsch-französisch) Vordruck Altersrente. Die LVA Schwaben lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Beitragserstattung durch die LVA Oberbayern ab (Bescheid vom 31.10.1974 unter Verwendung eines zweisprachigen deutsch-französischen Bescheidvordrucks).
Im November 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm aufgrund seiner Tätigkeit im deutschen Bergbau Rente zu gewähren. Die Beklagte, die ihre Rentenakte betreffend den Kläger vernichtet hatte und nur noch über einen elektronisch gespeicherten (Teil-) Kontenspiegel verfügte, lehnte die Gewährung der begehrten Rente ab (Bescheid vom 13.11.2006). Es seien keine auf die für die Regelaltersrente erforderliche Wartezeit anrechenbaren Zeiten mehr vorhanden, da ausweislich des elektronischen Kontenspiegels die für den Zeitraum vom 13.07.1967 bis zum 31.12.1970 entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 12.06.1974 erstattet worden seien.
Im Februar 2007 beantragte der Kläger (unter seinem jetzigen Namen) Altersrente "für sich und seine Familie". Die Beklagte lehnte erneut ab, Rente zu gewähren, weil die für die Rente erforderliche Wartezeit wegen der Beitragserstattung nicht erfüllt sei (Bescheid vom 23.08.2007; Widerspruchsbescheid vom 07.04.2008).
Mit der am 06.05.2008 erhobenen Klage hat der Kläger unter Beifügung einer Ablichtung des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2008 eine Rente oder eine finanzielle Hilfe begehrt. Er hat in Ablichtung Aufrechnungsbescheinigungen eingereicht, die den Stempel "Erstattung gemäß § 1303 Abs RVO [ ] und einmal dazu den Datumstempel "19. Juni 1974" aufweisen.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung für richtig gehalten.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Er erfülle die erforderliche allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht. Es sei davon auszugehen, dass die für ihn in der Bundesrepublik Deutschland entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 12.06.1974 auf seinen Antrag hin erstattet worden seien. Dies schließe das Gericht aus dem in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen (Gesamt-)Kontenspiegel vom 21.08.2007. Zudem befinde sich auf den vom Kläger zu den Akten gereichten Aufrechnungsbescheinigungen jeweils ein Stempel, aus dem hervorgehe, dass seine Beiträge gemäß § 1303 der Rentenversicherungsordnung (RVO) erstattet worden seien. Für das Gericht beständen keine Zweifel daran, dass der Kläger den Erstattungsbetrag auch tatsächlich erhalten habe. Anderenfalls hätte er sich nach Stellung des Erstattungsantrages im Jahre 1973 bereits zu einem früheren Zeitpunkt erneut beim Versicherungsträger gemeldet.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung, die - wie sämtliche Schreiben - in französischer Sprache verfasst ist, begehrt der Kläger die Überprüfung des Gerichtsbescheids. Er hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass er "eine Erstattung von Versicherungsprämien angeforderte kommen und er habe den Betrag ... erhalten." Er habe "nicht für eine Rente beantragt, aber gebeten um eine Rückerstattung von Beiträgen". Nun wünsche er eine Rente.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Der Kläger ist mit Einschreiben/Rückschein im Rahmen der Ladung zum Termin am 13.09.2011 darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entscheiden werden könne, und am 29.09.2011 in gleicher Form darüber, dass ein neuer Termin auf den 15.11.2011 anberaumt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aus dem Versicherungskonto des Klägers ergebe sich, dass für alle Beschäftigungszeiträume die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge erstattet worden seien.
Die Botschaft des Königreichs Marokko in Berlin und die Rechtsabteilung des Generalkonsulats des Königreichs in Düsseldorf haben auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend erklärt, dass ausschließlich die arabische Sprache Amtssprache in Marokko und dies so auch in der Verfassung festgeschrieben sei. Die französische Sprache werde an Schulen als Fremdsprache unterrichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Verwaltungsakten der LVA Schwaben (jetzt: DRV Schwaben) und LVA Oberbayern (jetzt: DRV Bayern-Süd) verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 12.6.2009 wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsvermerkes (Bl. 51 der Gerichtsakte (GA)) am 21.12.2009 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vg. BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG) und endete mit Ablauf des 21.03.2010. Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit seinem am 04.01.2010 eingegangenem, in französischer Sprache verfasstem Schreiben wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten ist (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.03.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann indes dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache hier ausnahmsweise - nämlich nach Art. 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen wie durch das Verfahren 2001 bei der LVA Schwaben dokumentiert - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist oder dem Kläger ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Das SG hat nämlich die Berufung des Klägers ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag sowohl dem Sozialgericht als auch dem Landessozialgericht noch innerhalb der Berufungsfrist vor. Zwar war das Sozialgericht nicht zur Übersetzung der Berufungsschrift verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur (noch) der Anspruch auf Altersrente. Zwar hat der Kläger früher auch alternativ (hilfsweise?) um eine finanzielle Unterstützung gebeten. Dieses Begehren hat er jedoch in seiner Berufungsschrift nicht wiederholt, sondern nur noch um eine Altersrente (pension de vieillesse) nachgesucht.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 23.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 07.04.2008 nicht beschwert, §§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klage ist unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der Kläger von 1964 bis 1971 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1975 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Denn durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S. 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az. 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr. 2).
Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1975 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben in den Verwaltungsakten der Beklagten, der (jeweils: früheren) LVAen Oberbayern und Schwaben und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach dem Inhalt der Akten der LVA Oberbayern hat der Kläger im September 1972 und erneut im Juni 1973 die Beitragserstattung beantragt. Der daraufhin ergangene Erstattungsbescheid wurde dem Kläger am 16.04.1975 zugestellt. Der festgesetzte Erstattungsbetrag wurde am 22.04.1975 durch die LVA Oberbayern angewiesen. Urkunden, die die Haupttatsache des Eingangs auf dem Konto bzw. sonstigen Erhalts unmittelbar belegen (Bestätigung der marokkanischen Bank, Empfangsquittung), befinden sich nicht bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist, und die Beklagte damit die Leistung auch bewirkt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 9. Auflage 2008. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (Landessozialgericht (LSG) NRW, Urteil vom 03.06.2005, Aktenzeichen (Az)L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren dokumentiert und besteht kein besonderer Anlass zu Zweifeln, dass der verfolgte Zweck erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 7 Jahren zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht erhält. Dies kommt im vorliegenden Fall besonders deutlich zum Ausdruck. Der Kläger selbst hat nämlich 1972 und 1974 mehrfach nach dem Verbleib des Geldes gefragt und dabei auch zum Ausdruck gebracht, dass er sich bewusst war, das es um die Erstattung von Rentenbeiträgen ging. Wenn er bei dieser Sachlage nach der Anweisung des Zahlbetrags durch die LVA Oberbayern im April 1974 nicht mehr nachfragt, lässt dies nur den Schluss zu, dass das Geld vollständig in seine Verfügungsgewalt gelangt ist.
Im Übrigen hat er zuletzt eingeräumt, die Erstattung "von Versicherungsprämien" angefordert und - zumindest einen Teil des Geldes - auch erhalten zu haben (Schriftsatz vom 05.05.2011).
Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Regelaltersrente.
Der 1941 oder 1942 geborene Kläger (früherer Name: B - B - L ) ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er arbeitete von 1964 bis 1971 sozialversicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland im Bergbau (Juli 1964 - Mai 1967 und Januar bis April 1970) und im Übrigen außerhalb des Bergbaus. 1971 kehrte er nach Marokko zurück, 1972 stellte er über die Deutsche Botschaft in Rabat bei der (damaligen) LVA Oberbayern einen "Antrag auf Beitragserstattung aus der Rentenversicherung der Arbeiter in Deutschland". Bereits mit Schreiben vom 25.10.1972 erkundigte er sich nach dem Verbleib "seines Geldes". Die LVA Oberbayern lehnte den Antrag ab, weil ein Erstattungsanspruch erst bestehe, wenn seit dem Wegfall der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre verstrichen seien; dieser Zeitpunkt werde frühestens am 24.07.1973 erreicht (Bescheid vom 17.01.1973).
Am 09.06.1973 beantragte der Kläger unmittelbar bei der LVA Oberbayern erneut, ihm die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Mit Schreiben vom 20.05.1974 erinnerte er die Beklagte an die Erledigung seines Antrags. Die LVA Oberbayern stellte den unter Mitberücksichtigung aller ihr von der Beklagten mitgeteilten Beitragszeiten zu erstattenden Betrag mit 5.877,40 DM (2.682,73 DM für nichtknappschaftliche und 3.194,66 DM für knappschaftliche Versicherungszeiten) fest und wies den Kläger darauf hin, dass durch die Erstattung alle Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen seien (Bescheid vom 12.06.1974). Der Bescheid konnte zunächst nicht zugestellt werden. Mit Schreiben vom 09.09.1974 erinnerte der Kläger die (damalige) LVA Rheinprovinz (unter Angabe einer neuen Adresse in Nador) an die Erstattung der Beiträge, mit Schreiben vom 21.11.1974 die LVA Oberbayern daran, den Rentenbetrag zu überweisen, den er während seiner Arbeitszeit in der Bundesrepublik Deutschland abgeführt habe. Die LVA Oberbayern teilte ihm am 15.02.1975 an seine neue Adresse mit, dass der Erstattungsbetrag überwiesen werde. Der Erstattungsbescheid wurde dem Kläger über die Deutsche Botschaft in Rabat am 16.04.1975 über die deutsche Botschaft in Rabat zugestellt, der Erstattungsbetrag wurde am 22.04.1975 zur Zahlung angewiesen. Eine Empfangsbestätigung oder eine Quittung befindet sich nicht bei den Akten.
