L 8 R 166/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (3,33) R 309/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 166/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7.12.2009 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für das gesamte Verfahren auf 20.122,04 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen bezüglich der Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1.4.2002 bis 31.12.2004 in Höhe von 20.122,04 Euro.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Betrieb einer Unternehmensberatung auf dem EDV-Sektor und die Entwicklung von Software. Sie berät überwiegend mittelständische Kunden im Logistikbereich und verfügte im Streitzeitraum über etwa 18 Mitarbeiter. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist der Ehemann der Beigeladenen zu 1). Dieser und die Zeugin X waren im Prüfzeitraum alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin. Zum 23.3.2006 ist die Zeugin X als Geschäftsführerin aus dem Unternehmen ausgeschieden. Der Alleingesellschafter der Klägerin und die Beigeladene zu 1) leben im gesetzlichen Güterstand.

Die Beigeladene zu 1) durchlief nach dem Abitur eine Berufsausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin und übernahm danach zunächst das Unternehmen ihres Vaters, eine Parfümerie mit 5 Mitarbeitern, bevor sie die Tätigkeit im Unternehmen der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin begann. Dort war sie ab dem 15.7.1995 in leitender Funktion in der Buchhaltung sowie für die Leitung der kaufmännischen und verwaltungstechnischen Abläufe der Gesellschaft (Überwachung von Forderungen, Lohn, Verteilung und Überwachung der Finanzen, sowie Abrechnungs- und Mahnwesen) verantwortlich. Hierauf beschränkte sich ihre Tätigkeit. Nach außen trat sie für die Gesellschaft in keiner Form auf. Das eigentliche operative Geschäft einschließlich der angebotenen Dienstleistungen wurde durch die bestellten Geschäftsführer der Gesellschaft abgewickelt. Die Beigeladene zu 1) war weder als Gesellschafterin an der Klägerin beteiligt, noch hatte sie Ansprüche auf eine Beteiligung an erwirtschafteten Gewinnen.

Für die Tätigkeit erhielt die Beigeladene zu 1) ein monatliches Festgehalt, das sich im Streitzeitraum aus einem monetären Betrag und einem Sachbezug (Nutzung eines firmeneigenen Kfz) zusammensetzte. Vom 1.6. bis zum 30.9.2003 bekam sie Kurzarbeitergeld.

Am 2.8.2005 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Klägerin durch. Dabei stellte sie fest, dass für die Beigeladen zu 1) Beiträge zur Sozialversicherung in allen Versicherungszweigen für die Jahre 2000 bis März 2002 abgeführt worden waren. Ab April 2002 wurde das monatliche Entgelt von zuvor 3.109,20 Euro auf 3.809,20 Euro erhöht. Zum 1.4.2002 wurde statt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung bei der Beigeladenen zu 3) durchgeführt, ab dem 1.7.2002 dann eine private Kranken- und Pflegeversicherung. Ergänzend zum Gehalt erhielt die Beigeladene zu 1) von der Klägerin als steuerfrei behandelte Zuschüsse zur freiwilligen bzw. privaten Kranken- und Pflegeversicherung.

Mit Bescheid vom 15.11.2005 forderte die Beklagte unter anderem Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 1.4.2002 bis zum 31.12.2004 nebst Umlagebeiträge nach. Hinzu kamen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung, erhoben auf den in der Zeit vom 1.7.2002 bis 31.12.2004 von der Klägerin der Beigeladenen zu 1) gewährten Arbeitgeberzuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Die die Beigeladene zu 1) betreffende Forderung betrug insgesamt 20.122,04 Euro. Die Beklagte führte aus, dass trotz Überschreitens der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) im Jahre 2002 die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres geendet habe. Zu einer Versicherungsfreiheit sei es aber auch im Jahr 2003 nicht gekommen, da in diesem Kalenderjahr die maßgebende JAEG nicht erreicht worden sei. Erst ab dem Jahre 2004 werde dauerhaft die jeweils maßgebende JAEG überschritten, so dass Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (erst) ab dem 1.1.2005 eingetreten sei.

