Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (16) SO 53/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 178/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07.02.2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Münster zurückverwiesen. Dem Sozialgericht bleibt die Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1955 geborene Kläger begehrt höhere Regelleistungen und meint insoweit, er habe Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 31 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 01.06.2008 bis 31.05. 2009.
Er bezog bis zum 31.05.2008 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 20.05.2008 hob die damalige ARGE N ihre letzte Bewilligungsentscheidung vom 02.04.2008, mit deren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung von 51,13 EUR gezahlt wurde, gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ganz auf, weil durch den zuständigen Amtsarzt festgestellt worden sei, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mindestens 3 Stunden täglich umfasse. Hiergegen legte der Kläger unter Hinweis auf § 44 a SGB II rechtzeitig Widerspruch ein. Laut medizinischem Gutachten der Agentur für Münster vom 14.05.2008 (Dr. B) sei das Leistungsvermögen des Klägers voraussichtlich auf Dauer wegen einer ausgeprägten Herzmuskelschwäche aufgehoben.
Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin auf, einen Rentenantrag zu stellen. Dem kam er nach.
Am 28.05.2008 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, seinen Bruder M, für den Kläger bei der Beklagten ab dem 01.06.2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Mit schriftlicher Vollmacht vom 02.09.2008 bevollmächtigte der Kläger seinen Bruder als Vertrauensperson, ihn u. a. sowohl bei Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern als auch vor Gericht zu vertreten und dort Prozesshandlungen aller Art vorzunehmen. Die Vollmacht ist vom Kläger und seinem Bruder unterschrieben. Sie soll eine vom Gericht angeordnete Betreuung vermeiden.
Mit Schreiben vom 30.05.2008 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, auch einen Antrag auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu stellen. Auch dem kam der Kläger am 04.06.2008 nach. Er legte eine dies befürwortende Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. U selben Tage vor, der dies mit den Diagnosen Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Hyperurikämie, Herzschwäche und Lebererkrankung begründete.
Den Antrag auf krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2008 separat ab, weil die Erkrankungen des Klägers einen solchen Mehrbedarf nicht verursachten.
Mit Bescheid vom 21.06.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem 3. Kapitel des SGB XII in Höhe von 780,29 EUR für Juli 2008 (31,00 EUR Regelsatz, 429,29 EUR Unterkunftskosten). Mit Bescheid vom 09.09.2008 wiederum stellte die Stadt Münster auf Antrag des Klägers vom 24.09.2007 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest und erkannt ihm das Merkzeichen "G" zu. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 22.10.2008 für November 2008 839,96 EUR, wobei die Erhöhung auf der Gewährung des 17-prozentigen Mehrbedarfs auf den Regelsatz (59,67 EUR) für Erwerbsunfähige mit dem Merkzeichen "G" zurückzuführen war. Aus diesem Bescheid ergibt sich, dass der genannte Mehrbedarf auch schon ab Juni 2008 zuerkannt war. Aus einem "Protokoll Sozialwesen" vom 20.06.2008 geht hervor, dass an diesem Tag ein Bescheid für Juni 2008 erstellt wurde. Im Bescheid vom 21.01.2009 für Februar 2009 war zusätzlich noch der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ausgewiesen. Zudem waren die (übernommenen) Unterkunftskosten leicht gestiegen. Mit Bescheid vom 21.04.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für Mai 2009. Der Bescheid enthielt eine "Kürzung des RS um indiv. Prozentsatz" von 70,20 EUR. Sämtliche Bescheide enthielten den Hinweis, dass Leistungen, für die kein Ende-Datum festgesetzt worden sei, bei gleichbleibenden Verhältnissen für nachfolgende Zeiträume durch Zahlung weiter bewilligt würden.
Gegen den Bescheid vom 21.06.2008, betreffend die Bewilligung ab/für Juli 2008, legte der Kläger am 30.06.2008 Widerspruch ein und begehrte die Bewilligung von Leistungen nach dem 4. Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) für ein Jahr ab dem 01.06.2008 sowie den krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf. Ein Antrag nach dem 3. Kapitel sei gar nicht gestellt worden.
Ebenfalls am 30.06.2008 legte der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung von krankheitsbedingtem Ernährungsmehrbedarf mit Bescheid vom 20.06.2008 ein. Es seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins heranzuziehen. Die Stellungnahme des Hausarztes bestätige den geltend gemachten Mehrbedarf.
Mit Bescheid vom 26.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den den Ernährungsmehrbedarf ablehnenden Bescheid vom 20.06.2008 zurück und führte aus, hier gehe es nur um den Ernährungsmehrbedarf. Ob dem Kläger Leistungen nach dem 3. oder nach dem 4. Kapitel zustünden, habe man in einem separaten Widerspruchsverfahren geklärt. Hinsichtlich des begehrten Mehrbedarfs richte man sich nach den Empfehlungen der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und dem dort entwickelten Begutachtungsleitfaden. Die anhand dessen erfolgte Überprüfung durch das Gesundheitsamt der Beklagte habe keinen Mehrbedarf ergeben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins datierten aus dem Jahre 1997 und beruhten auf Gutachten aus den Jahren von 1991 bis 1996. Sie seien daher veraltet.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 25.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die monatliche Weiterbewilligung der Sozialhilfeleistungen mit Bescheid vom 21.06.2008 zurück. Leistungen nach dem 4. Kapitel setzten gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII bei dem 1955 geborenen Kläger eine volle Erwerbsminderung auf Dauer voraus. Insoweit sei sie, die Beklagte, gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 SGB XII an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gebunden. Dieser sei gemäß § 43 Abs. 2 SGB XII diesbezüglich um Prüfung zu ersuchen. Da der Kläger aber Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt habe, erübrige sich ein solches Ersuchen. Dieses Verfahren laufe. Solange das der Fall sei, fehle es an einer verbindlichen Feststellung dazu, ob der Kläger zum nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre, so dass Leistungen nach dem 4. Kapitel derzeit nicht gewährt werden könnten, sondern die demgegenüber gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nachrangigen Leistungen nach dem 3. Kapitel erbracht würden. Die in § 44 a Abs. 1 SGB II enthaltene Option, von Seiten der Beklagten den Feststellungen der Bundesagentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 SGB II zu widersprechen, komme nicht in Betracht, weil die hierfür erforderlichen - ernsthaften - Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen nicht bestünden.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.08.2008 hat der Kläger über seinen Bruder unter Vorlage der Vorsorgevollmacht vom 28.08.2008 Klage erhoben mit dem Begehren, über den Mehrbedarf nach dem 4. Kapitel des SGB XII für ein Jahr zu entscheiden.
