L 11 KA 44/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KA 74/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 44/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.02.2010 abgeändert und der Beklagte verurteilt, unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale II/2005 und III/2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 über sein Vertragsärztliches Honorar für die Quartale II/2005 und III/2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden. Die Beklagte trägt die Kosten für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe vertragsärztlichen Honorars für die Quartale II/2005 und III/2005, insbesondere die Rechtmäßigkeit des der Honorarberechnung zugrunde gelegten Honorarverteilungsvertrages (HVV).

Der Kläger nahm im streitbefangenen Zeitraum als Facharzt für Chirurgie und auch zur Erbringung ambulanter Operationen im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 20.10.2005 setzte die Beklagte das dem Kläger für das Quartal II/2005 zustehende Honorar auf 41.537,75 EUR fest. Dabei vergütete sie die von ihm erbrachten Leistungen nach Maßgabe eines durch den HVV vorgegebenen individuellen Punktzahlvolumens. Die Punktzahlanforderung betrug 1.146.530,0 Punkte und überstieg damit das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen (783.453,6) um 363.076,4 Punkte. Die Punktwerte für den Primärkassenbereich und den Ersatzkassenbereich waren jeweils in Höhe von 3,45 Cent ausgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 07.11.2005 Widerspruch ein. Er bemängelte, dass es im Bezirk der Beklagten für die chirurgischen Leistungen zwangsläufig zu einer erheblichen Absenkung des Punktwertes gekommen sei, weil der HVV einen Fachgruppentopf definiere. Dadurch werde die im EBM 2000plus erstmals vorgenommene betriebswirtschaftliche Berechnungsgrundlage für die einzelnen Leistungen auf der kalkulatorischen Grundlage von 5,11 Cent/ Punkt ad absurdum geführt, indem die Fachgruppe die Höherbewertung ihrer Leistungen mit einem Absinken des Punktwerts selbst finanziere. Zudem erhalte das Krankenhaus regelmäßig eine höhere Vergütung als der dieselbe Leistung erbringende Facharzt.

Mit Bescheid vom 19.01.2006 setzte die Beklagte das dem Kläger für das Quartal III/2005 zustehende Honorar auf 35.806,33 EUR fest. Für dieses Quartal betrug die Punktzahlanforderung 976.885,0 Punkte und überstieg damit ebenfalls das maximal abrechenbare Punktzahlvolumen (668.963,4 Punkte) um 307.921,6 Punkte. Auch in diesem Quartal wurde für den Primärkassenbereich und den Ersatzkassenbereich jeweils ein Punktwert in Höhe von 3,45 Cent ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 31.01.2006 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die durchgeführte Honorarverteilung sei nicht zu beanstanden und verstoße auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Vertragspartner seien nach § 85 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unter Beachtung des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 20.10.2004 zum Abschluss der Honorarverteilungsregelung für die Quartale II/2005 und III/2005 verpflichtet. Gemäß § 85 Abs. 4 SGB V verteile die KV die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte. Sie wende dabei den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Wie sich aus § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V ergebe, seien im Verteilungsmaßstab insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten seien (Regelleistungsvolumen - RLV -). Jedoch würden die für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis 31.12.2005 geltenden Regelungen für die Bildung von Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V spezifiziert. Danach könnten Steuerungsinstrumente, die in einer Kassenärztlichen Vereinigung zum 31.03.2005 bereits vorhanden gewesen und die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar gewesen seien, bis zum 31.12.2005 fortgeführt werden, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hierzu herstellten. Die Mengensteuerungsinstrumente des bis zum 31.03.2005 gültigen Honorarverteilungsvertrages seien in ihren Auswirkungen hinsichtlich Punktwertstabilität und Kalkulierbarkeit des Honorars sowie der daraus resultierenden Planungssicherheit für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten mit den Regelleistungsvolumen nach § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar. Erstmals werde in ihrem Bezirk für jede Arztgruppe ein separates Honorarkontingent (Fachgruppentopf) eingerichtet. Bezugszeitraum sei das entsprechende Quartal des Jahres 2003. Jede Arztgruppe behalte ihre Gesamtvergütungsanteile aus dem Jahre 2003 und jede Praxis übernehme ihre individuelle Fallpunktzahl aus den ehemals grünen und gelben Kontingenten bzw. Modulen. Die Honorarverteilung innerhalb einer Fachgruppe bleibe im Wesentlichen unverändert. Zunächst würden die freien (ehemals roten) Leistungen vergütet, dann die mengenbegrenzten Leistungen. Verwerfungen innerhalb der Fachgruppe seien demzufolge durch Veränderungen der Punktzahlanforderungen bedingt. Die Gründe für die niedrigen Punktwerte insbesondere im Facharzttopf "Chirurgie" lägen nicht in der Bemessung aller Fachgruppentöpfe, sondern darin, dass diejenigen operativen Leistungen nach den GNRN 31101 und 31121 EBM 2000plus, die nach dem alten EBM im Basiskontingent vergütet worden seien, zum 01.04.2005 als Einzelleistungen der Verteilungskategorie B zugeordnet worden seien. Dies habe vor allem bei den Chirurgen zu einem erheblichen Leistungsbedarfsanstieg im nicht mengenbegrenzten Bereich geführt und somit die Punktwerte für die Punktzahlgrenzvolumen belastet. Soweit der Kläger beanspruche, seine ambulanten Operationsleistungen mit dem derzeit höheren Punktwert vergütet zu bekommen, den die Krankenkassen den Krankenhäusern für ambulante Operationsleistungen zahlen, bestehe ein solcher Anspruch nicht. Auf der Grundlage des § 115b SGB V hätten die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft zum 01.01.2004 einen dreiseitigen Vertrag zum "Ambulanten Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus" geschlossen. Als Vergütungsniveau für ambulante Operationen im Krankenhaus sei nach diesem Vertrag das Punktwertniveau der niedergelassenen Vertragsärzte vertraglich fixiert. Soweit die Krankenkassen abweichend davon an die Krankenhäuser einen erhöhten Punktwert entrichteten, könnten die niedergelassenen Vertragsärzte allenfalls die Absenkung des den Krankhäusern gezahlten Punktwertes auf ihr niedrigeres Niveau begehren. Ein Rechtsanspruch auf Vergütung mit dem für Krankhäuser teilweise gezahlten höheren Punktwert lasse sich aus dem Gesetz nicht herleiten.