Mit dem Widerspruch, der sich nur gegen die Nachforderung bzgl. der Beigeladenen zu 1) i.H.v. 20.122.04 Euro richtete, vertrat die Klägerin die Auffassung, die Beigeladene zu 1) sei als Ehefrau des Alleingesellschafters und Geschäftsführers stets in leitender Stellung tätig und damit nicht abhängig beschäftigt gewesen. Sie habe keine festen Arbeitszeiten gehabt und habe hinsichtlich Ort und Art der Ausführung ihrer Tätigkeit faktisch keinem Weisungsrecht unterlegen. Sie habe darüber hinaus mehrfach ihren Urlaubsanspruch nicht ausgeschöpft und ein in ihrem Eigentum stehendes Wertpapierdepot der Klägerin als Sicherheit für ein Darlehn zur Verfügung gestellt. Außerdem hätten die Beigeladene zu 1) und ihr Ehemann Verfügungsberechtigung auch über die Konten des jeweils anderen gehabt. Darüber hinaus machte die Beigeladene zu 1) ergänzende Angaben im sogenannten Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen. Die Beklagte zog den Handelsregisterauszug der Klägerin sowie die ihr zugrunde liegenden gesellschaftsrechtlichen Verträge bei. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.8.2006 zurück. Die Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin abhängig beschäftigt, so dass grundsätzlich Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung geschuldet würden. So seien für sie von der Klägerin auch über viele Jahre hinweg Beiträge zur Sozialversicherung ordnungsgemäß abgeführt worden. Die Beigeladene zu 1) sei auch nicht Gesellschafterin der Klägerin. Sie werde nicht an deren Gewinn beteiligt. Ihr Gehalt werde als Betriebsausgabe verbucht und die Lohnsteuer durch den Steuerberater veranlagt.

Mit ihrer am 15.9.2006 erhobenen Klage hat die Klägerin das vorgerichtliche Vorbringen wiederholt und vertieft und die Auffassung vertreten, die Beigeladene zu 1) sei aufgrund einer faktischen Sonderstellung selbst weisungsberechtigt gewesen und habe wie eine weitere unabhängige Geschäftsführerin mit Sonderstatus im Betrieb der Klägerin agiert.

Die Klägerin hat beantragt,

den Prüfbescheid der Beklagten vom 15.11.2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2006 aufzuheben soweit Beitragsnachforderungen für die Beigeladene erhoben werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Beigeladene zu 1) mit Angestellten in leitender Funktion entsprechend einem Fremdgeschäftsführer verglichen, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ebenfalls abhängig beschäftigt sei.

Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung insbesondere zur Aufklärung der Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) hat das Sozialgericht (SG) diese im Erörterungstermin vom 18.5.2009 befragt und sodann die Zeugin X und den Zeugen Q, den Steuerberater der Klägerin, vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Darstellungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Das SG hat sodann die Klage mit Urteil vom 7.12.2009 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei nicht zu beanstanden, soweit Beiträge für die Beigeladene zu 1) nachgefordert würden. Versicherungspflicht in den einzelnen Versicherungszweigen der Sozialversicherung habe bestanden, da die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Dies ergebe sich aus der Gesamtwürdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles. In formeller Hinsicht sei dabei zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin Alleingesellschafter und damit alleine berechtigt gewesen sei, dass Stimmrecht in der Gesellschaft auszuüben und Beschlüsse zu fassen. Hieran ändere auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1) im Einzelfall durch eine qualifizierte Meinungsäußerung Einfluss auf entsprechende Beschlüsse genommen habe, nichts. Darüber hinaus hätten aber keine rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf strategische Entscheidungen des Alleingesellschafters im Hinblick auf die Entwicklung der Klägerin bestanden. Es habe sich ferner nicht feststellen lassen, dass die Beigeladene zu 1) überhaupt tiefgreifende, die organisatorische Struktur des von der Klägerin geführten Geschäftsbetriebes betreffende Entscheidungen gefällt habe. Ihre Position im Betrieb sei nicht über die einer typischen leitenden Angestellten herausgehoben gewesen, was sich auch an der Position der Zeugin X zeige. Diese habe neben dem Ehemann der Beigeladenen zu 1) schon formell eine höhere Position im Unternehmen der Klägerin bekleidet und im Gegensatz zur Beigeladenen zu 1) die Gesellschaft auch nach außen in allen Geschäftsbereichen vertreten können. Die Beigeladenen zu 1) sei auch funktionell in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert gewesen. Demgegenüber trete zurück, dass die Beigeladene zu 1) gewisse Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer Tätigkeiten in zeitlicher Hinsicht und der Art nach gehabt habe. Diese Aspekte hätten bei der gebotenen Abwägung geringeres Gewicht. Sie seien zudem häufig bei leitenden Angestellten anzutreffen. Darüber hinaus sei ergänzendes Indiz für die Bewertung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung, dass die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis in diesem Sinne über den gesamten Zeitraum seines Bestehens seit 1995 als solche behandelt und durch den Bezug von Kurzarbeitergeld die aus einer solchen Wertung resultierenden sozialen Schutzrechte für die Beigeladene zu 1) in Anspruch genommen hätten.

