L 8 LW 3/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 LW 3/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 3/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.5.2009 geändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit eine Rente wegen Erwerbsminderung bis zum 31.5.2009 begehrt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen kann.

Der am 00.00.1942 geborene Kläger betrieb seit 1970 einen Gartenbaubetrieb (Anbau und Produktion von Calla-Kulturen) mit Unterglasflächen von 0,32 ha, Folientunneln von 0,16 ha sowie Grünland von 0,50 ha. Er war als landwirtschaftlicher Unternehmer seit dem 1.11.1970 bei der Beklagten versichert. Seinen Gartenbaubetrieb betrieb er bis zur Stilllegung am 26.5.2009. Seit dem 1.6.2009 erhält er von der Beklagten eine Regelaltersrente (Bescheid vom 20.4.2010).

Am 9.6.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 12.9.2006 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Kläger zwar seit Antragstellung voll erwerbsgemindert sei, eine Rentengewährung jedoch nicht in Betracht komme, da er sein Unternehmen der Landwirtschaft nicht abgegeben habe.

Dagegen erhob der Kläger am 11.10.2006 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass bei ihm eine Betriebsabgabe im Sinne des Gesetzes zur Alterssicherung der Landwirte (ALG) vorliege. Denn die landwirtschaftliche Nutzung seines Gartenbaubetriebes auf eigenes Risiko und auf eine längere Dauer sei ihm wegen der Grundwassererhöhung der O unmöglich gemacht worden. Er führe den Betrieb nur wegen des noch stattfindenden Beweissicherungsverfahrens im Hinblick auf zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen den O-verband. Es sei damit davon auszugehen, dass sein Betrieb "ruhe".

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.1.2007 zurück. Darin führte sie erneut aus, dass eine Voraussetzung für eine Rentenbewilligung die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens darstelle. Zu den landwirtschaftlichen Unternehmen im Sinne des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) zählten gemäß § 1 Abs. 4 ALG auch Unternehmen des Gartenbaus. Gartenbaulich genutzte Flächen würden auch als landwirtschaftlich genutzte Flächen gelten. Die gesetzlichen Anforderungen an eine Unternehmensabgabe seien in § 21 ALG genannt. Der Landwirt müsse sich prinzipiell endgültig von seinem Unternehmen trennen. Der Kläger habe nicht die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ALG erfüllt. Darüber hinaus sei er weder aus vertraglichen noch aus tatsächlichen Gründen auf längere Dauer daran gehindert, sein landwirtschaftliches Unternehmen auf eigenes Risiko zu nutzen. Die Gründe, die ihn unter Umständen an einer Stilllegung bzw. einer Abgabe an Dritte oder an die Ehefrau hinderten und eine Beibehaltung und Pflege der Calla-Stauden erforderten, könnten nicht dazu führen, dass die Unternehmensabgabe als im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ALG (Unmöglichkeit der landwirtschaftliches Nutzung auf eigenes Risiko auf längere Zeit "in ähnlicher Weise") bewirkt anzusehen sei. Der Kläger sei unabhängig von der Bilanz seines Betriebes weiterhin landwirtschaftlicher Unternehmer.

Der Kläger hat dagegen am 25.1.2007 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung seines Gartenbaubetriebes mit Calla-Kulturen faktisch nicht mehr möglich sei. Nur wegen des Schadenersatzprozesses gegen den O-verband und des Beweissicherungs-verfahrens werde noch ein kleiner Teil notdürftig weiter betrieben. Unter diesen Umständen könne auch sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht verpachtet werden. Der Sachverständige T habe in seinem Gutachten vom 4.3.2003 (erstellt im selbstständigen Beweissicherungsverfahren 2 OH 2/00 des Landgerichts -LG- Krefeld) abschließend unter Punkt 5.5. ausgeführt, dass die Grenze der Existenzgefährdung bei seinem, des Klägers, Betrieb vor Jahren überschritten worden sei. Der Betrieb lebe zurzeit von der Substanz und sei bei den momentanen Verhältnissen der Produktionsumstände im Kern bankrott. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er keine Gewinnerzielungsabsicht. Das zurzeit anhängige selbständige Beweissicherungsverfahren diene zur Vorbereitung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.1.2007 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1.6.2006 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass der Kläger entgegen seinem Vortrag die Calla-Kulturen gerade mit der Absicht der Gewinnerzielung erzeuge. Ansonsten bestehe ein Widerspruch zu dem Anspruch auf Schadenersatz im zivilrechtlichen Verfahren. Im Übrigen lasse sich dem gesamten Vortrag des Klägers entnehmen, dass der Betrieb weiterhin bewirtschaftet werde, auch wenn die Umsätze nicht in der Höhe erzielt werden könnten, die der Kläger sich vorgestellt habe. Die landwirtschaftliche Nutzung sei daher nicht unmöglich.