Mit seiner am 20.07.2006 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen hat er vorgetragen, dass die Aufteilung der Gesamtvergütung für den fachärztlichen Bereich rechtswidrig sei. Zu berücksichtigen sei, dass sich die Aufteilung der Gesamtvergütung im fachärztlichen Versorgungsbereich für das Quartal II/2005 am Quartal II/2003 orientiere. Damit lege die Beklagte bei der Aufteilung der Honoraransprüche innerhalb der Arztgruppen im Bereich der Beklagten eine Honorarverteilungsbasis zugrunde, die nach den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 15.05.2002 - B 6 KA 22/01 R - fehlerhaft sei. Das BSG habe in diesem Urteil festgestellt, dass der Einheitliche Bewertungsmaßstab in der ab 01.07.1997 geltenden Fassung hinsichtlich der Systematik der Praxis- und Zusatzbudgets rechtswidrig sei. Es habe ausgeführt, dass die Kostensätze nicht zutreffend ermittelt worden seien. Es habe es für ausreichend erachtet, dass mit Wirkung ab dem Quartal III/2003 eine neue Regelung eingeführt werde. Maßgeblich sei jedoch insoweit, dass auch die Basis des Quartals II/2003, die auf fehlerhaften Relationen beruhe, in die Aufteilung der Gesamtvergütung der Beklagten im Jahr 2005 eingeflossen sei. Insoweit beruhe die Verhältnisbildung innerhalb der Arztgruppen im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten im Quartal II/2005 auf einer invaliden, rechtswidrigen Grundlage. Auch habe das BSG in seiner Entscheidung vom 08.03.2000 - B 6 KA 7/99 R - festgestellt, dass ein Honorarverteilungsmaßstab, der sich in Widerspruch zur normativen Bewertung des EBM und dessen Vorgaben setzte, nichtig sei. Da die Beklagte die Vorgabe des EBM, dass eine kalkulatorische Bewertung des EBM-Punktes mit 0,0511 EUR vorzunehmen sei, nicht umgesetzt habe, und sich darüber hinaus durch ihre unterschiedlichen Vergütungspunktwerte von dieser einheitlichen Grundlage gelöst habe, stehe der Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten insoweit im Widerspruch zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab.

Der Kläger hat beantragt,

die Abrechnungsbescheide der Beklagten für die Quartale II/2005 und III/2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über die Honoraransprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der bei der Kalkulation des EBM 2000plus zugrunde gelegte Punktwert von 5,11 Cent begründe keinen Rechtsanspruch auf einen entsprechenden Vergütungspunktwert im Rahmen der Honorarfestsetzung. Zudem könne die Honorierung aller nach dem EBM erbrachten Leistungen aus einer im Vorhinein begrenzten Gesamtvergütung nur zu einem in Abhängigkeit von der Mengenentwicklung floatenden Punktwert geleistet werden. Sofern der Kläger die Honorarverteilung-/festsetzung im Quartal II/2005 angreife, weil nach seiner Auffassung Regelleistungsvolumina als Honorierungsgrundsätze hätten eingeführt werden müssen, verkenne er dabei, dass der Bewertungsausschuss in Umsetzung seines gesetzlichen Auftrages aus § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V den regionalen Parteien der Honorarverteilungsaufträge freigestellt habe, anstelle von Regelleistungsvolumina gleichwirkende Steuerungsinstrumente zu vereinbaren. Auf der Grundlage dieser hätten sie und die hiesigen Krankenkassenverbänden für den Zeitraum ab dem Quartal II/2005 eine Honorarverteilung auf der Basis von mengenbegrenzenden Punktzahlgrenzvolumina eingeführt. Soweit der Kläger vortrage, sie habe nicht für jede Arztgruppe einen Honorartopf bilden dürfen, verkenne er, dass das BSG beispielsweise in seinem Urteil vom 26.06.2002 - B 6 KA 28/01 R - die grundsätzliche Bildung von Honorartöpfen als rechtmäßig gebilligt habe. Ebenso habe es in seinem Urteil vom 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - bestätigt, dass bei der Bildung von Honorarkontingenten grundsätzlich an die Verhältnisse in einem früheren Quartal angeknüpft werden könne. In seinem Urteil vom 15.05.2002 - B 6 KA 33/01 R - habe es die Regelungen des EBM über die Praxisbudgets und die auf sie gründenden Honorarbescheide zumindest bis zum Quartal III/2003 als rechtmäßig gewertet.

