Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 401/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 653/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2015 wird geändert. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt M, T beigeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 03.02.2015 bis zum 31.10.2015, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 787 Euro monatlich zu zahlen. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt M, T bewilligt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der im Jahr 1973 geborene Antragsteller bezog zuletzt Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01.05.2014 bis zum 31.10.2014 in Höhe von 388 Euro (Kosten der Unterkunft) und 391 Euro (Regelbedarf inkl. Mehrbedarfe) (Bescheid vom 5.5.2014).
Auf seinen Antrag vom 12.11.2014 wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 12.11.2014 darauf hin, dass zu überprüfen sei, ob ein Anspruch auf Leistungen bestanden habe bzw. bestehe. Seit Mai 2014 habe er aufgrund von Sanktionen (625,60 Euro) und unangemessener Miete (732,00 Euro) insgesamt einen Fehlbetrag von 1357,60 Euro aus eigenen Mitteln bestritten. Es werde um Stellungnahme gebeten, wie die monatlichen Differenzbeträge ausgeglichen worden seien.
Mit Bescheid vom 02.12.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag wegen Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ab. Mit seinem Widerspruch vom 09.12.2014 trug der Antragsteller vor, er habe Familien- und Alkoholprobleme. Zudem habe er eine Schreib- und Leseschwäche. Es sei ihm alles zu viel gewesen, deswegen habe er seine Briefe nicht gelesen. Seine Schwester aus Bayern sei immer wieder mal gekommen. Sie habe ihm Lebensmittel gegeben und sich um seinen Haushalt gekümmert. Sein Vermieter habe später seinen Schriftverkehr erledigt, da die Mieten für November und Dezember nicht gezahlt worden seien. Er wolle seinem Vermieter zukünftig eine Generalvollmacht für den Schriftverkehr erteilen. Er werde schnellstmöglich eine Aufstellung einreichen, womit seine Schwester ihm wann und in welcher Höhe finanziell oder in Naturalien geholfen habe. Am 05.01.2015 legte der Antragsteller ein Schreiben mit einer Aufstellung von finanziellen Hilfeleistungen durch seine Schwester vor. Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag an Hilfeleistung für die Zeit von Juni bis Dezember 2014 in Höhe von 1.220,00 Euro. Dieses Schreiben war nur vom Antragsteller unterschrieben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2015 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid sei unter Beiziehung der Verwaltungsvorgänge und unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens überprüft worden. Nach dem Ergebnis der Überprüfung sei der Widerspruch nicht begründet. Der angefochten Bescheid sei sowohl rechtmäßig als auch zweckmäßig. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller Klage erhoben.
Am 03.02.2015 hat der Antragsteller beim SG Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt. In dieser hat er erklärt, er habe kein Vermögen. In der Vergangenheit habe er immer wieder von Zuwendungen seiner Schwester gelebt. Er habe jetzt zwei Monatswarmmieten von 510 Euro offen bei seinem Vermieter. Sein Konto habe den Stand Null. Er dürfe dieses Konto nicht überziehen. Das Jobcenter habe ihm erklärt, dass die Wohnung zu teuer sei, habe aber die volle Miete und 60 Euro Stromkosten an den Vermieter und das Stromunternehmen überwiesen, so dass nur 125 Euro für ihn übrig geblieben seien. Da habe er von den Hingaben seiner Schwester gelebt. Er wisse nicht, wovon er jetzt leben solle, da seine Schwester ihm nicht beliebig Geld zur Verfügung stelle.
Auf Aufforderung des SG, Kontoauszüge vorzulegen, hat der Antragsteller klarstellend vorgetragen, er habe kein Konto mehr, er habe nur Schecks bekommen.
