L 8 R 22/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 R 466/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 22/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.11.2011 wird zurückgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie Umlagen in Höhe von 41.763,64 Euro für die Zeit vom 1.5.2006 bis 31.5.2010.

Der Beigeladene zu 4) meldete am 24.1.2006 zum 1.4.2006 ein Gewerbe mit den Tätigkeiten "Kurierdienste" und "Kleintransporte" an. Im Mai 2006 einigte sich der Beigeladene zu 4) mit der Klägerin mündlich über die Ausübung von Fahrtätigkeiten, die er mit einem ihm von Klägerseite unentgeltlich zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeug ab dem 11.5.2006 ausführte. Lieferfristen hatte er nach Vorgabe einzuhalten. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass der Beigeladene zu 4) hierfür eine Stundenvergütung in Höhe von 20,00 Euro brutto erhält. Seine Dienste für die Klägerin rechnete er mit Monatsrechnungen ab. Diese wiesen neben den geleisteten Arbeitsstunden ab November 2008 auch die gesetzliche Umsatzsteuer aus.

Der Beigeladene zu 4) war in dem nachfolgend dargestellten Umfang für die Klägerin tätig und erhielt hierfür die nachfolgend aufgelisteten Vergütungen:

2006 Zeitlicher Umfang in Stunden Vergütung (ohne Umsatz-steuer) in EUR Mai 37 740,00 Juni 58,25 1.165,00 Juli 68,25 1.365,00 August 114,50 2.290,00 September 88,50 1.770,00 Oktober 87,75 1.755,00 November 127,25 2.545,00 Dezember 63,50 1.270,00 Gesamt 12.600,00

2007 Januar 111 2.220,00 Februar 95,25 1.905,00 März 150,25 3.005,00 April 71,50 1.430,00 Mai 70,50 1.410,00 Juni 140,75 2.815,00 Juli 117,25 2.345,00 August 97 1.940,00 September 61,50 1.230,00 Oktober 124 2.480,00 November 128,25 2.565,00 Dezember 91,50 1.830,00 Gesamt 25.175,00

2008 Januar 90 1.800,00 Februar 112,50 2.250,00 März 135,50 2.710,00 April 151 3.020,00 Mai 127 2.540,00 Juni 176 3.520,00 Juli 170,75 3.415,00 August 153,50 3.070,00 September 122,25 2.445,00 Oktober 74,50 1.490,00 November 102,75 2.055,00 Dezember 87,75 1.755,00 Gesamt 30.070,00

2009 Januar 97,75 1.955,00 Februar 134,50 2.690,00 März 137 2.740,00 April 87,25 1.745,00 Mai 73 1.460,00 Juni 88,25 1.765,00 Juli 128,75 2.575,00 August 99,75 1.995,00 September 105,50 2.110,00 Oktober 123 2.460,00 November 134,50 2.690,00 Dezember 109,50 2.190,00 Gesamt 26.375,00

2010 Januar 68,75 1.375,00 Februar 79 1.580,00 März 128 2.560,00 April 118,50 2.370,00 Mai 105,25 2.105,00 Gesamt 9.990,00

Am 3.3.2010 wurde der Beigeladene zu 4) durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes Aachen auf dem Parkplatz "I" an der B 56 in H angehalten und überprüft. Auf Befragen erklärte der Beigeladene zu 4) den Beamten, dass er seit 2006 als selbständiger LKW-Fahrer für die Klägerin tätig sei. Neben dem zur Ausübung benötigten Fahrzeug seien auch die hierfür notwendigen Betriebsstoffe und gegebenenfalls anfallende Reparatur- und Inspektionskosten von der Klägerin bzw. einem Schwesterunternehmen übernommen worden. Die Fahraufträge für die Warenauslieferungen bekäme er morgens vor Fahrtantritt in Form von Lieferscheinen durch einen Mitarbeiter der Klägerin, den Zeugen S. Die Aufträge hätte er dann in Reihenfolge abzuarbeiten und die Erledigung in Form eines "Fahrauftragsbuches", in der die Kunden und die benötigte Zeit von ihm einzutragen seien, zu dokumentieren, welches er bei der Klägerin wieder vorlege. Ferner gab der Beigeladene zu 4) an, dass er ausschließlich für die Klägerin tätig sei. Als Vergütung erhalte er 20,00 Euro pro Stunde, sodass er auf ca. 2.000,00 bis 2.500,00 Euro brutto im Monat käme.