Mit Urteil vom 23.02.2010 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt: Im Rahmen der gesetzlichen Wertung in § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V sei Teil III. Nr. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses so auszulegen, dass nur solche Honorarverteilungsregelungen weiterhin Anwendung finden könnten, die den gesetzlichen Mindestvoraussetzungen der arztgruppenspezifischen Grenzwerte, der festen Punktwerte sowie der abgestaffelten Punktwerte für überschreitende Leistungsmengen genügten. Diese Voraussetzungen würden von dem abgeschlossenen HVV erfüllt, weil dieser arztgruppenspezifische Grenzwerte durch die praxisspezifischen Fallpunktzahlen nach § 3 verbindlich bestimmt habe. Weiterhin sei damit für den Bereich des Punktzahlgrenzvolumens die Punktwerte stabilisiert und letztendlich auch eine Honorierung der das Punktzahlgrenzvolumen übersteigenden Punktzahlen nach abgestaffelten Punktwerten für überschreitende Leistungsmengen verbindlich geregelt worden. Damit werde eine vergleichbare Honorarsteuerung erreicht. Auch sei die HVV-Regelung mit den arztgruppenspezifischen Topf für die Quartale II/2005 und III/2005 in ihrer konkreten Anwendung rechtmäßig, denn der ermittelte Punktwert für die Berechnung des Honorars im Punktzahlgrenzvolumen von 3,45 bzw. 3,50 sei nicht rechtswidrig bestimmt worden. Die Anknüpfung an das Quartal II/2003 für die Aufteilung der Vergütungsanteile der jeweiligen Arztgruppen sei rechtmäßig. Auch sei innerhalb der Arztgruppe der Vorwegabzug für bestimmte nicht dem Punktzahlgrenzvolumen unterliegende Leistungen rechtmäßig, weil sich hier nur ausschließlich das Arztgruppenverhalten auswirke.

Gegen das ihm am 07.04.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.05.2010 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens Berufung eingelegt. Die Beklagte habe die Honorartöpfe nicht auf der Grundlage der alten Kontingentierung bilden dürfen. Vorliegend gehe es letztlich darum, dass die Beklagte von vornherein die Bewertung, die der neue EBM vorgegeben habe, durch die Fachgruppentopfbildung aus der Grundlage älterer Honorarregelungen, nämlich des EBM 1996, entwertet habe. Auch die übrigen Regelungen des HVV würden der ab dem 01.04.2005 geltenden Rechtslage nicht gerecht. Die vom SG als arztgruppenspezifische Grenzwerte bezeichneten praxisspezifische Fallpunktzahlen nach § 3 HVV erfüllten die Vorgaben des Gesetzgebers nicht, der gerade eine Vergütung von festen Punktwerten vorgesehen habe. Die Beklagte habe Punktzahlgrenzvolumen gebildet, innerhalb derer Leistungen abgerechnet werden können. Die Punktzahlgrenzvolumen würden jedoch auf der Grundlage der Leistungserbringung im konkreten Quartal gebildet, die Vorhersehbarkeit sei mithin bereits aufgehoben. Zudem würden die Punktwerte der Beklagten auch innerhalb des Punktzahlgrenzvolumens floaten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.02.2010 abzuändern, die Abrechnungsbescheide der Beklagten für die Quartale II/2005 und III/2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seine Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) hat vorgetragen, unter den EBM 2000plus sei bei den Chirurgen ohne Schwerpunkt eine Steigerung des Leistungsbedarfs von 9,1 % insgesamt und bei den Chirurgen mit Schwerpunkt von 11,4 % festzustellen. Die Punkte je Fall hätten sich bei den Chirurgen ohne Schwerpunkt um 8,9 % und bei den Chirurgen mit Schwerpunkt um 9,6 % erhöht.