Mit Urteil vom 26.5.2009 hat das SG Düsseldorf die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.1.2007 verurteilt, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 1.6.2006 zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihr am 10.8.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4.9.2009 Berufung eingelegt. Der Kläger erreiche allein mit der (unbeheizten) Unterglasfläche 213,33 % der Mindestgröße nach § 1 Abs. 5 ALG. Er sei nicht aus Rechtsgründen an der Nutzung des Unternehmens gehindert, denn er sei nach wie vor Eigentümer und Besitzer der maßgeblichen Flächen. Auch aus tatsächlichen Gründen sei die Nutzung nicht unmöglich, weil weiterhin sowohl im Gewächshaus als auch in den Folientunneln landwirtschaftliche Produktion erfolge. Es lägen zudem weder vertragliche noch tatsächliche Gründe vor, die den Kläger daran hinderten, das landwirtschaftliche Unternehmen auf eigenes Risiko grundsätzlich zu nutzen. Derartige Gründe gingen auch aus den diversen in Zivilverfahren eingeholten Gutachten nicht hervor. Im Übrigen habe der Kläger mit Schreiben vom 21.8.2006 selbst angegeben, er wolle den Zustand des Betriebes solange beibehalten, bis die für ihn nachteilige Grundwassersituation auf das Bemessungsmaß zurückgeführt sei, das Planungsgrundlage für die Ansiedlung seines Betriebs gewesen sei. Die Frage der Gewinnerzielungsabsicht spiele im Zusammenhang mit der Betriebsabgabe keine Rolle. Im Übrigen werde der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers auch vom Finanzamt als solcher geführt. Die Einnahmen bzw. Verluste wirkten sich also steuerlich aus, so dass auch steuerlich kein Liebhaberbetrieb vorliege. Der Kläger verkenne die Definition der Unmöglichkeit der landwirtschaftlichen Nutzung. Darunter verstehe man z. B. die Entwidmung landwirtschaftlicher Flächen, z. B. durch Umänderung in Bauland oder eine außerlandwirtschaftliche Nutzung. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.5.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er habe sein Unternehmen jedenfalls seit Rentenantragstellung abgegeben. Es sei ihm aus Gründen, die er nicht zu vertreten gehabt habe, nicht mehr möglich gewesen, seinen Gartenbaubetrieb auf längere Dauer auf eigenes Risiko zu bewirtschaften. Das SG habe sich zu Recht auf das Gutachten des Sachverständigen T vom 4.3.2003 bezogen. An den dort beschriebenen Zuständen habe sich auch in den Folgejahren nichts geändert. Der Sachverständige T habe zudem in seinem Gutachten vom 9.3.2009 (erstellt in 2 OH 2/00 LG Krefeld) ermittelt, dass er - der Kläger - folgende Erträge aus Schnittcalla in den Jahren 2006 bis 2008 erzielt habe:

2006 - 3.629,50 EUR
2007 - 7.443,90 EUR
2008 - 4.165,25 EUR

Bei einer regulären Bewirtschaftung hätte er nach den Ermittlungen des Sachverständigen stattdessen folgende Erträge aus der bewirtschafteten Fläche erzielt:

2006 - 241.352,00 EUR
2007 - 235.197,00 EUR
2008 - 229.035,00 EUR

Diese Zahlen verdeutlichten, dass es ihm - dem Kläger - durch die Vernässungshandlungen des O-verbandes unmöglich gewesen sei, seinen Gartenbaubetrieb auf längere Dauer auf eigenes Risiko zu bewirtschaften. Er habe nur für die Dauer des selbstständigen Beweisverfahrens aus Beweisgründen in den vernässten Flächen Calla angebaut. und die daraus erzielten geringfügigen Callastielmengen in den Jahren 2006 bis 2008 nur deshalb vermarktet, weil er sich gegenüber dem O-verband mit Blick auf den anstehenden Schadenersatzprozess zur Schadenminderung verpflichtet gesehen habe. Im Jahr 2009 habe er keine vermarktungsfähigen Blütenstiele mehr ernten können. Es sei völlig klar gewesen - und durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. C vom 28.12.2007 (erstellt in 2 OH 2/00 LG Krefeld) auch bestätigt -, dass die Bewirtschaftung der vernässten Flächen sinnlos gewesen sei und ein Unternehmen auf diesen Flächen nicht mehr habe geführt werden können. Die vom Sachverständigen Dr. T ermittelten Ertragszahlen hätten dies bestätigt. Es treffe zu, dass er seinen Betrieb beim Finanzamt nicht abgemeldet habe. Tatsächlich habe er die geringen Einnahmen, die er zur Schadensminderung erzielt habe, steuerlich erklären müssen und sei deshalb daran gehindert gewesen, den Betrieb abzumelden. Es habe jedoch ab dem Jahr 2006 kein Unternehmen mehr gegeben, das er entsprechend den von der Beklagten aufgezeigten Möglichkeiten an seine Ehefrau hätte abgeben können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogen Verfahrensakten 2 OH 2/00 des LG Krefeld, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet (I.), teilweise unbegründet (II.).

