L 11 KA 65/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 246/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 65/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 23/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. der Beigel. zu 7. wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beigeladenen zu 7) gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.05.2011 wird zurückgewiesen. Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) tragen die Gerichtskosten und die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im zweiten Rechtszug zu je 1/2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte der Klägerin die Genehmigung zur Anstellung Psychologischer Psychotherapeuten versagen darf.

Die Klägerin ist Trägerin des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) "advitam" mit Sitz in E.

Im September 2009 beantragte sie beim Zulassungsausschuss für Ärzte - Bereich Psychotherapie - (Zulassungsausschuss) in E die Genehmigung der Anstellung des Psychologischen Psychotherapeutin Dr. phil. Dipl. Psych. U V in Nachfolge der psychotherapeutisch tätigen Ärztin F N.

Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit Beschluss vom 23.09.2009 ab. Für die Nachbesetzung einer angestellten Ärztin gemäß § 95 Abs. 2 Satz 7 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 32b Zulassungsverordnung Ärzte sei grundsätzlich eine fachliche Identität zwischen ausscheidendem und hierfür anzustellendem Leistungserbringer erforderlich. Eine Nachfolgeanstellung sei daher jeweils nur innerhalb der Gruppen der Ärzte und der psychologischen Psychotherapeuten zulässig.

Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin u.a. geltend, dass eine Nachbesetzung mit einem entsprechend qualifizierten Arzt trotz intensiven Bemühens nicht möglich gewesen sei. Die Nachbesetzung mit Psychologischen Psychotherapeuten sei im Übrigen, wie sich aus dem Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 05.05.2009 - L 5 KA 599/09 ER-B - ergebe, zulässig.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 14.04.2010 (Bescheid vom 06.05.2010) zurück. Die Fortführung einer ärztlichen Praxis durch einen Psychologischen Psychotherapeuten scheitere schon angesichts dessen fehlender Zulassung in einem ärztlichen Fachgebiet. Die Absicht des Gesetzgebers in § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V, einen bestimmten Anteil von ärztlichen Psychotherapeuten an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten zu gewährleisten, würde konterkariert, wenn nichtärztliche Psychotherapeuten Arztstellen in Anspruch nehmen könnten. Hierdurch würde ihnen der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung ermöglicht, obwohl der Planungsbereich für sie gesperrt sei. Dies würde wiederum zu einer Verstärkung der Überversorgung führen. Die bedarfsplanungsrechtlichen Vorgaben würden vollends unterlaufen, wenn später zulassungswillige ärztliche Psychotherapeuten unter Berufung auf die Quotenregelung den Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung suchen würden.

Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung am 04.06.2010 Klage erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Beklagte stelle sich gegen die inzwischen durch Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg und des Hessischen LSG gefestigte sozialgerichtliche Rechtsprechung. Danach sei die Behörde nach § 95 Abs. 2 Satz 8 SGB V zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet, wenn wie im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 Satz 5 SGB V erfüllt seien.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 14.04.2010 zu verurteilen, auf ihren Antrag vom 03.09.2009 auf Anstellung der Psychologischen Psychotherapeutin Frau Dr. phil. Dipl. Psych. U V anstelle der ausscheidenden, für die Klägerin psychotherapeutisch tätig gewesenen Frau F N im Umfang von 15 Wochenstunden eine entsprechende Genehmigung zu erteilen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat zunächst in dem auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren dem Antrag der Klägerin weitgehend entsprochen. Der Beklagte ist vom SG verpflichtet worden, der Klägerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die begehrte Genehmigung unter den Vorbehalten, dass Dr. V die persönlichen Voraussetzungen nach § 95 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Satz 5 erfüllt und die Klägerin den überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutischen Ärzten vorbehaltenen Versorgungsanteil von mindestens 25% der allgemeinen Verhältniszahl nicht beeinträchtigt (Beschluss vom 02.08.2010 - S 14 KA 245/10 ER -).

Sodann hat das SG der Klage mit Urteil vom 11.05.2011 stattgegeben. Das SG hat wie bereits zuvor der Senat in seinem Beschluss in Parallelverfahren der Klägerin vom 21.06.2010 (L 11 B 26/09 KA ER) dargelegt, dass dieser nach § 103 Abs. 4a Satz 5 i.V.m. § 95 Abs. 2 SGB V ein Anspruch auf Genehmigung der Anstellung zustehe. In § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V werde sichergestellt, dass ein MVZ eine Arztstelle nachbesetzen könne, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet seien. Beide Bewerber erfüllten die persönlichen Anforderungen an eine Anstellung (§ 95 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Satz 5 SGB V). Eine völlige Fachgebietsidentität zwischen ausscheidendem Vertragsarzt und präsumtivem Nachfolger müsse nicht bestehen. Es reiche, wenn das Tätigkeitsspektrum des neuen Angestellten dem des vorigen im Wesentlichen entspreche. Dies sei bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten der Fall. Auch stehe die Quotenreglung des § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V nicht entgegen, da die Quote durch die Nachbesetzung nicht unterlaufen werde.