In der Zeit vom 1. bis 10.9.2010 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Mit Schreiben vom 20.9.2010 hörte sie die Klägerin zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 4) in der Zeit vom 1.5.2006 bis 31.5.2010 an. Die Klägerin führte mit Schreiben vom 11. und 18.10.2010 aus, dass der Beigeladene zu 4) für sie seit Mai 2006 als selbständiger Kleinunternehmer (Kurierdienste) tätig sei. Er habe seine Tätigkeit völlig frei und ungebunden ausgeführt. Zeiten und Umfang der Tätigkeiten habe er selbst bestimmt. Er sei zu keiner Zeit weisungsgebunden gewesen. Eine Eingliederung in ihren Betrieb bzw. Unterordnung hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort habe es nicht gegeben. Er habe in eigener Regie die jeweiligen Aufgaben entweder angenommen oder abgelehnt. Ferner legte die Klägerin mit Schreiben vom 29.10.2010 eine auf den 1.2.2010 datierte, von dem Zeugen Jürgen E, dem Prokuristen der Klägerin, und dem Beigeladenen zu 4) unterzeichnete "Bestätigung" vor, die folgenden Wortlaut hat:

"Bestätigung

Zwischen Herrn I M, Südring 100, V

und X. K - F GmbH & Co. KG, Albert-Jansen-Str. 8, H

ist im Mai 2006 ein mündlicher Vertrag über die, zwischen den Parteien ausgehandelten Vertragsbedingungen geschlossen worden: Herr M übernimmt als selbständiger LKW-Fahrer Dienstleistungsfahrten. Das Fahrzeug wird ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Aufgrund seines stark eingeschränkten Zeitrahmens (Pflegefall Mutter) ist es Herrn M völlig freigestellt Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Es erfolgt keine Eingliederung in den Betrieb der Firma X.K-F und keine Unterordnung (Zeit, Dauer, Ort bzw. Art der Ausführung).

Herr M wird jeweils am Vortag, bzw. einige Tage vorher angerufen und befragt, ob er an bestimmten Tagen der Woche fahren kann. Herr M kann dann angeben, ob er die für ihn angedachten Fahraufträge annimmt oder nicht. Sobald die Fahraufträge erledigt waren, endete der Auftrag und wurde bis zu diesem Zeitpunkt in Rechnung gestellt.

Herr M ist nicht weisungsgebunden, sondern kann seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten. Die Rechnungsstellung erfolgt monatlich über die geleisteten Arbeiten und ist netto zahlbar innerhalb von 14 Tagen.

Bei der Ermittlung des Stundenhonorars von 20,- EUR wurde berücksichtigt, dass Herrn M den LKW, kostenfrei für die Ausführung der Aufträge zur Verfügung gestellt wird. Die einzelnen Fahrtberichte dienen nur dem Nachweis der ausgeführten Aufträge (bloße Abrechnungs-Dokumentation).

H, 01. Februar 2010"

Mit Bescheid vom 22.12.2010 setzte die Beklagte die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung und Umlagen in Höhe von 53.192,64 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 11.429,00 Euro für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 4) in der Zeit vom 1.5.2006 bis 31.5.2010 gegenüber der Klägerin fest.

