S 26 AS 1421/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 26 AS 1421/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 530/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 75/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Unterkunftskosten nach dem SGB II streitig.

Der 1977 geborene Kläger stand im streitigen Zeitraum im Leistungsbezug nach dem SGB II bei dem Beklagten. Er bewohnt im Haus seiner Eltern in A-Stadt ein Zimmer und legte hierfür bei Antragstellung eine Mietbescheinigung/Mietvertrag ab 01.04.2012 über eine Netto-Miete von 350 EUR zuzüglich 50 EUR Heizkostenpauschale, 20 EUR für Internet-Mitbenutzung, 60 EUR für PC-Mitbenutzung und 150 EUR für die Mitbenutzung des PKW vor. Mit Schreiben vom 10.06.2012 erhöhte der Vater des Klägers die Miete auf 420 EUR monatlich sowie die Heizkostenpauschale auf 60 EUR monatlich und begründete dies damit, dass eine Zahlungsverzögerung eingetreten sei und ein erhöhtes Risiko durch den Leistungsträger bestehe.

Mit Bewilligungsbescheid vom 26.07.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin Leistungen nach dem SGB II ab 01.04.2012 bis 30.09.2012 in Höhe der Regelleistung. Unterkunftskosten bewilligte er nicht, weil ein Nachweis über eine tatsächliche Zahlungen des Mietzinses nicht vorlägen und aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses davon ausgegangen werden könne, dass Miete vom Vater nicht verlangt werde.

Gegen den Bescheid legte der Kläger vertreten durch seinen Vater Widerspruch ein. Zugleich legte er ein Schreiben vom 31.07.2012 vor, durch welches die Miete zum 01.08.2012 erneut auf nunmehr 600 EUR und die Heizkostenpauschale auf 90 EUR erhöht worden sei. Zur Begründung führte er einen zusätzlichen Zinsausfall, die Belastung der eigenen Kreditwürdigkeit und die Unverwertbarkeit des Wohnraumes an.

Mit Bewilligungsbescheid vom 20.09.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf dessen Fortzahlungsantrag im Zeitraum 01.10.2012 bis 31.03.2013 weiter Leistungen in Höhe der Regelleistung. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.

Am 04.10.2012 erhob der Kläger vertreten durch seinen Vater als Bevollmächtigten gegen den Bescheid vom 20.9.2012 Klage zum Sozialgericht Frankfurt und beantragte zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Anerkennung der Unterkunftskosten. Der Eilantrag erhielt das Aktenzeichen S 26 AS 1420/12 ER und wurde durch Beschluss vom 19.12.2012 abgelehnt. Hiergegen legte der Kläger Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht (LSG) ein, welche das Aktenzeichen L 7 AS 885/12 B ER erhielt. Mit Beschluss vom 21.02.2013 wurde die Beschwerde zurückgewiesen.

Zur Begründung der Klage ließ der Kläger vortragen, dass der Beklagte rechtsfehlerhaft die Kosten der Unterkunft nicht anerkenne. Der Beklagte berufe sich rechtsfehlerhaft auf ein Verwandtschaftsmietverhältnis, der Vermieter sei jedoch auf den Mietzins angewiesen und es trete eine zunehmende Verschuldung, sowohl der Vermieter als auch beim Mieter ein, welches auf den Verlust der bereitgestellten Wohnung hinauslaufe.

Mit Verfügung vom 5.10.2012 wies das Gericht die Beteiligten auf die beabsichtigte Zurückweisung des Vaters des Klägers als Bevollmächtigten hin und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Bevollmächtigte lehnte daraufhin die Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Befangenheitsantrag wurde durch Beschluss vom 23.11.2012 zurückgewiesen (S 10 SF 347/12 AB).

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2012 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.09.2012 zurück. Die streitgegenständliche Entscheidung sei rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung sei nicht nachgewiesen.

Durch Beschluss vom 19.12.2012 untersagte die Kammer sodann dem bevollmächtigten Vater des Klägers die weitere Vertretung.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.12.2012 zu verurteilen, dem Kläger im Zeitraum 1.10.2012 bis 31.3.2013 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer monatlichen Miete in Höhe von 600 EUR zuzüglich 90 EUR Heizkosten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags verwies der Beklagte auf den Inhalt des angefochtenen Widerspruchsbescheids.

Mit Verfügung vom 6.11.2015 wies das Gericht die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid hin. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Vater des Klägers lehnte daraufhin in einem nur von ihm unterschriebenen Schriftsatz vom 15.11.2015 die Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Auf den Hinweis des Gerichts, dass es sich nicht um eine wirksame Prozesserklärung handle, legte der Vater eine von dem Kläger unterschriebene "Generalvollmacht" vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die formgerecht zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Frankfurt erhobene Klage ist zum Zeitpunkt der Entscheidung zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 20.9.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.12.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das Gericht konnte auch gemäß § 105 SGG den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden, da keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art vorliegen, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten gehört wurden.

Zudem konnte die Kammer eine Entscheidung in der Sache treffen, da es sich bei der von dem Vater des Klägers mit Schriftsatz vom 15.11.2015 erklärten Ablehnung der Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit nicht um eine wirksame Prozesserklärung handelt. Der Schriftsatz ist lediglich von dem Vater des Klägers unterzeichnet, welchem jedoch durch Beschluss vom 19.12.2012 die Vertretung des Klägers untersagt wurde. Er kann deshalb für den Kläger keine wirksamen Erklärungen in dem laufenden Verfahren mehr abgeben. Auch die von dem Vater des Klägers mit Schriftsatz vom 23.11.2015 vorgelegte Generalvollmacht ändert insoweit nichts an dem Vertretungsverbot im vorliegenden Rechtsstreit. Die zunächst unzulässige Klage ist durch Erlass des Widerspruchsbescheids vom 6.12.2012 zulässig geworden, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat der Beklagte dem Kläger im hier streitigen Zeitraum vom 1.10.2012 bis 31.3.2013 keine Leistungen für die Unterkunft und Heizung im Rahmen des SGB II bewilligt.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Hieraus ergibt sich, dass der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht.