Gegen das ihr am 30.06.2011 zugestellte Urteil wendet sich die Beigeladene zu 7) mit ihrer Berufung vom 12.07.2011, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihr Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wiederholt: Eine Nachfolge von Psychologischen Psychotherapeuten auf die gesetzlich geschützten Sitze von ärztlichen Psychotherapeuten sei aus Versorgungsgesichtspunkten und aufgrund der Intention des Gesetzgebers, den ärztlichen Psychotherapeuten eine Mindestquote vorzuhalten, nicht hinnehmbar. Die gesetzliche Intention werde konterkariert, wenn über den Umweg der Praxisnachfolge oder Benachfolgung an Angestelltensitzen die gesetzliche geschützte Mindestquote unterlaufen werden könne. Es bestünde die Gefahr, dass die überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte nach und nach fast ganz innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zurückgedrängt würden. Der Anteil der überwiegend oder aus-schließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte solle bei mindestens und nicht bei maximal 25% liegen. Eine Ungleichbehandlung trete ein. Solange die Quote über 25% liege, wäre eine Benachfolgung psychotherapeutisch tätiger Ärzte durch Psychologische Psychotherapeuten zulässig; sie müsse aber abgelehnt werden, wenn die Quote unter 25% falle, ohne dass eine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Die Benachfolgung eines psychotherapeutisch tätigen Arztes durch einen Psychologischen Psychotherapeuten wirke sich zudem in der Quote doppelt aus, da bei den ärztlichen Psychotherapeuten ein Leistungserbringer weniger und bei den psychotherapeutischen Leistungserbringern ein Leistungserbringer mehr zu zählen sei. In der Bedarfsplanung führe dies zu einer "Schaukelbewegung". Der Anteil der Psychologischen Psychotherapeuten werde immer weiter erhöht, deshalb müsse der Anteil der ärztlichen Psychotherapeuten weiter aufgefüllt werden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 7) beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.05.2011 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beigeladenen zu 7) zurückweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Akten S 14 KA 245/10 ER sowie die Gerichtsakte des ebenfalls zur mündlichen Verhandlung am 12.12.2012 anstehenden Parallelverfahrens der Klägerin S 14 KA 184/09 SG Düsseldorf = L 11 KA 64/11 LSG Nordrhein-Westfalen nebst des dortigen einstweiligen Verfahrens S 14 KA 183/09 ER SG Düsseldorf = L 11 B 26/09 KA ER LSG Nordrhein-Westfalen Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beigeladenen zu 7) ist nicht begründet.

Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die Klägerin hat Anspruch auf Genehmigung der Anstellung der Psychologischen Psychotherapeutin Dr. phil. Dipl. Psych. U V anstelle der ausscheidenden, für die Klägerin psychotherapeutisch tätig gewesenen F N im Umfang von 15 Wochenstunden.

Das SG hat in dem angefochtenen Urteil vom 11.05.2011 in aller Ausführlichkeit die Sach- und Rechtslage unter Einbeziehung sämtlicher, insbesondere von dem Beklagten und der Beigeladenen zu 7) vorgebrachten Aspekte und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung ebenso ausführlich wie zutreffend gewürdigt. Dem Urteil, das dem Beschluss des Senats im Parallelverfahren der Klägerin vom 21.06.2010 (L 11 B 26/09 KA ER) entspricht, ist die Beigeladenen zu 7) im Wesentlichen nur mit einer Wiederholung ihres Vorbringens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund nimmt der Senat zur Vermeidung von weiteren Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die dort getroffenen Feststellungen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Lediglich ergänzend führt der Senat aus:

Die Einwendungen der Beigeladenen zu 7) in ihrer Berufungsbegründung sind für die Entscheidung des Senats weiterhin unerheblich. Dem von der Beigeladenen zu 7) propagierten Schutz der ärztlichen Psychotherapeuten wird durch Beachtung der Quote des § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V Genüge getan. Mehr als Beachtung der Quote fordert das Gesetz nicht. Das übrige Vorbringen der Beigeladenen zu 7) beruht allein auf hypothetischen Erwägungen etwaiger Auswirkungen der Rechtslage und berührt diese mithin hin.

Soweit schließlich Stellpflug in seiner Anmerkung zu dem Beschluss des Senats vom 21.06.2010 (MDR 2011, 391 f) sich gegen die Anwendung der in § 101 Abs. 4 Satz 5 SGB V normierten Quotenregelung im Fall der Nachbesetzung einer Arztstelle im MVZ wendet, kommt es vorliegend schon deshalb darauf nicht weiter an, weil der Klage damit erst Recht Erfolg beschieden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revisionszulassung beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Der Senat misst der Rechtssache auch im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.01.2011 - B 6 KA 23/11 R - grundsätzliche Bedeutung zu, da die Frage der Fachgebietsidentität bzw. des im Wesentlichen gleichen Tätigkeitsspektrums bei einer Nachbesetzung dort nicht im Vordergrund der Entscheidung stand.
Rechtskraft
Aus
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