Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 LW 4/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 7/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 4.7.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Beitragsforderung der Antragsgegnerin.
Die 1959 geborene Antragstellerin ist seit 1982 mit dem Landwirt K Q, verheiratet. Auf ihren Antrag befreite sie die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 4.8.1995 ab dem 1.1.1995 von der Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), da sie ein außerlandwirtschaftliches Einkommen erzielte, dass ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschritt. In dem Bescheid wies die Antragsgegnerin gleichzeitig darauf hin, dass die Antragstellerin verpflichtet sei, etwaige Änderungen, insbesondere den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen, anzuzeigen.
In der Folgezeit fanden regelmäßige Überprüfungen der Befreiungsvoraussetzungen durch die Antragsgegnerin statt. Im Jahr 2011 forderte sie bei der Krankenversicherung der Antragstellerin, der Barmer Ersatzkasse, eine Versicherungsbestätigung ab dem 1.1.2009 an. Zudem übersandte die Antragstellerin ebenfalls auf Anforderung am 4.10.2011 einen Fragebogen zur Prüfung der Befreiung wegen Arbeitsentgelt und Erwerbsersatzeinkommen an die Antragsgegnerin. Der Erhebungszeitraum des Fragebogens war die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2010. Zuletzt bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 3.4.2013 um Einreichung von Nachweisen, dass die Befreiungsvoraussetzungen nach wie vor gegeben seien. Aus den von der Antragstellerin daraufhin am 15.4.2013 übersandten Unterlagen ergab sich, dass sie in der Zeit vom 18.1.2011 bis zum 30.5.2011 Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.344,02 EUR, für die Zeit vom 31.5.2011 bis zum 21.6.2011 Übergangsgeld in Höhe von insgesamt 163,59 EUR und im Anschluss erneut Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit bezogen hat.
Nach vorheriger Anhörung hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.5.2013 die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2011 bis zum 14.4.2013 auf. Ab dem 18.1.2011 seien die Befreiungsvoraussetzungen weggefallen. Eine erneute Befreiung komme erst wieder ab dem 15.4.2013 in Betracht. Sie werte dabei die Übersendung der mit Schreiben vom 3.4.2013 erbetenen Unterlagen als Neuantrag auf Befreiung. Dieser sei erst mehr als drei Monate nach (Wieder)vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt worden. Damit könne die Befreiung erst ab Mai 2013 erfolgen. Für die Zeit von Januar 2011 bis April 2013 machte die Antragsgegnerin Beiträge in Höhe von insgesamt 6.204,00 EUR geltend.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 5.6.2013 Widerspruch ein.
Die Antragsgegnerin kündigte an, die Beiträge notfalls zwangsweise beizutreiben.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 17.6.2013 bei dem Sozialgericht (SG) Köln einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung seien bereits ab Juli 2011 wieder gegeben gewesen. Die Befreiung sei im Jahre 1995 wegen der Erzielung außerlandwirtschaftlichen Einkommens oberhalb des Grenzwertes erfolgt. Genau dieser Befreiungstatbestand habe auch ab Juli 2011 wieder vorgelegen, so dass es keines neuen Antrages bedurft habe.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.6.2013 gegen den Bescheid vom 27.5.2013 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält den Bescheid für rechtmäßig. Die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie Änderungen unverzüglich mitzuteilen habe. Mit Beschluss vom 4.7.2013 hat das SG den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden nicht. Die Antragsgegnerin sei berechtigt gewesen, den Befreiungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ab Januar 2011 aufzuheben. Eine neue Befreiung könne erst ab Mai 2013 erfolgen. Nach § 3 Abs. 2 ALG wirke eine Befreiung grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, ansonsten vom Eingang des Antrages an. Den Antrag auf (erneute) Befreiung habe die Antragsgegnerin in der Übersendung der Unterlagen im April 2013 gesehen. Dieser sei mithin mehr als drei Monate nach dem grundsätzlichen Wiedervorliegen der Befreiungsvoraussetzungen im Juli 2011 gestellt worden. Dass keine Änderung im Befreiungstatbestand eingetreten sei, sei unerheblich. Nach § 3 Abs. 2a ALG gelte ein früherer Befreiungsantrag nur dann fort, wenn die Befreiungsvoraussetzungen für weniger als drei Monate unterbrochen worden seien. Hier habe eine Unterbrechung allerdings von Januar bis einschließlich Juni 2011 vorgelegen. Letztlich sei die Aussetzung der Vollziehung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte anzuordnen. Eine solche sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Gegen den ihr am 8.7.