L 9 AL 136/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 50/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 136/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.04.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen "beruflicher Diskriminierung" in Höhe 1.426.000,- Euro.

Der 1972 in Polen geborene Kläger erwarb dort am 06.06.1990 einen Berufsabschluss, der durch Bescheid der Handwerkskammer E vom 18.12.1992 als gleichwertig mit der Gesellenprüfung im Tischlerhandwerk anerkannt wurde.

Nach seiner Einreise nach Deutschland im Februar 1992 war der Kläger zunächst bis Oktober 1993 als Tischler tätig. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit nahm er im Januar 1994 eine Tätigkeit als Lagerarbeiter auf. In seinem erlernten Beruf war er nach eigenen Angaben seither nicht mehr tätig.

Mit Schreiben vom 16.12.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten Schadensersatz wegen beruflicher Diskriminierung, da man ihn zu Unrecht nicht als Tischler vermittelt habe und kein Arbeitgeber bereit gewesen sei, ihm eine Tätigkeit als Tischler anzubieten. Anfang 1999 sei er zudem zur Aufnahme der geringer qualifizierten Tätigkeit als Lagertransportarbeiter gezwungen worden, da ihm angedroht worden sei, dass er sonst keine Arbeitslosenhilfe erhalte. Ihm sei seit November 1993 bis zum 67. Lebensjahr ein Erwerbsschaden als Tischler bzw. ein Schadensersatz in Höhe von 1.426.000,- Euro entstanden (46 Erwerbsjahre x tariflicher Jahresarbeitsverdienst eines Tischlers in Höhe von 31.000,- Euro).

Mit Schreiben vom 22.12.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie seinen Antrag auf Schadensersatz als unbegründet zurückweisen müsse. Nach dem SGB III bestehe kein Rechtsanspruch darauf, in einen bestimmten Beruf vermittelt zu werden.

Gegen dieses Schreiben legte der Kläger mit Schreiben vom 29.12.2010 Widerspruch ein. Es bestehe Anspruch auf Schadensersatz wegen beruflicher Diskriminierung, da er unter einem gesetzlichen Berufsschutz gestanden habe.

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2011 als unzulässig. Bei dem Schreiben vom 22.12.2010 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X, so dass der Widerspruch nicht zulässig sei. Ein Verwaltungsakt liege nach der gesetzlichen Regelung nur vor, wenn eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles eine Entscheidung oder hoheitliche Maßnahme treffe, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei. Bei dem Schreiben vom 22.12.2010 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, da dieses keine eigenständige Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts darstelle. Bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch handele es sich nicht um einen möglichen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch.

Der Kläger hat am 21.01.2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und die Auffassung vertreten, die Beklagte sei für die Schadensersatzforderung zuständig, da das Arbeitsförderungsrecht ein Teil des Sozialgesetzbuches sei. Es handele sich daher um einen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch, so dass das Widerspruchs- und das Klageverfahren zulässig seien.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2011 zu verurteilen, ihm Schadensersatz in Höhe von 1.426.000,- Euro nebst Zinsen zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte für die Schadensersatzforderung zuständig sei, weil das Arbeitsförderungsrecht ein Teil des Sozialgesetzbuches sei, so dass ein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch vorliege und dass ein Widerspruchsverfahren und ein Klageverfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz zulässig seien,

3. festzustellen, dass die Beklagte durch die berufliche Diskriminierung bzw. arbeitsrechtliche Diskriminierung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bzw. Antidiskriminierungsgesetz verletzt habe.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Nach Anhörung der Beteiligten (Richterbrief vom 23.03.2011, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 28.03.2011) hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 14.04.2011 abgewiesen. Soweit sich die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.01.2011 richte, sei sie unbegründet, im Übrigen sei sie unzulässig. Die Beklagte habe den Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen, weil es sich bei dem Schreiben vom 22.12.2010 nicht um einen Verwaltungsakt handele. Die Beklagte habe mit diesem Schreiben keine Regelung auf dem Gebiet des Sozialrechts getroffen, sondern lediglich zivilrechtliche Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung zurückgewiesen. Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, ein Anspruch auf Schadensersatz müsse sich aus sozialrechtlichen Regelungen ergeben, handele es sich bei der Zurückweisung dieses Anspruchs zwar um um eine sozialrechtliche Entscheidung, so dass es sich unter diesem Gesichtspunkt bei dem Schreiben vom 22.12.2010 um einen Bescheid handeln würde. Selbst wenn dann der Widerspruch als zulässig erachtet würde, wäre der Widerspruchsbescheid jedoch im Ergebnis zutreffend, da eine Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch nach dem Sozialgesetzbuch nicht existiere. Der mit dem Klageantrag zu 2.) gestellte Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, da es sich nur um eine Vorfrage zum Klageantrag zu 1.) handele. Auch der Klageantrag zu 3.) sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich eines Verstoßes der Beklagten gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei nicht rechtlich schützenswert. Ein Verstoß der Beklagten gegen Vorschriften des AGG sei allenfalls als Vorfrage im Rahmen der Prüfung von Ansprüchen gegen die Beklagte zu prüfen. Auch das AGG gewähre Rechtsschutz nur im Rahmen von Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüchen, eine isolierte Feststellungsklage sei nicht vorgesehen. Darüber hinaus sei die vom Kläger gerügte berufliche Diskriminierung auch nicht vom Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes umfasst. Gemäß § 1 AGG sei es Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Die vom Kläger gerügte berufliche Diskriminierung stehe in keinem Zusammenhang zu diesen Zielen des Gesetzes.