Gegen das ihr am 20.1.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 22.2.2010 Berufung ausgebracht. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 7.12.2009 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2006 aufzuheben, soweit Beitragsnachforderungen für die Beigeladene zu 1) erhoben werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen im bisherigen Verfahren und macht sich die Argumentation des SG zu Eigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.2.2012 und die in der Verhandlung vom Vertreter der Beklagten überreichte Aufstellung zur Berechnung der Beiträge, außerdem auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 6) verhandeln und entscheiden können, nachdem er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 15.11.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2006, soweit mit ihm Beiträge für die Beigeladene zu 1) nachgefordert werden, da der Bescheid nur insoweit angefochten worden ist. Auch Klage- und Berufungsantrag beziehen sich nur auf diese Forderungen. Im Übrigen ist der Bescheid in Bestandkraft erwachsen. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Forderungen ist die Klägerin nicht beschwert, da der Bescheid insoweit rechtmäßig ist.

Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Beitragsbescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.

Dabei unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetz Buch [SGB VI] und § 25 Abs. 1 Satz 1,Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]).

Danach ist Voraussetzung jeweils eine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil v. 1.12.1977, 12/3/12 RK 39/74, SozR 2200 § 1127 Nr. 8; v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen.

Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen besteht (BSG, Urteil v. 5.4.1956, 3 RK 65/55, SozR Nr. 18 § 164 SGG; BSG, Urteil v. 17.12.2002, B 7 AL 34/02 R, USK 2002-42) bzw. zwischen einem Mitarbeiter und einer im Alleineigentum seines Ehegatten stehenden GmbH (BSG, Urteil v. 10.5.2007, B 7a AL 8/06 R, USK 2007-53), wobei es jeweils auf die Umstände des Einzelfalles ankommt. Größere Freiheiten des als Arbeitnehmer tätigen Familienangehörigen im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern sind dabei unschädlich (BSG, Urteil v. 31.7.1963, 3 RK 46/59, SozR Nr. 39 zu § 165 RVO). Entscheidend für die Beurteilung der Eingliederung und der Weisungsgebundenheit ist insbesondere, ob die Arbeitskraft im Dienst des Unternehmens eingesetzt und dabei Aufgaben erfüllt werden, die sich aus der Organisation oder der direkten Anweisung des Arbeitgebers ergeben (Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl., 2011, § 7 Rdnr. 146; Schlegel in Küttner, Personalbuch, 2012, Familiäre Mitarbeit, Rdnr. 48; jeweils m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum von der Klägerin abhängig beschäftigt worden ist. Die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale zeigt, dass das tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis im Wesentlichen dem eines abhängigen Beschäftigten entspricht, wogegen Aspekte, die für eine Qualifikation als selbstständige Tätigkeit sprechen, nur in geringem Umfang vorhanden sind.

Da dem Senat kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt und es sich nicht einmal hat feststellen lassen, ob ein solcher überhaupt abgeschlossen worden ist, sind die tatsächlich praktizierten Verhältnisse der Beurteilung zugrunde zu legen, wobei keine Bedenken gegen die Annahme bestehen, dass diese dem von den Vertragsparteien rechtlich Gewollten entsprochen haben. Der Senat geht bei seiner Beurteilung daher von der Beschreibung des Vertragsverhältnisses aus, wie sie letztlich übereinstimmend durch die Beigeladene zu 1), den Geschäftsführer der Klägerin und die gehörten Zeugen sowie schriftsätzlich erfolgt ist.

Danach war die Beigeladene zu 1) im Streitzeitraum verantwortlich für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich des Betriebes. Ihre Tätigkeit bestand mithin darin, die kaufmännischen Entscheidungen der beiden Geschäftsführer administrativ und buchhalterisch umzusetzen. Insofern erfüllte sie Aufgaben im Rahmen der Unternehmensorganisation, die sich letztlich aus Vorgaben der Unternehmensleitung ergaben. In diesem Sinne war sie sowohl betrieblich eingegliedert als auch den Weisungen der Geschäftsführer unterworfen.