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 19.7.2013 Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin habe sie rückwirkend zum 22.6.2011 befreien müssen. Der Befreiungsantrag aus dem Jahr 1995 sei durch Bekanntgabe des Befreiungsbescheides nicht verbraucht. Er lebe vielmehr wieder auf. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) erkannt, dass ein Befreiungsantrag notwendig sei, wenn ein Wechsel des Befreiungsgrundes mit der Anwendung eines weiteren Tatbestandes des § 3 Abs. 1 ALG verbunden sei (BSG, Urteil v. 5.10.2006, B 10 LW 6/05 R, juris). Diese Fallgestaltung liege allerdings nicht vor. Es sei der gleiche Befreiungstatbestand anzuwenden. § 3 Abs. 2a ALG greife nicht ein, da es dort um die materiell-rechtlichen Voraussetzungen gehe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichtes Köln vom 4.7.2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.6.2013 gegen den Bescheid vom 27.5.2013 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend und nimmt auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 27.5.2013, soweit sie darin zu Zahlungen von Beiträgen aufgefordert wird, zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Versicherungs- und Beitragspflichten sowie die Anforderung von Beiträgen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs reicht es nicht aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 13.2.2013, L 8 LW 20/12 B ER; jeweils juris; jeweils m.w.N.).
Rechtsgrundlage für eine Aufhebung der Befreiung von der Beitragspflicht der Antragstellerin ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn eine der unter § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Eine Änderung der Verhältnisse i.S.d § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt vor. Für die Zeit vom 18.1.2011 bis zum 30.5.2011 bezog die Antragstellerin Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.344,02 EUR und für die Zeit vom 31.5.2011 bis zum 21.6.2011 Übergangsgeld i.H.v. 163,59 EUR. Diese Änderung ist auch wesentlich, d.h. rechtserheblich, weil durch den Bezug von Krankengeld und Übergangsgeld der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG geregelte, bis dahin vorliegende, Befreiungstatbestand mangels Erreichen der jährlichen Einkommensgrenze von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße in Höhe von 365,00 EUR bzw. 4.380,00 EUR jährlich (§ 85 Abs. 9 SGB VI) entfallen ist.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 2a führt zu keinem günstigeren Ergebnis. Nach § 3 Abs. 2a ALG wird unwiderlegbar vermutet, dass der Antrag auf Befreiung aufrechterhalten wird, solange eine der Befreiungsvoraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und der Antrag auf Befreiung nicht widerrufen worden ist (Absatz 2 Satz 2 und 3). Die Befreiungsvoraussetzungen gelten auch dann als ununterbrochen erfüllt im Sinne von Satz 1, wenn für weniger als drei Kalendermonate das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen des Absatzes 1 unterbrochen worden ist. Die Unterbrechung dauerte vorliegend jedoch länger als drei Monate, nämlich vom 18.1.2011 bis zum 22.6.2011, so dass die Vermutung des § 3 Abs. 2a ALG nicht eingreift.
Die Befreiung von der Versicherungspflicht konnte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X auch rückwirkend auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. Denn die Antragstellerin ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung über eine Änderung der Verhältnisse nicht nachgekommen. Sie war gemäß § 73 Abs. 1 ALG i.V.m. § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) verpflichtet, die Antragsgegnerin über den rechtserheblichen vorübergehenden Nichtbezug von Arbeitsentgelt bzw. den Bezug von (abgesenktem) Erwerbsersatzeinkommen zu informieren. Nach diesen Vorschriften sind nämlich Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erheblich, unverzüglich mitzuteilen (Senat, Urteil v. 8.3.2006, L 8 LW 8/03; Senat, Urteil v. 6.8.2008, L 8 LW 8/07, jeweils juris). Dieser Verpflichtung ist die Antragstellerin nicht unverzüglich, sondern erst zwei Jahre später auf Nachfrage der Antragsgegnerin nachgekommen.