I.

Die Beklagte hat zu Recht den Antrag des Klägers auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vor dem 1.6.2009 abgelehnt. Der Bescheid vom 12.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.1.2007 ist insoweit formell und materiell rechtmäßig.

Die Beklagte hat als gem. §§ 49, 50 ALG zuständiger Versicherungsträger entschieden. Ihre sachliche Zuständigkeit gem. § 49 ALG hat sich von der Zuständigkeit der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft NRW für das Unternehmen des Klägers abgeleitet. Eine Überweisung gem. § 136 Abs. 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch an die Gartenbau-BG ist nicht erfolgt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vor dem 1.6.2009. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 ALG haben Landwirte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn

1. sie teilweise erwerbsgemindert nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind,

2. sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse gezahlt haben,

3. sie vor Eintritt der Erwerbsminderung die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben und

4. das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.

Landwirte haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert nach § 43 SGB VI und die sonstigen Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 ALG). Voll erwerbsgemindert ist nicht, wer Landwirt nach § 1 Abs. 3 ALG ist (§ 13 Abs. 1 Satz 3 ALG).

Der Kläger ist zwar unstreitig voll erwerbsgemindert i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 ALG und erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (3/5-Belegung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ALG, 5-jährige Wartezeit gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ALG). Allerdings hat er sein Unternehmen nicht vor dem 26.5.2009 gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ALG abgegeben.

Die Voraussetzungen der Abgabe sind in § 21 ALG geregelt. Nach § 21 Abs. 7 i.V.m. § 84 Abs. 5 ALG gilt ein Unternehmen der Landwirtschaft auch dann als abgegeben, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 v.H. der von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgelegten Mindestgröße nicht überschreitet. Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen der Abgabe vor dem 26.5.2009 nicht.

Die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erfordert nach § 21 Abs. 1 ALG grundsätzlich die Übertragung des Eigentums an den genutzten Flächen. Dem stehen nach § 21 Abs. 2 und 4 ALG Tatbestände gleich, die eine langjährige Unmöglichkeit, Flächen landwirtschaftlich zu nutzen, umschreiben. Weitere der Abgabe gleichgestellte Tatbestände enthalten § 21 Abs. 5 bis 7 ALG.

Der Kläger ist unverändert Eigentümer (§ 21 Abs. 1 ALG). Er hat die von ihm landwirtschaftlich genutzten Flächen weder verpachtet noch mit einem Nießbrauch belastet (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ALG) noch vor dem 26.5.2009 stillgelegt (§ 21 Abs. 4 ALG). Die Ausnahmetatbestände des § 21 Abs. 5 und 6 ALG kommen nicht in Betracht. Eine Abgabe im Sinne dieser Tatbestände liegt daher nicht vor, selbst wenn der KIäger mit der landwirtschaftlichen Nutzung einen Erlös erzielte, der gemessen an dem normalerweise Erzielbaren wirtschaftlich betrachtet weit unter der Grenze des § 21 Abs. 7 ALG lag. Es kommt daher als Abgabetatbestand nur § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ALG in Betracht. Danach gilt ein Unternehmen der Landwirtschaft als abgegeben, wenn "in ähnlicher Weise die landwirtschaftliche Nutzung auf eigenes Risiko auf längere Dauer unmöglich gemacht ist", wobei diese Dauer sich auf einen Zeitraum von mindestens neun Jahren erstrecken muss (§ 21 Abs. 2 Satz 2 ALG).