Im Mai 1998 beantragte der Kläger (nun bei der Beklagten) erneut, ihm seine Rentenversicherungsbeiträge zu erstatten. Die Beklagte leitete den Antrag an die LVA Oberbayern weiter, die dem Kläger mit Schreiben vom 04.06.1998 (zugestellt am 20.07.1998) mitteilte, dass ihm bereits mit Bescheid vom 12.06.1974 die Hälfte aller Beiträge bis einschließlich zum 23.07.1971 erstattet worden seien. Im Mai 2001 beantragte der Kläger bei der LVA Schwaben auf dem dafür vorgesehenen zweisprachigen (deutsch-französisch) Vordruck Altersrente. Die LVA Schwaben lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Beitragserstattung durch die LVA Oberbayern ab (Bescheid vom 31.10.1974 unter Verwendung eines zweisprachigen deutsch-französischen Bescheidvordrucks).
Im November 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm aufgrund seiner Tätigkeit im deutschen Bergbau Rente zu gewähren. Die Beklagte, die ihre Rentenakte betreffend den Kläger vernichtet hatte und nur noch über einen elektronisch gespeicherten (Teil-) Kontenspiegel verfügte, lehnte die Gewährung der begehrten Rente ab (Bescheid vom 13.11.2006). Es seien keine auf die für die Regelaltersrente erforderliche Wartezeit anrechenbaren Zeiten mehr vorhanden, da ausweislich des elektronischen Kontenspiegels die für den Zeitraum vom 13.07.1967 bis zum 31.12.1970 entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 12.06.1974 erstattet worden seien.
Im Februar 2007 beantragte der Kläger (unter seinem jetzigen Namen) Altersrente "für sich und seine Familie". Die Beklagte lehnte erneut ab, Rente zu gewähren, weil die für die Rente erforderliche Wartezeit wegen der Beitragserstattung nicht erfüllt sei (Bescheid vom 23.08.2007; Widerspruchsbescheid vom 07.04.2008).
Mit der am 06.05.2008 erhobenen Klage hat der Kläger unter Beifügung einer Ablichtung des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2008 eine Rente oder eine finanzielle Hilfe begehrt. Er hat in Ablichtung Aufrechnungsbescheinigungen eingereicht, die den Stempel "Erstattung gemäß § 1303 Abs RVO [ ] und einmal dazu den Datumstempel "19. Juni 1974" aufweisen.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung für richtig gehalten.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Er erfülle die erforderliche allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht. Es sei davon auszugehen, dass die für ihn in der Bundesrepublik Deutschland entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 12.06.1974 auf seinen Antrag hin erstattet worden seien. Dies schließe das Gericht aus dem in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen (Gesamt-)Kontenspiegel vom 21.08.2007. Zudem befinde sich auf den vom Kläger zu den Akten gereichten Aufrechnungsbescheinigungen jeweils ein Stempel, aus dem hervorgehe, dass seine Beiträge gemäß § 1303 der Rentenversicherungsordnung (RVO) erstattet worden seien. Für das Gericht beständen keine Zweifel daran, dass der Kläger den Erstattungsbetrag auch tatsächlich erhalten habe. Anderenfalls hätte er sich nach Stellung des Erstattungsantrages im Jahre 1973 bereits zu einem früheren Zeitpunkt erneut beim Versicherungsträger gemeldet.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung, die - wie sämtliche Schreiben - in französischer Sprache verfasst ist, begehrt der Kläger die Überprüfung des Gerichtsbescheids. Er hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass er "eine Erstattung von Versicherungsprämien angeforderte kommen und er habe den Betrag ... erhalten." Er habe "nicht für eine Rente beantragt, aber gebeten um eine Rückerstattung von Beiträgen". Nun wünsche er eine Rente.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen. Der Kläger ist mit Einschreiben/Rückschein im Rahmen der Ladung zum Termin am 13.09.2011 darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entscheiden werden könne, und am 29.09.2011 in gleicher Form darüber, dass ein neuer Termin auf den 15.11.2011 anberaumt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Aus dem Versicherungskonto des Klägers ergebe sich, dass für alle Beschäftigungszeiträume die entrichteten Rentenversicherungsbeiträge erstattet worden seien.