Gegen diesen ihm am 26.04.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.05.2011 Berufung eingelegt. Er meint, ihm stehe der geltend gemachte Schadensersatz zu, da er unter gesetzlichem Berufsschutz gestanden habe und eine Beschäftigung in einem ungelernten Beruf verboten gewesen sei. Da ihn die Beklagte nicht als Tischler vermittelt und zudem im Jahre 1999 gezwungen habe, eine Tätigkeit als Lagertransportarbeiter aufzunehmen, sei die berufliche Diskriminierung nachgewiesen. Dazu komme noch, dass er sich regelmäßig als Tischler beworben und nur Absagen erhalten habe. Die Beklagte sei auch nach Wegfall des Berufsschutzes zum 31.12.2000 verpflichtet gewesen, ihn in seinen Zielberuf als Tischler zu vermitteln.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem die Beteiligten mit dem Hinweis geladen worden sind, dass auch im Fall ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden könne, sind die Beteiligten bzw. ihre Vertreter nicht erschienen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.04.2011 abzuändern und

1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22.12.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2011 zu verurteilen, ihm einen Schadensersatz in Höhe von 1.426.000,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte für die Schadensersatzforderung in Höhe von 1.426.000,00 Euro zuständig ist, weil das Arbeitsförderungsrecht ein Inhalt des Sozialgesetzbuch 3 ist bzw. Art. 3 (das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) ist, so dass ein Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch vorliegt,

3. festzustellen, dass die berufliche Diskriminierung bzw. arbeitsrechtliche Diskriminierung vom Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes AGG umfasst ist, weil die gerügte Diskriminierung in Zusammenhang zu diesen Zielen des Gesetzes steht, insbesondere aus Gründen der Rasse bzw. ethnischen Herkunft (aus Polen), des Alters und wegen einer Behinderung seit dem 23.03.1999 (Arbeitsunfall vom 23.03.1999),

4. festzustellen, dass die berufliche Diskriminierung bzw. arbeitsrechtliche Diskriminierung (Zwangsarbeit als Lagertransportarbeiter), die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz umfasst bzw. die Benachteiligungen wegen Rasse, Herkunft, Alters, Behinderung durch die Beklagte und das SG Düsseldorf im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern nicht verhindert worden sind bzw. nicht beseitigt worden sind,

5. festzustellen, dass die Beklagte durch die berufliche Diskriminierung bzw. durch arbeitsrechtliche Diskriminierung das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bzw. Antidiskriminierungsgesetz verletzt hat.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die ihrer Ansicht nach überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte trotz der Abwesenheit des Klägers und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger in der ihm am 08.03.2012 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Ladung und auch die Beklagte (Empfangsbekenntnis vom 12.03.2012) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Soweit der Kläger ausdrücklich die Aufhebung des "Bescheids" vom 22.12.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 10.01.2011 begehrt, ist sein Klagebegehren im Sinne von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Anfechtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG auszulegen. Diese ist unstatthaft und deshalb unzulässig, denn bei dem nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 22.12.2010 handelt es sich weder seiner äußeren Form noch seinem Inhalt nach um einen Verwaltungsakt.