Nach summarischer Prüfung spricht derzeit zudem mehr für als gegen die Annahme, dass die Antragstellerin dieser Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X. Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden sein (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Maßgebend dafür ist ein subjektiver Maßstab (st. Rspr.: BSG, Urteil v. 13.12.1972, 7 RKg 9/69, SozR Nr. 3 zu § 13 BKGG; BSG, Urteil v. 27.7.2000, B 7 AL 88/99 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 42; BSG, Urteil v. 8.2.2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; Schütze in: v. Wulffen, SGB X, § 2 Rdnr. 14 m.w.N.). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr.: BSG, Urteile v. 27.7.2000 und 8.2.2001, a.a.O.; Schütze a.a.O. m.w.N.).
Nach bisherigem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin ausreichend deutlich auf ihre Verpflichtungen hingewiesen worden ist und sie diese auch verstanden hat. Bereits in dem am 9.6.1995 von ihr unterzeichneten Formularantrag auf Befreiung hat die Antragsgegnerin sie darauf hingewiesen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die Zeiten besteht, in denen die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Zudem ist der Antragstellerin auch seit diesem Zeitpunkt bekannt, dass sie im Rahmen ihrer Meldepflichten alle betrieblichen und persönlichen Änderungen, die ihre Befreiung beeinflussen, unverzüglich bekannt zu geben hat. Diesbezüglich wurde sie durch die Antragsgegnerin nochmals mit Bescheid vom 4.8.1995 belehrt. Die Antragsgegnerin hat sie zudem turnusmäßig alle zwei Jahre daraufhin überprüft, ob das bezogene Einkommen die Einkommensgrenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ALG überschritt. Im Rahmen der auszufüllenden Fragebögen haben die Antragstellerin sowie ihr Arbeitgeber, Herr G Q, in den Jahren 1997, 1998 und 2001 nochmals durch ihre Unterschriften bestätigt, dass sie Änderungen melden und ihr insbesondere bekannt sei, dass eine verspätete Meldung zu Nachteilen führe.
Es hätte sich der Antragstellerin daher bei ganz nahe liegender Überlegung aufdrängen müssen, dass in der Zeit vom 18.1.2011 bis zum 21.6.2011 ein regelmäßiger Bezug von Einkommen, welches zudem über der jährlichen Einkommensgrenze 4.380,00 EUR bzw. monatlichen Grenze von 365,00 EUR lag, nicht mehr gegeben war. Dies gilt umso mehr, als sie am 4.10.2011 den Fragebogen zur Prüfung der Befreiung wegen Arbeitsentgelt und Erwerbsersatzeinkommen für die Jahre 2009 und 2010 an die Antragsgegnerin zurücksandte und die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Änderungen in den Verhältnissen im Jahr 2011 nicht gleichfalls mitteilte, obwohl sie dem Fragebogen nochmals entnehmen konnte, dass insbesondere Informationen über Erwerbsersatzeinkommen dann Relevanz besitzen, wenn der Grenzwert jährlich nicht überschritten wird (vgl. Senat, Urteil v. 6.8.2008, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.3.2007, L 5 LW 9/06, jeweils juris). Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste sich der Antragstellerin die Relevanz der Angaben zum bis vor kurzem noch bezogenen Kranken- und Übergangsgeld aufdrängen.
Es trat auch keine erneute wesentliche Änderung in den Verhältnissen i.S.d. § 48 SGB X dahingehend ein, dass die Befreiung am 22.6.2011 ohne erneuten Antrag wiederauflebte.
Zwar liegen ab dem 22.6.2011 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ALG wieder vor, jedoch fehlt es an einem Antrag auf Befreiung.
Ein solcher ist nicht entbehrlich. Der Antrag vom 9.6.1995 setzte ein Verwaltungsverfahren in Gang, welches mit dem Erlass des Befreiungsbescheids vom 4.8.1995 seinen Abschluss gefunden hat. Er war im Zeitpunkt des Wiedereintritts der Versicherungspflicht damit verbraucht (§§ 8, 18 SGB X, Senat, Urteil v. 27.11.2002, L 8 LW 14/02, juris). Dies folgt zudem aus der Überlegung, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 ALG jeweils nur erfolgt, solange einer der dort geregelten Tatbestände vorliegt. Die insoweit vorübergehende Befreiung bewirkt das Ruhen der Versicherungspflicht. Die Beendigung führt zum Wiederaufleben derselben (BSG, Urteil vom 5.10.2006, a.a.O. m.w.N.; Senat, Urteil v. 12.1.2005, L 8 LW 23/04, jeweils juris). Die zeitliche Zäsur der Befreiung durch einen neu hinzugetretenen Lebenssachverhalt, der die Versicherungspflicht wiederaufleben lässt, führt bei anschließend erneutem Vorliegen eines Befreiungstatbestandes nach § 3 Abs. 1 ALG zu einer nochmaligen Prüfungskompetenz der Antragsgegnerin als Kehrseite des im ALG verankerten Antragsprinzips. Das Antragsprinzip ist Ausdruck der gewährten Wahlfreiheit und Eigenverantwortung. Der Landwirt soll jeweils überlegen können, ob er angesichts des Teilversorgungscharakters der Alterssicherung für Landwirte von dem Befreiungsrecht Gebrauch macht (BSG, Urteil v. 5.10.2006, a.a.O.). Diesem wiederum soll der befreite Versicherte ohne unverzügliche Meldung der jeweils veränderten Umstände nur entgehen, soweit diese einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten, § 3 Abs. 2a ALG.
