Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 20 R 443/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 565/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 4.6.2012 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 30.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.3.2012 wird hinsichtlich der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 30.11.2004 nebst hierauf entfallender Säumniszuschläge angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Antragsstellerin zu 3/4, die Antragsgegnerin zu 1/4. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 21.362,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.3.2012, mit dem die Antragsgegnerin Beiträge zur Sozialversicherung nachfordert.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das in der Sand- und Kiesgewinnung, im Baustoffhandel und im Tiefbau tätig ist. Im Anschluss an Ermittlungsmaßnahmen des Hauptzollamtes (HZA) C (begonnen am 8.1.2009) sowie eine Anhörung der Antragstellerin (Anhörungsschreiben v. 20.5.2009) forderte die Antragsgegnerin für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 85.448,39 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen von 21.829,50 Euro) für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008 nach (Bescheid v. 30.12.2009, bekannt gegeben am 4.1.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 7.3.2012). Der Beigeladene zu 1) sei bei der Antragstellerin als Baggerfahrer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die für das Jahr 2004 nachgeforderten Beiträge seien nicht verjährt. Die Antragstellerin habe die Sozialversicherungsbeiträge nämlich vorsätzlich nicht abgeführt. Fahrer ohne Einsatz von wesentlichen Sachmitteln, die nur ihre eigene Arbeitskraft einsetzten, seien nach ständiger Rechtsprechung Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Die Antragstellerin habe in ihrer Kiesgrube darüber hinaus andere Personen u.a. als Baggerfahrer beschäftigt, die sie zutreffend als Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung eingestuft habe. Demnach sei ihr bewusst gewesen, dass der Beigeladene zu 1) möglicherweise sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein könne. Trotzdem habe sie kein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet.
Die Antragstellerin hat Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie hat vorgetragen: Die Klage habe nach § 7a Abs. 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aufschiebende Wirkung. Der Beigeladene zu 1) sei aufgrund zahlreicher näher dargelegter Umstände (z.B. Gewerbeanmeldung, Verwendung eigenen Arbeitswerkzeugs, Höhe der gezahlten Vergütung, Tätigkeit für mehrere Auftraggeber) als Selbständiger anzusehen.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt (Beschluss v. 4.6.2012, auf dessen Gründe Bezug genommen wird).
Mit der Beschwerde wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Für Beitragsnachforderungen nebst darauf entfallenden Säumniszuschlägen für die Zeit vom 1.12.2004 bis zum 31.12.2008 ist sie unbegründet. Für den davor liegenden Zeitraum ist sie begründet.
1. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt hier ein Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vor. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV haben weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aufschiebende Wirkung (im Ergebnis wie hier: Bayerisches LSG, Beschluss v. 16.3.2010, L 5 R 21/10 B ER; LSG Hamburg, Beschluss v. 16.4.2012, L 3 R 19/12 B ER; jeweils juris).
a) Dem Wortlaut des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV nach beschränkt sich die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auf "Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt". Auch wenn man den Begriff "Beschäftigung" im Licht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Sinne von "versicherungspflichtige Beschäftigung" auslegt (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 31/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 3; Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2), so lässt sich der Vorschrift kein hinreichender Anhalt dafür entnehmen, dass auch Beitragsnachforderungen hiervon erfasst sein sollen. Im Gegenteil spricht hiergegen, dass der Gesetzgeber in § 7a SGB IV einerseits sowie in §§ 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV andererseits sorgfältig zwischen der Feststellung der Versicherungspflicht einerseits und der Beitragshöhe andererseits unterscheidet.
b) Nichts anderes ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien. Zwar soll § 7a Abs. 7 SGB IV danach nicht nur für die Statusentscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, sondern auch für diejenigen der übrigen Sozialversicherungsträger gelten (BT-Drucks. 14/1855, S. 8). Der Wille, die aufschiebende Wirkung auf Beitragsbescheide auszudehnen, wird hieraus jedoch nicht deutlich. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber zeitlich nachfolgend die Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG in Kraft gesetzt, die die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide über die Anforderung von Beiträgen im Interesse der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung gerade ausschließt (vgl. BT-Drs. 14/5943, S. 25 zu Nr. 34).