Mit Beschluss vom 25.03.2015 hat das SG beide Anträge abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig gewesen sei. Er habe trotz mehrfacher Aufforderung und Erinnerung weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, wie er seinen Lebensunterhalt seit Februar 2015 bestreite. Die Aufstellung über die Hilfeleistungen seiner Schwester betreffe nur den Zeitraum bis Dezember 2014. Darüber hinaus liege auch ein Anordnungsgrund nicht vor. Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung der aktuellen Einkommenssituation lasse sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Antragsteller sich in einer existentiellen Notlage befinde. Im Übrigen gehe das Gericht für die Zeiträume ab 01.04.2015 (Monat nach der gerichtlichen Entscheidung) davon aus, dass einstweilige Anordnungen auf den Monat der gerichtlichen Entscheidung zu befristen seien. Ansonsten wäre es nur unzureichend möglich, Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation von Antragstellern Rechnung zu tragen, die sich etwa - im Bereich der Leistungsempfänger nach dem SGB II naheliegend - daraus ergeben könnten, dass neue Arbeitsverhältnisse begründet, bestehende Arbeitsverhältnisse ausgeweitet bzw. sonstige Veränderungen in der Einkommens- und Vermögenssituation eintreten würden.
Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 31.03.2015 Beschwerde erhoben. Er habe keinerlei Mittel mehr um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Januar und Februar habe er von dem Erlös aus dem Verkauf seines Auto (700 Euro) gelebt. In der Vergangenheit hätten ihn seine drei Schwestern mit Darlehen unterstützt. Seine Miete habe er seit November 2014 nicht mehr gezahlt und auch der Strom sei abgestellt worden.
Der Antragsteller hat ein Schreiben seines Vermieters vorgelegt, in dem dieser bestätigt, dass seit November 2014 keine Miete gezahlt worden ist. Zudem sei der Strom am 14.04.2015 abgeklemmt worden. Dadurch sei eine Warmwasser-Aufbereitung sowie Heizen durch die Gastherme nicht möglich. Eine zweite Wohnung könne so ebenfalls nicht mit Wärme versorgt werden, da beide Wohnungen von der gleichen Gastherme versorgt würden, die ohne Strom funktionsunfähig sei. Im guten Glauben, dass der Prozess schnell abgeschlossen sei, habe er bisher auf die Räumungsklage verzichtet. Sofern bis zum 31.08.2015 der Mietrückstand nicht beglichen sei, werde er sofort Räumungsklage erheben.
Der Antragsteller hat weiter vorgetragen, das vom Antragsgegner angesprochene Gewerbe als KFZ-Mechaniker übe er nicht mehr aus. Die Werkstatt sei geschlossen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2015 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit ab 03.02.2015 längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Einen Vergleichsvorschlag der Berichterstatterin hat der Antragsgegner abgelehnt und vorgetragen, die erfolgte Stromsperrung und die Mietrückstände seien kein Nachweis für die Hilfebedürftigkeit. Falls der Antragsteller über Einkommen/Vermögen verfüge welches bislang nicht berücksichtigt worden sei, so sei er faktisch daran gehindert dieses zum Begleichen der laufenden Verbindlichkeiten zu verwenden, weil damit die Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestätigt würden. Zunächst möge der Antragsteller nachweisen, dass die Einrichtung der früheren Werkstatt (Gewerbeabmeldung 2010 ?) Bestandteil des Pachtvertrages gewesen sei und ob, ggf. wann dieser Pachtvertrag gekündigt worden sei. Ansonsten wäre weiterhin davon auszugehen, dass Vermögen über dem Vermögensfreibetrag vorhanden sei. Darüber hinaus sei nachzuweisen, wann und auf welchem Wege die Schwestern des Antragstellers Geldbeträge zur Verfügung gestellt hätten und ob hierüber schriftliche Vereinbarungen bestünden, die einem Fremdvergleich standhielten.
Ohne die Nachweise sei eine rechtmäßige Bewilligung von Leistungen nicht möglich. Sofern das Gericht beabsichtige einen Erörterungstermin anzuberaumen - was nicht zielführend erscheine - so werde angeregt, die Schwestern des Antragstellers und den ehemaligen Verpächter der Werkstatt als Zeugen zu laden.
Alternativ möge das Gericht schriftliche Anfragen an den Verpächter der Werkstatt und an alle Schwestern richten.