Eine Willenserklärung der Antragstellerin dahingehend, dass sie auch nach dem vorübergehenden Wiedereintritt der Versicherungspflicht, Befreiung weiterhin erlangen wollte, lässt sich dem ursprünglichen Antrag vom 9.6.1995 ebenfalls nicht entnehmen (vgl. Senat, Urteil v. 27.11.2002, L 8 LW 14/02; BSG, Urteil v. 5.10.2006, a.a.O. für verschiedene Befreiungstatbestände, jeweils juris). Dabei ist es unerheblich, auf welchen der in § 3 Abs. 1 ALG geregelten Befreiungstatbestände sich der Versicherte nach Wiedereintritt der Versicherungspflicht stützt (a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.3.2007, a.a.O., juris). In jedem Fall verbleibt es aufgrund einer zeitlichen Zäsur eines veränderten Lebenssachverhaltes bei einem Wiederaufleben der bis dato ruhenden Versicherungspflicht. § 3 Abs. 2a ALG zeigt sich zudem, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht streng an den jeweiligen Tatbestand gebunden ist, aus dessen Anlass die Befreiung zunächst beantragt worden ist. So wird die Fortdauer der Befreiung selbst dann vermutet, wenn sich innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ein anderer Befreiungstatbestand anschließt. Dies gilt gerade auch für die kurzfristige Unterbrechung innerhalb des bestehenden Befreiungstatbestandes (Kommentar zur Alterssicherung der Landwirte, 19. Ergänzungslieferung, § 3 ALG 6.3). Daraus folgt allerdings, dass in allen anderen Fällen die Befreiung endet und erst auf erneuten Antrag wieder neu erteilt werden soll.
Die Nichtanzeige des entfallenden Befreiungsgrunds kann bei summarischer Prüfung auch nicht als konkludente Willensbekundung dahingehend zu verstehen sein, dass die Antragstellerin auch für die bevorstehende Unterbrechung von der Versicherungspflicht befreit bleiben wollte. Ein Fall des "beredeten Schweigens" liegt nicht vor, da die Antragsgegnerin als Empfängerin ihr Unterlassen nicht als Erklärungszeichen verstehen konnte, nachdem sie die Antragstellerin - wie oben geschildert - mehrfach auf ihre Mitteilungsplichten und die Folgen einer unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung hingewiesen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 5.10.2006, a.a.O., juris).
Sachliche Gründe für die Annahme, die Antragsgegnerin hätte hinsichtlich der Aufhebung des Befreiungsbescheides für die Vergangenheit (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) wegen Vorliegens eines atypischen Falles Ermessen ausüben müssen, sind nach summarischer Prüfung nicht gegeben. Von den Normalfällen einer Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X mit der Folge der Beitragsnachentrichtung weicht der vorliegende nicht signifikant ab. Eine Abfolge von Befreiungstatbeständen mit dazwischen liegenden - längeren oder kürzeren - Zeiträumen einer aktuellen Versicherungspflicht liegt in der Natur der Sache (BSG, Urteil vom 5.10.2006, a.a.O., juris).
Bedenken gegen die Höhe der Beitragsforderung der Antragsgegnerin sind von Amts wegen nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden.
Gründe dafür, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris).
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren erfolgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG und trägt dem mangelnden Erfolg des Rechtsmittels Rechnung.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Beitragsforderung der Antragsgegnerin.
