Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KR 38/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 224/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 06.04.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren die Bewilligung einer operativen Brustverkleinerung.
Die Klägerin beantragte erstmals im Dezember 2008 die Bewilligung einer Mammareduktionsoperation, die die Beklagte ablehnte (Widerspruchsbescheid vom 03.04.2009). Im Rahmen eines hiergegen durchgeführten Klageverfahrens (Az.: S 16 KR 46/09) hatte das Sozialgericht Münster ein Gutachten von Frau Dr. N vom 07.09.2009 eingeholt. Die Sachverständige war zu dem Ergebnis gelangt, dass eine operative Reduzierung des Brustdrüsengewebes medizinisch nicht erforderlich sei. Ob die von der Klägerin geklagten Wirbelsäulenbeschwerden auf der Mammahypertrophie beruhen, könne nicht sicher festgestellt werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin auch noch andere orthopädische Leiden bestünden (Hüftdysplasie, Beinlängendifferenz) und sie nach ihren Angaben bereits seit der Jugendzeit unter Wirbelsäulenbeschwerden leide. Auch bestehe möglicherweise eine psychische bzw. psychosomatische Verursachung der subjektiv empfundenen Wirbelsäulenbeschwerden. Konservative fachorthopädische Behandlungsmaßnahmen, eine weitere Gewichtsabnahme sowie das Tragen eines verstärkten BH mit breiten, gepolsterten Trägern seien einer operativen Maßnahme vorzuziehen. Aufgrund dieser Ausführungen hatte die Klägerin die Klage am 25.09.2009 zurückgenommen.
Im Februar 2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage von Bescheinigungen von Dr. T, Arzt für Allgemeinmedizin, Frau Dr. X, Frauenärztin, Dr. X1, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I, der Psychotherapeutin C L sowie eines Arztbriefes des Therapiezentrums St. K Stift T erneut die Bewilligung einer Mammareduktion. Diese sei aufgrund orthopädischer und psychischer Beschwerden erforderlich.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK Westfalen-Lippe lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14.05.2010 ab. Eine medizinische Indikation für die beantragte Operation liege nicht vor.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ergänzend eine Bescheinigung der Fachärztin für Orthopädie H vor. Hiernach befinde sie sich seit Jahren wegen chronischer Beschwerden in orthopädischer Behandlung. Aus medizinischen Gründen sei eine Mammareduktionsplastik dringend erforderlich. Die Klägerin führte aus, sie habe seit September 2009 ihr Gewicht um 12 Kilogramm reduziert, was jedoch an der Größe und dem Gewicht des Brustdrüsengewebes nichts geändert habe. Daher gehe sie davon aus, dass das Gewicht der Brüste nach wie vor mitursächlich für die Wirbelsäulenbeschwerden sei.
Mit Bescheid vom 12.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 02.02.2011 erhobene Klage ihr Begehren weiter und ergänzt ihre bisherigen Ausführungen. Sie hat am 02.02.2011 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 06.04.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und sich auf das Gutachten von Frau Dr. N bezogen.
Gegen diese am 13.04.2011 zugestellte Entscheidung richtete sich die am 06.05.2011 erhobene Beschwerde. Die Klägerin meint, die Rechtsverfolgung habe hinreichende Erfolgsaussichten. Sie trägt vor, die Umstände, die der Begutachtung durch Frau Dr. N zugrunde gelegen haben, hätten sich wesentlich verändert. Trotz einer erheblichen Gewichtsreduktion bestünden die Wirbelsäulenbeschwerden unverändert. Sie bezieht sich insoweit auf einen Arztbrief der Fachklinik I1 für plastische und ästhetische Chirurgie vom 25.06.2011, wonach eine operative Brustverkleinerung medizinisch dringend geboten sei. Außerdem leide sie unter durch die Brustgröße verursachten Hautproblemen, zum Beleg hierfür hat sie eine Bescheinigung des Hautarztes Dr. D vorgelegt. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Sie hat ein aufgrund einer Untersuchung der Klägerin erstelltes weiteres Gutachten des MDK vom 28.09.2011 eingeholt. Unter Bezugnahme auf die Darlegungen von Frau Dr. N kommt der MDK zu dem Ergebnis, dass keine Indikation für die Durchführung der Mammareduktion vorliege. Die Klägerin hat hierzu eine abweichende Stellungnahme der Fachklinik I1 vom 18.11.2011 vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin Dr. X2 zu Recht abgelehnt.
Gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn der Antragsteller bei summarischer Prüfung in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind (§ 103 SGG), bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (BVerfG vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347; BVerfG vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07, NJW 2008 S. 1060; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73a Rnr. 7 und 7a; st. Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 08.11.2010 - L 1 B 1/09 BK; Beschluss vom 02.04.2012 - L 1 KR 63/12 B).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung hängt weder von einer schwierigen Rechtsfrage ab noch sind weitere Ermittlungen durchzuführen. Ein Anspruch auf Durchführung der begehrten operativen Brustverkleinerung steht der Klägerin nicht zu.
Versicherte können nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirkt (st. Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R).
Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellen die Form und die Größe der Brust der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit zu bewerten wäre. Die behandelnde Frauenärztin Frau Dr. X hat in der Bescheinigung vom 01.02.2010 keine Erkrankung der Brüste selbst beschrieben, sondern den Leidensdruck der Klägerin "mit erheblichen orthopädischen Beschwerden" begründet. In dem Arztbrief des Brustzentrums der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I wird die Notwendigkeit der Mammareduktion nicht mit einer Erkrankung der Brüste selbst, sondern mit einer Verbesserung der statischen Fehlbelastung der Klägerin begründet (zur Verneinung einer Mammahypertrophie als behandlungsbedürftige Krankheit vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 - L 5 KR 118/04; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2011 - L 1 KR 197/08).
Die Größe der Mammae der Klägerin stellt auch unter dem Gesichtspunkt der Entstellung keine Krankheit dar. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung Anderer wird und sich deshalb aus dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen oder zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 = BSGE 100, 119). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Die körperliche Auffälligkeit muss in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht. Das BSG hat eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 = BSGE 93, 252). Gleichermaßen kann der bei der Klägerin vorliegende Befund nicht als entstellend gewertet werden. Eventuelle kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar, eine (ggfs. subjektiv empfundene) Verbesserung des Aussehens ist kein Behandlungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2008 - L 9 KR 589/07).
Dermatologische Befunde sprechen nicht für die Durchführung der begehrten Operation. Der Hautarzt Dr. D hat zwar am 18.01.2011 bescheinigt, dass auf die Dauer davon auszugehen sei, dass es aufgrund der Größe der Brüste und des ständigen Kontaktes "Haut auf Haut" zu Ekzemen, Hautveränderungen sowie Mykosen komme. Abgesehen davon, dass Herr Dr. D diese dermatologischen Erkrankungen damit nicht diagnostiziert, sondern ihren Eintritt nur befürchtet, weist der MDK nachvollziehbar darauf hin, dass unter regelmäßiger Salbenapplikation entzündliche Hautveränderungen zur Abheilung gebracht werden können, so dass auch insoweit kein weiterer Aufklärungsbedarf mehr besteht.
Die orthopädischen Beschwerden begründen die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste ebenfalls nicht. An die Notwendigkeit derartiger Operationen zur Behandlung orthopädischer Leiden sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, da in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen würde (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 - L 5 KR 118/04). Erhebliche, schwerwiegende Erkrankungen der Wirbelsäule liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Frau Dr. N nicht vor. Es handelt sich vielmehr um Erkrankungen, die einer konservativen orthopädischen Behandlung zugänglich sind. Es ist bereits fraglich, ob (auch) eine Mammareduktion geeignet wäre, zu einer Besserung dieser Wirbelsäulenbeschwerden beizutragen, denn es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einem ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05). Auch der die Klägerin behandelnde Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I Dr. X1 gesteht zu, dass es in der gesamten Weltliteratur keine evidenzbasierte Untersuchung gibt, die nachgewiesen hat, ab welcher Gewichtsreduktion der Mammae durch eine operative Maßnahme eine messbare Veränderung von Parametern aus orthopädischer Sicht eingetreten ist. Bezogen auf den vorliegenden Fall hat Frau Dr. N den fehlenden Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Brustgröße und den Rückenbeschwerden überzeugend dargelegt. Bei derartig unsicherer Kausalität ist eine Brustverkleinerungsoperation ausgeschlossen. Wenn der behandelnde Orthopäde demgegenüber behauptet, dass aus medizinischen Gründen "dringend eine Mammareduktionsplastik erforderlich sei" überzeugt dies nicht. Diese pauschale, nicht näher begründete und sich mit der beschriebenen fehlenden Studienlage nicht auseinandersetzende kurze Bescheinigung erfordert keine erneute Beweisaufnahme.
Die geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen vermögen das Begehren der Klägerin ebenso wenig zu begründen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG werden Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als Behandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V gewertet. Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen (mittelbare Krankenbehandlung) sind vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Der damit aufgestellte Grundsatz wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe (hier: an der Brustgröße) wesentlich geändert hätte (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R). Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt im Hauptsacheverfahren die Bewilligung einer operativen Brustverkleinerung.