Soweit demgegenüber geltend gemacht wird, die Beigeladene zu 1) habe keine festen Arbeitszeiten gehabt und hinsichtlich Ort und Art der Ausführung ihrer Tätigkeit faktisch keinem (Einzel-)Weisungsrecht unterlegen, ist dies lediglich Ausdruck des bei Beschäftigung unter Ehegatten typischerweise reduzierten Weisungsrechts, das der Annahme einer abhängigen Beschäftigung indessen nicht entgegensteht. Im Übrigen kann sich auch bei leitenden Mitarbeitern das Weisungsrecht zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern, ohne dass der Status des abhängig Beschäftigten dadurch verloren geht. Anhaltspunkte dafür, dass das Verhältnis der Beigeladenen zu 1) zur Klägerin durch familiäre Rücksichtnahme so weitgehend Tätigkeit geprägt worden wäre, dass es an der Ausübung des Direktionsrechts durch die Geschäftsführer völlig fehlte, sind demgegenüber weder ersichtlich noch vorgetragen worden.

Der Auffassung der Klägerin, die Beigeladene zu 1) habe faktisch wie eine Geschäftsführerin gehandelt, vermag der Senat demgegenüber aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme schon in tatsächlicher Hinsicht nicht beizutreten. Die Beigeladene zu 1) ist nach außen für die Gesellschaft nicht in Erscheinung getreten. Hierzu fehlten ihr nicht nur die entsprechenden Vollmachten, sondern auch die notwendigen Branchenkenntnisse und die erforderliche Qualifikation im IT-Bereich. Geprägt wurde die Gesellschaft vielmehr durch die beiden Geschäftsführer, die über das fachliche Know-how verfügten, um die Klägerin am Markt zu positionieren. Allein diese haben das operative Geschäft der Gesellschaft abgewickelt und anstehende strategische und konzeptionelle Entscheidungen wie die Einführung eines Vergütungssystems für Mitarbeiter vorangetrieben und verantwortlich getroffen. Hinsichtlich solcher Entwicklungen, aber auch in Bezug auf Entscheidungen bezüglich der Einstellung von Personal hatte die Beigeladene zu 1) nach den überzeugenden Darstellungen der Zeugin X - wie schon das SG festgestellt hat - nur die Möglichkeit, im Rahmen der fachlichen Teilhabe an der Diskussion Einfluss zu nehmen. Dieser Einfluss war indessen keiner allein verantwortlichen Entscheidungskompetenz gleichzusetzen, sondern entsprach eher der beratenden Mitarbeit eines fachlich geschätzten kompetenten Mitarbeiters.

Selbst wenn die Beigeladene zu 1) im Übrigen Befugnisse gehabt hätte, die denen einer Geschäftsführerin entsprachen, so würde dies keine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Da sie keine eigenen Anteile am Gesellschaftsvermögen hielt, wäre sie in diesem Fall nämlich zu beurteilen wie eine Fremdgeschäftsführerin der GmbH. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, wird indessen regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8 m.w.N.). Solche Umstände sind hier weder ersichtlich noch vorgetragen, zumal weder die familiäre Verbundenheit der Beigeladenen zu 1) mit dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin ihre Eingliederung in das Unternehmen weder entscheidend beeinträchtigt hat noch die Beigeladene zu 1) die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie eine Alleininhaberin nach eigenem Gutdünken führen konnte (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR, 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20).

Die Beigeladene zu 1) hat zudem in arbeitnehmertypischer Weise über lange Jahre hinweg ein festes Monatsgehalt erhalten. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass dieses Gehalt ihren Leistungen als Arbeitnehmerin nicht entsprochen hätte. Die Beigeladene zu 1) war des Weiteren nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Sie genoss vielmehr den üblichen sozialen Schutz einer Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall und hat auch sog. Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, die Beigeladene zu 1) habe zum Teil auf die Abgeltung von Urlaub verzichtet, so spricht auch dieser Umstand nicht dafür, ihre Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit einzustufen. Insoweit muss schon festgestellt werden, dass im nicht beendeten Arbeitsverhältnis gar kein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubes besteht (vgl. zu den Voraussetzungen eines solchen Anspruchs § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz). Es stellt vielmehr den arbeitsrechtlichen "Normalfall" dar, dass Urlaub verfällt, wenn er innerhalb der gesetzlichen oder vertraglich bestimmten Frist nicht genommen wird. Insofern unterscheidet sich die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses der Beigeladenen zu 1) zur Klägerin nicht von der Ausgestaltung eines typischen Arbeitsverhältnisses.