c) Mit Blick auf diesen Gesetzeszweck ist der Anwendungsbereich des § 7a Abs. 7 SGB IV auf reine Statusfeststellungsverfahren zu beschränken. Das entspricht auch dem Sinn der Bestimmung, die frühzeitige Klärung von Statusfragen (die § 7a SGB IV ja gerade ermöglichen soll) zu honorieren. Ein sachlicher Grund, Unternehmen zu privilegieren, die ihre Verpflichtung zur Meldung (§ 28a SGB IV) und zur Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) verletzt haben, ist demgegenüber nicht erkennbar.
2. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER, juris).
a) Auf dieser Grundlage bestehen zunächst keine überwiegenden Zweifel am Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen zu 1) und der hieraus folgenden Beitragspflicht dem Grunde nach. Der Senat schließt sich insoweit der angefochtenen Entscheidung des SG an und sieht von einer eigenen Begründung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Zutreffend hat das SG insbesondere auf den erheblichen Umfang der vertraglichen Bindung des Beigeladenen zu 1) an die Antragstellerin hingewiesen, der eine organisatorische Eingliederung in deren Geschäftsbetrieb nahelegt. Beleg hierfür ist nicht zuletzt der Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, wonach der Beigeladene zu 1) zum Teil sogar gegenüber ihren Mitarbeitern weisungsbefugt war. Etwaige Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) für andere Auftraggeber spielen demgegenüber für eine Abgrenzung allenfalls eine untergeordnete Rolle, da grundsätzlich selbständige Tätigkeiten neben einer abhängigen Beschäftigung ausgeführt werden können. Schließlich sind unverändert typische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit, insbesondere ein prägendes unternehmerisches Risiko, für das Vertragsverhältnis der Antragstellerin mit dem Beigeladenen zu 1) nicht hinreichend erkennbar oder vorgetragen.
b) Die geltend gemachten Beiträge sind lediglich für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum 30.11.2004 nach derzeitigem Sachstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verjährt, für die Zeit danach hingegen nicht.
aa) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der jeweils vor dem 1.1.2006 gültigen Fassung wurden Beiträge spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Demnach läuft die vierjährige Regelverjährung für Beiträge, die aus einer Beschäftigung bis einschließlich November 2005 resultieren, lediglich bis zum 31.12.2009. Die Geltendmachung dieser Beiträge mit dem erst am 4.1.2010 zugestellten Bescheid vom 30.12.2009 ist also nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erfolgt.
bb) Für diejenigen Beiträge, die aus einer Tätigkeit in der Zeit vom 1.1.2004 bis zum 30.11.2005 resultieren, ist mithin Verjährung nur dann nicht eingetreten, wenn die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingreift. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Beitragsschuldner die Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten hat.
(1) Insoweit genügt es, dass der Beitragsschuldner lediglich bedingt vorsätzlich gehandelt, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Kenntnis des Arbeitgebers ankommt, ist bei juristischen Personen - wie hier - in erster Linie auf die Kenntnis der für sie handelnden vertretungsberechtigten Organwalter, darüber hinaus insbesondere derjenigen Mitarbeiter abzustellen, die mit der Wahrnehmung der Pflichten des Arbeitgebers bei der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV bevollmächtigt sind (vgl. § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) und deren Wissen daher dem Arbeitgeber zuzurechnen ist (ausführlich hierzu Senat, Beschluss v. 17.11.2012, L 8 R 699/12 B ER, juris, m.w.N.). Es reicht aus, dass der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist. Die Voraussetzungen des Vorsatzes sind konkret, d.h. anhand der Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betroffenen Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung zu ermitteln (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; v. 25.6.2012, L 8 R 382/12 B ER; v. 20.9.2012, L 8 R 630/12 B ER; jeweils juris). Bei verbleibenden Zweifeln trifft die objektive Beweislast hinsichtlich des Vorsatzes den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstigere längere Verjährungsfrist beruft (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3 - 2400 § 25 Nr. 7 m.w.N.).