Am 14.07.2015 hat der Antragsteller auf Anregung des Gerichts einen neuen Leistungsantrag gestellt. Gegen die mündliche Ablehnung des Antrags hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch sind glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht. Er ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Es ist insbesondere auch glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Die Angaben des Antragstellers zur Hilfebedürftigkeit erscheinen dem Gericht nachvollziehbar und glaubhaft. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem vorgelegten Schreiben des Vermieters und des Stromversorgers. Es ist für den Senat nicht plausibel, dass - wie der Antragsgegner meint - von Seiten des Antragstellers sowohl der Verlust der Wohnung riskiert, als auch die Abschaltung des Stroms über mehrere Monate hingenommen wird, obwohl andere bereite Mittel zur Verfügung stehen. Durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er seit November 2014 im Wesentlichen nur durch unregelmäßige Unterstützung seiner Schwestern seinen Lebensunterhalt sichergestellt hat, die Schwestern zu einer weiteren Unterstützung aber nicht bereit sind.
Die Bedenken, die der Antragsgegner gegen die Hilfebedürftigkeit geltend gemacht hat, mögen - dies kann der Senat nicht ausschließen - in der Sache gerechtfertigt sein. Sie drängen im Eilverfahren aber nicht zu weiteren Ermittlungen und erscheinen wenig zielführend, wenn sie nicht auch durch entsprechenden Sachvortrag unterlegt sind. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht im Sinne der positiven Feststellung zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen. Für das Tatbestandsmerkmal "Hilfebedürftigkeit" ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine sog negative Tatsache in der Einflusssphäre des Antragstellers handelt. Ermittlungsumfang und Ermittlungstiefe werden hier unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls deshalb wesentlich durch das Vorbringen des Antragstellers bestimmt. Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts im Spannungsfeld zwischen einer schnellen und einer richtigen Entscheidung kaum möglich und auch nicht geboten; dem tragen die geringeren Beweisanforderungen Rechnung (zum Spannungsfeld zwischen Eilbedürftigkeit und Untersuchungsgrundsatz s auch Krodel NZS 2001, 449). Aus der Eilbedürftigkeit ergeben sich um so mehr Einschränkungen an die Anforderungen für Sachverhaltsermittlungen, je eilbedürftiger die Sache ist (vgl SächsLSG Beschl v 01.08.2005 - L 3 B 94/05 AS-ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 11. Aufl § 86 b Rn 16a). Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Regelbedarf um eine Leistung handelt, der aus ihrer existenzsichernden Funktion heraus bereits eine gewisse Eilbedürftigkeit eigen ist. Ihre Gewährung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die dem Schutz der Menschenwürde dient (BVerfG Beschl v 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; s auch LSG NRW Beschl v 06.05.2013 - L 6 SF 62/13 ER). Bei dieser Zielsetzung dürfen derartige Leistungen jedenfalls nicht durch bloßes Infragestellen der Hilfebedürftigkeit versagt werden; bloße Mutmaßungen zur (fehlenden) Hilfebedürftigkeit bieten bei fehlender existenzsichernder Grundlage jedenfalls keinen Anlass für weitere Ermittlungen, insbesondere wenn sich diese auf Umstände in der Vergangenheit stützen (vgl auch Keller aaO; BVerfG aaO). Die Verlagerung von umfangreichen Ermittlungen in das Eilverfahren würde auch die Grenzen zwischen Eil- und Hauptsacheverfahren verwischen. Dem Hauptsacheverfahren ist grundsätzlich die abschließende Klärung innerhalb der dort vorgesehenen verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen vorbehalten, nur ausnahmsweise ist eine frühere vorläufige Regelung zulässig wenn dies mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs. 4 GG nach Maßgabe der o.a. Kriterien geboten ist (vgl. Beschluss des LSG NRW vom 16.05.2013 - L 6 AS 531/13 B ER).
Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung bloßer Zweifel an der Hilfebedürftigkeit wenig zielführend, wenn nicht auch die diese Zweifel begründenden Umstände konkret in das Verfahren eingeführt werden, die trotz (hoher) Eilbedürftigkeit weitere Ermittlungen zu den anspruchsbegründenden Tatsachen notwendig erscheinen lassen. Dies gilt hier umso mehr, als der Sachverhalt insbesondere auch zur Hilfebedürftigkeit im laufenden Verwaltungsverfahren hätte aufgeklärt werden sollen. Der bloße Hinweis, der Antragsteller habe bis jetzt seinen Lebensunterhalt bestreiten können und müsse deshalb über anderweitige Einkommens- oder Vermögensquellen verfügen, ist als solcher ohne zusätzliche Umstände von vorneherein wenig geeignet, diese Zweifel zu konkretisieren, verliert hier aber seine Bedeutung jedenfalls deshalb, weil der Antragsteller seine Einnahmesituation glaubhaft dargelegt hat.
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Dem Antragsteller drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.
Im Kern gilt dies auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten der Unterkunft. Soweit der Senat bislang mit den anderen für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Fachsenaten die Auffassung vertreten hat, dass ein Anordnungsgrund regelmäßig erst mit der Erhebung der Räumungsklage anzunehmen sei, da erst dann konkret Wohnungslosigkeit drohe, die in einem bestimmten Zeitfenster des Klageverfahrens durch die vorläufige Gewährung (auch) von Kosten der Unterkunft (vgl. §§ 543 Abs. 2 S. 2; 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) abgewendet werden könne, hat er diese Rechtsprechung aufgegeben (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2015 - L 6 AS 2085/14 B ER) und sieht sich in seiner Auffassung nunmehr auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 4.2.2015 - VIII ZR 175/14; entgegen LG Bonn Urteil vom 10.11.2011 - 6 T 198/11 und LG Wiesbaden Urteil vom 22.06.2012 - S 3 114/11) bestätigt. Neben der andauernden Beeinträchtigung wegen fehlender Kosten der Unterkunft als Teil der ein menschenwürdiges Existenzminimum sichernden Leistung (Alg II) (Art. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG) kann die Wohnung schon früher als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet und damit das Grundrecht aus Art. 13 GG so beeinträchtigt sein, dass eine Regelungsanordnung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang den Blick auf die Erhebung der Räumungsklage zu fokussieren, hält der Senat nicht mehr für ausreichend, zumal der Schutz gegen den Verlust der Wohnung in diesem Stadium des Verfahrens auch deshalb problematischer geworden ist, da der dort dann beklagte Antragsteller grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe erhalten kann, der Leistungsträger sich aber regelmäßig nicht in der Pflicht sehen dürfte, die Kosten der Rechtsverteidigung zu übernehmen. Wenn auch die Zahlung von Unterkunftskosten zur Abwendung der außerordentlichen Kündigung noch nach Erhebung der Räumungsklage möglich ist, gilt dies doch nicht mit vergleichbar zuverlässiger Voraussehbarkeit für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Durch die Nachzahlung der Rückstände wird die Kündigung nicht unwirksam, da §§ 543 Abs. 2 S. 2, 569 Ab. 3 Nr. 2 BGB im Rahmen dieser Kündigung nicht anwendbar ist (BGH Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12). Die danach entscheidende Frage, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, indem er in einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Ausmaß mit der Mietzahlung deshalb in Verzug ist, weil die Kosten der Unterkunft nicht (rechtzeitig) vom Jobcenter gezahlt worden sind, wurde in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung - soweit dies vom Senat beurteilt werden kann - bisher nicht einheitlich beantwortet (vgl. hierzu AG Lichtenberg Urteil vom 19.12.2013 - 17 C 33/13 - Rdnr 22; BGH Urteil vom 21.10.2009 - VIII ZR 64/09 - juris; s entsprechend LSG NRW Beschluss vom 19.05.2014 - L 19 AS 805/14 B ER - juris mwN; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 22.07.2014 - L 10 AS 1393/14 B ER - juris). Nach der o.a. Rechtsprechung des BGH hat aber auch ein Mieter, der Sozialleistungen (für die Kosten der Unterkunft) erhält, verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (s BGH Urteil vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/15 juris Rn 20), so dass mit Blick auf die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung schon zu einem früheren Zeitpunkt wesentliche Nachteile zu gewärtigen sind, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen. Ist damit die Gefahr des Wohnungsverlustes nicht abgewendet, wird hier auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie unter dem Blickwinkel der eigenbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen gefährdet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten, den wesentlichen Nachteil als Anordnungsgrund unabhängig von einem bestimmten Zeit- und Verfahrensfenster unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können nicht nur Umstände im Zusammenhang mit dem Verlust der alten Wohnung, sondern auch nicht zuletzt finanzielle Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums von Bedeutung sein, wie etwa die allgemeine Situation auf dem örtlichen Wohnungsmarkt, finanzielle Nachteile in Form von Mahnkosten und Zinsen direkt aus dem Mietverhältnis und Versorgungsverträgen, die fortwirkende Störung des Vertrauensverhältnisses bezogen auf das Miet- als Dauerschuldverhältnis, Kosten der (einer) Räumungsklage, Umzugskosten ggfs Einlagerungskosten, Verlust von sozialen Bindungen uVm.