Die Klägerin beantragte erstmals im Dezember 2008 die Bewilligung einer Mammareduktionsoperation, die die Beklagte ablehnte (Widerspruchsbescheid vom 03.04.2009). Im Rahmen eines hiergegen durchgeführten Klageverfahrens (Az.: S 16 KR 46/09) hatte das Sozialgericht Münster ein Gutachten von Frau Dr. N vom 07.09.2009 eingeholt. Die Sachverständige war zu dem Ergebnis gelangt, dass eine operative Reduzierung des Brustdrüsengewebes medizinisch nicht erforderlich sei. Ob die von der Klägerin geklagten Wirbelsäulenbeschwerden auf der Mammahypertrophie beruhen, könne nicht sicher festgestellt werden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin auch noch andere orthopädische Leiden bestünden (Hüftdysplasie, Beinlängendifferenz) und sie nach ihren Angaben bereits seit der Jugendzeit unter Wirbelsäulenbeschwerden leide. Auch bestehe möglicherweise eine psychische bzw. psychosomatische Verursachung der subjektiv empfundenen Wirbelsäulenbeschwerden. Konservative fachorthopädische Behandlungsmaßnahmen, eine weitere Gewichtsabnahme sowie das Tragen eines verstärkten BH mit breiten, gepolsterten Trägern seien einer operativen Maßnahme vorzuziehen. Aufgrund dieser Ausführungen hatte die Klägerin die Klage am 25.09.2009 zurückgenommen.
Im Februar 2010 beantragte die Klägerin unter Vorlage von Bescheinigungen von Dr. T, Arzt für Allgemeinmedizin, Frau Dr. X, Frauenärztin, Dr. X1, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I, der Psychotherapeutin C L sowie eines Arztbriefes des Therapiezentrums St. K Stift T erneut die Bewilligung einer Mammareduktion. Diese sei aufgrund orthopädischer und psychischer Beschwerden erforderlich.
Nach Einholung eines Gutachtens des MDK Westfalen-Lippe lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14.05.2010 ab. Eine medizinische Indikation für die beantragte Operation liege nicht vor.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ergänzend eine Bescheinigung der Fachärztin für Orthopädie H vor. Hiernach befinde sie sich seit Jahren wegen chronischer Beschwerden in orthopädischer Behandlung. Aus medizinischen Gründen sei eine Mammareduktionsplastik dringend erforderlich. Die Klägerin führte aus, sie habe seit September 2009 ihr Gewicht um 12 Kilogramm reduziert, was jedoch an der Größe und dem Gewicht des Brustdrüsengewebes nichts geändert habe. Daher gehe sie davon aus, dass das Gewicht der Brüste nach wie vor mitursächlich für die Wirbelsäulenbeschwerden sei.
Mit Bescheid vom 12.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 02.02.2011 erhobene Klage ihr Begehren weiter und ergänzt ihre bisherigen Ausführungen. Sie hat am 02.02.2011 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 06.04.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt und sich auf das Gutachten von Frau Dr. N bezogen.
Gegen diese am 13.04.2011 zugestellte Entscheidung richtete sich die am 06.05.2011 erhobene Beschwerde. Die Klägerin meint, die Rechtsverfolgung habe hinreichende Erfolgsaussichten. Sie trägt vor, die Umstände, die der Begutachtung durch Frau Dr. N zugrunde gelegen haben, hätten sich wesentlich verändert. Trotz einer erheblichen Gewichtsreduktion bestünden die Wirbelsäulenbeschwerden unverändert. Sie bezieht sich insoweit auf einen Arztbrief der Fachklinik I1 für plastische und ästhetische Chirurgie vom 25.06.2011, wonach eine operative Brustverkleinerung medizinisch dringend geboten sei. Außerdem leide sie unter durch die Brustgröße verursachten Hautproblemen, zum Beleg hierfür hat sie eine Bescheinigung des Hautarztes Dr. D vorgelegt. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Sie hat ein aufgrund einer Untersuchung der Klägerin erstelltes weiteres Gutachten des MDK vom 28.09.2011 eingeholt. Unter Bezugnahme auf die Darlegungen von Frau Dr. N kommt der MDK zu dem Ergebnis, dass keine Indikation für die Durchführung der Mammareduktion vorliege. Die Klägerin hat hierzu eine abweichende Stellungnahme der Fachklinik I1 vom 18.11.2011 vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin Dr. X2 zu Recht abgelehnt.
Gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn der Antragsteller bei summarischer Prüfung in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind (§ 103 SGG), bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können (BVerfG vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347; BVerfG vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07, NJW 2008 S. 1060; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73a Rnr. 7 und 7a; st. Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 08.11.2010 - L 1 B 1/09 BK; Beschluss vom 02.04.2012 - L 1 KR 63/12 B).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung hängt weder von einer schwierigen Rechtsfrage ab noch sind weitere Ermittlungen durchzuführen. Ein Anspruch auf Durchführung der begehrten operativen Brustverkleinerung steht der Klägerin nicht zu.