Der Kläger hat weiter mitgeteilt, dass das Verfahren seitens der Arbeitsgemeinschaft der niedergelassenen Chirurgen Westfalen-Lippe als Musterverfahren betrachtet werde. Vergleichsgespräche mit der Beklagten seien daran gescheitert, dass eine Verständigung betreffend die Fachgruppe insgesamt bislang nicht habe erzielt werden können. Von der Beklagten sei stets nur das Argument der nicht erfolgten Einführung von Regelleistungsvolumen anerkannt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Abrechnungsbescheide der Beklagten für die Quartale II/2005 und III/2005 vom 20.10.2005 und 19.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist statthaft (§ 143 SGG). Zwar ist der Wert des Beschwerdegegenstandes ungewiss, denn der erstinstanzliche Antrag des Klägers war darauf gerichtet, die Bescheide vom 20.10.2005 und 19.01.2006 aufzuheben und unter Beachtung der Rechsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Ob die Berufung der Zulassung bedarf, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), lässt sich weder dem Vorbringen des Klägers noch den sonstigen aktenkundigen Unterlagen entnehmen. Das ist jedoch unschädlich. Zwar ist das Gericht bei unbeziffertem Antrag grundsätzlich gehalten, den Wert des Beschwerdegegenstandes zu ermitteln (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, vor § 51 Rdn. 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 144 Rdn. 15b), dies führt indes nicht weiter. Eine Vergleichsberechnung unter Geltung der Individualbudgetierung einerseits und auf der Grundlage von RLV andererseits vermag keine verlässlichen Ergebnisse zu erbringen. Die Beklagte ist zwar an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden, dennoch hat sie in der Umsetzung Gestaltungsspielräume (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R - zum HVM). Hieraus folgt, dass eine Vergleichsberechnung so lange zu einem ungewissen Ergebnis führt, wie nicht alle rechtlichen Bedingungen für eine Honorarberechnung auf der Grundlage von RLV fixiert sind. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage hat der Kläger zutreffend einen Bescheidungsantrag formuliert. Lässt sich nicht nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Berufung erfüllt sind, greift die Grundregel des § 143 SGG ein, nach der die Berufung statthaft ist (vgl. Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 144 Rdn. 8e; Leitherer a.a.O).

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere sind Form und Frist gewahrt (§ 151 SGG).

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Die dem Honorarbescheid zu Grunde liegende Honorarverteilungsregelungen sind rechtswidrig und damit unwirksam.

Der Kläger hat Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates. Der von der Beklagten der Honorarabrechnung zugrunde gelegte HVV verstößt gegen höherrangiges Recht. Er entspricht nicht den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V und erfüllt nicht die vom Bewertungsausschuss am 29.10.2004 zu Teil II Nr. 2.2 beschlossene Übergangsregelung.

Nach § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V sind in der Honorarverteilung "insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina)". Kernpunkt dieser Bestimmung sind zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte; gemäß § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V kommt hinzu, dass für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte vorzusehen sind (BSG, Urteile vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R -, 17.03.2010 - B 6 KA 43/08 R - und 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R -).

Das Erfordernis der Festlegung fester Punktwerte (anstelle floatender Punktwerte) stellt eine zentrale und strikte Vorgabe dar (BSG, a.a.O.). Nicht im selben Maße strikt ist die Vorgabe der Festlegung "arztgruppenspezifische Grenzwerte": Dies muss nicht als arztgruppen"einheitliche" Festlegung ausgelegt werden in dem Sinne, dass der gesamten Arztgruppe dieselben RLV zugewiesen werden müssten. Vielmehr kann dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügen, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (BSG, a.a.O.).

Hinsichtlich des HVV der KV Nordrhein hat das BSG in seiner Entscheidung vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - ausgeführt:

"Von den beiden Elementen des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V - arztgruppenspezifische Grenzwerte (im Sinne eines RLV) und feste Punktwerte - wich der HVV ab, den die Beklagte und die Verbände der Krankenkassen mit Wirkung ab dem 1.4.2005 vereinbart hatten.

Der HVV sah - nach den Ausführungen des LSG gemäß seiner Zuständigkeit für die Feststellung des Inhalts von Landesrecht (vgl § 162 SGG und dazu BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 27 mwN) - ebenso wie der zuvor maßgebende HVV in § 7 Ziff 1 HVV ein Individualbudget in Form eines Punktzahlengrenzwertes für das Gros der vom einzelnen Vertragsarzt erbrachten Leistungen auf der Basis der Abrechnungswerte der Quartale III/1997 bis II/1998 vor. Davon ausgenommen waren Notfall-, Präventions-, Impf-, Methadon- und psychotherapeutische Leistungen, die hausärztliche Grundvergütung, die übrigen Vorwegzahlungen nach § 6 Ziff 3 HVV (zB Fremdkassenausgleich, Dialyse-Kostenerstattungen) sowie bestimmte Labor-Kostenanteile (§ 7 Ziff 1 Abs 3 HVV). Nach dem Mechanismus des HVV wurde der Punktzahlengrenzwert aus den um die vorgenannten Leistungen bereinigten individuellen Honorarumsätzen der Quartale III/1997 bis II/1998 bezogen auf Primär- und Ersatzkassen ermittelt, wovon gemäß § 7 Ziff 1 Abs 4 HVV für die Finanzierung von Neuniederlassungen 3 % abgezogen wurden. Der sich so ergebende Umsatz wurde mit dem Faktor 10 multipliziert. Darüber hinausgehende Leistungen unterlagen einer Kürzung auf das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen. Die nach Kürzung gemäß § 7 HVV verbleibenden punktzahlbewerteten Leistungen wurden mit einem rechnerischen Punktwert von 5,11 Cent gemessen an der zur Verfügung stehenden Höhe der Gesamtvergütung bewertet mit der Folge, dass sich quartalsweise eine Fachgruppenquote ergab, die auf das maximal abrechenbare individuelle Punktzahlvolumen anzuwenden war (§ 7 Ziff 2 Abs 1 HVV).