Die 1959 geborene Antragstellerin ist seit 1982 mit dem Landwirt K Q, verheiratet. Auf ihren Antrag befreite sie die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 4.8.1995 ab dem 1.1.1995 von der Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG), da sie ein außerlandwirtschaftliches Einkommen erzielte, dass ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überschritt. In dem Bescheid wies die Antragsgegnerin gleichzeitig darauf hin, dass die Antragstellerin verpflichtet sei, etwaige Änderungen, insbesondere den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen, anzuzeigen.
In der Folgezeit fanden regelmäßige Überprüfungen der Befreiungsvoraussetzungen durch die Antragsgegnerin statt. Im Jahr 2011 forderte sie bei der Krankenversicherung der Antragstellerin, der Barmer Ersatzkasse, eine Versicherungsbestätigung ab dem 1.1.2009 an. Zudem übersandte die Antragstellerin ebenfalls auf Anforderung am 4.10.2011 einen Fragebogen zur Prüfung der Befreiung wegen Arbeitsentgelt und Erwerbsersatzeinkommen an die Antragsgegnerin. Der Erhebungszeitraum des Fragebogens war die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2010. Zuletzt bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 3.4.2013 um Einreichung von Nachweisen, dass die Befreiungsvoraussetzungen nach wie vor gegeben seien. Aus den von der Antragstellerin daraufhin am 15.4.2013 übersandten Unterlagen ergab sich, dass sie in der Zeit vom 18.1.2011 bis zum 30.5.2011 Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.344,02 EUR, für die Zeit vom 31.5.2011 bis zum 21.6.2011 Übergangsgeld in Höhe von insgesamt 163,59 EUR und im Anschluss erneut Einkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit bezogen hat.
Nach vorheriger Anhörung hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.5.2013 die Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 18.1.2011 bis zum 14.4.2013 auf. Ab dem 18.1.2011 seien die Befreiungsvoraussetzungen weggefallen. Eine erneute Befreiung komme erst wieder ab dem 15.4.2013 in Betracht. Sie werte dabei die Übersendung der mit Schreiben vom 3.4.2013 erbetenen Unterlagen als Neuantrag auf Befreiung. Dieser sei erst mehr als drei Monate nach (Wieder)vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt worden. Damit könne die Befreiung erst ab Mai 2013 erfolgen. Für die Zeit von Januar 2011 bis April 2013 machte die Antragsgegnerin Beiträge in Höhe von insgesamt 6.204,00 EUR geltend.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 5.6.2013 Widerspruch ein.
Die Antragsgegnerin kündigte an, die Beiträge notfalls zwangsweise beizutreiben.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 17.6.2013 bei dem Sozialgericht (SG) Köln einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung seien bereits ab Juli 2011 wieder gegeben gewesen. Die Befreiung sei im Jahre 1995 wegen der Erzielung außerlandwirtschaftlichen Einkommens oberhalb des Grenzwertes erfolgt. Genau dieser Befreiungstatbestand habe auch ab Juli 2011 wieder vorgelegen, so dass es keines neuen Antrages bedurft habe.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.6.2013 gegen den Bescheid vom 27.5.2013 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält den Bescheid für rechtmäßig. Die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie Änderungen unverzüglich mitzuteilen habe. Mit Beschluss vom 4.7.2013 hat das SG den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden nicht. Die Antragsgegnerin sei berechtigt gewesen, den Befreiungsbescheid nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ab Januar 2011 aufzuheben. Eine neue Befreiung könne erst ab Mai 2013 erfolgen. Nach § 3 Abs. 2 ALG wirke eine Befreiung grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, ansonsten vom Eingang des Antrages an. Den Antrag auf (erneute) Befreiung habe die Antragsgegnerin in der Übersendung der Unterlagen im April 2013 gesehen. Dieser sei mithin mehr als drei Monate nach dem grundsätzlichen Wiedervorliegen der Befreiungsvoraussetzungen im Juli 2011 gestellt worden. Dass keine Änderung im Befreiungstatbestand eingetreten sei, sei unerheblich. Nach § 3 Abs. 2a ALG gelte ein früherer Befreiungsantrag nur dann fort, wenn die Befreiungsvoraussetzungen für weniger als drei Monate unterbrochen worden seien. Hier habe eine Unterbrechung allerdings von Januar bis einschließlich Juni 2011 vorgelegen. Letztlich sei die Aussetzung der Vollziehung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer unbilligen Härte anzuordnen. Eine solche sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Gegen den ihr am 8.7.