Zur Begründung ihres am 18.1.2011 eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, dass die Beklagte von einem fehlerhaften Sachverhalt und unzutreffenden Schlussfolgerungen ausgegangen sei. Der Beigeladene zu 4) habe seine Tätigkeit für sie auf selbständiger Basis ausgeführt. Sie sei bei Abschluss der mündlichen Vereinbarung mit dem Beigeladenen zu 4) im Mai 2006 auch davon ausgegangen, dass der Beigeladene zu 4) als selbständiger Gewerbetreibender tätig gewesen sei. Sie habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen zu 4) zu begründen. Es sei beabsichtigt gewesen, dass der Beigeladene zu 4) nur von Fall zu Fall und bei entsprechendem Bedarf für sie - die Klägerin - tätig sein sollte. Die vom Beigeladenen zu 4) ausgestellten Rechnungen zeigten, dass er nicht regelmäßig und arbeitstäglich für sie tätig gewesen sei. Er sei vielmehr häufig dann, wenn sie Transportleistungen auszuführen gehabt habe, von ihren zuständigen Mitarbeitern angerufen und gefragt worden, ob er bereit und zeitlich in der Lage wäre, solche Transporte durchzuführen. Dem Beigeladenen zu 4) habe es völlig frei gestanden, solche Transporte durchzuführen oder die Anfrage negativ zu beantworten. Anhand der vorgelegten Rechnungen des Beigeladenen zu 4) sei auch ersichtlich, dass er nicht als Beschäftigter für die Klägerin tätig gewesen sei, da er die tarifvertraglich vereinbarte monatliche Arbeitszeit von 167 Stunden nicht absolviert habe. Der Beigeladene zu 4) habe vielmehr mit einem deutlich geringeren Zeitaufwand Transportleistungen für sie ausgeführt. Dies sei darin begründet gewesen, dass es der ausdrückliche Wunsch des Beigeladenen zu 4) gewesen sei, seine schwer pflegebedürftige Mutter zu pflegen und zu versorgen. Der Beigeladene zu 4) habe bei Annahme der Transportaufträge für sie - die Klägerin - auch selbst deren Abwicklung bestimmen können. Lediglich die Liefertermine habe er nach Vorgabe einzuhalten gehabt. Das Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 4) habe sich bei der Ermittlung des Stundensatzes von 20,00 Euro realisiert, da dieser Stundensatz berücksichtigt habe, dass für die Ausführung der Aufträge das Fahrzeug kostenfrei zur Verfügung gestellt worden sei. Das Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 4) habe sich im Übrigen tagtäglich dadurch verwirklicht, dass sie ihm gerade nicht arbeitstäglich Transportaufträge erteilt habe. In seinen Rechnungen habe der Beigeladene zu 4) ab November 2008 die gesetzliche Umsatzsteuer ausgewiesen.

Mit dem Widerspruch brachte die Klägerin die Bescheinigung der Beigeladenen zu 1) vom 5.10.2010 bei, nach der der Beigeladene zu 4) bei dieser seit dem 1.1.2006 bis laufend freiwillig kranken- und pflegeversichert war, ohne Anspruch auf Krankengeld gehabt zu haben.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.6.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) als Kraftfahrer für die Klägerin sei als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anzusehen. Ein LKW-Fahrer ohne eigenes Fahrzeug sei regelmäßig ein abhängig Beschäftigter.

Mit ihrer am 11.7.2011 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und zu Begründung ihren Vortrag im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Es spreche nicht für eine Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 4), dass er die "Fahraufträge" in einem Fahrtenbuch hätte dokumentieren müssen. Jeder selbständig Tätige habe seinem Auftraggeber die Durchführung des Auftrags in geeigneter Form nachzuweisen. Die bei ihr abhängig beschäftigten Fahrer hingegen wiesen ihre arbeitstägliche Tätigkeit dadurch nach, dass diese - wie auch ihre übrigen Arbeitnehmer - morgens vor 7:00 Uhr ihre Anwesenheit mittels einer Stempelkarte dokumentieren und am Arbeitsende wieder ausstempeln müssten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.6.2011 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Bescheide weiterhin für rechtmäßig gehalten.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben keinen eigenen Antrag gestellt.