Das Sozialgericht hat das Begehren in dem von ihm erlassenen Gerichtsbescheid so verstanden, dass der Kläger beantragt habe,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 zu verurteilen, ihm ab dem 01.06.2008 bis zum 31.05.2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Dr. W (praktischer Arzt, Ernährungsmediziner und Urologe) angefordert, welches dieser aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers vom 22.01.2009 am 12.04.2009 erstellt hat. Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen.
Der Kläger hat das Gutachten für unbrauchbar gehalten. Auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins sei nicht eingegangen worden. Das Gutachten sei wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Dr. W werde wegen Befangenheit abgelehnt. Zumindest aber sei der vom Regelsatz nicht zu finanzierende Ernährungsmehrbedarf über § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auszugleichen. Es sei ein Gutachten eines Facharztes für Ernährungsmedizin, der idealerweise auch noch leitender Arzt eines Krankenhauses sei, einzuholen.
Nach Hinweis des Sozialgerichts unter auszugsweiser Zitierung aus den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins hat der Kläger gemeint, dass der Deutsche Verein ein Privatverein sei und nicht per se als Sachverständiger gelte. Auch habe das Bundesverfassungsgericht die Regelsätze nach dem SGB II für verfassungswidrig erklärt. Alsdann hat das Sozialgericht die Beteiligten mit Schreiben vom 17.12.2010 zur beabsichtigten Entscheidung durch den Gerichtsbescheid angehört. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Ich beabsichtige eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG. Die Voraussetzungen dafür liegen vor. Hiermit werden Sie dazu angehört. Eine etwaigen Stellungnahme wird binnen 4 Wochen entgegen gesehen".
Dieses Schreiben ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 22.12.2010 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 29.01.2011 hat er sich hierzu geäußert. Der Kläger hat gemeint, ein Gerichtsbescheid scheide derzeit aus, weil der Sachverhalt noch nicht genügend aufgeklärt sei. Die Regelsätze seien verfassungswidrig. Sollte das Gericht keine Amtsermittlungspflicht sehen, werde beantragt, durch Beweisbeschluss einen geeigneten Sachverständigen zu beauftragen, den notwendigen Regelsatz ab 01.01.2005 bis heute festzustellen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010. Es liege auch kein brauchbares Gutachten über den Mehrbedarf vor, so dass das Gericht gehalten sein dürfe, ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, wie bereits mit Schriftsatz vom 03.07.2009 beantragt. Ferner werde beantragt, das Gutachten Dr. W vom 12.04.2009 aus der Gerichtsakte zu entfernen. Das Anhörungsschreiben des Gerichts genüge auch nicht den Anforderungen an einer Anhörung im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG, da lediglich ein allgemeiner Hinweis erteilt worden sei. Die Anhörung müsse jedoch konkret und fallbezogen sein. Ein formularmäßiger Hinweis sei nicht ausreichend. Nach seiner Ansicht sei der Sachverhalt nur durch Beweisaufnahme und durch Sachverständige zu klären. Eine solche Beweisaufnahme könne vor der mündlichen Verhandlung und müsse vor Erlass eines Gerichtsbescheides erfolgen, wenn der Sachverhalt noch nicht - wie hier - geklärt sei. Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen und erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung (ZPO) zu berücksichtigen. Nach alledem hat der Kläger gemeint, es sollte jetzt (noch) kein Gerichtsbescheid ergehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.02.2011 hat das Sozialgericht ohne erneute Anhörung hierzu die Klage abgewiesen. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei möglich gewesen. Die Klage sei "zumindest unbegründet". Der Kläger habe keinen Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII. Hierzu stellten die Empfehlungen des Deutschen Vereins eine grundsätzlich geeignete und zutreffende Entscheidungsgrundlage dar. Nach den Erkrankungen des Klägers reiche Vollkost aus. Dies bestätige auch das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten. Vollkost sei auch aus dem Regelsatz finanzierbar. Zum mit Schriftsatz vom 03.07.2009 vom Kläger gegen den Sachverständigen Dr. W gestellten Befangenheitsantrag hat sich das Sozialgericht nicht geäußert.
Gegen das ihm am 12.02.2011 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 14.03.2011 (Montag) eingelegte Berufung, mit der der Bruder des Klägers eingehend zu der seines Erachtens gegebenen Prozessführungsbefugnis aufgrund der erteilten Vorsorgevollmacht ausführt. Mit weiterem Schriftsatz vom 21.12.2011 hat der Kläger weitere Bescheide betreffend den Zeitraum ab Januar 2010 übersandt, die Einholung eines "Ernährungs- und internistischen Gutachtens über den Bedarf des Klägers nach § 30 Abs. 5 SGB XII" beantragt und gemeint, der Sachverhalt sei nicht ausermittelt. Das Gutachten Dr. W sei nicht brauchbar. Mit weiterem Schriftsatz vom 21.12.2011 hat der Bruder des Klägers insbesondere zum aktuellen Gesundheitszustand des Klägers vorgetragen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07.02.2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Sozialgericht Münster zurückzuverweisen,
hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07.02.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des isoliert einen krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf ablehnenden Bescheides vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 sowie unter Abänderung des weiteren Bescheides vom 20.06.2008 sowie des Bescheides vom 21.06.2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008, zu verurteilen, ihm höhere Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, hilfsweise nach dem 3. Kapitel des SGB XII, für die Zeit vom 01.06.2008 bis zum 31.05.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden. Denn auf diese Möglichkeit war in der ordnungsgemäß und insbesondere rechtzeitig bewirkten Ladung hingewiesen worden. Ein erneuter diesbezüglicher Hinweis ist ferner vom Vorsitzenden mit Schreiben vom 21.12.2011 erteilt worden.
Der Kläger hat über seinen Bruder wirksam Leistungen nach dem SGB XII beantragt sowie gegen die hierauf ergangenen Entscheidungen wirksam Rechtsbehelfe und Rechtsmittel eingelegt. Sämtliche Verfahrenshandlungen sind nicht vom Kläger selbst, sondern von seinem Bruder vorgenommen worden. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind volljährige Familienangehörige vom Gericht vertretungsbefugt. Wer Familienangehöriger ist, bestimmt sich mit Blick auf § 15 der Abgabenordnung/AO (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u. a. 9. Auflage, 2008, Rn. 17 zu § 73 SGG). Geschwister sind in § 15 Abs. 1 Nr. 4 AO ausdrücklich genannt. Der Bruder ist damit vor Gericht vertretungsbefugt. Er konnte als Bevollmächtigter auch Anträge stellen und Widersprüche einlegen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X), zumal die Vollmacht ausdrücklich sowohl die Behörden- als auch für die Gerichtsvertretung erteilt worden ist. Es schadet auch nicht, dass dem Bruder diese Vollmacht als sogenannte Vorsorgevollmacht gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erteilt worden ist. Da jeder Volljährige grundsätzlich als geschäftsfähig anzusehen ist und Anlass zu Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Vollmachterteilung im September 2005 nicht besteht (dazu: Bieg in juris PK - BGB, 5. Auflage, 2010, Stand 15.04.2011, Rn. 52 zu § 1896 BGB), liegt auch eine wirksame Vollmacht vor. Die Vollmacht hat der Bruder sowohl vor dem Sozialgericht als auch vor dem Landessozialgericht schriftlich zu den Gerichtsakten (§ 73 Abs. 6 Satz 1 SGG) gereicht, was deshalb von Bedeutung ist, weil ein etwaiger Mangel der Vollmacht eines Nicht-Rechtsanwalts von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wäre (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG). Zur wirksamen schriftlichen Erteilung genügt ein Telefax (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 62), so dass auch die vorgelegte Kopie der Schriftform genügt.