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 19.7.2013 Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin habe sie rückwirkend zum 22.6.2011 befreien müssen. Der Befreiungsantrag aus dem Jahr 1995 sei durch Bekanntgabe des Befreiungsbescheides nicht verbraucht. Er lebe vielmehr wieder auf. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) erkannt, dass ein Befreiungsantrag notwendig sei, wenn ein Wechsel des Befreiungsgrundes mit der Anwendung eines weiteren Tatbestandes des § 3 Abs. 1 ALG verbunden sei (BSG, Urteil v. 5.10.2006, B 10 LW 6/05 R, juris). Diese Fallgestaltung liege allerdings nicht vor. Es sei der gleiche Befreiungstatbestand anzuwenden. § 3 Abs. 2a ALG greife nicht ein, da es dort um die materiell-rechtlichen Voraussetzungen gehe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichtes Köln vom 4.7.2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.6.2013 gegen den Bescheid vom 27.5.2013 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss des SG für zutreffend und nimmt auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 27.5.2013, soweit sie darin zu Zahlungen von Beiträgen aufgefordert wird, zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Versicherungs- und Beitragspflichten sowie die Anforderung von Beiträgen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs reicht es nicht aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 13.2.2013, L 8 LW 20/12 B ER; jeweils juris; jeweils m.w.N.).
Rechtsgrundlage für eine Aufhebung der Befreiung von der Beitragspflicht der Antragstellerin ist § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, wenn eine der unter § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 SGB X genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Eine Änderung der Verhältnisse i.S.d § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt vor. Für die Zeit vom 18.1.2011 bis zum 30.5.2011 bezog die Antragstellerin Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.344,02 EUR und für die Zeit vom 31.5.2011 bis zum 21.6.2011 Übergangsgeld i.H.v. 163,59 EUR. Diese Änderung ist auch wesentlich, d.h. rechtserheblich, weil durch den Bezug von Krankengeld und Übergangsgeld der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG geregelte, bis dahin vorliegende, Befreiungstatbestand mangels Erreichen der jährlichen Einkommensgrenze von einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße in Höhe von 365,00 EUR bzw. 4.380,00 EUR jährlich (§ 85 Abs. 9 SGB VI) entfallen ist.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 2a führt zu keinem günstigeren Ergebnis. Nach § 3 Abs. 2a ALG wird unwiderlegbar vermutet, dass der Antrag auf Befreiung aufrechterhalten wird, solange eine der Befreiungsvoraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und der Antrag auf Befreiung nicht widerrufen worden ist (Absatz 2 Satz 2 und 3). Die Befreiungsvoraussetzungen gelten auch dann als ununterbrochen erfüllt im Sinne von Satz 1, wenn für weniger als drei Kalendermonate das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen des Absatzes 1 unterbrochen worden ist. Die Unterbrechung dauerte vorliegend jedoch länger als drei Monate, nämlich vom 18.1.2011 bis zum 22.6.2011, so dass die Vermutung des § 3 Abs. 2a ALG nicht eingreift.
Die Befreiung von der Versicherungspflicht konnte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X auch rückwirkend auf den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. Denn die Antragstellerin ist einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung über eine Änderung der Verhältnisse nicht nachgekommen. Sie war gemäß § 73 Abs. 1 ALG i.V.m. § 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) verpflichtet, die Antragsgegnerin über den rechtserheblichen vorübergehenden Nichtbezug von Arbeitsentgelt bzw. den Bezug von (abgesenktem) Erwerbsersatzeinkommen zu informieren. Nach diesen Vorschriften sind nämlich Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erheblich, unverzüglich mitzuteilen (Senat, Urteil v. 8.3.2006, L 8 LW 8/03; Senat, Urteil v. 6.8.2008, L 8 LW 8/07, jeweils juris). Dieser Verpflichtung ist die Antragstellerin nicht unverzüglich, sondern erst zwei Jahre später auf Nachfrage der Antragsgegnerin nachgekommen.