Nach den Feststellungen des LSG floatete damit im Ergebnis der Punktwert bzw der vergütete Leistungsbedarf. Dies stand in Widerspruch zu der Vorgabe fester Punktwerte in der Regelung des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V. Das LSG hat zudem festgestellt, dass den Regelungen des HVV auch keine arztgruppenspezifischen Grenzwerte im Sinne des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V bzw von RLV im Sinne der Vorgaben des BewA zugrunde liegen. Ob der HVV dieselben Ziele wie die Regelung in § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V verfolgt, ist nicht maßgeblich. Allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung kann nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen - feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte - fehlt (s schon BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 18)."

Auch der HVV der Beklagten genügt vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des erkennenden Senates und des BSG den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V nicht. Die Regelungen im HVV der Beklagten führen zu einem floatenden Punktwert. Jede Praxis übernahm ihre individuelle Fallpunktzahl aus den ehemals grünen und gelben Kontingenten bzw. Modulen aus dem entsprechenden Quartal des Jahres 2003. Die Honorarverteilung innerhalb einer Fachgruppe blieb nach den Darlegungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid im Vergleich zu den Regelungen des alten HVV im Wesentlichen unverändert. Zunächst wurden die freien (ehemals roten) Leistungen vergütet, dann die mengenbegrenzten Leistungen.

Hinsichtlich der Übergangsregelung hat das BSG in seiner Entscheidung vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - zum Honorarverteilungsmaßstab der KV Nordrhein ausgeführt:

"Die Bestimmungen des HVV können auch nicht aufgrund der Übergangsregelung in Teil III. Nr 2.2 des BLRV Geltung beanspruchen. Zwar ist diese Übergangsregelung dem Grunde nach von der Ermächtigung des § 85 Abs 4a Satz 1 iVm Abs 4 Satz 4 bis 8 SGB V gedeckt und somit wirksam (s hierzu BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 20 ff), doch werden die dort festgelegten Voraussetzungen - Fortführung von Steuerungsinstrumenten, die mit der gesetzlichen Regelung in ihren Auswirkungen vergleichbar sind - nicht erfüllt.

Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54) entschiedenen Fall fehlt es allerdings nicht bereits an einer Fortführung bisheriger Steuerungsinstrumente in dem Sinne, dass etwaige Änderungen nicht von den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V wegführen dürfen (BSG aaO RdNr 22, 25). Denn nach den Feststellungen des LSG haben die Vertragsparteien den bis zum 31.3.2005 geltenden HVV im Grundsatz nicht verändert, sondern lediglich modifiziert bzw nicht systemrelevant ergänzt. Soweit der Senat im Urteil vom 17.3.2010 (aaO RdNr 22) offengelassen hat, ob der Austausch einzelner Bestimmungen zulässig ist, ergänzt er diese Ausführungen dahingehend, dass einzelne Änderungen des HVV der Annahme einer "Fortführung" nicht entgegenstehen, sofern die wesentlichen Grundzüge des Steuerungsinstruments unverändert bleiben.

Nach dem Inhalt der maßgeblichen Regelungen des HVV ist - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - nicht erkennbar, dass der fortgeführte HVV den Anforderungen der Übergangsregelung entsprach. Nach Teil III. Nr 2.2 BRLV konnten in einer KÄV zum 31.3.2005 bereits vorhandene Steuerungsinstrumente im Einvernehmen mit den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene für eine Übergangszeit fortgeführt werden, wenn sie "in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind". Die Auswirkungen der fortgeführten Steuerungsinstrumente waren jedoch nicht mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar.

Das in der Übergangsregelung normierte Tatbestandsmerkmal der "vergleichbaren Auswirkungen" bedarf der Auslegung bzw Konkretisierung.

Bei dieser Auslegung ist zunächst der Umfang der Regelungskompetenz des BewA in den Blick zu nehmen, da er die Grenzen einer ermächtigungskonformen Auslegung bestimmt. Nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V bestimmt der BewA "den Inhalt" der nach § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V zu treffenden Regelungen. Bei der Konkretisierung des Inhalts dieser Regelungen ist dem BewA Gestaltungsfreiheit eingeräumt (vgl hierzu BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 20 unter Hinweis auf BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26).

Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21) ausgeführt: "Welches Maß an Gestaltungsfreiheit dem BewA zukommt, ist nach der Wesensart der Ermächtigungsvorschrift des § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V und der ihr zugrunde liegenden Zielsetzung zu bestimmen. Sinn dieser Ermächtigung war und ist es, dass der BewA den Weg zur Anpassung der Honorarverteilungsregelungen in den verschiedenen KÄV-Bezirken an die Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V vorzeichnet. Bei der Auslegung der Ermächtigung ist zu berücksichtigen, dass es unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Ärzte an einer Kontinuität des Honorierungsumfangs und aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität problematisch gewesen wäre, eine sofortige volle Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 85 SGB V erreichen zu wollen. Vielmehr ist es bei solchen Anpassungen sachgerecht, eine nur allmähliche Anpassung genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren. Nicht hinnehmbar wäre es indessen, zu gestatten, dass sich eine Honorarverteilungsregelung gegenüber der bisherigen - sei es auch nur vorübergehend - weiter von den Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V entfernt." Der Senat hat in der genannten Entscheidung weiter dargelegt, dass die Übergangsvorschrift in Teil III. Nr 2.2 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004 diesen Anforderungen bei ermächtigungskonformer Auslegung gerecht wurde und es nach dem Wortlaut der Ermächtigungsvorschrift gestattet war, dass bisherige Steuerungsinstrumente, deren Auswirkungen mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar sind, fortgeführt werden (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 22).

Diese Ausführungen des Senats sind aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der BewA die KÄVen zu einer - Wortlaut und Intention des Gesetzes entgegenstehenden - beliebigen Fortführung vorhandener Steuerungsinstrumente ermächtigen durfte, auch wenn diese nicht den Mindestanforderungen an eine Vergleichbarkeit der Steuerungsinstrumente entsprechen. Damit ist eine Auslegung der Übergangsvorschrift ausgeschlossen, die faktisch zu einer vollständigen Suspendierung der gesetzlichen Vorgaben - überdies für einen weit über eine Übergangsphase hinausgehenden Zeitraum - führen würde.

Bereits der Wortlaut der in § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V getroffenen Regelung zielt auf eine Inhaltsbestimmung im Sinne einer "Konkretisierung" und nicht einer (auch nicht vorübergehenden) "Suspendierung" der gesetzlichen Vorgaben ab. Dies gilt umso mehr, als dem Wortlaut der in § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V in ihren Grundzügen vorgegebenen Regelungen, deren Inhalt der BewA zu bestimmen hat, nur bei eher weiter Auslegung entnommen werden kann, dass auch die Normierung von Übergangsregelungen vorgesehen ist. Unabhängig davon ist ein dahingehender Wille des Gesetzgebers, dass die nähere Ausgestaltung des Inhalts der Regelungen durch den Bewertungsausschuss auch eine großzügige Übergangslösung bis hin zu einer - zeitlich nicht klar befristeten - vollständigen Suspendierung der gesetzlichen Vorgaben umfassen sollte, nicht erkennbar. Auch der dem BewA zustehende Gestaltungsspielraum (vgl hierzu BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 26 ua) berechtigt diesen nicht dazu, gesetzliche Regelungen faktisch weitgehend leerlaufen zu lassen, da ein Gestaltungsspielraum untergesetzlicher Normgeber nur innerhalb der ihnen erteilten Normsetzungsermächtigung besteht. Nichts anderes gilt schließlich für die Aussage des Senats, dass dem BewA das Recht zuzugestehen ist, eine allmähliche Anpassung an die Vorgaben des § 85 SGB V genügen zu lassen und übergangsweise noch Abweichungen zu tolerieren (vgl BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 52). Ziel der zulässigen Übergangsregelung ist nämlich die "Annäherung" an die Vorgaben des § 85 Abs 4 Satz 6 bis 8 SGB V (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 22). Dies setzt entweder voraus, dass die zu prüfende Honorarverteilungsregelung dem gesetzlichen Ziel deutlich näher steht als die Vorgängerregelung, oder, dass die Regelung bereits - ohne dass es einer Änderung bedurfte - eine ausreichende Nähe zu den gesetzlichen Vorgaben besitzt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen vergleichbare Zielsetzungen "vergleichbaren Auswirkungen" nicht gleich. Zum einen stellt die Übergangsregelung nach ihrem klaren Wortlaut nicht auf vergleichbare Ziele, sondern auf vergleichbare Auswirkungen ab. Zum anderen steht einer maßgeblichen Berücksichtigung vergleichbarer Zielsetzungen entgegen, dass die Ziele der hier in Rede stehenden gesetzlichen Regelung derart allgemein gefasst sind, dass sie den Zielen einer Vielzahl anderer Regelungen entsprechen. Durch die Vorgabe von RLV soll erreicht werden, dass die von den (Vertrags-)Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen gegeben wird; durch die Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen und zum anderen der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Leistungsausweitung begrenzt werden (vgl Begründung zum Gesetzentwurf-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h Doppelbuchst cc = § 85 SGB V; dies entspricht im Wesentlichen der ursprünglichen Begründung bei Einfügung der Norm durch das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG), vgl Ausschussbericht zum GKV-SolG, BT-Drucks 14/157 S 34 zu Art 1 Nr 13 Buchst b Doppelbuchst cc).

