Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 R 415/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 714/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 1.7.2013 geändert. Die Kosten für das nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes eingeholte Gutachten von Dr. I werden auf die Staatskasse übernommen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers werden der Staatskasse zu einem Drittel auferlegt. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger hat in der Hauptsache Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung begehrt. Er war - nach Erwerb des Kaufmannsgehilfenbriefs - zuletzt als operativer Teamleiter in einem Logistikunternehmen tätig und wurde dort tariflich nach einer Entgeltgruppe für Arbeitnehmer mit einer mindestens dreijährigen Ausbildung entlohnt. Dabei verrichtete er nach eigenen Angaben ausschließlich Bildschirmarbeit. Das Sozialgericht (SG) hat zur Feststellung seines Leistungsvermögens ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Orthopäden Dr. N eingeholt. Die Sachverständigen haben zusammenfassend ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten bei weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen, u.a. dem Ausschluss repetitiver Tätigkeiten der Hände angenommen. Auch Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen könnten nicht mehr verrichtet werden. Sollte die Frage, ob länger dauernde Bildschirmtätigkeiten möglich seien, rentenrechtlich relevant sein, wäre eine augenärztliche Zusatzbegutachtung erforderlich.
Der Kläger hat sodann vorgetragen, er genieße Berufsschutz und könne auch nicht mehr als Bürohilfskraft, Montierer, Sortierer oder Packer kleiner Teile arbeiten. "Äußerst vorsorglich" hat er als Sachverständige nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen und Psychiater Dr. H und den Orthopäden Dr. T benannt. Nach Einzahlung des angeforderten Kostenvorschusses hat das SG Dr. H als Haupt- und Dr. T als Zusatzsachverständigen mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. H hat wegen der erheblichen Fehlsichtigkeit des Klägers von 12 Dioptrien eine augenärztliche Zusatzbegutachtung für "auf jeden Fall" erforderlich gehalten. Auf Antrag des Klägers ist daraufhin - ebenfalls nach § 109 SGG - ein weiteres Zusatzgutachten des Augenarztes Dr. I eingeholt worden. Dieser hat aufgrund der auf seinem Fachgebiet bestehenden Beschwerden Arbeiten in Zugluft, bei Hitze, starken Temperaturschwankungen und Einfluss von Staub ausgeschlossen. Der Kläger müsse (offenbar auch zur Anwendung von Tränenersatzmitteln) unter Umständen häufigere kurze Pausen einlegen. Im Übrigen hat Dr. H unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens von Dr. T ein Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten bei geringer Einschränkung der feinmotorischen Handbewegungen und eine Reduzierung auf geistig einfache Tätigkeiten ohne Zeitdruck beschrieben. Beide Sachverständigen haben mitgeteilt, es bestehe hinsichtlich der Gesundheitsstörungen und der Feststellung des Leistungsvermögens Übereinstimmung mit den jeweiligen Vorgutachtern auf ihrem Fachgebiet, mit Dr. H "völlig" und mit Dr. N "im Wesentlichen".
In der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2013 haben sich die Beteiligten - auf Vorschlag des SG - vergleichsweise auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1.3.2013 unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 8.2.2013 (dem Tag der Entlassung des Klägers aus einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wegen seiner Erkrankung an einem Prostatakarzinom) geeinigt. Den Antrag des Klägers, die Kosten für die Gutachten von Dr. H, Dr. I und Dr. T auf die Landeskasse zu übernehmen, hat das SG abgelehnt (Beschluss v. 1.7.2013). Die Gutachten hätten die Sachaufklärung nicht wesentlich gefördert. Die Sachverständigen Dr. H und Dr. T hätten die Ergebnisse der Vorgutachten im Wesentlichen bestätigt. Dr. I habe auf seinem Fachgebiet keine Einschränkungen festgestellt. Damit hätte auch dieses Gutachten nicht von Amts wegen eingeholt werden müssen.
Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss trägt der Kläger vor: Mit seiner Stellungnahme zu den von Amts wegen eingeholten Gutachten habe er klargestellt, dass ihm seiner Auffassung nach zumindest Berufsschutz zustehe. Die Tatsache, dass hierauf weder das SG noch die Beklagte reagiert hätten, habe er nur so deuten können, dass ein zusätzliches Gutachten nach § 109 SGG notwendig sei. Statt eine Stellungnahme der Beklagten zur Frage des Berufsschutzes einzuholen, habe das SG ohne weiteres und ohne jede Prüfung weitere Sachverständigengutachten eingeholt. Wäre der Hinweis, dass die Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege, nicht erst in der mündlichen Verhandlung, sondern bereits vor Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG erfolgt, hätten keine weitere Gutachten eingeholt werden müssen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit das SG es abgelehnt hat, die Kosten für das Gutachten von Dr. I auf die Staatskasse zu übernehmen (1.). Im Übrigen ist sie unbegründet (2.).
Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG kann die Anhörung eines Arztes auf Antrag des Klägers davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Die Entscheidung über die Kostenübernahme liegt im Ermessen des Gerichts. Wesentliches Kriterium ist insoweit die Frage, welche Bedeutung das Gutachten für das Gerichtsverfahren gewonnen hat. Maßgeblich abzustellen ist hierbei darauf, ob durch das Aufzeigen neuer, bisher noch nicht berücksichtigter Gesichtspunkte die Aufklärung des Sachverhalts objektiv wesentlich gefördert worden ist (Senat, Beschluss v. 9.2.2011, L 8 R 1026/10 B; LSG NRW, 10. Senat, Beschluss v. 9.9.2011, L 10 P 34/11 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.6.2006, L 27 B 64/05 R; Thüringer LSG, Beschluss v. 25.3.2008, L 6 B 60/08 R, BayLSG, Beschluss v. 15.5.2013, L 15 SB 67/13 B; jeweils juris). Das ist in aller Regel dann der Fall, wenn das Gutachten von Amts wegen hätte eingeholt werden müssen (HessLSG, Beschluss v. 28.1.2004, L 12 B 16/03 RJ, Breith 2005, 87 f.). Berücksichtigungsfähig ist weiter, ob das Gutachten zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen hat (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 13.12.2010, L 6 U 60/10 B, juris). Schließlich kann auch eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht zur Kostenübernahme führen (Senat, Beschluss v. 5.9.2011, L 8 R 516/11 B, juris, m.w.N.).
1. Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten für das Gutachten von Dr. I auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat die Sachaufklärung objektiv gefördert.
a) Es spricht bereits viel dafür, dass die Einholung eines augenärztlichen Gutachtens von Amts wegen (§ 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG) erforderlich war. Bereits der vom SG bestellte Sachverständige Dr. H hat in seinem Gutachten auf die Notwendigkeit einer augenärztlichen Begutachtung für den Fall hingewiesen, dass es auf die Fähigkeit des Klägers zur Verrichtung von Bildschirmarbeit ankommen sollte. Nach den - unwidersprochenen - Angaben des Klägers bei der Begutachtung von Dr. H hat er auf seinem letzten Arbeitsplatz, der maßgeblich ist für die Bestimmung des "bisherigen Berufs" im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), jedoch ausschließlich Bildschirmarbeit geleistet. Dr. H hat darüber hinaus - im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 407a Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung - mitgeteilt, er halte ein augenärztliches Gutachten für "auf jeden Fall" erforderlich, und dies mit dem Risiko bestimmter Tätigkeiten für den Kläger angesichts einer Fehlsichtigkeit von mehr als 12 Dioptrien begründet. Daraus ergibt sich, dass das Ergebnis einer entsprechenden fachärztlichen Begutachtung auch Konsequenzen für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI) haben konnte.