Die Zurückweisung eines Schadensersatzanspruchs wegen angeblicher Amtspflichtverletzung, wie sie hier erfolgt ist, stellt ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Natur eines solchen Anspruchs keine hoheitliche Regelung im Sinne von § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar. Hoheitliche Regelungen im diesem Sinne sind nur solche auf das Setzen einer Rechtsfolge gerichteten und damit rechtsverbindlichen Anordnungen, die in einem Subordinationsverhältnis (Über-Unterordnungsverhältnis) ergehen. In Bezug auf Schadensersatzansprüche liegt jedoch kein Subordinationsverhältnis vor (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 24.11.1987 - 3 RK 13/87 -, juris Rn. 12; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, Anhang § 54 Rn. 4a). Vielmehr haben über Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung öffentlicher-rechtlicher Pflichten die ordentlichen Gerichte zu entscheiden (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG)). Dies schließt eine einseitige Regelung durch die Behörde, gegen die Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, aus.

Die Beklagte hat hier auch nicht zu Unrecht eine hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch genommen. Abgesehen davon, dass das Schreiben vom 22.12.2010 von vornherein nicht den Anschein einer einseitig hoheitlichen Regelung erweckt, hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid deutlich gemacht, dass keine hoheitliche Regelung mit Bindungswirkung getroffen werden sollte (vgl. zum Ganzen Keller, a.a.O., Rn. 6, 16).

Die Anfechtungsklage ist auch nicht deshalb zulässig, weil es sich bei dem Widerspruchsbescheid vom 10.01.2011 um einen Verwaltungsakt handelt. Verwirft eine Behörde, wie hier die Beklagte, einen eingelegten und deshalb auch formell zu bescheidenden Widerspruch wegen der fehlenden Verwaltungsaktqualität des angefochtenen Schreibens zu Recht als unzulässig, ändert dies an der Unzulässigkeit der Anfechtungsklage wegen des Fehlens eines nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt erforderlichen Verwaltungsaktes nichts. Mit "Verwaltungsakt" im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ist grundsätzlich der (erstinstanzliche) Ausgangsbescheid gemeint. Dies folgt auch aus § 95 SGG, wonach der für den Gegenstand der Klage grundsätzlich maßgebliche Ausgangsbescheid und der Widerspruchsbescheid eine prozessuale Einheit bilden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 54 Rn. 4), mit der Folge, dass auch die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ausgehend von der Rechtsnatur des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungshandelns grundsätzlich nur einheitlich beurteilt werden kann. Eine differenzierte Betrachtung der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegen den Ausgangsbescheid einerseits und den Widerspruchsbescheid andererseits kommt nur dann in Betracht, wenn und soweit die Klage zulässigerweise isoliert gegen den Widerspruchsbescheid gerichtet ist. Abgesehen davon, dass der Kläger eine solche isolierte Klage gegen den Widerspruchsbescheid nicht erhoben hat, wäre diese nur zulässig, wenn der Widerspruchsbescheid eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthielte, denn nur dann könnte der Widerspruchsbescheid in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 2 VwGO abweichend von § 95 SGG alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 95 Rn. 3a ff.). An einer solchen zusätzlichen selbstständigen Beschwer fehlt es jedoch, wenn der Widerspruch, wie hier, zu Recht als unzulässig verworfen wird.

2. Die darüber hinaus erhobene allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG auf Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des begehrten Schadensersatzes ist unbegründet.

a) Der Senat hat über die Klage auch insoweit in der Sache zu entscheiden.

Das SG hat zwar verkannt, dass das Klagebegehren im Sinne von § 123 SGG bei interessengerechter Auslegung des Vorbringens des Klägers über die Anfechtung des Schreibens vom 22.12.2010 hinaus auch, wenn nicht sogar überwiegend, eine auf Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 1.426.000,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gerichtete allgemeine Leistungsklage umfasst. Das SG hat dementsprechend auch übersehen, dass für diese allgemeine Leistungsklage der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 SGG nicht eröffnet ist, denn für Schadensersatzansprüche des Bürgers gegen einen Sozialleistungsträger außerhalb von öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen folgt aus der allgemeinen Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die auch für die Sozialgerichtsbarkeit als Teil der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit gilt, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (vgl. Keller, a.a.O., § 51 Rn. 10 sowie Rn. 39 "Schadensersatzansprüche"). Da für das Schadensersatzbegehren eine Rechtsgrundlage, die den Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnen würde, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt und deshalb auch die Eröffnung des Sozialrechtswegs nach § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ausscheidet (vgl. Keller, a.a.O., § 51 Rn. 40), hätte das SG deshalb den Rechtsstreit in Ansehung der geltend gemachten Schadensersatzforderung gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Landgericht (vgl. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG) verweisen müssen.