Streitgegenstand dieses Verfahrens kann nicht isoliert die Zuerkennung eines krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs nach § 30 Abs. 5 SGB XII sein, wie das Sozialgericht zu Unrecht meint, weil der Mehrbedarf keinen abgrenzbaren Streitgegenstand darstellt, sondern Bestandteil der Regelleistung ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2011, Az.: B 14 AS 49/10 R, Rn. 13). Nicht Streitgegenstand sind damit aber jedenfalls die Unterkunftskosten. Unabhängig davon, dass der insoweit ("Heizkosten") vom Kläger am 02.09.2008 gegen den Bescheid vom 21.06.2009 eingelegte Widerspruch ohnehin verfristet ist, sind diese daher, da in anderen Verfügungssatz betreffend, nicht Streitgegenstand. Streitgegenstand ist vielmehr der Sache nach die Höhe der Regelleistung, die Höhe des zuerkannten Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, der Anspruch auf Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII dem Grunde und - gegebenenfalls - der Höhe nach sowie ein Anspruch auf etwaige Mehrbedarfe nach § 30 Abs. 2 bis 4 SGB XII. Von Vornherein nicht Streitgegenstand kann hingegen eine etwaiger Mehrbedarf nach § 30 Abs. 7 SGB XII sein, da diese Vorschrift erst seit dem 01.01.2011 gilt und daher den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht betrifft.
In der Ablehnung eines Mehrbedarfs ist eine Ablehnung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs zu sehen, die sich auf solche Bewilligungsabschnitte bezieht, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit lagen oder in der Gegenwart liegen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 14).
Die ausdrücklich den Mehrbedarf regelnden Behördenentscheidungen datieren vom 20.06.2008 und vom 26.08.2008. Gegenstand des Verfahrens sind damit neben dem Bescheid vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 auch diejenigen Bescheide, die die Bewilligung für Juni 2008 (weiterer Bescheid vom 20.06.2008) und ab Juli bis Oktober 2008 (ein neuer Bescheid ab November 2008 erging am 22.10.2008) betreffen, also der Bescheid vom 21.06.2008. Diese wiederum ergingen in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008. Da Verfahrensgegenstand weiterhin auch diejenigen Bescheide sind, die Regelungen auch für den Leistungsanspruch am 26.08.2008 und 25.09.2008 (Datum des Erlasses der Widerspruchsbescheide) treffen (vgl. dazu BSG, a.a.O., Rn. 15), sind somit Verfahrensgegenstand der Mehrbedarfsbescheid vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 sowie der Bewilligungsbescheid vom 20.06.2008 und der Bescheid vom 21.06.2008 in der Gestalt des - nach § 96 SGG Verfahrensgegenstand gewordenen - Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008. Da der Kläger aber nicht nur die Leistungshöhe für Juni bis Oktober 2008 angreift, sondern weiterhin meint, die Bewilligungen hätten für ein Jahr ausgesprochen werden müssen, begehrt er höhere Regelsätze für die Zeit vom 01.06.2008 bis zum 31.05.2009.
Mit diesem Begehren ist die Berufung statthaft. Zwar werden nicht Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Allerdings beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes mindestens 750,01 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Dies folgt daraus, dass nach § 30 Abs. 5 SGB XII ein Mehrbedarf "in angemessener Höhe" zu zahlen ist, dieser also durchaus in einem Jahr 750,01 EUR erreichen bzw. übersteigen kann. Die Berufung ist auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist ferner im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Der Senat hat ausnahmsweise von der in § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehenen Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht, weil der angefochtene Gerichtsbescheid gleich an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln leidet, auf denen die Entscheidung nicht nur beruhen kann, sondern nach der besonderen Eigenart der Mängel auch beruht.
Ein erster wesentlicher Verfahrensmangel liegt darin, dass das Sozialgericht den nach Zugang des Gutachtens am 08.05.2009 am 06.07.2009 gegen den Sachverständigen Dr. W gestellten Befangenheitsantrag übergangen hat, indem es hierüber weder vorab durch gesonderten Beschluss gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 4 ZPO noch - was unter Umständen ausreichend sein kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn. 12 m zu § 18 SGG) - im Gerichtsbescheid entschieden hat. Das Sozialgericht durfte den Befangenheitsantrag auch nicht übergehen. Denn es ist bereits in der Regel ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn der auf dem Befangenheitsantrag ergehende Beschluss nicht vor der Sachentscheidung erlassen wird (Keller, a.a.O., Rn. 12 m). Nichts Anderes kann gelten, wenn ein solcher Beschluss - wie hier - überhaupt nicht ergangen ist. Auch war das Gutachten aus Sicht des Sozialgerichts für seine Entscheidungsfindung nicht unerheblich (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.05.2000, Az.: B 1 KR 9/90 R, Rn. 11), weil das Sozialgericht sich (auch) hierauf im Urteil gestützt hat. Überdies hält der Kläger, der auch im Berufungsverfahren weiter vorträgt, ein fachkundiger Sachverständiger sei ihm bisher verwehrt worden und er nach wie vor die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt, an seinem Befangenheitsantrag fest. Da das Sozialgericht über den Antrag nicht (wenigstens) im Gerichtsbescheid, sondern gar nicht entschieden hat und der Befangenheitsantrag auch nicht erst vor dem Senat gestellt worden ist, ist der genannte Verfahrensmangel auch nicht durch eine Beschlussfassung des Senats heilbar (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 12 m a.E.).
Damit ist das Gutachten unverwertbar. Das Sozialgericht hat es aber dennoch verwertet.