Die Botschaft des Königreichs Marokko in Berlin und die Rechtsabteilung des Generalkonsulats des Königreichs in Düsseldorf haben auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend erklärt, dass ausschließlich die arabische Sprache Amtssprache in Marokko und dies so auch in der Verfassung festgeschrieben sei. Die französische Sprache werde an Schulen als Fremdsprache unterrichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Verwaltungsakten der LVA Schwaben (jetzt: DRV Schwaben) und LVA Oberbayern (jetzt: DRV Bayern-Süd) verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs. 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.03.1981, in Kraft seit dem 01.08.1986, BGBl II 1986; 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 12.6.2009 wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsvermerkes (Bl. 51 der Gerichtsakte (GA)) am 21.12.2009 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vg. BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG) und endete mit Ablauf des 21.03.2010. Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit seinem am 04.01.2010 eingegangenem, in französischer Sprache verfasstem Schreiben wirksam Berufung eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderreglungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten ist (BSG, SozR 1500 § 61 Nr 1; LSG Berlin, Urt. vom 22.03.2001, Aktenzeichen (Az) L 3 U 23/00). Der Senat kann indes dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache hier ausnahmsweise - nämlich nach Art. 31 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen wie durch das Verfahren 2001 bei der LVA Schwaben dokumentiert - zulässig ist, weil sie wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist oder dem Kläger ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Das SG hat nämlich die Berufung des Klägers ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag sowohl dem Sozialgericht als auch dem Landessozialgericht noch innerhalb der Berufungsfrist vor. Zwar war das Sozialgericht nicht zur Übersetzung der Berufungsschrift verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 61 Rdnr 7e mwN); die Berufung samt deutscher Übersetzung sind vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur (noch) der Anspruch auf Altersrente. Zwar hat der Kläger früher auch alternativ (hilfsweise?) um eine finanzielle Unterstützung gebeten. Dieses Begehren hat er jedoch in seiner Berufungsschrift nicht wiederholt, sondern nur noch um eine Altersrente (pension de vieillesse) nachgesucht.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den Bescheid vom 23.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 07.04.2008 nicht beschwert, §§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klage ist unbegründet, weil ein Anspruch des Klägers auf (Regel)Altersrente nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) nicht besteht.
Nach § 35 SGB VI aF erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Die vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht (mehr) auf die Wartezeit angerechnet werden. Deshalb liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
Zwar trifft zu, dass der Kläger von 1964 bis 1971 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge 1975 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Denn durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 S. 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: § 1303 Abs 7 RVO gleichlautend § 95 Abs 7 RKG in der vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 geltenden Fassung, vgl. dazu BSG SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 5). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 07.04.2008, Az. 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr. 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr. 2).
Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1975 sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind.
Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 - 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.09.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteil vom 16.08.2007, Az L 2 KN 259/06). Das ist hier der Fall. Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben in den Verwaltungsakten der Beklagten, der (jeweils: früheren) LVAen Oberbayern und Schwaben und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach dem Inhalt der Akten der LVA Oberbayern hat der Kläger im September 1972 und erneut im Juni 1973 die Beitragserstattung beantragt. Der daraufhin ergangene Erstattungsbescheid wurde dem Kläger am 16.04.1975 zugestellt. Der festgesetzte Erstattungsbetrag wurde am 22.04.1975 durch die LVA Oberbayern angewiesen. Urkunden, die die Haupttatsache des Eingangs auf dem Konto bzw. sonstigen Erhalts unmittelbar belegen (Bestätigung der marokkanischen Bank, Empfangsquittung), befinden sich nicht bei den Akten. Zur Überzeugung des Senats steht gleichwohl fest, dass der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist, und die Beklagte damit die Leistung auch bewirkt hat. Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 9. Auflage 2008. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer aaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. aaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (Landessozialgericht (LSG) NRW, Urteil vom 03.06.2005, Aktenzeichen (Az)L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03).
Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren dokumentiert und besteht kein besonderer Anlass zu Zweifeln, dass der verfolgte Zweck erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 7 Jahren zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht erhält. Dies kommt im vorliegenden Fall besonders deutlich zum Ausdruck. Der Kläger selbst hat nämlich 1972 und 1974 mehrfach nach dem Verbleib des Geldes gefragt und dabei auch zum Ausdruck gebracht, dass er sich bewusst war, das es um die Erstattung von Rentenbeiträgen ging. Wenn er bei dieser Sachlage nach der Anweisung des Zahlbetrags durch die LVA Oberbayern im April 1974 nicht mehr nachfragt, lässt dies nur den Schluss zu, dass das Geld vollständig in seine Verfügungsgewalt gelangt ist.
Im Übrigen hat er zuletzt eingeräumt, die Erstattung "von Versicherungsprämien" angefordert und - zumindest einen Teil des Geldes - auch erhalten zu haben (Schriftsatz vom 05.05.2011).
Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 1 oder 2 SGG nicht vorliegen. Maßgeblich für die Entscheidung sind nämlich die konkreten Umstände des Einzelfalls.
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