Zudem hat die Beigeladene zu 1) nicht das für eine selbstständige Tätigkeit entsprechende Unternehmerrisiko getragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Eine solche Ungewissheit hat es hier zum einen nicht gegeben, soweit es um den Einsatz der Arbeitskraft der Beigeladenen zu 1) geht. Denn diese verfügte über ein monatliches Festgehalt, bei dem nicht einmal geringe Anteile erfolgsabhängig waren. Zum anderen stellt die Verpfändung des Wertpapierdepots zur Sicherung von Forderungen gegen die Klägerin sicherlich eine für einen Arbeitnehmer eher untypische Übernahme eines finanziellen Risikos dar. Es handelt sich jedoch zum einen lediglich um die Übernahme eines bloßen Haftungsrisikos, mit dem keine Erweiterung der unternehmerischen Handlungsspielräume im Sinne der Eröffnung unternehmerischer Chancen verbunden war. Die Übernahme des Haftungsrisikos resultierte auch nicht aus der Stellung der Beigeladenen zu 1) im Unternehmen. Entsprechende Anknüpfungen sind nicht vorhanden. Die Übernahme des Risikos lag vielmehr in der privaten Verbundenheit der Beigeladenen mit dem Alleingesellschafter als dessen Ehefrau begründet.

Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, warum für die Tätigkeit der Beigeladenen im vorliegend relevanten Zeitraum ab dem 01.03.2002 bis zum 31.12.2004 Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bestanden haben sollte. Diesbezüglich wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Prüfbescheid vom 15.11.2005, die von der Klägerin auch nicht in Frage gestellt werden, verwiesen.

Zu Recht hat die Beklagte darüber hinaus auch Beiträge auf den (vermeintlich) nach § 257 Abs. 1 bzw. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch von der Klägerin gezahlten Arbeitgeberzuschuss zur freiwilligen/privaten Krankenversicherung und den entsprechenden Zuschuss zur Pflegeversicherung (§ 61 Abs. 1 bzw. 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch) erhoben. Die Zahlung unterliegt als Bestandteil des Arbeitsentgelts grundsätzlich der Versicherungs- und Beitragspflicht. Denn nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder welcher Form sie geleistet und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Zahlungen sind auch nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV i.V.m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung i.V.m. § 3 Nr. 62 Einkommensteuergesetz als nicht zum Arbeitsentgelt zu zählende Einnahmen zu werten, da sie vom Arbeitgeber nur vermeintlich auf seine Verpflichtung nach § 257 Abs. 1 SGB V gezahlt wurden (vgl. FG Köln, Urteil vom 20.8.2008, 12 K 1173/04, EFG 2009, 117; zur Besteuerung der Zuschüsse vgl. auch BFH, Urteil vom 22.7.2008, VI R 56/05, BFHE 222, 442).

Die Berechnung der Beitragsnachforderung ist für die Jahre 2003 und 2004 insoweit unzutreffend, als die Beklagte jeweils die besondere JAEG des § 6 Abs. 7 SGB V herangezogen hat, obwohl die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Hierdurch wird die Klägerin jedoch nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sich dieser Irrtum im Ergebnis im Sinne einer Reduzierung der an und für sich bestehenden Beitragslast zu ihren Gunsten ausgewirkt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3 VwGO. Vorliegend entsprach es nach Ansicht des Senats, in Anlehnung an die ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. etwa BSG, Urteil v. 14.11.2002, B 13 RJ 19/01 R, SozR 3-5795 § 10d Nr.1; Urteil v. 28.4.2004, B 6 KA 9/03 R, SozR 4-2500 § 98 Nr. 3) nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der unterlegenen Klägerin aufzuerlegen, da diese keine eigenen (erfolgreichen) Anträge gestellt haben.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Einzelfallentscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.

Der Streitwert in der Angelegenheit bestimmt sich gemäß § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) nach der streitgegenständlichen Forderung.
Rechtskraft
Aus
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