L 9 SO 460/11 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 SO 51/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 460/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch des Sozialhilfeempfängers auf Meldung der Tätigkeit zur Sozialversicherung bei einer Arbeitsgelegenheit mit Entschädigung für Mehraufwendungen nach § 19 Abs. 2 BSHG.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 19.07.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 19.07.2011 ist zulässig, in der Sache indes nicht begründet.

1. Das SG Dortmund hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) bietet. Daran fehlt es hier.

Der anwaltlich vertretene Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten, ihn "nachträglich für die Zeit vom 02.08.1985 bis 12.05.2004 bei den Sozialversicherungsträgern als Garten- und Landschaftsbauern anzumelden" (Klageschrift vom 27.01.2011). In dieser Zeit hatte die Beklagte für den Kläger mit Bescheid vom 02.08.1985 eine Arbeitsgelegenheit gemäß § 19 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geschaffen und ihm neben einer Mehraufwandsentschädigung fortlaufend Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt.

Die Klage ist bereits im Ansatz ohne Aussicht auf Erfolg. Im Kern begehrt der Kläger die Feststellung, dass seine im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung geleistete Tätigkeit der Sozialversicherungspflicht unterfiel. Denn nur dann sind etwaige Sozialversicherungsbeiträge - ggfs. nachträglich - zu entrichten. Allein die Meldung seiner Tätigkeit löst noch keinerlei Beitragsfolgen aus, zumal etwaige Beitragsansprüche unabhängig von der Meldung entstehen, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Mit der Meldepflicht einer Tätigkeit (§ 28a SGB IV) korrespondiert im Übrigen auch kein einklagbarer Anspruch des Arbeitnehmers. Originär zur Überwachung der Meldepflichten sind ausschließlich die Einzugsstellen berufen (§ 28 b Abs. 1 SGB IV). Die Einzugsstelle ist von Gesetz wegen verpflichtet, den Arbeitgeber an die Erstattung der Meldung zu erinnern, ggfs. ein Ordnungswidrigkeitsverfahren mit der Folge eines Bußgeldes (§ 111 Abs. IV SGB IV) einzuleiten. Für einen einklagbaren Anspruch auf Meldung von dem Arbeitgeber (hier: die Beklagte) ist daneben kein Raum. Allenfalls kann der Kläger die Feststellung der Sozialversicherungspflicht seiner Tätigkeit, die er bejaht wissen will, gegenüber der Einzugsstelle beantragen, die darüber zu entscheiden hat (vgl. § 28 h SGB IV).

b) Im Übrigen war die Tätigkeit des Klägers aber auch nicht sozialversicherungspflichtig.

Denn Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung begründen ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis und kein Arbeitsverhältnis (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 26.09.2007, 5 AZR 857/06, NZA 2007, 1422 zur Nachfolgenregelung des § 16 Abs. 3 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der damals maßgeblichen Fassung). Zur Begründung hat das BAG (a.a.O.) ausgeführt:

"Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, wie sie in § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II geregelt sind, begründen ein von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägtes Rechtsverhältnis und kein Arbeitsverhältnis ( ). Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gehören zu den Leistungen, die ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach den Regelungen des SGB II, insbesondere dessen § 16, als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erhalten kann. Regelmäßig wird der Hilfebedürftige durch den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II zu der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung herangezogen. ( ) Die Eingliederungsvereinbarung begründet ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, was sich schon daraus ergibt, dass die Vereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt werden kann, § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Vereinbaren Grundsicherungsträger und Hilfebedürftiger eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, so besteht die Eingliederungshilfe nicht in der Verschaffung einer auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag beruhenden Beschäftigungsmöglichkeit, sondern in der öffentlich-rechtlichen Bereitstellung einer Arbeitsgelegenheit. Damit verbundene Rechte und Pflichten des Hilfebedürftigen ergeben sich aus sozialrechtlichen Regeln, wie sie die Eingliederungsvereinbarung aktualisiert."

Dieser Rechtsprechung des BAG hat sich das Bundessozialgericht (BSG) angeschlossen (Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 98/10 R, BSGE 108, 116). Der erkennende Senat tut dies auch.

c) Dem Begehren des Klägers steht zudem die Regelung des § 19 Abs. 3 BSHG entgegen. Sie lautete:

"Wird im Falle des Absatzes 2 Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt, so wird kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts und kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung begründet. Die Vorschriften über den Arbeitsschutz finden jedoch Anwendung."

d) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers bestand auch kein faktisches Arbeitsverhältnis. Das BAG (a.a.O.) hat hierzu auch insoweit überzeugend ausgeführt:

"Da die Klägerin ihre Arbeitsleistungen ( ) auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbracht hat, war sie weder arbeitnehmerähnliche Person noch hat ein faktisches Arbeitsverhältnis der Parteien bestanden. Beim faktischen oder fehlerhaften Arbeitsverhältnis geht es um eine durch den vollzogenen Lebenssachverhalt gebotene Reduktion der Nichtigkeits- und Anfechtungsfolgen. Fehlt aber jede rechtsgeschäftliche Übereinkunft, liegt auch kein faktisches oder fehlerhaftes Arbeitsverhältnis vor ( ). Ohnehin war die Klägerin keine arbeitnehmerähnliche Person, weil sie nicht wirtschaftlich von der Beklagten abhängig war ( ); vielmehr lebte sie von Sozialleistungen."

e) Fehlt es bei einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung am Merkmal der Zusätzlichkeit, kann der Teilnehmer für die rechtsgrundlos erbrachte Arbeitsleistung vom Träger der Grundsicherung ggf. Wertersatz auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verlangen (so BSG a.a.O.; so zu § 19 BSHG bereits Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20.11.1997, 5 C 1/97, BVerwGE 105, 370). Dies hat der anwaltlich vertretene Kläger nicht begehrt. Außerdem ist der Bescheid vom 02.08.1985, mit dem eine Arbeitsgelegenheit geschaffen worden war, bestandskräftig geworden (§ 77 SGG) und ist damit rechtswirksam. Ein rechtswirksamer Verwaltungsakt ist aber Rechtsgrund für eine empfangene Leistung (BVerwG a.a.O.), so dass ein Erstattungsanspruch ungeachtet einer eventuellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bereits deshalb ausscheidet.

2. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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