Mit dem Begriff "auf ähnliche Weise unmöglich" knüpft der Gesetzgeber an § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ALG an, wonach ein Unternehmen der Landwirtschaft als abgegeben gilt, wenn die landwirtschaftlichen Flächen verpachtet oder mit einem Nießbrauch zugunsten Dritter belastet sind. In beiden Alternativen ist die weitere Nutzung der Flächen durch den Unternehmer schon aus rechtlichen, aber auch aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Die von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ALG geregelten Fälle müssen daher ein vergleichbares "Gewicht" an Unmöglichkeit haben, wenn sie "ähnlich" sein sollen. Hierzu gehört sicherlich die tatsächliche Unmöglichkeit der Nutzung, die z.B. eintritt, wenn die Flächen anderweitig bebaut worden sind. Nicht hierzu gehört demgegenüber das bloße - auch nicht nur vorübergehende - Brachliegenlassen (BSG, Urteil v. 8.3.1972, 11 RLw 6/70, SozR Bd. 9 Nr. 6 zu § 2 GAL). Der Fall, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Weiterbewirtschaftung nicht mehr möglich ist, ist der tatsächlichen bzw. rechtlichen Unmöglichkeit dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht gleichzustellen. Tatsächlich findet - anders als in den geregelten Fallgruppen - eine Bewirtschaftung noch statt, auch wenn diese wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist oder sogar in die Insolvenz führen kann.

Die Auslegung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ALG unter systematischen, historischen und teleologischen Gesichtspunkten stützt dieses Ergebnis.

In systematischer Hinsicht ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber als einzigen Fall der tatsächlichen "Nichtnutzung" trotz tatsächlicher und rechtlicher Möglichkeit in § 21 Abs. 4 Satz 1 ALG die Stilllegung anerkennt. Hierzu muss die landwirtschaftliche Nutzung aber ruhen (§ 21 Abs. 4 Satz 2 ALG) bzw. jede landwirtschaftliche Nutzung und jeglicher Anbau von Kulturpflanzen nicht nur vorübergehend eingestellt werden (nachhaltiges Brachlegen, § 1 Abs. 1 Flächenstillegungsverordnung i. V. m. § 22 ALG), was vorliegend nicht gegeben war, da sie - mit welch geringem Ertrag auch immer - noch betrieben wurde.

Zudem sind die Vorschriften des ALG - auch hinsichtlich der Abgabe - im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes (BewG) zu sehen. So stellt § 21 Abs. 7 ALG für den zulässigen Rückbehalt auf ein Viertel des Wirtschaftswerts ab, der laut § 1 Abs. 6 ALG an die bestandskräftigen Feststellungen des Finanzamtes anknüpft. Damit sind die steuerrechtlichen Flächenbewertungen jedenfalls mittelbar auch maßgebend für die Beurteilung der Abgabe. Das Bewertungsrecht kennt jedoch neben der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 BewG) auch die zum Wirtschaftsteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehörenden Wirtschaftsgüter Abbauland, Geringstland und Unland. Das Geringstland wird in § 44 Abs. 1 BewG definiert als "Betriebsflächen geringster Ertragsfähigkeit, für die nach dem Bodenschätzungsgesetz keine Wertzahlen festzustellen sind". Es wird mit einem Hektarwert von 50 DM bewertet (§ 44 Abs. 2 BewG). Demgegenüber gehören zum Unland die Betriebsflächen, die auch bei geordneter Wirtschaftsweise keinen Ertrag abwerfen können (§ 45 Abs. 1 BewG). Nur Unland wird gar nicht bewertet (§ 45 Abs. 2 BewG) und muss daher auch nicht im Sinne des § 21 ALG abgegeben werden. Hingegen sind die Betriebsflächen geringster Ertragsfähigkeit, also das Geringstland, abzugeben. Hieraus ist ebenfalls abzuleiten, dass nur eine Abgabe im Sinne der in § 21 ALG ausdrücklich geregelten Fälle bzw. tatsächlicher Unmöglichkeit dem Abgabeerfordernis genügt, nicht aber allein die Tatsache, dass die Bewirtschaftung nicht mehr sinnvoll möglich ist.

§ 84 Abs. 5 Satz 2 ALG in der ab dem 1.8.2001 geltenden Fassung bestimmt des weiteren, dass die landwirtschaftlichen Alterskassen ohne Befristung als Maßstab für die Festlegung der Mindestgröße statt des Wirtschaftswertes den Flächenwert oder den Arbeitsbedarf zugrunde legen können, was die Beklagte im vorliegenden Fall auch getan hat. Danach kommt es nur auf die Größe der bewirtschafteten Fläche unabhängig von deren Ertragsfähigkeit an.

In historischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass § 2 Abs. 3 Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) als Vorläuferregelung des § 21 ALG bis zum 31.12.1994 folgenden Wortlaut hatte:

"Abgabe im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe c ist die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Ist mit der Abgabe des Unternehmens im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe c nicht der Übergang des Eigentums verbunden, so ist die Voraussetzung des Absatzes 1 Buchstabe c nur erfüllt, wenn die Abgabe für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften schriftlich vereinbart wird ... Wird ein landwirtschaftliches Unternehmen von Unternehmern im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 betrieben, so tritt ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft nur ein, wenn der Unternehmer aus dem Unternehmen ausscheidet."