Nach summarischer Prüfung spricht derzeit zudem mehr für als gegen die Annahme, dass die Antragstellerin dieser Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X. Grob fahrlässig in diesem Sinne handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden sein (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Maßgebend dafür ist ein subjektiver Maßstab (st. Rspr.: BSG, Urteil v. 13.12.1972, 7 RKg 9/69, SozR Nr. 3 zu § 13 BKGG; BSG, Urteil v. 27.7.2000, B 7 AL 88/99 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 42; BSG, Urteil v. 8.2.2001, B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45; Schütze in: v. Wulffen, SGB X, § 2 Rdnr. 14 m.w.N.). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr.: BSG, Urteile v. 27.7.2000 und 8.2.2001, a.a.O.; Schütze a.a.O. m.w.N.).
Nach bisherigem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin ausreichend deutlich auf ihre Verpflichtungen hingewiesen worden ist und sie diese auch verstanden hat. Bereits in dem am 9.6.1995 von ihr unterzeichneten Formularantrag auf Befreiung hat die Antragsgegnerin sie darauf hingewiesen, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nur für die Zeiten besteht, in denen die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Zudem ist der Antragstellerin auch seit diesem Zeitpunkt bekannt, dass sie im Rahmen ihrer Meldepflichten alle betrieblichen und persönlichen Änderungen, die ihre Befreiung beeinflussen, unverzüglich bekannt zu geben hat. Diesbezüglich wurde sie durch die Antragsgegnerin nochmals mit Bescheid vom 4.8.1995 belehrt. Die Antragsgegnerin hat sie zudem turnusmäßig alle zwei Jahre daraufhin überprüft, ob das bezogene Einkommen die Einkommensgrenze des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ALG überschritt. Im Rahmen der auszufüllenden Fragebögen haben die Antragstellerin sowie ihr Arbeitgeber, Herr G Q, in den Jahren 1997, 1998 und 2001 nochmals durch ihre Unterschriften bestätigt, dass sie Änderungen melden und ihr insbesondere bekannt sei, dass eine verspätete Meldung zu Nachteilen führe.
Es hätte sich der Antragstellerin daher bei ganz nahe liegender Überlegung aufdrängen müssen, dass in der Zeit vom 18.1.2011 bis zum 21.6.2011 ein regelmäßiger Bezug von Einkommen, welches zudem über der jährlichen Einkommensgrenze 4.380,00 EUR bzw. monatlichen Grenze von 365,00 EUR lag, nicht mehr gegeben war. Dies gilt umso mehr, als sie am 4.10.2011 den Fragebogen zur Prüfung der Befreiung wegen Arbeitsentgelt und Erwerbsersatzeinkommen für die Jahre 2009 und 2010 an die Antragsgegnerin zurücksandte und die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Änderungen in den Verhältnissen im Jahr 2011 nicht gleichfalls mitteilte, obwohl sie dem Fragebogen nochmals entnehmen konnte, dass insbesondere Informationen über Erwerbsersatzeinkommen dann Relevanz besitzen, wenn der Grenzwert jährlich nicht überschritten wird (vgl. Senat, Urteil v. 6.8.2008, a.a.O.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 22.3.2007, L 5 LW 9/06, jeweils juris). Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste sich der Antragstellerin die Relevanz der Angaben zum bis vor kurzem noch bezogenen Kranken- und Übergangsgeld aufdrängen.
Es trat auch keine erneute wesentliche Änderung in den Verhältnissen i.S.d. § 48 SGB X dahingehend ein, dass die Befreiung am 22.6.2011 ohne erneuten Antrag wiederauflebte.
Zwar liegen ab dem 22.6.2011 die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ALG wieder vor, jedoch fehlt es an einem Antrag auf Befreiung.