(2) Indem das BSG auf den Vorsatz hinsichtlich der Beitragspflicht abstellt, folgt es - ohne dies ausdrücklich auszusprechen - erkennbar der im Zivilrecht herrschenden Vorsatztheorie (vgl. Grundmann in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 276 Rdnr. 158 m.w.N. aus der Rechtsprechung und zum Meinungsstand) und nicht der im Strafrecht maßgebenden eingeschränkten Schuldtheorie (vgl. zu dieser im Zusammenhang mit der Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung BGH, Beschluss v. 7.10.2009, NStZ 2010, 337 f.). Daraus folgt, dass der Beitragsschuldner nicht nur die Tatsachen kennen muss, die zur Beitragspflicht führen, sondern auch die Beitragspflicht selbst für möglich halten muss. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die Behandlung des vermeidbaren Verbotsirrtums. Während dieser im Strafrecht nichts am Bestehen des Vorsatzes ändert und lediglich die Möglichkeit der Strafmilderung eröffnet (vgl. § 17 Satz 2 Strafgesetzbuch), lässt er nach der Vorsatztheorie den Vorsatz entfallen und führt "nur" zum Vorwurf der Fahrlässigkeit. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG v. 9.11.2011 (B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13). Zwar hat das BSG dort ausgeführt, bei der Prüfung des Vorsatzes sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten nach §§ 7a, 28h SGB IV vorgehen könne. Auch das BSG setzt aber voraus, dass derartige Unklarheiten im konkreten Fall bestehen, dass der Beitragsschuldner also seine Beitragspflicht für möglich gehalten hat.
(3) Im vorliegenden Fall ist auf dieser Grundlage zunächst davon auszugehen, dass die 30jährige Verjährungsfrist für alle ab dem 1.12.2004 geschuldeten Beiträge gilt. Denn noch vor Ablauf der hierfür ursprünglich geltenden Verjährungsfrist hat die Antragstellerin mit Zugang des Anhörungsschreibens vom 20.5.2009 Kenntnis von ihrer möglichen Beitragspflicht erhalten. In diesem Schreiben hat die Antragsgegnerin die Grundlagen der Beitragspflicht der Antragstellerin dargestellt.
(4) Demgegenüber hat die Antragstellerin für die Zeit vor dem 1.1.2009 nachvollziehbar vorgetragen, ihre Beitragspflicht falsch beurteilt zu haben. So hat sie in sich schlüssig und damit glaubhaft dargestellt, dass die Geschäftsbeziehung mit Herrn C aufgrund dessen Angebotsschreibens vom 3.8.1999 zustande gekommen ist. Dieses ist seiner Form nach als Angebot eines selbständigen Werkunternehmers einzustufen. Zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung ist daher nachvollziehbar, dass die Antragstellerin die sich anschließend entwickelnde Geschäftsbeziehung als die Beauftragung eines Selbständigen eingestuft hat, also nicht von einer beitragspflichtigen Beschäftigung ausgegangen ist und diese auch nicht für möglich gehalten hat. Im Laufe der folgenden langjährigen Geschäftsbeziehung hatte die Antragstellerin auch keinen Anlass, die gewonnene - möglicherweise unrichtige - Einschätzung zu überdenken, nachdem die Einstufung der Vertragsbeziehung als die Beauftragung eines Selbständigen bei Betriebs- und Baustellenprüfungen glaubhaft nicht gerügt wurde. Anhaltspunkte, an dieser Darstellung zu zweifeln, ergeben sich im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz nicht. Insbesondere lassen sich der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses keine Gesichtspunkte für vorsätzliches Handeln entnehmen, wie sie z.B. bei Abdeckrechnungen oder ähnlichen buchhalterischen Unregelmäßigkeiten (Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris) oder falschen Angaben gegenüber Finanz- oder Sozialversicherungsbehörden (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 290/11 B Er, juris) vorliegen können. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn der betreffende Rechtsirrtum auf "Rechtsblindheit" beruht (vgl. hierzu Grundmann, a.a.O., Rdnr. 159 m.w.N.), kann dahingestellt bleiben. Denn die Antragsgegnerin hat hierzu bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Weitergehende Feststellungen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