Der Beigeladene zu 4) hat geltend gemacht, er habe zu Beginn des Arbeitsverhältnisses Wert darauf gelegt, wegen seiner schwerstpflegebedürftigen Mutter möglichst flexible Arbeitszeiten zu haben. Insofern habe er es in Kauf genommen, dass die Klägerin lediglich bereit gewesen sei, ihn als selbständigen Fahrer einzustellen. Spätestens nach dem Tod seiner Mutter im Oktober 2006 sei von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Er sei seit dieser Zeit in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und weisungsabhängig gewesen. Er habe wie alle Arbeitnehmer der Klägerin seine Fahraufträge nach entsprechenden Listen abgearbeitet, die ihm der Zeuge S als sein unmittelbarer Vorgesetzter übergeben habe. Seine Fahraufträge habe er in einem Fahrtenbuch dokumentieren und nach Abschluss der Fahrten von seinem unmittelbaren Vorgesetzten abzeichnen lassen. Er habe spätestens ab Oktober 2006 regelmäßig für die Klägerin Fahraufträge jeweils dienstags und donnerstags jeder Woche erbracht. Darüber hinaus habe die Klägerin ihn für weitere notwendige Fahrten wie einen Arbeitnehmer auf Abruf behandelt. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass er seinen notwendigen Lebensunterhalt allein aus der Tätigkeit bei ihr erzielt habe. Das Verhältnis zwischen ihm und der Klägerin sei auf Dauer angelegt gewesen. Er habe sich auf regelmäßige Fahraufträge der Klägerin verlassen können. Er habe nur in extremen Ausnahmefällen (z.B. bei Krankheit oder eines dringenden unaufschiebbaren Termins) Aufträge der Klägerin abgelehnt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.11.2011 hat das SG Aachen die Zeugen K E und I S vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 11.11.2011 hat das SG Aachen die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.

Gegen das ihr am 14.12.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.1.2012 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und beruft sich auf die zu ihren Gunsten ergangenen und von ihr beigebrachten Urteile im arbeitsgerichtlichen Verfahren des Beigeladenen zu 4) gegen sie (Urteile des Arbeitsgerichts - ArbG - Aachen vom 8.11.2011, Az. 1 Ca 1765/11, und des Landesarbeitsgerichts - LAG - Köln vom 28.8.2012, Az. 11 Sa 149/12) sowie ihr Vorbringen in jenem Verfahren. Sie stellt heraus, dass sie nicht vollständig über die Arbeitskraft des Beigeladenen zu 4) verfügt habe, sodass ihm die Möglichkeit offen gestanden habe, für weitere Auftraggeber Fahraufträge zu erledigen. Die rechtlich und faktisch realistische Möglichkeit, noch anderweitig unternehmerisch tätig zu sein, sei ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit. Dies gelte auch für die Vergütungshöhe, die etwa das Doppelte dessen betragen habe, was gewerblichen Arbeitnehmern nach dem maßgeblichen Lohntarifvertrag in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom 21.4.2009 gezahlt werde. Je nach Qualifikation liege der Stundensatz zwischen 9,80 Euro und 10,20 Euro.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 11.11.2011 zu ändern und den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.6.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Senat hat die vom Beigeladenen zu 4) der Klägerin gestellten Rechnungen nebst Fahrberichten beigezogen. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte durch ihren Sitzungsvertreter den Anspruch der Klägerin teilweise anerkannt und den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.6.2011 aufgehoben, soweit mit diesem Säumniszuschläge in Höhe von 11.429,00 Euro nachgefordert werden. Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten dieses Teil-Anerkenntnis angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) und zu 5) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.6.2011 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn der Beigeladene zu 4) war im Streitzeitraum vom 1.5.2006 bis 31.5.2010 als abhängig Beschäftigter der Klägerin versicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Zu Recht fordert die Beklagte daher von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 41.763,64 Euro.

a) Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung von Beiträgen durch die Beklagte ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen von Betriebsprüfungen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht zur Arbeitsförderung. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zu Recht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 4.) in den genannten Versicherungszweigen angenommen und die Höhe der von der Klägerin zu zahlenden Beiträge festgesetzt.

Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI], 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung, die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Eine Beschäftigung im Sinne dieser Vorschriften setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45; v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, USK 2011-125; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die zwischen den Beteiligten praktizierte Rechtsbeziehung und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 24.1.2007, a.a.O.). Ausgangspunkt der Prüfung sind dabei jeweils die vertraglichen Vereinbarungen, soweit solche bestehen.

b) Ausgehend von den vorgenannten Kriterien hat der Beigeladene zu 4) im Streitzeitraum zur Klägerin in einer abhängigen Beschäftigung gestanden. Bewertung und Gewichtung der genannten Abgrenzungsmerkmale zeigen, dass das tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis dem eines abhängig Beschäftigten entsprach, wohingegen die Aspekte, die für eine Qualifikation der Tätigkeit als selbständige Tätigkeit sprechen, nicht gegeben sind.

aa) Die in diesem Sinne rechtlich relevanten Beziehungen des Beigeladenen zu 4) zur Klägerin bestimmen sich nach den zwischen diesen getroffenen mündlichen Vereinbarungen. Schriftliche Vereinbarungen vor Beginn der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für die Klägerin haben die Vertragsparteien nicht getroffen.

(1) Das hierdurch begründete Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 4) erlaubt unter Zugrundelegung des Inhalts der Vereinbarung eine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung.

Vertragliche Grundlage der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für die Klägerin waren mündliche Vereinbarungen, wie sie vom Zeugen E bei seiner Vernehmung vor dem SG glaubhaft dargestellt wurden. Danach sollte der Beigeladene zu 4) zum "Abbau von Speditionsspitzen" eingesetzt werden, und zwar sollte er im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit Fahraufträge für die Klägerin übernehmen. Dem Beigeladenen zu 4) wurde das Recht eingeräumt, Fahraufträge wegen der Pflege seiner Mutter mal nicht anzunehmen. Es wurde eine Vergütung von 20,00 Euro pro Stunde vereinbart. Inhaltlich war damit vereinbart worden, dass der Beigeladene zu 4) im Rahmen von Auftragsspitzen für die Klägerin Fahraufträge durchführen, also auf Abruf durch die Klägerin tätig werden sollte. Ein generelles Recht zur Auftragsablehnung war dem Beigeladenen zu 4) hingegen nicht eingeräumt worden, sondern lediglich in den Fällen seiner Verhinderung durch die Pflege seiner Mutter. Im Grundsatz bestand daher kein Ablehnungsrecht und damit keine unternehmertypischen Freiheiten in Bezug auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit. Es sollte daher nicht hinsichtlich jedes Einzelauftrags eine gesonderte Vereinbarung getroffen werden, sodass der Beigeladene zu 4) im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses tätig werden sollte und gewesen ist.

Die Vereinbarung eines Stundensatzes von 20,00 Euro spricht nicht gegen abhängige Beschäftigung und für Selbständigkeit. Hierin kommen keine nennenswerten unternehmerischen Chancen zum Ausdruck, auch wenn der vereinbarte Stundensatz etwa doppelt so hoch zu ist wie der eines Tarifbeschäftigten i.H.v. ca. 10,00 Euro. Diese Differenz relativiert sich dadurch, dass der Beigeladene zu 4) hieraus und zwar allein seine soziale Absicherung bestreiten musste und kein Entgelt für Zeiten des Urlaubs und der Krankheit erhielt. Die übrigen beschäftigten Fahrer der Klägerin erhielten immerhin 30 Tage Urlaub. Zudem konnte der Beigeladene zu 4) nicht mit gleichbleibenden Einkünften rechnen. Diese schwankten vielmehr in Abhängigkeit von dem zeitlichen Umfang der Heranziehung durch die Klägerin. Zudem trug der Beigeladene zu 4) das Risiko des fehlenden Kündigungsschutzes, das sich auch realisiert hat, da er im arbeitsgerichtlichen Verfahren unterlag. Der höhere Stundensatz stellte damit höchstens einen Ausgleich für dem Beigeladenen zu 4) aufgebürdete Risiken dar und ist daher nicht Ausdruck unternehmerischer Betätigung bzw. Chancen, sondern Folge der von den Beteiligten unzutreffend vorgenommenen Bewertung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 4).