§ 21 ALG stellt in diesem Sinne eine Erweiterung dar. Die Gesetzesmaterialien weisen aus, dass - im Interesse der Probleme, denen abgabewillige Unternehmer gegenüberstünden - nunmehr auch die Stilllegung als Abgabetatbestand erfasst werden solle (BT-Drs. 12/5700, S. 65 zu 2.c), S. 73). Diese Entstehungsgeschichte spricht dafür, nur die Stillegung als Abgabetatbestand anzusehen, nicht aber auch die - sei es auch noch so sinnlose - geringfügige Weiterbewirtschaftung.

In teleologischer Hinsicht ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.2.2009, B 10 LW 3/07 R, SozR 4-5868 § 1 Nr 7 Rdnr. 23 mit Bezugnahme auf BSG SozR 5850 § 2 Nr 15 S 34 zu § 2 Abs. 3 Satz 1 GAL) davon auszugehen, dass das Abgabeerfordernis neben der Zielsetzung, dem Hofnachfolger möglichst frühzeitig die Unternehmertätigkeit zu gestatten (BT-Drs. 12/5700, S. 73), mit der Abgabe einen "prinzipiell endgültigen" Verlust der Unternehmereigenschaft herbeiführen soll. Das geschieht aber nicht, wenn der Betrieb - sei es auch nur in äußerst geringer Form - noch weitergeführt wird. Denn die Unternehmereigenschaft liegt bereits vor, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausgeübt wird. Das ist im Falle des Klägers jedoch noch der Fall. Auf die Möglichkeit der Gewinnerzielung wie die Absicht der Gewinnerzielung kommt es nicht an, weil die fehlende Gewinnerzielungsabsicht nur die Landwirts-, nicht jedoch die Unternehmereigenschaft beseitigt (§ 1 Abs. 7 ALG).

Unter Berücksichtigung des Auslegungsergebnisses war dem Kläger vor dem 26.5.2009 nicht gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ALG die landwirtschaftliche Nutzung auf eigenes Risiko auf längere Dauer in ähnlicher Weise wie bei einer Verpachtung (Nr. 1) oder Nießbrauchbelastung (Nr. 2) unmöglich gemacht. Denn er bewirtschaftete - ohne dass es auf die Ertragsfähigkeit der Flächen ankommt - zuletzt Unterglasflächen von 0,32 ha, Folientunnel von 0,16 ha sowie Grünland von 0,50 ha und damit - schon allein aufgrund der Unterglasflächen - in einer den zulässigen Rückbehalt übersteigenden Höhe. Die bewirtschafteten Unterglasflächen von 0,32 ha überschritten sogar die 2006 geltende Mindestgröße für Unterglaskulturen von 0,15 ha. Seit dem 1.1.2007 ist eine Mindestgröße von 0,15 ha einheitlich für überdachte Anbauflächen (beheizte oder unbeheizte Glas-, Kunststoff- oder Folienhäuser) festgesetzt. Auch diese überschritt der Kläger mit den bewirtschafteten überdachten Flächen von insgesamt 0,48 ha. Dementsprechend lagen die vom Kläger bewirtschafteten Flächen jeweils deutlich über dem gemäß § 21 Abs. 7 ALG zulässigen Rückbehalt von 25 v.H. der festgelegten Mindestgröße.

Schwierigkeiten bei der Unternehmensabgabe, wie sie der Kläger im Hinblick auf die Führung von Rechtsstreiten gegen den O-verband vorgetragen hat, können die vom Gesetz vorbehaltlos verlangte Abgabe weder erfüllen noch ersetzen (BSG, Urteil v. 25.2.2010, B 10 LW 1/09 R, SozR 4-5868 § 13 Nr. 5). Letztlich beruhte die Weiterbewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen auf einer unternehmerischen Entscheidung des Klägers.

II.

Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht infolge der unstreitig ab dem 26.5.2009 vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen ab dem 1.6.2009. Dieser Anspruch ist unbefristet. Anders als bei § 43 SGB VI endet der Anspruch auf Rente gemäß § 13 ALG nicht mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze (vgl. Giese, SdL 2002, 400 ff., 407). Beim Zusammentreffen mehrerer Renten wird allerdings gem. § 27 Abs. 1 ALG nur eine Rente geleistet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Eine Kostenquotelung kommt im Hinblick auf das weitgehende Unterliegen des Klägers nicht in Betracht.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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