3. Ferner hat der Senat bei summarischer Prüfung keine Zweifel an der Richtigkeit der Höhe der geltend gemachten Forderung. Soweit die Antragstellerin auf den dem Monat Dezember 2005 zugewiesenen relativ hohen Betrag von 11.357,00 EUR an Säumniszuschlägen hinweist, so ergibt sich dieser schlüssig aus der dem Bescheid beigefügten Anlage zur Berechnung der Säumniszuschläge. Er übersteigt in seiner Höhe zwar um ein Vielfaches die den übrigen Monaten zugewiesenen Beträge, was jedoch allein daraus resultiert, dass die Antragsgegnerin mit diesem Monat die Berechnungsmodalitäten geändert und ab Januar 2006 auf eine Aufsummierung aller seit 1.1.2004 geschuldeter Beiträge verzichtet hat. Ab diesem Zeitpunkt hat sie die für die jeweiligen Monatsbeiträge geschuldeten monatlichen Säumniszuschläge dem jeweiligen Monat zugeordnet und die Beträge mit einem Faktor multipliziert, der sich aus der Anzahl der abgelaufenen Monate bis zur Anhörung im Mai 2009 ergibt (Spalte 7 der als Anlage beigefügten Tabelle). Rechnerisch führt ein solcher Vorgang aber zu demselben Ergebnis, als wenn für die Zeit ab Januar 2006 die Beitragsschuld - wie zuvor - jeweils aufaddiert worden wäre (Spalte 4 der Tabelle), der Faktor für den Zeitablauf in Monaten im Gegenzug bei 1 geblieben wäre.
4. Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass die Vollziehung des Bescheides eine unbillige Härte bedeuten würde. Eine solche wird von der Antragstellerin auch nicht behauptet.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197 a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist; auf die Ausführungen des Sozialgerichts wird auch insoweit Bezug genommen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtschutz gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.3.2012, mit dem die Antragsgegnerin Beiträge zur Sozialversicherung nachfordert.
Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen, das in der Sand- und Kiesgewinnung, im Baustoffhandel und im Tiefbau tätig ist. Im Anschluss an Ermittlungsmaßnahmen des Hauptzollamtes (HZA) C (begonnen am 8.1.2009) sowie eine Anhörung der Antragstellerin (Anhörungsschreiben v. 20.5.2009) forderte die Antragsgegnerin für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 85.448,39 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen von 21.829,50 Euro) für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008 nach (Bescheid v. 30.12.2009, bekannt gegeben am 4.1.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 7.3.2012). Der Beigeladene zu 1) sei bei der Antragstellerin als Baggerfahrer versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die für das Jahr 2004 nachgeforderten Beiträge seien nicht verjährt. Die Antragstellerin habe die Sozialversicherungsbeiträge nämlich vorsätzlich nicht abgeführt. Fahrer ohne Einsatz von wesentlichen Sachmitteln, die nur ihre eigene Arbeitskraft einsetzten, seien nach ständiger Rechtsprechung Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Die Antragstellerin habe in ihrer Kiesgrube darüber hinaus andere Personen u.a. als Baggerfahrer beschäftigt, die sie zutreffend als Arbeitnehmer im Sinne der Sozialversicherung eingestuft habe. Demnach sei ihr bewusst gewesen, dass der Beigeladene zu 1) möglicherweise sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein könne. Trotzdem habe sie kein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet.
Die Antragstellerin hat Klage erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie hat vorgetragen: Die Klage habe nach § 7a Abs. 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aufschiebende Wirkung. Der Beigeladene zu 1) sei aufgrund zahlreicher näher dargelegter Umstände (z.B. Gewerbeanmeldung, Verwendung eigenen Arbeitswerkzeugs, Höhe der gezahlten Vergütung, Tätigkeit für mehrere Auftraggeber) als Selbständiger anzusehen.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt (Beschluss v. 4.6.2012, auf dessen Gründe Bezug genommen wird).