(2) Zu keiner anderen Bewertung führt die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren beigebrachte "Bestätigung" vom "1.2.2010". Sie hat keine Aussagekraft darüber, was die Beteiligten vor der Aufnahme der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für die Klägerin vereinbart haben, sondern höchstens dazu, was die Beteiligten nachträglich im Hinblick auf für ihre Zusammenarbeit geltende Vertragsbedingungen schriftlich niedergelegt haben, denn diese "Bestätigung" wurde erst im Oktober 2010 und damit nach dem Streitzeitraum vorgelegt. Von weitaus größerem Beweiswert sind demgegenüber die Bekundungen des Zeugen E vor dem SG.

bb) Die tatsächliche Umsetzung der vorgenannten vertraglichen Grundlagen erfolgte entsprechend einer abhängigen Beschäftigung. Der Senat geht für die Bewertung der tatsächlichen Ausgestaltung von den glaubhaften Bekundungen der Zeugen E und S vor dem SG und den Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 4), soweit sie übereinstimmen, aus.

In der tatsächlichen Ausgestaltung seiner Tätigkeit war der Beigeladene zu 4) in einen fremden Betrieb, nämlich den der Klägerin, eingegliedert und dieser gegenüber weisungsgebunden.

(1) Der Beigeladene zu 4) war in eine fremde Betriebsorganisation eingegliedert. Unter für ihn kostenloser Verwendung eines von der Klägerin zur Verfügung gestellten Transportfahrzeugs erledigte er nach dem Bedarf der Klägerin für diese Transport-/Fahraufträge entsprechend den von der Klägerin festgelegten Touren. Der Beigeladene zu 4) vertrat den mit ihm in derselben Abteilung abhängig beschäftigten Fahrer im Fall der Urlaubsabwesenheit.

(2) Bei der Erledigung dieser Touren unterlag der Beigeladene zu 4) einem weitgehenden Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Art, Ort, Dauer und Zeit der Arbeitsausführung. Mit der Festlegung der Lieferadressen und Touren bestimmte die Klägerin im Wesentlichen durch den Zeugen I S einseitig Art, Ort und Zeit der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4.). Da der Beigeladene zu 4) nur nach dem Bedarf der Klägerin arbeitete und diese den Bedarf feststellte, steuerte diese auch einseitig den Umfang der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für sie. Je nach Bedarf der Klägerin wurde der Beigeladene zu 4) in verschiedenen Abteilungen eingesetzt. Die Tatsache, dass er im Vergleich zu den übrigen Fahrern mit seiner Arbeit später begann, spricht nicht gegen eine abhängige Beschäftigung. Dieser Umstand beruhte nicht auf einer besonderen Gestaltungsfreiheit des Beigeladenen zu 4). Vielmehr war vor der Aufnahme seiner Tätigkeit für die Klägerin vor dem Hintergrund persönlicher Umstände des Beigeladenen zu 4) eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeit zwischen ihm und der Klägerin vereinbart worden. Die Ablehnung von Fahraufträgen durch den Beigeladenen zu 4) war zudem auf wenige Ausnahmefälle beschränkt, die damit in keiner Weise prägend für die Vertragsbeziehungen der Beteiligten war. Der Zeuge S hat bekundet, dass der Beigeladene zu 4) "praktisch auf Bedarf immer da" gewesen sei.

cc) Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, liegen nicht vor.

(1) Zunächst verfügte der Beigeladene zu 4) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin bestehende Betriebsstätte.

