L 8 R 205/13 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 39 R 882/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 205/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.1.2013 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.2.2012 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 55.695,28 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.2.2012, mit dem diese im Anschluss an eine Betriebsprüfung Beitragsnachforderungen für ausländische Saisonkräfte sowie Säumniszuschläge von insgesamt 220.781,12 EUR geltend macht.

Der Antragsteller betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen, für das er seit langem insbesondere polnische Saisonkräfte zu landwirtschaftlichen Hilfsarbeiten wie Pflückarbeiten im Obstbau für weniger als 2 Monate beschäftigt. Es wurde regelmäßig eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden an 6 Tagen in der Woche vereinbart und eine Stundenlohnabrede getroffen. Die Stundenlöhne lagen über die Jahre leicht ansteigend zwischen fünf und sechs Euro. Einige der Arbeitnehmer waren vor Aufnahme der Tätigkeit für den Antragsteller im Heimatland bei der dortigen Arbeitsverwaltung arbeitslos gemeldet. Andere haben im Heimatland von ihren Arbeitgebern unbezahlten Urlaub für die Beschäftigung erhalten, manche für den gesamten Beschäftigungszeitraum, andere nur anteilig. Mit allen Saisonkräften schloss der Antragsteller schriftliche Arbeitsverträge, in denen u.a. die Dauer der Beschäftigung und der Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung vereinbart waren. Für diese Saisonarbeitskräfte waren ferner formschriftliche und von der zuständigen Arbeitsagentur genehmigte Einstellungszusagen vorhanden. Der Antragsteller archivierte zudem Statusfragebögen für die beschäftigten Saisonarbeitnehmer in deutscher Sprache und in der Sprache des jeweiligen Heimatlandes.

Der Antragsteller rechnete die Vertragsverhältnisse als wegen Zeitgeringfügigkeit versicherungsfreie Arbeitsverhältnisse von Aushilfskräften in der Land- und Forstwirtschaft ab, für die er zwar keine Sozialversicherungsbeiträge, jedoch pauschale Lohnsteuer in Höhe von 5 % zahlte. Ausgehend hiervon wurden die Zahlungen an die Saisonarbeitnehmer jedenfalls seit dem Jahr 2000 in die (Lohn-)Buchhaltung des Antragstellers eingestellt.

Im Anschluss an eine in der Zeit vom 3.2.2010 bis zum 15.2.2012 durchgeführte Betriebsprüfung setzte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22.2.2012 für die Zeit vom 1.8.2002 bis zum 31.12.2009 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 220.781,12 EUR einschließlich Säumniszuschlägen von 97.513,00 EUR gegen den Antragsteller fest. Hierzu führt sie im Bescheid u.a. wie folgt aus: Der Antragssteller habe die bei ihm beschäftigten osteuropäischen Saisonarbeiter in den Jahren 2002 bis 2009 nicht bei der zuständigen Einzugsstelle gemeldet. Aus den vorgelegten Einstellungszusagen/Arbeitsverträgen gehe hervor, dass die Arbeitnehmer in allen Fällen mindestens an 6 Tagen in der Woche beschäftigt gewesen seien. Die wöchentliche Arbeitszeit habe 48 Stunden betragen. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Zeitgeringfügigkeit sei daher auf einem Zeitraum von 2 Monaten bzw. 60 Tagen im Kalenderjahr abzustellen. In den Einstellungszusagen bei der zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAF) der Arbeitsverwaltung habe der angemeldete voraussichtliche Zeitraum der Beschäftigung zunächst in allen Fällen über den Zeitgrenzen der Zeitgeringfügigkeit gelegen. Erst durch nachträglich vorgelegte Arbeitsverträge sei die Einhaltung der Grenzen dargestellt worden. Allerdings sei der Nachweis der fehlenden Berufsmäßigkeit der Beschäftigung nicht erbracht worden, sodass in allen Fällen nicht von versicherungsfreien Beschäftigungen auszugehen sei. Im Hinblick auf die Verletzung der Meldepflichten und die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen lägen zudem illegale Beschäftigungsverhältnisse vor. Da der Antragssteller sich dieser Umstände bewusst gewesen sei, müsse nach der gesetzlichen Fiktion des § 14 Abs. 2 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) von Nettolohnabreden zwischen dem Antragsteller und den Saisonarbeitnehmern ausgegangen werden. Die geschuldeten Beiträge seien daher aus einem hochzurechnenden Bruttolohn zu berechnen. Da der Antragsteller die Beiträge bedingt vorsätzlich vorenthalten habe, verjährten die Ansprüche zudem erst in dreißig Jahren.