b) Aber auch dann, wenn eine augenärztliche Begutachtung nicht von Amts wegen erforderlich gewesen sein sollte, hat das Gutachten von Dr. I die Sachaufklärung objektiv gefördert. Dr. I hat erstmals Feststellungen zu den Gesundheitsstörungen des Klägers auf seinem Fachgebiet und den daraus folgenden Einschränkungen seines Leistungsvermögens getroffen. Soweit er dabei die Notwendigkeit beschrieben hat, jedenfalls kurze Pausen zur Einbringung von Tränenersatzmitteln einzuhalten, handelt es sich zudem um eine bislang nicht festgestellte qualitative Leistungseinschränkung. Dass die Frage, ob der Kläger damit noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann, insbesondere ob sich diese "Pausen" im Rahmen der üblichen Verteilzeiten bzw. der Pausen nach § 5 Bildschirmarbeitsverordnung halten, im Hinblick auf die vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits nicht mehr beantwortet werden musste, rechtfertigt die Ablehnung einer Kostenübernahme auf die Staatskasse nicht.
2. Demgegenüber hat das SG die Übernahme der Kosten für die Gutachten von Dr. H und Dr. T auf die Staatskasse zu Recht abgelehnt.
a) Mit dem SG ist zunächst davon auszugehen, dass diese Gutachten die Sachverhaltsaufklärung objektiv nicht wesentlich gefördert haben. Die Sachverständigen sind - auch nach eigener Einschätzung - zu im Wesentlichen denselben Ergebnissen gekommen wie die von Amts wegen tätig gewordenen Sachverständigen Dr. H und Dr. N. Dies wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt.
b) Die Gutachten haben des Weiteren nicht zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie ausschlaggebend für den Abschluss des Vergleichs zwischen den Beteiligten waren. Die vom SG erteilten protokollierten Hinweise beziehen sich auf Leistungseinschränkungen, die auch nach den Sachverständigengutachten von Dr. H und Dr. N bereits bekannt waren. Der dem Vergleich zugrunde gelegte Versicherungsfall orientiert sich ebenfalls nicht an den Feststellungen der Sachverständigen Dr. H und Dr. T, sondern offenbar am Datum des Entlassungsberichtes aus der stationären Rehabilitation im Anschluss an die Erkrankung des Klägers an einem Prostatakarzinom, die von den Sachverständigen noch gar nicht berücksichtigt worden war.
c) Mit dem Beschwerdevorbringen rügt der Kläger vor allem, er hätte von seinem Antragsrecht nach § 109 SGG keinen Gebrauch gemacht, wenn das SG bereits früher seine Rechtsüberzeugung geäußert hätte, dass ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe. Sinngemäß macht er damit eine unrichtige Sachbehandlung durch das SG geltend. Eine solche liegt zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor.
aa) Es besteht insbesondere gegenüber rechtskundig vertretenen Beteiligten weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt auch keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG, Urteil v. 25.10.2012, B 9 SB 2/12 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 16; Urteil v. 21.6.2000, B 5 RJ 24/00 B, SozR 3-1500 § 12 Nr. 2; Beschluss v. 6.3.2013, B 6 KA 6/12 C, juris; Beschluss v. 13.5.2011, B 12 R 25/10 B, juris; jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschluss v. 29.5.1991, 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188 [190]).