Ein weiterer ganz wesentlicher Verfahrensmangel liegt darin, dass das Sozialgericht auf weiteres Vorbringen des Klägers diesen nicht erneut zum Gerichtsbescheid angehört hat mit der Folge, dass es nicht durch Gerichtsbescheid hätte entscheiden dürfen. Das Sozialgericht hat damit nicht nur eine falsche Entscheidungsform gewählt, sondern ist überdies auch noch falsch besetzt gewesen, indem es ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat.
Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG sind die Beteiligten vor Erlass des Gerichtsbescheides zu hören. Das Gericht muss danach den Beteiligten mitteilen, dass es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und dass sich die Beteiligten dazu äußern können (Leitherer, a.a.O., Rn. 10 zu § 105 SGG). Das den Beteiligten zunächst korrekterweise förmlich zugestellte (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) Anhörungsschreiben genügt zwar entgegen der Ansicht des Klägers diesen Anforderungen. Insbesondere genügt es, dass das Gericht lediglich mitgeteilt hat, es erwäge eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Zwar muss auf Tatsachen und Rechtsfragen, die bisher nicht erörtert worden sind, im Rahmen dieser Anhörung hingewiesen werden (Leitherer, a.a.O., Rn 10). Vorliegend bestand hierzu allerdings wegen des rechtlichen Hinweises des Sozialgerichts mit Schreiben vom 27.04.2010 kein Anlass.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt allerdings darin, dass das Sozialgericht nicht eine nochmalige Anhörungsmitteilung gefertigt und den Beteiligten zugestellt hat. Eine solche nochmalige Anhörungsmitteilung ist, aus der hervorgeht, dass das Sozialgericht unverändert eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt, ist erforderlich, wenn sich die Prozesssituation wesentlich ändert, was bei neuem Tatsachenvortrag oder dann der Fall sein kann, wenn ein Beteiligter einen Beweisantrag stellt (Leitherer, a.a.O., Rn. 11). Solche Beweisanträge aber hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.01.2011 gestellt. Und zwar hat er beantragt, durch Beweisbeschluss einen geeigneten Sachverständigen zu beauftragen, den notwendigen Regelsatz ab 01.01.2005 bis heute festzustellen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010. Auch hat er das Sozialgericht gehalten gesehen, ein neues Gutachten in Auftrag gegeben und hierzu weiter ausgeführt. Weiter hat der Kläger beantragt, das Gutachten Dr. W aus der Gerichtsakte zu entfernen. Zudem hat der Kläger die Anhörung nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG gerügt.
Das Sozialgericht war daher gehalten, eine neue Anhörungsmitteilung zu fertigen und den Beteiligten zuzustellen. Beides hat es unterlassen und damit das Gebot rechtlichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) verletzt. Damit hat das Sozialgericht mangels ordnungsgemäßer Anhörung das Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt und durfte nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden. Es hat verfahrensfehlerhaft im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden. Es hat damit den Kläger auch noch entgegen Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 seinem gesetzlichen Richter entzogen.
Angesichts dieser ganz erheblichen Verfahrensmängel hält es der Senat in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (dazu Keller, a.a.O., Rn. 5 ff. zu § 149 SGG) für geboten, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Sozialgericht Folgendes zu beachten haben:
Zwar wird nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Leistung in der Regel für 12 Kalendermonate bewilligt. Es handelt sich aber nicht um eine zwingende Vorschrift, wie die Formulierung "in der Regel" deutlich macht. Vor allem, wenn mögliche Änderungen im Bewilligungszeitraum wahrscheinlich sind, ist daher in kürzerer Zeit angezeigt, der auch nur einen Monat oder erforderlichenfalls auch nur ein oder mehrere Tage betragen kann (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, 3. Auflage, 2010, Rn. 1 zu § 44 SGB XII). Angesichts der vorliegend erfolgten Änderungen der Verhältnisse des Klägers während des streitbefangenen Zeitraums wird das Sozialgericht daher zu erwägen haben, ob dennoch ein Anspruch auf Bewilligung für ein Jahr bestand.
Den Regelsatz (für Alleinstehende) dürfte die Beklagte korrekt bemessen haben. Ebenso dürfte die Beklage den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII mit 59,67 EUR, was 17 v.H. des seinerzeitigen Regelsatzes für Alleinstehende entspricht, zutreffend berechnete haben. Mehrbedarfe nach § 30 Abs. 2 bis 4 SGB XII dürften nicht in Betracht kommen. Soweit der Kläger eine Erhöhung des Regelsatzes unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09 u.a.) begehrt, dürfte er hiermit schon deshalb nicht durchdringen, weil das Bundesverfassungsgericht nicht die Höhe der Regelleistung, sondern die Art ihrer Berechnung als verfassungswidrig angesehen hat. Überdies dürften hieraus höhere Leistungsansprüche für Zeiten vor dem 09.02.2010 ohnehin nicht hergeleitet werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24.03.2010 (Az.: 1 BvR 395/09) klargestellt hat.
Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII hat, wird das Sozialgericht zunächst den gegen den Sachverständigen Dr. W gestellten Befangenheitsantrag zu bescheiden haben. Überdies dürfte das Sozialgericht nach dem Urteil des BSG vom 10.05.2011 (Az.: B 4 AS 100/10 R) die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins als antizipierte Sachverständigengutachten zugrunde legen dürfen.
Des Weiteren dürfte eine Prüfung gemäß § 28 Abs. 2 SGB XII durchzuführen sein, ob der Kläger im streitigen Zeitraum einen tatsächlich höheren Bedarf hatte, der abweichend vom Regelsatz eine höhere Leistung gerechtfertigt hätte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 10.11.2011, Az.: B 8 SO 12/10 R).
Ob dem Kläger die Leistungen nach dem 4. statt nach dem 3. Kapitel zu erbringen waren, dürfte der Kläger jedenfalls nicht allein durch seinen Antrag, der auf Leistungen nach dem 4. Kapitel gerichtet war, bestimmen können. Wie der Kläger im Verwaltungsverfahren zu Recht vorgetragen hat, besteht nämlich kein Wahlrecht zwischen diesen Leistungen. Diese werden vielmehr, wie sich aus § 19 SGB XII ergibt, gewährt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Fraglich ist somit, ob die Leistungsvoraussetzungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII tatsächlich vorliegen, was eine dauerhafte volle Erwerbsminderung gemäß § 41 SGB XII voraussetzt. In diesem Zusammenhang wird das Sozialgericht auch das Gutachten Dr. B vom 14.05.2008 zu würdigen haben.
Das Sozialgericht wird im weiteren Verfahren bei der Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG).
Tatbestand:
Der 1955 geborene Kläger begehrt höhere Regelleistungen und meint insoweit, er habe Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 31 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 01.06.2008 bis 31.05. 2009.