Mit Widerspruch vom 19.3.2012 hat sich der Antragsteller gegen den streitigen Beitragsbescheid gewandt und sodann beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Antragsschrift vom 23.4.2012 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Es habe keine illegale Beschäftigung der Saisonarbeitnehmer vorgelegen. Vielmehr seien die Beschäftigungsverhältnisse ordnungsgemäß der Arbeitsverwaltung bekannt gegeben und von dieser auch genehmigt worden. Er habe zudem ordnungsgemäß pauschalierte Lohnsteuer für die Arbeiter abgeführt. Lediglich eine Anmeldung zur Sozialversicherung sei nicht erfolgt, da er nach entsprechender Auskunft durch seine Steuerberaterin von Sozialversicherungsfreiheit der Beschäftigungsverhältnisse aufgrund von Zeitgeringfügigkeit ausgegangen sei. Auch im Hinblick auf die unklare Rechtslage zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von osteuropäischen Saisonarbeitern könne ihm nicht der Vorwurf des bedingten Vorsatzes für die Nichtabführung der Beiträge gemacht werden. Er habe sich darüber hinaus auf die Auskunft seiner Steuerberaterin verlassen. Diese habe ihm mitgeteilt, dass alle Arbeitnehmer, die nicht länger als 50 Tage arbeiteten, sozialversicherungsfrei seien.

Die Antragsgegnerin ist dem auch unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegengetreten. Zudem hat sie herausgestellt, dass der Antragssteller jedenfalls seiner (sozialversicherungsrechtlichen) Verpflichtung zur Meldung der Arbeitsverhältnisse nicht nachgekommen sei. Hätte der Antragsteller die Meldungen für kurzfristig Beschäftigte eingereicht, so hätte schon bei der nächsten regulären Prüfung die fehlerhafte sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse beanstandet werden können. Dass dem Antragsteller die Meldeverpflichtung bekannt gewesen sei, könne unterstellt werden.

Das SG hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 14.1.2013 abgelehnt. Es bestünden keine relevanten Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 22.2.2012. Es sei bei summarischer Prüfung schon nicht von Zeitgeringfügigkeit, insbesondere aufgrund einer vorherigen arbeitsvertraglichen Vereinbarung, auszugehen. Die vorgelegten Arbeitsverträge widersprächen den Angaben in den Einstellungszusagen. Ferner sei von einer fiktiven Nettolohnvereinbarung aufgrund des Bestehens illegaler Beschäftigungsverhältnisse auszugehen. Hierzu genüge der Verstoß gegen die sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten. Die Geltendmachung der Beiträge sei auch nicht verjährt. Es gelte die 30jährige Verjährungsfrist. Denn aus den ermittelten Umständen, wie der Nichtmeldung der Arbeitnehmer zur Einzugsstelle, den Widersprüchen zwischen den Einstellungszusagen und den Arbeitsverträgen und dem Aspekt, dass der Antragsteller z.B. keine Entscheidung zur Beurteilung der Versicherungspflicht der Beschäftigungen durch die Einzugsstelle herbeigeführt habe, könne auf zumindest bedingten Vorsatz der Nichtabführung der geltend gemachten Sozialversicherungsbeiträge geschlossen werden.

Gegen den ihm am 22.1.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller im Wesentlichen unter Wiederholung und Intensivierung seines erstinstanzlichen Vorbringens am 22.2.2013 Beschwerde ausgebracht.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie hält die Ausführungen des SG für zutreffend.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

1. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906 [907 f.]; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; juris und sozialgerichtsbarkeit.de; jeweils m.w.N.).

2. Vorliegend bestehen in diesem Sinne zunächst erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides vom 22.2.2012, soweit Beiträge für die Zeit vor dem 1.12.2005 geltend gemacht werden. Nach summarischer Prüfung ist insoweit Verjährung eingetreten.

a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der jeweils vor dem 1.1.2006 gültigen Fassung wurden Beiträge spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der jeweils ab dem 1.1.2006 gültigen Fassung werden Beiträge in dem Monat fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist. Demnach verjähren Ansprüche auf Beiträge, die aus einer Beschäftigung von Dezember 2005 bis Dezember 2006 resultieren, regelhaft mit Ablauf des 31.12.2010. Für diese Ansprüche erfolgt die Geltendmachung mit Bescheid vom 22.2.2012 trotzdem zu Recht, da die Verjährung durch die durchgeführte Betriebsprüfung in der Zeit vom 3.2.2010 bis zum 15.2.2012 nach summarischer Prüfung gehemmt war (§ 25 Abs.2 Satz 2 Halbsatz 1 SGB IV).