Im Berufungsverfahren scheidet eine entsprechende Verweisung des Rechtsstreits jedoch aus, denn dem Senat ist gemäß § 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG eine Prüfung des Rechtswegs untersagt, weil das SG, obwohl es das Begehren des Kläger unvollständig erfasst hat, durch vollständige Klageabweisung eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob das SG die Klage insgesamt wegen der fehlenden Verwaltungsaktqualität des Schreibens vom 22.12.2010 als unzulässig oder, worauf seine Ausführungen zum Fehlen einer sozialrechtlichen Anspruchsgrundlage hindeuten, hinsichtlich der Schadensersatzforderung (auch) als unbegründet abgewiesen hat. Eine Entscheidung in der Hauptsache im Sinne von § 17a Abs. 5 GVG läge nur dann nicht vor, wenn das SG die Unzulässigkeit der Klage mit der fehlenden Rechtswegzuständigkeit begründet hätte (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 20.05.2003 - B 1 KR 7/03 R -, juris Rn. 11; Beschl. v. 20.10.2010 - B 13 R 63/10 B -, juris Rn. 28 f., jeweils m.w.N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Eine Bindung an den vom SG nicht ausdrücklich verneinten und damit implizit bejahten Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 17a Abs. 5 SGG bestünde nur dann nicht, wenn das SG entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG trotz einer entsprechenden Rüge nicht vorab über den Rechtsweg entschieden hätte (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 51 Rn. 65 m.w.N.). Die Eröffnung des Rechtswegs zur Sozialgerichtsbarkeit hat jedoch keiner der Beteiligten gerügt.

b) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 GG oder wegen der Verletzung eines sozialrechtlichen Schuldverhältnisses liegen offensichtlich nicht vor.

aa) Es fehlt bereits an einer (Amts-)Pflichtverletzung der Beklagten.

(1) Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Klägers nicht gesetzlich verpflichtet, diesen in ein Arbeitsverhältnis als Tischler zu vermitteln.

Nach § 35 Abs. 1 SGB III hat die Agentur für Arbeit zwar Ausbildungssuchenden, Arbeitsuchenden und Arbeitgebern Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung (Vermittlung) anzubieten. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungssuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Nach § 35 Abs. 2 SGB III hat die Agentur für Arbeit durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Ausbildungssuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Arbeitnehmer und Auszubildende erhalten. Sie hat dabei die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Ausbildungssuchenden und Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen. Die Entscheidung über ein konkretes Vermittlungsbegehren einschließlich der Ablehnung eines konkreten Vermittlungswunsches erfolgt dabei jedoch im Rahmen eines durch das Gesetz eingeräumten Ermessens der Beklagten (BSG, Urt. v. 06.05.2009 - B 11 AL 11/08 R -, juris Rn. 14). Im Übrigen folgt schon aus dem Wortlaut der Regelung, dass der Arbeitsuchende keinen Anspruch auf einen bestimmten Vermittlungserfolg hat.

Nach diesen Grundsätzen ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass die Beklagte ihre Vermittlungspflichten aus § 35 SGB III verletzt hat. Es ist weder erkennbar, dass die Beklagte aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet gewesen ist, den Kläger in eine bestimmte offene Stelle als Tischler zu vermitteln, noch liegen Ermessensfehler vor. Es bestehen noch nicht einmal Anhaltspunkte dafür, dass es im Zeitraum ab November 1993 überhaupt ausreichende offene Stellen als Tischler gegeben hat, für die der Kläger nach seinen körperlichen, geistigen und charakterlichen Fähigkeiten geeignet gewesen ist (vgl. insoweit Brand, in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 35 Rn. 20 f.). Immerhin hat der Kläger selbst vorgetragen, dass auch auf seine eigenen Bewerbungsbemühungen hin kein Arbeitgeber bereit gewesen sei, ihn als Tischler einzustellen. Dies deutet darauf hin, dass der Kläger in den Beruf als Tischler, aus welchen Gründen auch immer, objektiv nicht vermittelbar war. Die Beklagte hat auch nicht pflichtwidrig sämtliche Vermittlungstätigkeit unterlassen. Hierfür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