Er bezog bis zum 31.05.2008 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 20.05.2008 hob die damalige ARGE N ihre letzte Bewilligungsentscheidung vom 02.04.2008, mit deren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung von 51,13 EUR gezahlt wurde, gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ganz auf, weil durch den zuständigen Amtsarzt festgestellt worden sei, dass das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mindestens 3 Stunden täglich umfasse. Hiergegen legte der Kläger unter Hinweis auf § 44 a SGB II rechtzeitig Widerspruch ein. Laut medizinischem Gutachten der Agentur für Münster vom 14.05.2008 (Dr. B) sei das Leistungsvermögen des Klägers voraussichtlich auf Dauer wegen einer ausgeprägten Herzmuskelschwäche aufgehoben.
Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin auf, einen Rentenantrag zu stellen. Dem kam er nach.
Am 28.05.2008 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, seinen Bruder M, für den Kläger bei der Beklagten ab dem 01.06.2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Mit schriftlicher Vollmacht vom 02.09.2008 bevollmächtigte der Kläger seinen Bruder als Vertrauensperson, ihn u. a. sowohl bei Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern als auch vor Gericht zu vertreten und dort Prozesshandlungen aller Art vorzunehmen. Die Vollmacht ist vom Kläger und seinem Bruder unterschrieben. Sie soll eine vom Gericht angeordnete Betreuung vermeiden.
Mit Schreiben vom 30.05.2008 forderte die Beklagte den Kläger u.a. auf, auch einen Antrag auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu stellen. Auch dem kam der Kläger am 04.06.2008 nach. Er legte eine dies befürwortende Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. U selben Tage vor, der dies mit den Diagnosen Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Hyperurikämie, Herzschwäche und Lebererkrankung begründete.
Den Antrag auf krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2008 separat ab, weil die Erkrankungen des Klägers einen solchen Mehrbedarf nicht verursachten.
Mit Bescheid vom 21.06.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem 3. Kapitel des SGB XII in Höhe von 780,29 EUR für Juli 2008 (31,00 EUR Regelsatz, 429,29 EUR Unterkunftskosten). Mit Bescheid vom 09.09.2008 wiederum stellte die Stadt Münster auf Antrag des Klägers vom 24.09.2007 einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 fest und erkannt ihm das Merkzeichen "G" zu. Daraufhin bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 22.10.2008 für November 2008 839,96 EUR, wobei die Erhöhung auf der Gewährung des 17-prozentigen Mehrbedarfs auf den Regelsatz (59,67 EUR) für Erwerbsunfähige mit dem Merkzeichen "G" zurückzuführen war. Aus diesem Bescheid ergibt sich, dass der genannte Mehrbedarf auch schon ab Juni 2008 zuerkannt war. Aus einem "Protokoll Sozialwesen" vom 20.06.2008 geht hervor, dass an diesem Tag ein Bescheid für Juni 2008 erstellt wurde. Im Bescheid vom 21.01.2009 für Februar 2009 war zusätzlich noch der Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ausgewiesen. Zudem waren die (übernommenen) Unterkunftskosten leicht gestiegen. Mit Bescheid vom 21.04.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für Mai 2009. Der Bescheid enthielt eine "Kürzung des RS um indiv. Prozentsatz" von 70,20 EUR. Sämtliche Bescheide enthielten den Hinweis, dass Leistungen, für die kein Ende-Datum festgesetzt worden sei, bei gleichbleibenden Verhältnissen für nachfolgende Zeiträume durch Zahlung weiter bewilligt würden.
Gegen den Bescheid vom 21.06.2008, betreffend die Bewilligung ab/für Juli 2008, legte der Kläger am 30.06.2008 Widerspruch ein und begehrte die Bewilligung von Leistungen nach dem 4. Kapitel (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) für ein Jahr ab dem 01.06.2008 sowie den krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf. Ein Antrag nach dem 3. Kapitel sei gar nicht gestellt worden.
Ebenfalls am 30.06.2008 legte der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung von krankheitsbedingtem Ernährungsmehrbedarf mit Bescheid vom 20.06.2008 ein. Es seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins heranzuziehen. Die Stellungnahme des Hausarztes bestätige den geltend gemachten Mehrbedarf.
Mit Bescheid vom 26.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den den Ernährungsmehrbedarf ablehnenden Bescheid vom 20.06.2008 zurück und führte aus, hier gehe es nur um den Ernährungsmehrbedarf. Ob dem Kläger Leistungen nach dem 3. oder nach dem 4. Kapitel zustünden, habe man in einem separaten Widerspruchsverfahren geklärt. Hinsichtlich des begehrten Mehrbedarfs richte man sich nach den Empfehlungen der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf und dem dort entwickelten Begutachtungsleitfaden. Die anhand dessen erfolgte Überprüfung durch das Gesundheitsamt der Beklagte habe keinen Mehrbedarf ergeben. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins datierten aus dem Jahre 1997 und beruhten auf Gutachten aus den Jahren von 1991 bis 1996. Sie seien daher veraltet.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 25.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die monatliche Weiterbewilligung der Sozialhilfeleistungen mit Bescheid vom 21.06.2008 zurück. Leistungen nach dem 4. Kapitel setzten gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII bei dem 1955 geborenen Kläger eine volle Erwerbsminderung auf Dauer voraus. Insoweit sei sie, die Beklagte, gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 SGB XII an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gebunden. Dieser sei gemäß § 43 Abs. 2 SGB XII diesbezüglich um Prüfung zu ersuchen. Da der Kläger aber Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt habe, erübrige sich ein solches Ersuchen. Dieses Verfahren laufe. Solange das der Fall sei, fehle es an einer verbindlichen Feststellung dazu, ob der Kläger zum nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis gehöre, so dass Leistungen nach dem 4. Kapitel derzeit nicht gewährt werden könnten, sondern die demgegenüber gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nachrangigen Leistungen nach dem 3. Kapitel erbracht würden. Die in § 44 a Abs. 1 SGB II enthaltene Option, von Seiten der Beklagten den Feststellungen der Bundesagentur für Arbeit zur Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 SGB II zu widersprechen, komme nicht in Betracht, weil die hierfür erforderlichen - ernsthaften - Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen nicht bestünden.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 26.08.2008 hat der Kläger über seinen Bruder unter Vorlage der Vorsorgevollmacht vom 28.08.2008 Klage erhoben mit dem Begehren, über den Mehrbedarf nach dem 4. Kapitel des SGB XII für ein Jahr zu entscheiden.