Ein solcher ist nicht entbehrlich. Der Antrag vom 9.6.1995 setzte ein Verwaltungsverfahren in Gang, welches mit dem Erlass des Befreiungsbescheids vom 4.8.1995 seinen Abschluss gefunden hat. Er war im Zeitpunkt des Wiedereintritts der Versicherungspflicht damit verbraucht (§§ 8, 18 SGB X, Senat, Urteil v. 27.11.2002, L 8 LW 14/02, juris). Dies folgt zudem aus der Überlegung, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 ALG jeweils nur erfolgt, solange einer der dort geregelten Tatbestände vorliegt. Die insoweit vorübergehende Befreiung bewirkt das Ruhen der Versicherungspflicht. Die Beendigung führt zum Wiederaufleben derselben (BSG, Urteil vom 5.10.2006, a.a.O. m.w.N.; Senat, Urteil v. 12.1.2005, L 8 LW 23/04, jeweils juris). Die zeitliche Zäsur der Befreiung durch einen neu hinzugetretenen Lebenssachverhalt, der die Versicherungspflicht wiederaufleben lässt, führt bei anschließend erneutem Vorliegen eines Befreiungstatbestandes nach § 3 Abs. 1 ALG zu einer nochmaligen Prüfungskompetenz der Antragsgegnerin als Kehrseite des im ALG verankerten Antragsprinzips. Das Antragsprinzip ist Ausdruck der gewährten Wahlfreiheit und Eigenverantwortung. Der Landwirt soll jeweils überlegen können, ob er angesichts des Teilversorgungscharakters der Alterssicherung für Landwirte von dem Befreiungsrecht Gebrauch macht (BSG, Urteil v. 5.10.2006, a.a.O.). Diesem wiederum soll der befreite Versicherte ohne unverzügliche Meldung der jeweils veränderten Umstände nur entgehen, soweit diese einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten, § 3 Abs. 2a ALG.
Eine Willenserklärung der Antragstellerin dahingehend, dass sie auch nach dem vorübergehenden Wiedereintritt der Versicherungspflicht, Befreiung weiterhin erlangen wollte, lässt sich dem ursprünglichen Antrag vom 9.6.1995 ebenfalls nicht entnehmen (vgl. Senat, Urteil v. 27.11.2002, L 8 LW 14/02; BSG, Urteil v. 5.10.2006, a.a.O. für verschiedene Befreiungstatbestände, jeweils juris). Dabei ist es unerheblich, auf welchen der in § 3 Abs. 1 ALG geregelten Befreiungstatbestände sich der Versicherte nach Wiedereintritt der Versicherungspflicht stützt (a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.3.2007, a.a.O., juris). In jedem Fall verbleibt es aufgrund einer zeitlichen Zäsur eines veränderten Lebenssachverhaltes bei einem Wiederaufleben der bis dato ruhenden Versicherungspflicht. § 3 Abs. 2a ALG zeigt sich zudem, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht streng an den jeweiligen Tatbestand gebunden ist, aus dessen Anlass die Befreiung zunächst beantragt worden ist. So wird die Fortdauer der Befreiung selbst dann vermutet, wenn sich innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ein anderer Befreiungstatbestand anschließt. Dies gilt gerade auch für die kurzfristige Unterbrechung innerhalb des bestehenden Befreiungstatbestandes (Kommentar zur Alterssicherung der Landwirte, 19. Ergänzungslieferung, § 3 ALG 6.3). Daraus folgt allerdings, dass in allen anderen Fällen die Befreiung endet und erst auf erneuten Antrag wieder neu erteilt werden soll.
Die Nichtanzeige des entfallenden Befreiungsgrunds kann bei summarischer Prüfung auch nicht als konkludente Willensbekundung dahingehend zu verstehen sein, dass die Antragstellerin auch für die bevorstehende Unterbrechung von der Versicherungspflicht befreit bleiben wollte. Ein Fall des "beredeten Schweigens" liegt nicht vor, da die Antragsgegnerin als Empfängerin ihr Unterlassen nicht als Erklärungszeichen verstehen konnte, nachdem sie die Antragstellerin - wie oben geschildert - mehrfach auf ihre Mitteilungsplichten und die Folgen einer unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung hingewiesen hatte (vgl. BSG, Urteil vom 5.10.2006, a.a.O., juris).
Sachliche Gründe für die Annahme, die Antragsgegnerin hätte hinsichtlich der Aufhebung des Befreiungsbescheides für die Vergangenheit (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) wegen Vorliegens eines atypischen Falles Ermessen ausüben müssen, sind nach summarischer Prüfung nicht gegeben. Von den Normalfällen einer Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X mit der Folge der Beitragsnachentrichtung weicht der vorliegende nicht signifikant ab. Eine Abfolge von Befreiungstatbeständen mit dazwischen liegenden - längeren oder kürzeren - Zeiträumen einer aktuellen Versicherungspflicht liegt in der Natur der Sache (BSG, Urteil vom 5.10.2006, a.a.O., juris).
Bedenken gegen die Höhe der Beitragsforderung der Antragsgegnerin sind von Amts wegen nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht worden.
Gründe dafür, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris).
Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren erfolgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG und trägt dem mangelnden Erfolg des Rechtsmittels Rechnung.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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