(2) Aus dem Vortrag des Klägers, die Beklagte habe ihn unter Androhung der Entziehung der Arbeitslosenhilfe im März 1999 gezwungen, eine Beschäftigung als Lagertransportarbeiter anzunehmen, ergibt sich ebenfalls keine Pflichtverletzung der Beklagten. Nach § 198 Satz 2 Nr. 6 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB III ruhte der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe für die Dauer einer Sperrzeit wegen der Ablehnung einer zumutbaren Arbeit. Nach § 198 Satz 4 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung i.V.m. § 121 Abs. 3 SGB III hing die Zumutbarkeit allein von dem in der neuen Beschäftigung erzielbaren Arbeitsentgelt, nicht jedoch von der formellen Berufsqualifikation ab. Vom siebten Monat der Arbeitslosigkeit an war dem Arbeitslosen eine Beschäftigung zudem nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen niedriger war als die Arbeitslosenhilfe (§ 198 Satz 4 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung i.V.m. § 121 Abs. 3 Satz 3 SGB III). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte rechtswidrig gehandelt haben soll, als sie den seit längerer Zeit arbeitslosen Kläger auf eine Tätigkeit als Lagertransportarbeiter verwiesen hat.

Der angebliche "Berufsschutz" des Klägers spielt im Arbeitsförderungsrecht keine Rolle. Das von der Rechtsprechung im Rahmen der Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung entwickelte Mehrstufenschema, auf das sich der Kläger offensichtlich stützen will, findet im Arbeitsförderungsrecht keine Anwendung.

(3) Schließlich liegt auch keine Verletzung von §§ 1, 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor. Dass der Kläger aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in irgendeiner Form von der Beklagten benachteiligt worden ist, ist, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, nicht ansatzweise ersichtlich. Die vom Kläger gerügte angebliche "berufliche" bzw. "arbeitsrechtliche" Diskriminierung, die nach den vorstehenden Ausführungen im Übrigen ebenfalls nicht vorliegt, wird von § 1 AGG nicht erfasst.

bb) Im Übrigen fehlt es auch an der notwendigen Kausalität zwischen den vom Kläger behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten und dem geltend gemachten Schaden. Dass der Kläger ab 1993 nicht mehr in seinem erlernten Beruf als Tischler gearbeitet hat, beruht selbst nach seinem eigenen Vortrag offensichtlich auf mehreren Ursachen. So gab es offensichtlich nicht genügend freie Stellen als Tischler, für die der Kläger geeignet gewesen wäre, denn nach dem eigenen Vortrag des Klägers war kein Arbeitgeber bereit, ihn als Tischler zu beschäftigen. Darüber hinaus haben nach dem Vortrag des Klägers auch gesundheitliche Gründe, u.a. ein im Jahre 1999 erlittener Arbeitsunfall, einer erfolgreichen Integration in den erlernten Beruf als Tischler entgegen gestanden. Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich auf ungünstige wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, schicksalhafte Lebensumstände und möglicherweise auch auf das Verhalten des Klägers selbst, nicht aber auf etwaiges pflichtwidriges Handeln der Beklagten zurückzuführen, dass der Kläger keine Arbeitsstelle als Tischler gefunden hat.

cc) Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers zu dem angeblich eingetretenen Schaden nicht nachvollziehbar. Absehen davon, dass der noch nicht einmal 40jährige Kläger bereits jetzt entgangenen Lohn bis zur Vollendung seines 67. Lebensjahres erhalten möchte, ohne dass ein entsprechender zukünftiger Einkommensverlust gegenwärtig feststeht oder - unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht des Klägers - konkret absehbar ist, berücksichtigt der Kläger den in den von ihm ausgeübten Beschäftigungsverhältnissen bezogenen Lohn ebenso wenig wie die erhaltenen Sozialleistungen.

3. Bei den in den Klageanträgen zu 2. bis 5. formulierten Feststellungsanträgen handelt es sich nicht um selbstständige Klagen im Sinne des SGG. Die Anträge betreffen durchweg Vorfragen des mit der Leistungsklage verfolgten Schadensersatzbegehrens. Sie stellen damit lediglich eine Ergänzung des rechtlichen Vorbringens des Klägers dar und enthalten lediglich den "Antrag" des Klägers, seiner Rechtsauffassung zu folgen.

Als Feststellungsklagen im Sinne von § 55 Abs. 1 SGG wären die Klageanträge zu 2. bis 5. im Übrigen, unabhängig davon, ob hinsichtlich der Anträge zu 3. und 4. die Voraussetzungen des § 99 SGG vorliegen, wegen des Fehlens eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses unzulässig. Alle Feststellungsanträge betreffen einzelne Aspekte des (vermeintlichen) Rechtsverhältnisses des Klägers zur Beklagten im Hinblick auf die geltend gemachte Schadensersatzforderung. Eine solche Elementenfeststellungsklage ist unzulässig (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 55 Rn. 9).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

5. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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