Das Sozialgericht hat das Begehren in dem von ihm erlassenen Gerichtsbescheid so verstanden, dass der Kläger beantragt habe,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 zu verurteilen, ihm ab dem 01.06.2008 bis zum 31.05.2009 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Dr. W (praktischer Arzt, Ernährungsmediziner und Urologe) angefordert, welches dieser aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers vom 22.01.2009 am 12.04.2009 erstellt hat. Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen.
Der Kläger hat das Gutachten für unbrauchbar gehalten. Auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins sei nicht eingegangen worden. Das Gutachten sei wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Dr. W werde wegen Befangenheit abgelehnt. Zumindest aber sei der vom Regelsatz nicht zu finanzierende Ernährungsmehrbedarf über § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII auszugleichen. Es sei ein Gutachten eines Facharztes für Ernährungsmedizin, der idealerweise auch noch leitender Arzt eines Krankenhauses sei, einzuholen.
Nach Hinweis des Sozialgerichts unter auszugsweiser Zitierung aus den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins hat der Kläger gemeint, dass der Deutsche Verein ein Privatverein sei und nicht per se als Sachverständiger gelte. Auch habe das Bundesverfassungsgericht die Regelsätze nach dem SGB II für verfassungswidrig erklärt. Alsdann hat das Sozialgericht die Beteiligten mit Schreiben vom 17.12.2010 zur beabsichtigten Entscheidung durch den Gerichtsbescheid angehört. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Ich beabsichtige eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG. Die Voraussetzungen dafür liegen vor. Hiermit werden Sie dazu angehört. Eine etwaigen Stellungnahme wird binnen 4 Wochen entgegen gesehen".
Dieses Schreiben ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 22.12.2010 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 29.01.2011 hat er sich hierzu geäußert. Der Kläger hat gemeint, ein Gerichtsbescheid scheide derzeit aus, weil der Sachverhalt noch nicht genügend aufgeklärt sei. Die Regelsätze seien verfassungswidrig. Sollte das Gericht keine Amtsermittlungspflicht sehen, werde beantragt, durch Beweisbeschluss einen geeigneten Sachverständigen zu beauftragen, den notwendigen Regelsatz ab 01.01.2005 bis heute festzustellen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010. Es liege auch kein brauchbares Gutachten über den Mehrbedarf vor, so dass das Gericht gehalten sein dürfe, ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, wie bereits mit Schriftsatz vom 03.07.2009 beantragt. Ferner werde beantragt, das Gutachten Dr. W vom 12.04.2009 aus der Gerichtsakte zu entfernen. Das Anhörungsschreiben des Gerichts genüge auch nicht den Anforderungen an einer Anhörung im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG, da lediglich ein allgemeiner Hinweis erteilt worden sei. Die Anhörung müsse jedoch konkret und fallbezogen sein. Ein formularmäßiger Hinweis sei nicht ausreichend. Nach seiner Ansicht sei der Sachverhalt nur durch Beweisaufnahme und durch Sachverständige zu klären. Eine solche Beweisaufnahme könne vor der mündlichen Verhandlung und müsse vor Erlass eines Gerichtsbescheides erfolgen, wenn der Sachverhalt noch nicht - wie hier - geklärt sei. Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verpflichte das Gericht, die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen und erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung (ZPO) zu berücksichtigen. Nach alledem hat der Kläger gemeint, es sollte jetzt (noch) kein Gerichtsbescheid ergehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.02.2011 hat das Sozialgericht ohne erneute Anhörung hierzu die Klage abgewiesen. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei möglich gewesen. Die Klage sei "zumindest unbegründet". Der Kläger habe keinen Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII. Hierzu stellten die Empfehlungen des Deutschen Vereins eine grundsätzlich geeignete und zutreffende Entscheidungsgrundlage dar. Nach den Erkrankungen des Klägers reiche Vollkost aus. Dies bestätige auch das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten. Vollkost sei auch aus dem Regelsatz finanzierbar. Zum mit Schriftsatz vom 03.07.2009 vom Kläger gegen den Sachverständigen Dr. W gestellten Befangenheitsantrag hat sich das Sozialgericht nicht geäußert.
Gegen das ihm am 12.02.2011 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 14.03.2011 (Montag) eingelegte Berufung, mit der der Bruder des Klägers eingehend zu der seines Erachtens gegebenen Prozessführungsbefugnis aufgrund der erteilten Vorsorgevollmacht ausführt. Mit weiterem Schriftsatz vom 21.12.2011 hat der Kläger weitere Bescheide betreffend den Zeitraum ab Januar 2010 übersandt, die Einholung eines "Ernährungs- und internistischen Gutachtens über den Bedarf des Klägers nach § 30 Abs. 5 SGB XII" beantragt und gemeint, der Sachverhalt sei nicht ausermittelt. Das Gutachten Dr. W sei nicht brauchbar. Mit weiterem Schriftsatz vom 21.12.2011 hat der Bruder des Klägers insbesondere zum aktuellen Gesundheitszustand des Klägers vorgetragen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07.02.2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Sozialgericht Münster zurückzuverweisen,
hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 07.02.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des isoliert einen krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarf ablehnenden Bescheides vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 sowie unter Abänderung des weiteren Bescheides vom 20.06.2008 sowie des Bescheides vom 21.06.2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008, zu verurteilen, ihm höhere Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, hilfsweise nach dem 3. Kapitel des SGB XII, für die Zeit vom 01.06.2008 bis zum 31.05.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden. Denn auf diese Möglichkeit war in der ordnungsgemäß und insbesondere rechtzeitig bewirkten Ladung hingewiesen worden. Ein erneuter diesbezüglicher Hinweis ist ferner vom Vorsitzenden mit Schreiben vom 21.12.2011 erteilt worden.
Der Kläger hat über seinen Bruder wirksam Leistungen nach dem SGB XII beantragt sowie gegen die hierauf ergangenen Entscheidungen wirksam Rechtsbehelfe und Rechtsmittel eingelegt. Sämtliche Verfahrenshandlungen sind nicht vom Kläger selbst, sondern von seinem Bruder vorgenommen worden. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind volljährige Familienangehörige vom Gericht vertretungsbefugt. Wer Familienangehöriger ist, bestimmt sich mit Blick auf § 15 der Abgabenordnung/AO (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u. a. 9. Auflage, 2008, Rn. 17 zu § 73 SGG). Geschwister sind in § 15 Abs. 1 Nr. 4 AO ausdrücklich genannt. Der Bruder ist damit vor Gericht vertretungsbefugt. Er konnte als Bevollmächtigter auch Anträge stellen und Widersprüche einlegen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X), zumal die Vollmacht ausdrücklich sowohl die Behörden- als auch für die Gerichtsvertretung erteilt worden ist. Es schadet auch nicht, dass dem Bruder diese Vollmacht als sogenannte Vorsorgevollmacht gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erteilt worden ist. Da jeder Volljährige grundsätzlich als geschäftsfähig anzusehen ist und Anlass zu Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Vollmachterteilung im September 2005 nicht besteht (dazu: Bieg in juris PK - BGB, 5. Auflage, 2010, Stand 15.04.2011, Rn. 52 zu § 1896 BGB), liegt auch eine wirksame Vollmacht vor. Die Vollmacht hat der Bruder sowohl vor dem Sozialgericht als auch vor dem Landessozialgericht schriftlich zu den Gerichtsakten (§ 73 Abs. 6 Satz 1 SGG) gereicht, was deshalb von Bedeutung ist, weil ein etwaiger Mangel der Vollmacht eines Nicht-Rechtsanwalts von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wäre (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG). Zur wirksamen schriftlichen Erteilung genügt ein Telefax (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 62), so dass auch die vorgelegte Kopie der Schriftform genügt.