(2) Er trug auch kein für eine selbständige Tätigkeit maßgeblich sprechendes Unternehmerrisiko.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist, wobei die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft nur dann für Selbständigkeit spricht, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, BSG, Urteil v. 25.1.2001, B 12 KR 17/00 R; BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R; jeweils juris).

Der Beigeladene zu 4) hat weder Kapital noch Arbeit mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Er verfügte nicht über ein eigenes Kraftfahrzeug und sonstige Betriebsmittel, diese wurden ihm vielmehr kostenlos von der Klägerin gestellt. Zudem wurde er nach Arbeitszeit bezahlt, sodass der Einsatz seiner Arbeitskraft unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit für die Klägerin vergütet wurde.

(3) Schließlich verfügte er hinsichtlich Arbeitszeit und Ausgestaltung der Tätigkeit für die Klägerin über keine unternehmertypischen Freiheiten. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Regelungen zum Frachtführer gem. §§ 407 ff Handelsgesetzbuch (HGB). Nach der Rechtsprechung des BSG kann das Sozialversicherungsrecht für die Frage, wie die Rechtsbeziehungen im Einzelnen ausgestaltet sind, an den Begriff der Selbständigkeit des HGB nur bedingt, nämlich nur dann anknüpfen, wenn er wie beim Handelsvertreter den gleichen Inhalt hat. Die Selbständigkeit im Handelsrecht bestimmt sich begrifflich (ausschließlich) nach den Bedürfnissen dieses Rechtsgebiets und damit nach Erweiterung der Privatautonomie, gesteigertem Verkehrs- und Vertrauensschutz, erhöhter Flexibilität, Schnelligkeit und Einfachheit des Rechtsverkehrs. Eine Parallele mit dem Frachtführer kann jedenfalls nicht für sich betrachtet das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit belegen. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn - wie hier - dem Versicherten hinsichtlich der Gestaltung seiner Tätigkeit engere Vorgaben gesetzt worden sind als dem Frachtführer (BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25). Der Beigeladene zu 4) war vorliegend nicht wie ein selbständiger Frachtführer im Wesentlichen frei, seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen zu können. Wie bereits oben ausgeführt war der Beigeladene zu 4) in die Betriebsorganisation der Klägerin eingebunden. Er war davon abhängig, dass die Klägerin ihm die erforderlichen Betriebsmittel zur Verfügung stellt. Ort, Art, Zeit und Dauer seiner Tätigkeit waren ihm durch die Tourenplanung und Auswahl des zu verwendenden Fahrzeugs durch die Klägerin vorgegeben. Relevante Freiheiten in der Gestaltung seiner Tätigkeit und Bestimmung seiner Arbeitszeit bestanden nicht. Der Umstand, dass der Beigeladene zu 4) nicht wie die übrigen bei der Klägerin beschäftigten Fahrer seine Arbeitszeit mittels einer Stempelkarte dokumentieren musste, spricht nicht für Freiheiten bei der Bestimmung der Arbeitszeit. Die Arbeitszeit des Beigeladenen zu 4) wurde lediglich in anderer Weise erfasst. Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen S vor dem SG wurde die Arbeitszeit des Beigeladenen zu 4) in der Weise erfasst, dass dieser, der Zeuge, die Fahrberichte des Beigeladenen zu 4) immer abzeichnete. Bei den übrigen Fahrern war dies wegen der Verwendung der Stempelkarte nicht erforderlich.

Rechtlich irrelevant ist, dass der Beigeladene zu 4) nicht im Umfang einer Vollzeitstelle für die Klägerin tätig war und neben dieser Teilzeittätigkeit die Möglichkeit gehabt hat, für andere Auftrag- bzw. Arbeitgeber tätig zu werden. Die in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen verdeutlichen, dass der Zahl der Auftrag- bzw. Arbeitgeber keine Aussagekraft im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Person zukommt. Es kann sowohl bei nur einem Auftraggeber Selbständigkeit vorliegen (vgl. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI), als auch können bei dem Tätigwerden für mehrere Arbeitgeber mehrere abhängige Beschäftigungen gegeben sein (vgl. §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 2 Satz 1 SGB IV).