Das Ziel, den Vertragsärzten Kalkulationssicherheit zu geben, charakterisiert (und rechtfertigt) jedoch unter der Geltung einer Budgetierung der Gesamtvergütungen jegliche Form von Honorarbegrenzungsregelungen (vgl zu Individualbudgets: BSGE 83, 52, 56 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 205; BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 29; zu Praxisbudgets: BSGE 86, 16, 17 = SozR 3-2500 § 87 Nr 23 S 116 sowie BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 26; zu Teilbudgets: BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 17/10 R - RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zu Fallzahlzuwachs-Begrenzungsregelungen: BSGE 89, 173, 182 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 378; zu progressiven Honorareinbehalten: BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 28 RdNr 14; zu Richtgrößen- und Umsatzregelungen: BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 28 ff; zur Vorgabe gleich hoher Budgets für alle (Zahn-)Ärzte: BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 24). Würde man daher (allein) auf eine vergleichbare Zielsetzung abstellen, hätte die Übergangsregelung des BRLV eine (nahezu) uneingeschränkte Fortführung vorhandener Steuerungsinstrumente in den Honorarverteilungsregelungen ermöglicht.

Schon mit Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 18) hatte der Senat ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob die vorhandene Regelung dieselben Ziele wie § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V verfolge; allein eine möglicherweise gleichwertige Zielsetzung könne nicht den Mangel ausgleichen, dass es an den nach dem Wortlaut des § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V erforderlichen Regelungen - feste Punktwerte und arztgruppenspezifische Grenzwerte - fehle. Diese Ausführungen betreffen zwar die Frage, ob der HVV die gesetzlichen Vorgaben eingehalten hat, lassen sich jedoch auch auf die Prüfung übertragen, ob die Vorgaben der Übergangsregelung eingehalten worden sind. Denn wenn eine ggf gleichwertige Zielsetzung nicht das Fehlen wesentlicher Bestandteile der Regelung ersetzen kann, ist sie auch nicht geeignet, die Vergleichbarkeit verschiedener Regelungen zu belegen.

Die somit allein als Prüfungs- bzw Vergleichsmaßstab heranzuziehenden konkreten "Auswirkungen" der honorarbegrenzenden Regelungen des HVV der Beklagten waren mit den "Auswirkungen" der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs 4 Satz 7 und 8 SGB V nicht vergleichbar. Wie bereits oben (unter 1.a.) dargelegt, sind deren Kernpunkte die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte sowie fester Punktwerte nebst abgestaffelter Punktwerte für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen. Wesentliche "Auswirkung" der gesetzlichen Regelung ist mithin, dass ein definiertes RLV gebildet wird, innerhalb dessen die erbrachten Leistungen mit einem festen Punktwert vergütet werden.

An einer hinreichenden Vergleichbarkeit der "Auswirkungen" fehlt es in Bezug auf den vorliegend maßgeblichen HVV schon deswegen, weil dort der Grenzwert bzw das Vergütungsvolumen nicht anhand arztgruppenspezifischer (Durchschnitts-)Werte bestimmt wird, sondern ihm - im Sinne eines klassischen Individualbudgets - arztindividuelle Werte aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen zugrunde liegen. § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V setzt jedoch ein RLV voraus, das auf arztgruppendurchschnittlichen Werten beruhen muss; diesem strukturell vergleichbare Auswirkungen haben nur Grenzwerte, die ebenfalls auf Durchschnittswerten beruhen. Dies ist eine Mindestvoraussetzung der Vergleichbarkeit; ihr Fehlen führt zur Rechtswidrigkeit der HVV-Regelung.

Der Gesetzgeber ist mit der Vorgabe arztgruppenspezifischer Grenzwerte erkennbar von der in den KÄVen weit verbreiteten und von der Rechtsprechung grundsätzlich gebilligten Praxis abgewichen, Honorarbegrenzungsregelungen in Form von Individualbudgets zu normieren. Dass es sich bei der arztgruppenbezogenen Bestimmung des Grenzwerts bzw des Vergütungsvolumens um eine grundlegende Richtungsentscheidung des Gesetzgebers handelt, zeigt sich zudem daran, dass auch für die vom 1.1.2009 bis 31.12.2011 geltenden RLV die Werte nach Arztgruppen festzulegen waren (§ 87b Abs 3 Satz 1 SGB V). Arztgruppenspezifische Werte liegen weiterhin den Richtgrößen im Arzneimittelbereich (vgl § 84 Abs 6 Satz 1 SGB V) und letztlich auch der Degressionsregelung im vertragszahnärztlichen Bereich (vgl § 85 Abs 4b Satz 1 SGB V) zugrunde.

Hinzu kommt, dass es für die vom Gesetzgeber mit der Einführung von RLV - neben dem Aspekt der Kalkulationssicherheit - verfolgten Ziele der Berücksichtigung von Kostendegression und Mengenbegrenzung sehr wohl von Bedeutung ist, anhand welcher Kriterien der maßgebliche Grenzwert bzw das "privilegierte" Vergütungsvolumen bestimmt wird. Durch die Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungen mit abgestaffelten Punktwerten - und damit im Ergebnis schon durch die Bestimmung des hierfür maßgeblichen Grenzwerts - soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen und zum anderen der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Leistungsausweitung begrenzt werden (vgl Begründung zum Gesetzentwurf-GMG, BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h Doppelbuchst cc = § 85 SGB V). Im Hinblick auf diese Ziele ist es sehr wohl von Bedeutung, ob zur Bestimmung des "privilegierten" Vergütungsvolumens arztgruppenspezifische Durchschnittswerte herangezogen werden oder ob diesem das - ggf "übermäßige" - individuelle Abrechnungsverhalten des Vertragsarztes in der Vergangenheit zugrunde gelegt wird. Es liegt auf der Hand, dass sich das Ziel einer Mengenbegrenzung sachgerechter anhand von arztgruppenspezifischen Durchschnittswerten als durch eine Fortschreibung vorhandener Besitzstände erreichen lässt. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass Durchschnittswerte den Versorgungsbedarf der Versicherten zuverlässiger widerspiegeln als arztindividuelle Werte.