In der Gesamtwürdigung hält der Senat hier den Anordnungsgrund für gegeben. Der Vermieter des Antragstellers hat ausdrücklich erklärt, er werde aufgrund der erheblichen Mietrückstände die Räumungsklage erheben. Dem Antragsteller droht damit die Obdachlosigkeit. Zudem ist auch durch die Unterbrechung der Stromversorgung ein Anordnungsgrund hier offensichtlich.
Der Senat hat mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG den Antragsgegner für die Zeit ab 03.02.2015 (Antragstellung beim SG) bis zum 31.10.2015 (Ablauf des Bewilligungsabschnittes ausgehend von einer erneuten Antragstellung) verpflichtet, vorläufig Leistungen zu erbringen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Miet- und Stromkostenrückstände durch die zu erwartende Nachzahlung beglichen werden können und dem Antragsgegner bis Oktober ausreichend Zeit verbleibt, die erforderlichen Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit des Antragstellers durchzuführen. Der Senat ist bei der Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistungen zu Gunsten des Antragsgegners von Kosten der Unterkunft lediglich in Höhe der in der Vergangenheit bewilligten 388 Euro ausgegangen.
Dem Antragsteller war gem. § 73 a SGG iVm § 114 ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der im Jahr 1973 geborene Antragsteller bezog zuletzt Leistungen nach dem SGB II in der Zeit vom 01.05.2014 bis zum 31.10.2014 in Höhe von 388 Euro (Kosten der Unterkunft) und 391 Euro (Regelbedarf inkl. Mehrbedarfe) (Bescheid vom 5.5.2014).
Auf seinen Antrag vom 12.11.2014 wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 12.11.2014 darauf hin, dass zu überprüfen sei, ob ein Anspruch auf Leistungen bestanden habe bzw. bestehe. Seit Mai 2014 habe er aufgrund von Sanktionen (625,60 Euro) und unangemessener Miete (732,00 Euro) insgesamt einen Fehlbetrag von 1357,60 Euro aus eigenen Mitteln bestritten. Es werde um Stellungnahme gebeten, wie die monatlichen Differenzbeträge ausgeglichen worden seien.