b) Für Ansprüche auf Beiträge, die aus einer Beschäftigung bis einschließlich November 2005 resultieren, läuft die vierjährige Regelverjährung längstens bis zum 31.12.2009. Auch eine Hemmung durch eine Betriebsprüfung kommt für diese Ansprüche nicht in Betracht, da mit einer solchen erst nach Ablauf der Frist begonnen wurde. Hinsichtlich dieser Beiträge wäre Verjährung daher nur dann nicht eingetreten, wenn die 30jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingreifen würde. Nach summarischer Prüfung ist dies vorliegend jedoch nicht der Fall. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV setzt nämlich voraus, dass der Beitragsschuldner die Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten hat, woran hier erhebliche Zweifel bestehen.

aa) Im Rahmen des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genügt es, dass der Beitragsschuldner lediglich bedingt vorsätzlich gehandelt, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Es reicht aus, dass der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist. Die Voraussetzungen des Vorsatzes sind konkret, d.h. anhand der Umstände des Einzelfalles und bezogen auf den betroffenen Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung zu ermitteln (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; v. 25.6.2012, L 8 R 382/12 B ER; v. 20.9.2012, L 8 R 630/12 B ER; v. 20.12.2012, L 8 R 565/12 B ER; jeweils juris). Bei verbleibenden Zweifeln trifft die objektive Beweislast hinsichtlich des Vorsatzes den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstigere längere Verjährungsfrist beruft (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3 - 2400 § 25 Nr. 7 m.w.N.).

bb) Der Senat hat in seinem Beschluss v. 20.12.2012 (a.a.O.) bereits dargelegt, dass das BSG, indem es auf den Vorsatz hinsichtlich der Beitragspflicht abstellt, erkennbar der im Zivilrecht herrschenden Vorsatztheorie und nicht der im Strafrecht maßgebenden eingeschränkten Schuldtheorie folgt. Der Beitragsschuldner muss daher nicht nur die Tatsachen kennen, die zur Beitragspflicht führen, sondern auch die Beitragspflicht selbst für möglich halten. Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die Behandlung des vermeidbaren Verbotsirrtums. Während dieser im Strafrecht nichts am Bestehen des Vorsatzes ändert und lediglich die Möglichkeit der Strafmilderung eröffnet (vgl. § 17 Satz 2 Strafgesetzbuch), lässt er nach der Vorsatztheorie den Vorsatz entfallen und führt "nur" zum Vorwurf der Fahrlässigkeit. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BSG v. 9.11.2011 (B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13). Zwar hat das BSG dort ausgeführt, bei der Prüfung des Vorsatzes sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten nach §§ 7a, 28h SGB IV vorgehen könne. Auch das BSG setzt aber voraus, dass derartige Unklarheiten im konkreten Fall bestehen, der Beitragsschuldner also seine Beitragspflicht für möglich gehalten hat.

cc) Im vorliegenden Fall ist zwar davon auszugehen, dass die 30jährige Verjährungsfrist für alle ab dem 01.12.2005 geschuldeten Beiträge gilt. Denn spätestens im Anschluss an das Schreiben der Antragsgegnerin vom 22.2.2010, mit dem diese unzweideutig mitgeteilt hatte, dass sie in eine Überprüfung für die Zeit ab dem 1.10.1999 eingetreten war, ist anzunehmen, dass die Antragstellerin auch eine rückwirkende Beitragsverpflichtung für möglich hielt.