bb) Nach diesen Grundsätzen war das SG vor Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG nicht verpflichtet, die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Betracht kam. Der Kläger hat durchgängig Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Deren Voraussetzungen waren nach dem Ergebnis der Ermittlungen von Amts wegen noch nicht nachgewiesen, sodass es keinen Grund gab, den Antrag nach § 109 SGG abzulehnen oder dem Kläger einen sachdienlichen Hinweis dahingehend zu erteilen, dass es eines solchen Antrags nicht mehr bedurfte. Im Übrigen - insbesondere der Frage, ob der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen seinen bisherigen Beruf noch ausüben kann und ob andernfalls eine subjektiv und objektiv zumutbare Verweisungstätigkeit ersichtlich ist - gab es für das SG weder Anlass noch Verpflichtung, dem Ergebnis der Beweiswürdigung durch die Kammer in der mündlichen Verhandlung vorzugreifen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (Senat, Beschluss v. 5.9.2011, a.a.O. m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Kläger hat in der Hauptsache Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung begehrt. Er war - nach Erwerb des Kaufmannsgehilfenbriefs - zuletzt als operativer Teamleiter in einem Logistikunternehmen tätig und wurde dort tariflich nach einer Entgeltgruppe für Arbeitnehmer mit einer mindestens dreijährigen Ausbildung entlohnt. Dabei verrichtete er nach eigenen Angaben ausschließlich Bildschirmarbeit. Das Sozialgericht (SG) hat zur Feststellung seines Leistungsvermögens ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H unter Berücksichtigung eines Zusatzgutachtens des Orthopäden Dr. N eingeholt. Die Sachverständigen haben zusammenfassend ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten bei weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen, u.a. dem Ausschluss repetitiver Tätigkeiten der Hände angenommen. Auch Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen könnten nicht mehr verrichtet werden. Sollte die Frage, ob länger dauernde Bildschirmtätigkeiten möglich seien, rentenrechtlich relevant sein, wäre eine augenärztliche Zusatzbegutachtung erforderlich.
Der Kläger hat sodann vorgetragen, er genieße Berufsschutz und könne auch nicht mehr als Bürohilfskraft, Montierer, Sortierer oder Packer kleiner Teile arbeiten. "Äußerst vorsorglich" hat er als Sachverständige nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen und Psychiater Dr. H und den Orthopäden Dr. T benannt. Nach Einzahlung des angeforderten Kostenvorschusses hat das SG Dr. H als Haupt- und Dr. T als Zusatzsachverständigen mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dr. H hat wegen der erheblichen Fehlsichtigkeit des Klägers von 12 Dioptrien eine augenärztliche Zusatzbegutachtung für "auf jeden Fall" erforderlich gehalten. Auf Antrag des Klägers ist daraufhin - ebenfalls nach § 109 SGG - ein weiteres Zusatzgutachten des Augenarztes Dr. I eingeholt worden. Dieser hat aufgrund der auf seinem Fachgebiet bestehenden Beschwerden Arbeiten in Zugluft, bei Hitze, starken Temperaturschwankungen und Einfluss von Staub ausgeschlossen. Der Kläger müsse (offenbar auch zur Anwendung von Tränenersatzmitteln) unter Umständen häufigere kurze Pausen einlegen. Im Übrigen hat Dr. H unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens von Dr. T ein Restleistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten bei geringer Einschränkung der feinmotorischen Handbewegungen und eine Reduzierung auf geistig einfache Tätigkeiten ohne Zeitdruck beschrieben. Beide Sachverständigen haben mitgeteilt, es bestehe hinsichtlich der Gesundheitsstörungen und der Feststellung des Leistungsvermögens Übereinstimmung mit den jeweiligen Vorgutachtern auf ihrem Fachgebiet, mit Dr. H "völlig" und mit Dr. N "im Wesentlichen".
In der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2013 haben sich die Beteiligten - auf Vorschlag des SG - vergleichsweise auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1.3.2013 unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalles vom 8.2.2013 (dem Tag der Entlassung des Klägers aus einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme wegen seiner Erkrankung an einem Prostatakarzinom) geeinigt. Den Antrag des Klägers, die Kosten für die Gutachten von Dr. H, Dr. I und Dr. T auf die Landeskasse zu übernehmen, hat das SG abgelehnt (Beschluss v. 1.7.2013). Die Gutachten hätten die Sachaufklärung nicht wesentlich gefördert. Die Sachverständigen Dr. H und Dr. T hätten die Ergebnisse der Vorgutachten im Wesentlichen bestätigt. Dr. I habe auf seinem Fachgebiet keine Einschränkungen festgestellt. Damit hätte auch dieses Gutachten nicht von Amts wegen eingeholt werden müssen.
Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss trägt der Kläger vor: Mit seiner Stellungnahme zu den von Amts wegen eingeholten Gutachten habe er klargestellt, dass ihm seiner Auffassung nach zumindest Berufsschutz zustehe. Die Tatsache, dass hierauf weder das SG noch die Beklagte reagiert hätten, habe er nur so deuten können, dass ein zusätzliches Gutachten nach § 109 SGG notwendig sei. Statt eine Stellungnahme der Beklagten zur Frage des Berufsschutzes einzuholen, habe das SG ohne weiteres und ohne jede Prüfung weitere Sachverständigengutachten eingeholt. Wäre der Hinweis, dass die Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege, nicht erst in der mündlichen Verhandlung, sondern bereits vor Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG erfolgt, hätten keine weitere Gutachten eingeholt werden müssen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, soweit das SG es abgelehnt hat, die Kosten für das Gutachten von Dr. I auf die Staatskasse zu übernehmen (1.). Im Übrigen ist sie unbegründet (2.).
Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG kann die Anhörung eines Arztes auf Antrag des Klägers davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Die Entscheidung über die Kostenübernahme liegt im Ermessen des Gerichts. Wesentliches Kriterium ist insoweit die Frage, welche Bedeutung das Gutachten für das Gerichtsverfahren gewonnen hat. Maßgeblich abzustellen ist hierbei darauf, ob durch das Aufzeigen neuer, bisher noch nicht berücksichtigter Gesichtspunkte die Aufklärung des Sachverhalts objektiv wesentlich gefördert worden ist (Senat, Beschluss v. 9.2.2011, L 8 R 1026/10 B; LSG NRW, 10. Senat, Beschluss v. 9.9.2011, L 10 P 34/11 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 21.6.2006, L 27 B 64/05 R; Thüringer LSG, Beschluss v. 25.3.2008, L 6 B 60/08 R, BayLSG, Beschluss v. 15.5.2013, L 15 SB 67/13 B; jeweils juris). Das ist in aller Regel dann der Fall, wenn das Gutachten von Amts wegen hätte eingeholt werden müssen (HessLSG, Beschluss v. 28.1.2004, L 12 B 16/03 RJ, Breith 2005, 87 f.). Berücksichtigungsfähig ist weiter, ob das Gutachten zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen hat (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 13.12.2010, L 6 U 60/10 B, juris). Schließlich kann auch eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht zur Kostenübernahme führen (Senat, Beschluss v. 5.9.2011, L 8 R 516/11 B, juris, m.w.N.).
1. Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten für das Gutachten von Dr. I auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat die Sachaufklärung objektiv gefördert.
a) Es spricht bereits viel dafür, dass die Einholung eines augenärztlichen Gutachtens von Amts wegen (§ 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG) erforderlich war. Bereits der vom SG bestellte Sachverständige Dr. H hat in seinem Gutachten auf die Notwendigkeit einer augenärztlichen Begutachtung für den Fall hingewiesen, dass es auf die Fähigkeit des Klägers zur Verrichtung von Bildschirmarbeit ankommen sollte. Nach den - unwidersprochenen - Angaben des Klägers bei der Begutachtung von Dr. H hat er auf seinem letzten Arbeitsplatz, der maßgeblich ist für die Bestimmung des "bisherigen Berufs" im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), jedoch ausschließlich Bildschirmarbeit geleistet. Dr. H hat darüber hinaus - im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 407a Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung - mitgeteilt, er halte ein augenärztliches Gutachten für "auf jeden Fall" erforderlich, und dies mit dem Risiko bestimmter Tätigkeiten für den Kläger angesichts einer Fehlsichtigkeit von mehr als 12 Dioptrien begründet. Daraus ergibt sich, dass das Ergebnis einer entsprechenden fachärztlichen Begutachtung auch Konsequenzen für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI) haben konnte.