Streitgegenstand dieses Verfahrens kann nicht isoliert die Zuerkennung eines krankheitsbedingten Ernährungsmehrbedarfs nach § 30 Abs. 5 SGB XII sein, wie das Sozialgericht zu Unrecht meint, weil der Mehrbedarf keinen abgrenzbaren Streitgegenstand darstellt, sondern Bestandteil der Regelleistung ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2011, Az.: B 14 AS 49/10 R, Rn. 13). Nicht Streitgegenstand sind damit aber jedenfalls die Unterkunftskosten. Unabhängig davon, dass der insoweit ("Heizkosten") vom Kläger am 02.09.2008 gegen den Bescheid vom 21.06.2009 eingelegte Widerspruch ohnehin verfristet ist, sind diese daher, da in anderen Verfügungssatz betreffend, nicht Streitgegenstand. Streitgegenstand ist vielmehr der Sache nach die Höhe der Regelleistung, die Höhe des zuerkannten Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII, der Anspruch auf Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII dem Grunde und - gegebenenfalls - der Höhe nach sowie ein Anspruch auf etwaige Mehrbedarfe nach § 30 Abs. 2 bis 4 SGB XII. Von Vornherein nicht Streitgegenstand kann hingegen eine etwaiger Mehrbedarf nach § 30 Abs. 7 SGB XII sein, da diese Vorschrift erst seit dem 01.01.2011 gilt und daher den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht betrifft.
In der Ablehnung eines Mehrbedarfs ist eine Ablehnung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs zu sehen, die sich auf solche Bewilligungsabschnitte bezieht, die zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit lagen oder in der Gegenwart liegen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 14).
Die ausdrücklich den Mehrbedarf regelnden Behördenentscheidungen datieren vom 20.06.2008 und vom 26.08.2008. Gegenstand des Verfahrens sind damit neben dem Bescheid vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 auch diejenigen Bescheide, die die Bewilligung für Juni 2008 (weiterer Bescheid vom 20.06.2008) und ab Juli bis Oktober 2008 (ein neuer Bescheid ab November 2008 erging am 22.10.2008) betreffen, also der Bescheid vom 21.06.2008. Diese wiederum ergingen in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008. Da Verfahrensgegenstand weiterhin auch diejenigen Bescheide sind, die Regelungen auch für den Leistungsanspruch am 26.08.2008 und 25.09.2008 (Datum des Erlasses der Widerspruchsbescheide) treffen (vgl. dazu BSG, a.a.O., Rn. 15), sind somit Verfahrensgegenstand der Mehrbedarfsbescheid vom 20.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2008 sowie der Bewilligungsbescheid vom 20.06.2008 und der Bescheid vom 21.06.2008 in der Gestalt des - nach § 96 SGG Verfahrensgegenstand gewordenen - Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008. Da der Kläger aber nicht nur die Leistungshöhe für Juni bis Oktober 2008 angreift, sondern weiterhin meint, die Bewilligungen hätten für ein Jahr ausgesprochen werden müssen, begehrt er höhere Regelsätze für die Zeit vom 01.06.2008 bis zum 31.05.2009.
Mit diesem Begehren ist die Berufung statthaft. Zwar werden nicht Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Allerdings beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes mindestens 750,01 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Dies folgt daraus, dass nach § 30 Abs. 5 SGB XII ein Mehrbedarf "in angemessener Höhe" zu zahlen ist, dieser also durchaus in einem Jahr 750,01 EUR erreichen bzw. übersteigen kann. Die Berufung ist auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist ferner im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet. Der Senat hat ausnahmsweise von der in § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehenen Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch gemacht, weil der angefochtene Gerichtsbescheid gleich an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln leidet, auf denen die Entscheidung nicht nur beruhen kann, sondern nach der besonderen Eigenart der Mängel auch beruht.
Ein erster wesentlicher Verfahrensmangel liegt darin, dass das Sozialgericht den nach Zugang des Gutachtens am 08.05.2009 am 06.07.2009 gegen den Sachverständigen Dr. W gestellten Befangenheitsantrag übergangen hat, indem es hierüber weder vorab durch gesonderten Beschluss gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 406 Abs. 4 ZPO noch - was unter Umständen ausreichend sein kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn. 12 m zu § 18 SGG) - im Gerichtsbescheid entschieden hat. Das Sozialgericht durfte den Befangenheitsantrag auch nicht übergehen. Denn es ist bereits in der Regel ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn der auf dem Befangenheitsantrag ergehende Beschluss nicht vor der Sachentscheidung erlassen wird (Keller, a.a.O., Rn. 12 m). Nichts Anderes kann gelten, wenn ein solcher Beschluss - wie hier - überhaupt nicht ergangen ist. Auch war das Gutachten aus Sicht des Sozialgerichts für seine Entscheidungsfindung nicht unerheblich (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.05.2000, Az.: B 1 KR 9/90 R, Rn. 11), weil das Sozialgericht sich (auch) hierauf im Urteil gestützt hat. Überdies hält der Kläger, der auch im Berufungsverfahren weiter vorträgt, ein fachkundiger Sachverständiger sei ihm bisher verwehrt worden und er nach wie vor die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt, an seinem Befangenheitsantrag fest. Da das Sozialgericht über den Antrag nicht (wenigstens) im Gerichtsbescheid, sondern gar nicht entschieden hat und der Befangenheitsantrag auch nicht erst vor dem Senat gestellt worden ist, ist der genannte Verfahrensmangel auch nicht durch eine Beschlussfassung des Senats heilbar (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 12 m a.E.).
Damit ist das Gutachten unverwertbar. Das Sozialgericht hat es aber dennoch verwertet.