Mit der Beschwerde wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Für Beitragsnachforderungen nebst darauf entfallenden Säumniszuschlägen für die Zeit vom 1.12.2004 bis zum 31.12.2008 ist sie unbegründet. Für den davor liegenden Zeitraum ist sie begründet.
1. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt hier ein Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vor. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV haben weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) aufschiebende Wirkung (im Ergebnis wie hier: Bayerisches LSG, Beschluss v. 16.3.2010, L 5 R 21/10 B ER; LSG Hamburg, Beschluss v. 16.4.2012, L 3 R 19/12 B ER; jeweils juris).
a) Dem Wortlaut des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV nach beschränkt sich die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen auf "Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt". Auch wenn man den Begriff "Beschäftigung" im Licht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Sinne von "versicherungspflichtige Beschäftigung" auslegt (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 31/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 3; Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2), so lässt sich der Vorschrift kein hinreichender Anhalt dafür entnehmen, dass auch Beitragsnachforderungen hiervon erfasst sein sollen. Im Gegenteil spricht hiergegen, dass der Gesetzgeber in § 7a SGB IV einerseits sowie in §§ 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV andererseits sorgfältig zwischen der Feststellung der Versicherungspflicht einerseits und der Beitragshöhe andererseits unterscheidet.
b) Nichts anderes ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien. Zwar soll § 7a Abs. 7 SGB IV danach nicht nur für die Statusentscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund, sondern auch für diejenigen der übrigen Sozialversicherungsträger gelten (BT-Drucks. 14/1855, S. 8). Der Wille, die aufschiebende Wirkung auf Beitragsbescheide auszudehnen, wird hieraus jedoch nicht deutlich. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber zeitlich nachfolgend die Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG in Kraft gesetzt, die die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide über die Anforderung von Beiträgen im Interesse der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung gerade ausschließt (vgl. BT-Drs. 14/5943, S. 25 zu Nr. 34).
c) Mit Blick auf diesen Gesetzeszweck ist der Anwendungsbereich des § 7a Abs. 7 SGB IV auf reine Statusfeststellungsverfahren zu beschränken. Das entspricht auch dem Sinn der Bestimmung, die frühzeitige Klärung von Statusfragen (die § 7a SGB IV ja gerade ermöglichen soll) zu honorieren. Ein sachlicher Grund, Unternehmen zu privilegieren, die ihre Verpflichtung zur Meldung (§ 28a SGB IV) und zur Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) verletzt haben, ist demgegenüber nicht erkennbar.
2. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier der Klage, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER, juris).
a) Auf dieser Grundlage bestehen zunächst keine überwiegenden Zweifel am Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen zu 1) und der hieraus folgenden Beitragspflicht dem Grunde nach. Der Senat schließt sich insoweit der angefochtenen Entscheidung des SG an und sieht von einer eigenen Begründung ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Zutreffend hat das SG insbesondere auf den erheblichen Umfang der vertraglichen Bindung des Beigeladenen zu 1) an die Antragstellerin hingewiesen, der eine organisatorische Eingliederung in deren Geschäftsbetrieb nahelegt. Beleg hierfür ist nicht zuletzt der Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, wonach der Beigeladene zu 1) zum Teil sogar gegenüber ihren Mitarbeitern weisungsbefugt war. Etwaige Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) für andere Auftraggeber spielen demgegenüber für eine Abgrenzung allenfalls eine untergeordnete Rolle, da grundsätzlich selbständige Tätigkeiten neben einer abhängigen Beschäftigung ausgeführt werden können. Schließlich sind unverändert typische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit, insbesondere ein prägendes unternehmerisches Risiko, für das Vertragsverhältnis der Antragstellerin mit dem Beigeladenen zu 1) nicht hinreichend erkennbar oder vorgetragen.
b) Die geltend gemachten Beiträge sind lediglich für den Zeitraum vom 1.1.2004 bis zum 30.11.2004 nach derzeitigem Sachstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verjährt, für die Zeit danach hingegen nicht.