Demgegenüber hat der Antragsteller für die Zeit vor dem Beginn der Betriebsprüfung im Februar 2010 nachvollziehbar dargestellt, seine Beitragspflicht irrtümlich falsch beurteilt und aufgrund dessen nicht für möglich gehalten zu haben. In sich schlüssig und letztlich von der Antragsgegnerin unwidersprochen führt er im Wesentlichen aus, sich auf die entsprechende Auskunft seiner Steuerberaterin verlassen zu haben. Anhaltspunkte, dass dieser Vortrag unzutreffend ist, gibt es nach den bisherigen Ermittlungen nicht. Die Steuerberaterin ist gesetzlich befugt, ihre Mandanten in Verfahren nach §§ 28h, 28p SGB IV vor den Sozialgerichten zu vertreten und wird daher auch vom Gesetzgeber insoweit ausdrücklich als hinreichend fachkundig anerkannt (§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IV). Zwar hat der Antragsteller durch Nichtanmeldung der kurzzeitig Beschäftigten seine Meldepflicht nach § 28a Abs. 9 SGB IV verletzt. Allein hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass er seine Beitragspflicht für möglich gehalten hat. Diese Frage hatte der Antragsteller vielmehr zuvor im Sinne der Versicherungsfreiheit durch seine Steuerberaterin klären lassen. Dass er die Meldepflicht nach § 28a Abs. 9 SGB IV in dem Bewusstsein verletzt hat, auf diese Weise die Prüfmöglichkeit der Einzugsstelle zu beschränken, ist bislang nicht festgestellt. Gegen eine solche Annahme spricht im Rahmen der summarischen Prüfung das "Wohlverhalten" des Antragstellers in anderen rechtlichen Bereichen und außerhalb dieser sozialversicherungsrechtlichen Pflichten. So lagen nach den bisherigen Ermittlungen alle nötigen Genehmigungen der Arbeitsverwaltung für die betroffenen Arbeitnehmer vor. Soweit bekannt, hat sich der Antragsteller steuerrechtlich einwandfrei verhalten und die Arbeitsverhältnisse zudem korrekt buchhalterisch erfasst und dokumentiert. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall in mehreren Punkten von Fällen, in denen der Senat auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hinreichende Anhaltspunkte gefunden hat, um bedingten Vorsatz zu bejahen (vgl. insbesondere zu kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen Senat, Beschluss v. 20.12.2012; vgl. ferner die Senatsbeschlüsse v. 21.02.2012, L 8 R 1047/11 B ER und 13.07.2011, L 8 R 290/11 B ER, jeweils juris). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn der betreffende Rechtsirrtum auf "Rechtsblindheit" beruht (vgl. hierzu Grundmann in MüKo-BGB 6. Auflage, 2012, § 276 Rd. 159 m.w.N.), kann dahingestellt bleiben, denn die Antragsgegnerin hat hierzu bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Diese müssen ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

3. Die Beitragsforderung für die Zeit ab 1.12.2005 ist dagegen zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Die Berechnung der Forderung ist nach summarischer Prüfung aber rechtswidrig, sodass auch insoweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gerechtfertigt ist.

a) Es bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass der Antragsteller dem Grunde nach verpflichtet ist, die geforderten Beiträge für die Zeit ab dem 01.12.2005 zu entrichten. Insbesondere liegt nach summarischer Prüfung keine Versicherungsfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (Zeitgeringfügigkeit der Beschäftigung) vor. Vielmehr erscheint die Annahme der Antragsgegnerin gerechtfertigt, dass im Anschluss an eine Auswertung der Statusfragebögen jeweils von berufsmäßigen Beschäftigungen auszugehen ist. Der Antragsteller ist dieser Einschätzung auch nicht dezidiert entgegengetreten.

b) Allerdings ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers für die Zeit ab dem 1.12.2005 hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung anzuordnen. Der Prüfbescheid ist nämlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, soweit die Antragsgegnerin § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV (fiktive Nettolohnabrede bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen) angewandt hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV voraussetzt, dass Steuern und Beiträge kumulativ und vollständig nicht gezahlt wurden oder ob die Nichtzahlung von Beiträgen auf einzelne Entgelte bzw. Entgeltbestandteile oder zu einzelnen Versicherungszweigen ausreichen kann (offen gelassen auch von BSG, Urteil v. 19.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13). Denn § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV setzt in subjektiver Hinsicht zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich des Vorenthaltens der Beiträge voraus (BSG a.a.O.; ebenso Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O., juris-Rdnr. 31). Ein dahingehender Vorsatz des Antragstellers zum Zeitpunkt der Nichtentrichtung der Beiträge ist aber aus den bereits dargelegten Gründen hier nicht belegt.

Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ist es dem Senat nicht möglich, die zutreffende Höhe der Beitragsforderung zu berechnen. Der Senat hat daher im Rahmen seines Ermessens die aufschiebende Wirkung in vollem Umfang angeordnet. Für das weitere Verfahren - insbesondere für den Fall, dass die Antragsgegnerin einen ersetzenden Bescheid in Erwägung ziehen sollte - weist er vorsorglich darauf hin, dass die Beschäftigungsverhältnisse von dem Antragsteller lediglich pauschal mit 5 % zu versteuern waren.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist; auf die Ausführung des SG wird auch insoweit Bezug genommen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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