(4) Das Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O.). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.

(5) Die vor Aufnahme der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für die Klägerin erfolgte Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 4) mit den Tätigkeiten "Kurierdienste" und "Kleintransporte" spricht ebenfalls nicht für Selbständigkeit, da sie für die konkreten vertraglichen Grundlagen und die konkrete tatsächliche Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne jede Aussagekraft ist.

dd) Da Merkmale, die für Selbständigkeit sprechen, nicht vorliegen und die für eine abhängige Beschäftigung typischen Merkmale der Eingliederung und persönlichen Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 4) gegeben sind, kann im Rahmen der Gesamtwürdigung die Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) als Kraftfahrer für die Klägerin nur als abhängige Beschäftigung bewertet werden.

Auch unter Berücksichtigung der Urteile des ArbG Aachen v. 8.11.2011 (1 Ca 1765/11) und des LAG Köln vom 28.8.2012 (11 Sa 149/12) ist eine andere Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 4) nicht gerechtfertigt. Die Arbeitsgerichte haben schon auf anderer Tatsachengrundlage entschieden. Es sind insbesondere keine Zeugen im arbeitsgerichtlichen Verfahren vernommen worden, noch ist ersichtlich, dass die Aussagen der Zeugen S und E vor dem SG im arbeitsgerichtlichen Verfahren Berücksichtigung gefunden hätten. Nach beiden Zeugenaussagen liegen unter Berücksichtigung der Kriterien der BSG-Rechtsprechung - wie oben dargelegt - nur Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 4) bei der Klägerin vor. Gesichtspunkte die für eine selbständige Tätigkeit sprächen, liegen hingegen nicht vor.

3. Die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 4) trat nicht gem. § 7b SGB IV in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung zu einem späteren Zeitpunkt ein. Diese Vorschrift lautete wie folgt:

"Stellt ein Versicherungsträger außerhalb des Verfahrens nach § 7a fest, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn der Beschäftigte

zustimmt,

für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht, und

er oder sein Arbeitgeber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen ist."

Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind bei dem Beigeladenen zu 4) nicht erfüllt.

Seine Absicherung gegen das Risiko der Krankheit umfasste im gesamten Streitzeitraum keinen Anspruch auf Kranken- bzw. Krankentagegeld und entsprach somit der Art nach nicht den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, zu denen ein Anspruch auf Kranken- bzw. Krankentagegeld gehört (vgl. Senat, Urt. v. 15.3.2013, L 8 R 606/11, juris; Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 129; diese Kommentierung bezieht sich auf § 7a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SGB IV, die vom Wortlaut her identisch ist mit dem der Ziff. 2 des im Streitzeitraum geltenden § 7b SGB IV).

Es bestand somit im gesamten Streitzeitraum Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung mit der daraus folgenden Beitragspflicht der Klägerin. Tatbestände von Versicherungsfreiheit sind nicht gegeben.

4. Anhaltspunkte für eine unrichtige Berechnung der Beitragsforderung zu Lasten der Klägerin sind nicht ersichtlich und werden von ihr auch nicht vorgetragen. Soweit die Beklagte die dem Beigeladenen zu 4) für Januar 2009 von der Klägerin gewährte Vergütung in Höhe von 1.955,00 Euro bei der Beitragsberechnung unberücksichtigt gelassen hat, wird hierdurch nicht die Klägerin beschwert.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie trägt dem Umfang des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Hauptbeteiligten unter Berücksichtigung des Teil-Anerkenntnisses Rechnung. Zudem sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen keinem der Hauptbeteiligten aufzuerlegen, da dies nicht der Billigkeit entspricht. Denn mangels Antragstellung sind die Beigeladenen kein eigenes Kostenrisiko eingegangen (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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