Mit Bescheid vom 02.12.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag wegen Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ab. Mit seinem Widerspruch vom 09.12.2014 trug der Antragsteller vor, er habe Familien- und Alkoholprobleme. Zudem habe er eine Schreib- und Leseschwäche. Es sei ihm alles zu viel gewesen, deswegen habe er seine Briefe nicht gelesen. Seine Schwester aus Bayern sei immer wieder mal gekommen. Sie habe ihm Lebensmittel gegeben und sich um seinen Haushalt gekümmert. Sein Vermieter habe später seinen Schriftverkehr erledigt, da die Mieten für November und Dezember nicht gezahlt worden seien. Er wolle seinem Vermieter zukünftig eine Generalvollmacht für den Schriftverkehr erteilen. Er werde schnellstmöglich eine Aufstellung einreichen, womit seine Schwester ihm wann und in welcher Höhe finanziell oder in Naturalien geholfen habe. Am 05.01.2015 legte der Antragsteller ein Schreiben mit einer Aufstellung von finanziellen Hilfeleistungen durch seine Schwester vor. Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag an Hilfeleistung für die Zeit von Juni bis Dezember 2014 in Höhe von 1.220,00 Euro. Dieses Schreiben war nur vom Antragsteller unterschrieben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2015 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Der angefochtene Bescheid sei unter Beiziehung der Verwaltungsvorgänge und unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens überprüft worden. Nach dem Ergebnis der Überprüfung sei der Widerspruch nicht begründet. Der angefochten Bescheid sei sowohl rechtmäßig als auch zweckmäßig. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller Klage erhoben.
Am 03.02.2015 hat der Antragsteller beim SG Dortmund den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt. In dieser hat er erklärt, er habe kein Vermögen. In der Vergangenheit habe er immer wieder von Zuwendungen seiner Schwester gelebt. Er habe jetzt zwei Monatswarmmieten von 510 Euro offen bei seinem Vermieter. Sein Konto habe den Stand Null. Er dürfe dieses Konto nicht überziehen. Das Jobcenter habe ihm erklärt, dass die Wohnung zu teuer sei, habe aber die volle Miete und 60 Euro Stromkosten an den Vermieter und das Stromunternehmen überwiesen, so dass nur 125 Euro für ihn übrig geblieben seien. Da habe er von den Hingaben seiner Schwester gelebt. Er wisse nicht, wovon er jetzt leben solle, da seine Schwester ihm nicht beliebig Geld zur Verfügung stelle.
Auf Aufforderung des SG, Kontoauszüge vorzulegen, hat der Antragsteller klarstellend vorgetragen, er habe kein Konto mehr, er habe nur Schecks bekommen.
Mit Beschluss vom 25.03.2015 hat das SG beide Anträge abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch liege nicht vor. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig gewesen sei. Er habe trotz mehrfacher Aufforderung und Erinnerung weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, wie er seinen Lebensunterhalt seit Februar 2015 bestreite. Die Aufstellung über die Hilfeleistungen seiner Schwester betreffe nur den Zeitraum bis Dezember 2014. Darüber hinaus liege auch ein Anordnungsgrund nicht vor. Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung der aktuellen Einkommenssituation lasse sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Antragsteller sich in einer existentiellen Notlage befinde. Im Übrigen gehe das Gericht für die Zeiträume ab 01.04.2015 (Monat nach der gerichtlichen Entscheidung) davon aus, dass einstweilige Anordnungen auf den Monat der gerichtlichen Entscheidung zu befristen seien. Ansonsten wäre es nur unzureichend möglich, Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation von Antragstellern Rechnung zu tragen, die sich etwa - im Bereich der Leistungsempfänger nach dem SGB II naheliegend - daraus ergeben könnten, dass neue Arbeitsverhältnisse begründet, bestehende Arbeitsverhältnisse ausgeweitet bzw. sonstige Veränderungen in der Einkommens- und Vermögenssituation eintreten würden.
Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 31.03.2015 Beschwerde erhoben. Er habe keinerlei Mittel mehr um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Januar und Februar habe er von dem Erlös aus dem Verkauf seines Auto (700 Euro) gelebt. In der Vergangenheit hätten ihn seine drei Schwestern mit Darlehen unterstützt. Seine Miete habe er seit November 2014 nicht mehr gezahlt und auch der Strom sei abgestellt worden.