Versicherte können nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Krankenbehandlung verlangen, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirkt (st. Rechtsprechung, vergl. nur BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R).
Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion stellen die Form und die Größe der Brust der Klägerin keine körperliche Anomalie dar, die als Krankheit zu bewerten wäre. Die behandelnde Frauenärztin Frau Dr. X hat in der Bescheinigung vom 01.02.2010 keine Erkrankung der Brüste selbst beschrieben, sondern den Leidensdruck der Klägerin "mit erheblichen orthopädischen Beschwerden" begründet. In dem Arztbrief des Brustzentrums der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I wird die Notwendigkeit der Mammareduktion nicht mit einer Erkrankung der Brüste selbst, sondern mit einer Verbesserung der statischen Fehlbelastung der Klägerin begründet (zur Verneinung einer Mammahypertrophie als behandlungsbedürftige Krankheit vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 - L 5 KR 118/04; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2011 - L 1 KR 197/08).
Die Größe der Mammae der Klägerin stellt auch unter dem Gesichtspunkt der Entstellung keine Krankheit dar. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung Anderer wird und sich deshalb aus dem Leben der Gemeinschaft zurückzuziehen oder zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (BSG, Urteil vom 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14 = BSGE 100, 119). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Die körperliche Auffälligkeit muss in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht. Das BSG hat eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 = BSGE 93, 252). Gleichermaßen kann der bei der Klägerin vorliegende Befund nicht als entstellend gewertet werden. Eventuelle kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar, eine (ggfs. subjektiv empfundene) Verbesserung des Aussehens ist kein Behandlungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2008 - L 9 KR 589/07).
Dermatologische Befunde sprechen nicht für die Durchführung der begehrten Operation. Der Hautarzt Dr. D hat zwar am 18.01.2011 bescheinigt, dass auf die Dauer davon auszugehen sei, dass es aufgrund der Größe der Brüste und des ständigen Kontaktes "Haut auf Haut" zu Ekzemen, Hautveränderungen sowie Mykosen komme. Abgesehen davon, dass Herr Dr. D diese dermatologischen Erkrankungen damit nicht diagnostiziert, sondern ihren Eintritt nur befürchtet, weist der MDK nachvollziehbar darauf hin, dass unter regelmäßiger Salbenapplikation entzündliche Hautveränderungen zur Abheilung gebracht werden können, so dass auch insoweit kein weiterer Aufklärungsbedarf mehr besteht.
Die orthopädischen Beschwerden begründen die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste ebenfalls nicht. An die Notwendigkeit derartiger Operationen zur Behandlung orthopädischer Leiden sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, da in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen würde (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.05.2007 - L 5 KR 118/04). Erhebliche, schwerwiegende Erkrankungen der Wirbelsäule liegen bei der Klägerin nach dem Gutachten von Frau Dr. N nicht vor. Es handelt sich vielmehr um Erkrankungen, die einer konservativen orthopädischen Behandlung zugänglich sind. Es ist bereits fraglich, ob (auch) eine Mammareduktion geeignet wäre, zu einer Besserung dieser Wirbelsäulenbeschwerden beizutragen, denn es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einem ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2006 - L 11 KR 24/05). Auch der die Klägerin behandelnde Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der St. C Klinik I Dr. X1 gesteht zu, dass es in der gesamten Weltliteratur keine evidenzbasierte Untersuchung gibt, die nachgewiesen hat, ab welcher Gewichtsreduktion der Mammae durch eine operative Maßnahme eine messbare Veränderung von Parametern aus orthopädischer Sicht eingetreten ist. Bezogen auf den vorliegenden Fall hat Frau Dr. N den fehlenden Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Brustgröße und den Rückenbeschwerden überzeugend dargelegt. Bei derartig unsicherer Kausalität ist eine Brustverkleinerungsoperation ausgeschlossen. Wenn der behandelnde Orthopäde demgegenüber behauptet, dass aus medizinischen Gründen "dringend eine Mammareduktionsplastik erforderlich sei" überzeugt dies nicht. Diese pauschale, nicht näher begründete und sich mit der beschriebenen fehlenden Studienlage nicht auseinandersetzende kurze Bescheinigung erfordert keine erneute Beweisaufnahme.
Die geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen vermögen das Begehren der Klägerin ebenso wenig zu begründen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG werden Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als Behandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V gewertet. Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen Störungen (mittelbare Krankenbehandlung) sind vor allem wegen der Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Der damit aufgestellte Grundsatz wäre nur dann zu überprüfen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe (hier: an der Brustgröße) wesentlich geändert hätte (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R). Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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