Ein weiterer ganz wesentlicher Verfahrensmangel liegt darin, dass das Sozialgericht auf weiteres Vorbringen des Klägers diesen nicht erneut zum Gerichtsbescheid angehört hat mit der Folge, dass es nicht durch Gerichtsbescheid hätte entscheiden dürfen. Das Sozialgericht hat damit nicht nur eine falsche Entscheidungsform gewählt, sondern ist überdies auch noch falsch besetzt gewesen, indem es ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat.
Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG sind die Beteiligten vor Erlass des Gerichtsbescheides zu hören. Das Gericht muss danach den Beteiligten mitteilen, dass es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid in Betracht zieht und dass sich die Beteiligten dazu äußern können (Leitherer, a.a.O., Rn. 10 zu § 105 SGG). Das den Beteiligten zunächst korrekterweise förmlich zugestellte (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) Anhörungsschreiben genügt zwar entgegen der Ansicht des Klägers diesen Anforderungen. Insbesondere genügt es, dass das Gericht lediglich mitgeteilt hat, es erwäge eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Zwar muss auf Tatsachen und Rechtsfragen, die bisher nicht erörtert worden sind, im Rahmen dieser Anhörung hingewiesen werden (Leitherer, a.a.O., Rn 10). Vorliegend bestand hierzu allerdings wegen des rechtlichen Hinweises des Sozialgerichts mit Schreiben vom 27.04.2010 kein Anlass.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt allerdings darin, dass das Sozialgericht nicht eine nochmalige Anhörungsmitteilung gefertigt und den Beteiligten zugestellt hat. Eine solche nochmalige Anhörungsmitteilung ist, aus der hervorgeht, dass das Sozialgericht unverändert eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt, ist erforderlich, wenn sich die Prozesssituation wesentlich ändert, was bei neuem Tatsachenvortrag oder dann der Fall sein kann, wenn ein Beteiligter einen Beweisantrag stellt (Leitherer, a.a.O., Rn. 11). Solche Beweisanträge aber hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.01.2011 gestellt. Und zwar hat er beantragt, durch Beweisbeschluss einen geeigneten Sachverständigen zu beauftragen, den notwendigen Regelsatz ab 01.01.2005 bis heute festzustellen unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010. Auch hat er das Sozialgericht gehalten gesehen, ein neues Gutachten in Auftrag gegeben und hierzu weiter ausgeführt. Weiter hat der Kläger beantragt, das Gutachten Dr. W aus der Gerichtsakte zu entfernen. Zudem hat der Kläger die Anhörung nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG gerügt.
Das Sozialgericht war daher gehalten, eine neue Anhörungsmitteilung zu fertigen und den Beteiligten zuzustellen. Beides hat es unterlassen und damit das Gebot rechtlichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) verletzt. Damit hat das Sozialgericht mangels ordnungsgemäßer Anhörung das Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt und durfte nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden. Es hat verfahrensfehlerhaft im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGG) entschieden. Es hat damit den Kläger auch noch entgegen Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 seinem gesetzlichen Richter entzogen.
Angesichts dieser ganz erheblichen Verfahrensmängel hält es der Senat in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (dazu Keller, a.a.O., Rn. 5 ff. zu § 149 SGG) für geboten, die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Sozialgericht Folgendes zu beachten haben:
Zwar wird nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Leistung in der Regel für 12 Kalendermonate bewilligt. Es handelt sich aber nicht um eine zwingende Vorschrift, wie die Formulierung "in der Regel" deutlich macht. Vor allem, wenn mögliche Änderungen im Bewilligungszeitraum wahrscheinlich sind, ist daher in kürzerer Zeit angezeigt, der auch nur einen Monat oder erforderlichenfalls auch nur ein oder mehrere Tage betragen kann (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, 3. Auflage, 2010, Rn. 1 zu § 44 SGB XII). Angesichts der vorliegend erfolgten Änderungen der Verhältnisse des Klägers während des streitbefangenen Zeitraums wird das Sozialgericht daher zu erwägen haben, ob dennoch ein Anspruch auf Bewilligung für ein Jahr bestand.
Den Regelsatz (für Alleinstehende) dürfte die Beklagte korrekt bemessen haben. Ebenso dürfte die Beklage den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII mit 59,67 EUR, was 17 v.H. des seinerzeitigen Regelsatzes für Alleinstehende entspricht, zutreffend berechnete haben. Mehrbedarfe nach § 30 Abs. 2 bis 4 SGB XII dürften nicht in Betracht kommen. Soweit der Kläger eine Erhöhung des Regelsatzes unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09 u.a.) begehrt, dürfte er hiermit schon deshalb nicht durchdringen, weil das Bundesverfassungsgericht nicht die Höhe der Regelleistung, sondern die Art ihrer Berechnung als verfassungswidrig angesehen hat. Überdies dürften hieraus höhere Leistungsansprüche für Zeiten vor dem 09.02.2010 ohnehin nicht hergeleitet werden können. Wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24.03.2010 (Az.: 1 BvR 395/09) klargestellt hat.
Hinsichtlich der Frage, ob der Kläger Anspruch auf den Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII hat, wird das Sozialgericht zunächst den gegen den Sachverständigen Dr. W gestellten Befangenheitsantrag zu bescheiden haben. Überdies dürfte das Sozialgericht nach dem Urteil des BSG vom 10.05.2011 (Az.: B 4 AS 100/10 R) die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins als antizipierte Sachverständigengutachten zugrunde legen dürfen.
Des Weiteren dürfte eine Prüfung gemäß § 28 Abs. 2 SGB XII durchzuführen sein, ob der Kläger im streitigen Zeitraum einen tatsächlich höheren Bedarf hatte, der abweichend vom Regelsatz eine höhere Leistung gerechtfertigt hätte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 10.11.2011, Az.: B 8 SO 12/10 R).
Ob dem Kläger die Leistungen nach dem 4. statt nach dem 3. Kapitel zu erbringen waren, dürfte der Kläger jedenfalls nicht allein durch seinen Antrag, der auf Leistungen nach dem 4. Kapitel gerichtet war, bestimmen können. Wie der Kläger im Verwaltungsverfahren zu Recht vorgetragen hat, besteht nämlich kein Wahlrecht zwischen diesen Leistungen. Diese werden vielmehr, wie sich aus § 19 SGB XII ergibt, gewährt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Fraglich ist somit, ob die Leistungsvoraussetzungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII tatsächlich vorliegen, was eine dauerhafte volle Erwerbsminderung gemäß § 41 SGB XII voraussetzt. In diesem Zusammenhang wird das Sozialgericht auch das Gutachten Dr. B vom 14.05.2008 zu würdigen haben.
Das Sozialgericht wird im weiteren Verfahren bei der Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG auch über die Kosten der Berufung zu befinden haben.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG).
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