Für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals "Tatsächliche Aufwendungen" muss der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen sein (zu allem BSG, Urteil vom 3.3.2009, B 4 AS 37/08 R). Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn es sich bei der mietvertraglichen Abrede um ein Scheingeschäft i.S. von § 117 Abs. 1 BGB handelt.

Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Dies ist bei dem vorgelegten Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Eltern zur Überzeugung der Kammer der Fall.

Bereits das Hessische LSG hat in seinem Beschluss vom 21.2.2013 (L 7 AS 885/12 B ER) im Rahmen der Beschwerde im Eilverfahren folgendes ausgeführt:

"Es steht jedoch aufgrund der Erkenntnisse im Eilverfahren zur Überzeugung des Senats nicht fest, dass die Unterkunft dem Kläger von dem Vater unter der Voraussetzung zur Nutzung überlassen worden ist, dass der Kläger Miete zahlt. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt, oder ob es sich um ein Scheingeschäft (§ 117 Bürgerliches Gesetzbuch) handelt, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BSG, Urteile vom 3. März 2009, Az.: B 4 AS 37/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 15; 7. Mai 2009, Az.: B 14 AS 31/07 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 21; 20. August 2009, Az.: B 14 AS 34/08 R - juris). Wie sonst unter Dritten auch, muss der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt sein (BSG, aaO).

Gemessen an diesen Maßstäben ergibt sich aus den vorgetragenen Tatsachen kein Mietverhältnis mit einem ernsthaften Mietzinsverlangen des Vaters des Klägers gegenüber dem Kläger. Aus dem vorgelegten Schreiben mit der Überschrift "Mietbescheinigung/Mietvertrag von Wohnraum und Sachen" ergeben sich der Kläger und sein Vater als Parteien eines behaupteten Vertrages, ein Vertragsbeginn ab 01. April 2012, als Vertragsobjekt ein Wohn-/Schlafraum in der Wohnung des Vaters mit einer Größe von 25 qm zzgl. Bad-Mitbenutzung zu einer Nettokaltmiete in Höhe von 350 Euro. Hinzu gesetzt werden sodann eine Heizkostenpauschale in Höhe von 50 Euro, Kosten für Internetnutzung in Höhe von 20 Euro, Kosten für Mitbenutzung PC-Anlage in Höhe von 60 Euro und Mitnutzung des Pkw in Höhe von 150 Euro. Darüber hinaus wird festgehalten, dass sich die Parteien darüber verständigt haben, dass die Mietkosten nur dann geleistet werden können, wenn Leistungsträger Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern gewähren.

Die Nettokaltmiete wurde sodann durch weitere Schreiben ab Juni 2012 auf 420 Euro und ab August 2012 auf 600 Euro und die Heizkostenpauschale ab Juni 2012 auf 60 Euro und ab August 2012 auf 90 Euro erhöht. Darüber hinaus wurde eine Kündigung der gerade benannten Vereinbarung mit Wirkung zum 30. Juni 2013 vom 25. Dezember 2012 vorgelegt.

Weitere Unterlagen bzw. Indizien für ein ernsthaftes Mietzinsverlangen bestehen nicht. Aus Sicht des Senats lässt sich hieraus keine ernstliche vertragliche Bindung ableiten.

Hiergegen spricht der schon ursprünglich überhöhte Mietpreis, aber vor allem die vollkommen willkürlich ausgesprochene Erhöhung desselben. Ebenso sprechen die übrigen Vereinbarungen für ein Scheingeschäft, denn die Vereinbarung von Beträgen in Höhe von 20 Euro und 60 Euro monatlich für die Nutzung von Internet und PC stehen in keinem Verhältnis zu den tatsächlich für das Vorhalten eines Internetanschlusses und eines PCs entstehenden monatlichen Kosten. Eine solche Vereinbarung erscheint dem Senat unter Fremden schon unwahrscheinlich, erst recht jedoch unter Verwandten.

Gegen ein wirksames Rechtsgeschäft spricht auch, dass der überlassene Wohnraum auch zuvor nicht vermietet war und erst mit der Rückkehr des Sohnes aus Rheinland-Pfalz an diesen vermietet wurde. Darüber hinaus spricht auch die ausgesprochene Kündigung gegen eine wirksame Mietvertragsvereinbarung, denn sie orientiert sich nicht an den Kündigungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Zudem liegt keine Untermietgenehmigung vor.

Letztlich spricht lediglich für den Kläger, dass er dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft hat und er auch einen Anspruch hat, dass Kosten in der Höhe übernommen werden, in der er sich tatsächlich an den zu erbringenden Unterkunftskosten seiner Eltern zu beteiligen hat. Allerdings setzt eine solche Leistungsgewährung ein nachvollziehbares Leistungsbegehren voraus, was hier nicht der Fall ist."

Diesen Ausführungen schließt die Kammer sich vollumfänglich an. Es handelt sich bei dem vorgelegten Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Eltern nicht um ein wirksames Rechtsgeschäft, so dass der Kläger im hier streitigen Zeitraum auch keiner wirksamen Mietzinsforderung ausgesetzt war. Zweifel gehen insoweit zu Lasten des Klägers. Es sind dem Kläger deshalb im streitigen Zeitraum keine tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung im Sinne des SGB II entstanden, so dass der Beklagte eine Gewährung von Leistungen diesbezüglich zu Recht abgelehnt hat.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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