aa) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der jeweils vor dem 1.1.2006 gültigen Fassung wurden Beiträge spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Demnach läuft die vierjährige Regelverjährung für Beiträge, die aus einer Beschäftigung bis einschließlich November 2005 resultieren, lediglich bis zum 31.12.2009. Die Geltendmachung dieser Beiträge mit dem erst am 4.1.2010 zugestellten Bescheid vom 30.12.2009 ist also nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV erfolgt.
bb) Für diejenigen Beiträge, die aus einer Tätigkeit in der Zeit vom 1.1.2004 bis zum 30.11.2005 resultieren, ist mithin Verjährung nur dann nicht eingetreten, wenn die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingreift. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Beitragsschuldner die Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten hat.
(1) Insoweit genügt es, dass der Beitragsschuldner lediglich bedingt vorsätzlich gehandelt, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Kenntnis des Arbeitgebers ankommt, ist bei juristischen Personen - wie hier - in erster Linie auf die Kenntnis der für sie handelnden vertretungsberechtigten Organwalter, darüber hinaus insbesondere derjenigen Mitarbeiter abzustellen, die mit der Wahrnehmung der Pflichten des Arbeitgebers bei der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV bevollmächtigt sind (vgl. § 166 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch) und deren Wissen daher dem Arbeitgeber zuzurechnen ist (ausführlich hierzu Senat, Beschluss v. 17.11.2012, L 8 R 699/12 B ER, juris, m.w.N.). Es reicht aus, dass der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist. Die Voraussetzungen des Vorsatzes sind konkret, d.h. anhand der Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betroffenen Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung zu ermitteln (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; v. 25.6.2012, L 8 R 382/12 B ER; v. 20.9.2012, L 8 R 630/12 B ER; jeweils juris). Bei verbleibenden Zweifeln trifft die objektive Beweislast hinsichtlich des Vorsatzes den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstigere längere Verjährungsfrist beruft (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3 - 2400 § 25 Nr. 7 m.w.N.).
(2) Indem das BSG auf den Vorsatz hinsichtlich der Beitragspflicht abstellt, folgt es - ohne dies ausdrücklich auszusprechen - erkennbar der im Zivilrecht herrschenden Vorsatztheorie (vgl. Grundmann in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 276 Rdnr. 158 m.w.N. aus der Rechtsprechung und zum Meinungsstand) und nicht der im Strafrecht maßgebenden eingeschränkten Schuldtheorie (vgl. zu dieser im Zusammenhang mit der Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung BGH, Beschluss v. 7.10.2009, NStZ 2010, 337 f.). Daraus folgt, dass der Beitragsschuldner nicht nur die Tatsachen kennen muss, die zur Beitragspflicht führen, sondern auch die Beitragspflicht selbst für möglich halten muss. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die Behandlung des vermeidbaren Verbotsirrtums. Während dieser im Strafrecht nichts am Bestehen des Vorsatzes ändert und lediglich die Möglichkeit der Strafmilderung eröffnet (vgl. § 17 Satz 2 Strafgesetzbuch), lässt er nach der Vorsatztheorie den Vorsatz entfallen und führt "nur" zum Vorwurf der Fahrlässigkeit. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG v. 9.11.2011 (B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13). Zwar hat das BSG dort ausgeführt, bei der Prüfung des Vorsatzes sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten nach §§ 7a, 28h SGB IV vorgehen könne. Auch das BSG setzt aber voraus, dass derartige Unklarheiten im konkreten Fall bestehen, dass der Beitragsschuldner also seine Beitragspflicht für möglich gehalten hat.
(3) Im vorliegenden Fall ist auf dieser Grundlage zunächst davon auszugehen, dass die 30jährige Verjährungsfrist für alle ab dem 1.12.2004 geschuldeten Beiträge gilt. Denn noch vor Ablauf der hierfür ursprünglich geltenden Verjährungsfrist hat die Antragstellerin mit Zugang des Anhörungsschreibens vom 20.5.2009 Kenntnis von ihrer möglichen Beitragspflicht erhalten. In diesem Schreiben hat die Antragsgegnerin die Grundlagen der Beitragspflicht der Antragstellerin dargestellt.