Der erkennende Senat hat bereits in seinen Urteilen zum Hessischen HVV eine auf der Grundlage praxisindividueller Punktzahl-Obergrenzen geregelte Honorarverteilung (die in Hessen bis I/2005 galt) als eine Regelungsstruktur bezeichnet, deren Auswirkungen nicht mit den Vorgaben des § 85 Abs 4 SGB V vergleichbar seien (vgl BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 21 ff). Auch in seinen Urteilen vom 18.8.2010 (SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 39 ua) hat er ausgeführt, dass ohne normative Grundlage die ggf mit der Einführung von RLV für die Vertragsärzte verbundenen Vorteile nicht so begrenzt werden dürften, dass anstelle der RLV faktisch praxisindividuelle Budgets - bezogen auf die von den einzelnen Praxen im Referenzquartal erreichten Vergütungen - zur Anwendung kommen; konkret hat der Senat beanstandet, dass ungeachtet der in Hessen formal bestehenden RLV mit festen Punktwerten als Folge der korrigierenden Ausgleichsregelung die abgerechneten Leistungen in einer Form vergütet wurden, die einem praxisindividuellen Individualbudget weitgehend vergleichbar waren (aaO RdNr 42).

Da bereits die arztindividuelle Bezogenheit des Vergütungsvolumens im HVV einer Vergleichbarkeit der Auswirkungen entgegensteht, bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Vergleichbarkeit der Auswirkungen zumindest hinsichtlich der Vorgabe fester Punktwerte gegeben ist. Das ist jedenfalls entgegen der Auffassung des Klägers nicht von vornherein ausgeschlossen.

Die HVV-Regelung setzt nicht beim Preis, sondern bei der Menge der mit festen Preisen vergüteten Leistungen an, indem sie zwar für einen bestimmten Teil der erbrachten Leistungen einen festen Punktwert von 5,11 Cent garantiert, das derart vergütete Punktzahlvolumen allerdings mit der Quote der Fachgruppe in Prozent multipliziert und damit - im Regelfall - faktisch reduziert. Die in § 7 Ziff 2 HVV geregelte Fachgruppen-Quote entspricht dem prozentualen Anteil der Leistungen, die tatsächlich aus den zur Verfügung stehenden Gesamtvergütungen mit einem Punktwert von 5,11 Cent vergütet werden können. Zwar ließe sich einwenden, dass diese Fachgruppen-Quote (spiegelbildlich) dazu führt, dass es an der Vorgabe eines festen Punktwerts fehlt, weil der angegebene rechnerische Punktwert von 5,11 Cent durch seine Bindung an das Gesamtvergütungsvolumen und die Bildung einer Fachgruppen-Quote relativiert wird und sich die Quotierung faktisch so auswirkt, als würde der Punktwert floaten (vgl dazu bereits BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411). Wirtschaftlich macht es für den Vertragsarzt keinen Unterschied, ob er seine Leistungen vollständig vergütet erhält, aber der Preis von der Menge der insgesamt abgerechneten Leistungen abhängig ist, oder ob ihm feste Preise zugesichert werden, dies aber nur für eine erst im Nachhinein feststehende Menge gilt. Allerdings macht die Beklagte zu Recht geltend, dass die Festlegung "absolut" fester Punktwerte unter der Geltung einer gedeckelten Gesamtvergütung von vornherein ausgeschlossen ist. Denn bei gedeckelter Gesamtvergütung wird die Vorgabe fester Punktwerte nur dadurch ermöglicht, dass entweder die RLV bzw Grenzwerte so (niedrig) bemessen werden, dass die gezahlten Gesamtvergütungen ausreichen, um alle erfassten Leistungen mit dem vorgesehenen Punktwert zu vergüten, oder dass dies zu Lasten der "freien Leistungen" geht. So hat auch der Senat eingeräumt, dass ein gewisses Floaten der Punktwerte nicht zu vermeiden ist, das System der RLV bei begrenzter Gesamtvergütung vielmehr eine Quotierung voraussetze (BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 61 RdNr 16)"

Auch diese Rechtsprechung des BSG ist auf den hier zu beurteilenden HVV übertragbar. Bei dem zur Beurteilung stehenden HVV wird der Grenzwert bzw. das Vergütungsvolumen nicht anhand arztgruppenspezifischer (Durchschnitts-)Werte bestimmt, sondern arztindividuelle Werte aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen zugrunde gelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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