b) Aber auch dann, wenn eine augenärztliche Begutachtung nicht von Amts wegen erforderlich gewesen sein sollte, hat das Gutachten von Dr. I die Sachaufklärung objektiv gefördert. Dr. I hat erstmals Feststellungen zu den Gesundheitsstörungen des Klägers auf seinem Fachgebiet und den daraus folgenden Einschränkungen seines Leistungsvermögens getroffen. Soweit er dabei die Notwendigkeit beschrieben hat, jedenfalls kurze Pausen zur Einbringung von Tränenersatzmitteln einzuhalten, handelt es sich zudem um eine bislang nicht festgestellte qualitative Leistungseinschränkung. Dass die Frage, ob der Kläger damit noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann, insbesondere ob sich diese "Pausen" im Rahmen der üblichen Verteilzeiten bzw. der Pausen nach § 5 Bildschirmarbeitsverordnung halten, im Hinblick auf die vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits nicht mehr beantwortet werden musste, rechtfertigt die Ablehnung einer Kostenübernahme auf die Staatskasse nicht.
2. Demgegenüber hat das SG die Übernahme der Kosten für die Gutachten von Dr. H und Dr. T auf die Staatskasse zu Recht abgelehnt.
a) Mit dem SG ist zunächst davon auszugehen, dass diese Gutachten die Sachverhaltsaufklärung objektiv nicht wesentlich gefördert haben. Die Sachverständigen sind - auch nach eigener Einschätzung - zu im Wesentlichen denselben Ergebnissen gekommen wie die von Amts wegen tätig gewordenen Sachverständigen Dr. H und Dr. N. Dies wird auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt.
b) Die Gutachten haben des Weiteren nicht zur Erledigung des Rechtsstreits beigetragen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie ausschlaggebend für den Abschluss des Vergleichs zwischen den Beteiligten waren. Die vom SG erteilten protokollierten Hinweise beziehen sich auf Leistungseinschränkungen, die auch nach den Sachverständigengutachten von Dr. H und Dr. N bereits bekannt waren. Der dem Vergleich zugrunde gelegte Versicherungsfall orientiert sich ebenfalls nicht an den Feststellungen der Sachverständigen Dr. H und Dr. T, sondern offenbar am Datum des Entlassungsberichtes aus der stationären Rehabilitation im Anschluss an die Erkrankung des Klägers an einem Prostatakarzinom, die von den Sachverständigen noch gar nicht berücksichtigt worden war.
c) Mit dem Beschwerdevorbringen rügt der Kläger vor allem, er hätte von seinem Antragsrecht nach § 109 SGG keinen Gebrauch gemacht, wenn das SG bereits früher seine Rechtsüberzeugung geäußert hätte, dass ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe. Sinngemäß macht er damit eine unrichtige Sachbehandlung durch das SG geltend. Eine solche liegt zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor.
aa) Es besteht insbesondere gegenüber rechtskundig vertretenen Beteiligten weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt auch keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG, Urteil v. 25.10.2012, B 9 SB 2/12 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 16; Urteil v. 21.6.2000, B 5 RJ 24/00 B, SozR 3-1500 § 12 Nr. 2; Beschluss v. 6.3.2013, B 6 KA 6/12 C, juris; Beschluss v. 13.5.2011, B 12 R 25/10 B, juris; jeweils m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschluss v. 29.5.1991, 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188 [190]).
bb) Nach diesen Grundsätzen war das SG vor Erlass der Beweisanordnung nach § 109 SGG nicht verpflichtet, die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in Betracht kam. Der Kläger hat durchgängig Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Deren Voraussetzungen waren nach dem Ergebnis der Ermittlungen von Amts wegen noch nicht nachgewiesen, sodass es keinen Grund gab, den Antrag nach § 109 SGG abzulehnen oder dem Kläger einen sachdienlichen Hinweis dahingehend zu erteilen, dass es eines solchen Antrags nicht mehr bedurfte. Im Übrigen - insbesondere der Frage, ob der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen seinen bisherigen Beruf noch ausüben kann und ob andernfalls eine subjektiv und objektiv zumutbare Verweisungstätigkeit ersichtlich ist - gab es für das SG weder Anlass noch Verpflichtung, dem Ergebnis der Beweiswürdigung durch die Kammer in der mündlichen Verhandlung vorzugreifen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG (Senat, Beschluss v. 5.9.2011, a.a.O. m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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