(4) Demgegenüber hat die Antragstellerin für die Zeit vor dem 1.1.2009 nachvollziehbar vorgetragen, ihre Beitragspflicht falsch beurteilt zu haben. So hat sie in sich schlüssig und damit glaubhaft dargestellt, dass die Geschäftsbeziehung mit Herrn C aufgrund dessen Angebotsschreibens vom 3.8.1999 zustande gekommen ist. Dieses ist seiner Form nach als Angebot eines selbständigen Werkunternehmers einzustufen. Zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung ist daher nachvollziehbar, dass die Antragstellerin die sich anschließend entwickelnde Geschäftsbeziehung als die Beauftragung eines Selbständigen eingestuft hat, also nicht von einer beitragspflichtigen Beschäftigung ausgegangen ist und diese auch nicht für möglich gehalten hat. Im Laufe der folgenden langjährigen Geschäftsbeziehung hatte die Antragstellerin auch keinen Anlass, die gewonnene - möglicherweise unrichtige - Einschätzung zu überdenken, nachdem die Einstufung der Vertragsbeziehung als die Beauftragung eines Selbständigen bei Betriebs- und Baustellenprüfungen glaubhaft nicht gerügt wurde. Anhaltspunkte, an dieser Darstellung zu zweifeln, ergeben sich im Rahmen des Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz nicht. Insbesondere lassen sich der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses keine Gesichtspunkte für vorsätzliches Handeln entnehmen, wie sie z.B. bei Abdeckrechnungen oder ähnlichen buchhalterischen Unregelmäßigkeiten (Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris) oder falschen Angaben gegenüber Finanz- oder Sozialversicherungsbehörden (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 290/11 B Er, juris) vorliegen können. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn der betreffende Rechtsirrtum auf "Rechtsblindheit" beruht (vgl. hierzu Grundmann, a.a.O., Rdnr. 159 m.w.N.), kann dahingestellt bleiben. Denn die Antragsgegnerin hat hierzu bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Weitergehende Feststellungen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
3. Ferner hat der Senat bei summarischer Prüfung keine Zweifel an der Richtigkeit der Höhe der geltend gemachten Forderung. Soweit die Antragstellerin auf den dem Monat Dezember 2005 zugewiesenen relativ hohen Betrag von 11.357,00 EUR an Säumniszuschlägen hinweist, so ergibt sich dieser schlüssig aus der dem Bescheid beigefügten Anlage zur Berechnung der Säumniszuschläge. Er übersteigt in seiner Höhe zwar um ein Vielfaches die den übrigen Monaten zugewiesenen Beträge, was jedoch allein daraus resultiert, dass die Antragsgegnerin mit diesem Monat die Berechnungsmodalitäten geändert und ab Januar 2006 auf eine Aufsummierung aller seit 1.1.2004 geschuldeter Beiträge verzichtet hat. Ab diesem Zeitpunkt hat sie die für die jeweiligen Monatsbeiträge geschuldeten monatlichen Säumniszuschläge dem jeweiligen Monat zugeordnet und die Beträge mit einem Faktor multipliziert, der sich aus der Anzahl der abgelaufenen Monate bis zur Anhörung im Mai 2009 ergibt (Spalte 7 der als Anlage beigefügten Tabelle). Rechnerisch führt ein solcher Vorgang aber zu demselben Ergebnis, als wenn für die Zeit ab Januar 2006 die Beitragsschuld - wie zuvor - jeweils aufaddiert worden wäre (Spalte 4 der Tabelle), der Faktor für den Zeitablauf in Monaten im Gegenzug bei 1 geblieben wäre.
4. Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass die Vollziehung des Bescheides eine unbillige Härte bedeuten würde. Eine solche wird von der Antragstellerin auch nicht behauptet.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197 a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist; auf die Ausführungen des Sozialgerichts wird auch insoweit Bezug genommen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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