Der Antragsteller hat ein Schreiben seines Vermieters vorgelegt, in dem dieser bestätigt, dass seit November 2014 keine Miete gezahlt worden ist. Zudem sei der Strom am 14.04.2015 abgeklemmt worden. Dadurch sei eine Warmwasser-Aufbereitung sowie Heizen durch die Gastherme nicht möglich. Eine zweite Wohnung könne so ebenfalls nicht mit Wärme versorgt werden, da beide Wohnungen von der gleichen Gastherme versorgt würden, die ohne Strom funktionsunfähig sei. Im guten Glauben, dass der Prozess schnell abgeschlossen sei, habe er bisher auf die Räumungsklage verzichtet. Sofern bis zum 31.08.2015 der Mietrückstand nicht beglichen sei, werde er sofort Räumungsklage erheben.
Der Antragsteller hat weiter vorgetragen, das vom Antragsgegner angesprochene Gewerbe als KFZ-Mechaniker übe er nicht mehr aus. Die Werkstatt sei geschlossen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 25.03.2015 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit ab 03.02.2015 längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Einen Vergleichsvorschlag der Berichterstatterin hat der Antragsgegner abgelehnt und vorgetragen, die erfolgte Stromsperrung und die Mietrückstände seien kein Nachweis für die Hilfebedürftigkeit. Falls der Antragsteller über Einkommen/Vermögen verfüge welches bislang nicht berücksichtigt worden sei, so sei er faktisch daran gehindert dieses zum Begleichen der laufenden Verbindlichkeiten zu verwenden, weil damit die Zweifel an der Hilfebedürftigkeit bestätigt würden. Zunächst möge der Antragsteller nachweisen, dass die Einrichtung der früheren Werkstatt (Gewerbeabmeldung 2010 ?) Bestandteil des Pachtvertrages gewesen sei und ob, ggf. wann dieser Pachtvertrag gekündigt worden sei. Ansonsten wäre weiterhin davon auszugehen, dass Vermögen über dem Vermögensfreibetrag vorhanden sei. Darüber hinaus sei nachzuweisen, wann und auf welchem Wege die Schwestern des Antragstellers Geldbeträge zur Verfügung gestellt hätten und ob hierüber schriftliche Vereinbarungen bestünden, die einem Fremdvergleich standhielten.
Ohne die Nachweise sei eine rechtmäßige Bewilligung von Leistungen nicht möglich. Sofern das Gericht beabsichtige einen Erörterungstermin anzuberaumen - was nicht zielführend erscheine - so werde angeregt, die Schwestern des Antragstellers und den ehemaligen Verpächter der Werkstatt als Zeugen zu laden.
Alternativ möge das Gericht schriftliche Anfragen an den Verpächter der Werkstatt und an alle Schwestern richten.
Am 14.07.2015 hat der Antragsteller auf Anregung des Gerichts einen neuen Leistungsantrag gestellt. Gegen die mündliche Ablehnung des Antrags hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
Die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch sind glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht. Er ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Es ist insbesondere auch glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Die Angaben des Antragstellers zur Hilfebedürftigkeit erscheinen dem Gericht nachvollziehbar und glaubhaft. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem vorgelegten Schreiben des Vermieters und des Stromversorgers. Es ist für den Senat nicht plausibel, dass - wie der Antragsgegner meint - von Seiten des Antragstellers sowohl der Verlust der Wohnung riskiert, als auch die Abschaltung des Stroms über mehrere Monate hingenommen wird, obwohl andere bereite Mittel zur Verfügung stehen. Durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er seit November 2014 im Wesentlichen nur durch unregelmäßige Unterstützung seiner Schwestern seinen Lebensunterhalt sichergestellt hat, die Schwestern zu einer weiteren Unterstützung aber nicht bereit sind.
Die Bedenken, die der Antragsgegner gegen die Hilfebedürftigkeit geltend gemacht hat, mögen - dies kann der Senat nicht ausschließen - in der Sache gerechtfertigt sein. Sie drängen im Eilverfahren aber nicht zu weiteren Ermittlungen und erscheinen wenig zielführend, wenn sie nicht auch durch entsprechenden Sachvortrag unterlegt sind. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht im Sinne der positiven Feststellung zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen. Für das Tatbestandsmerkmal "Hilfebedürftigkeit" ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine sog negative Tatsache in der Einflusssphäre des Antragstellers handelt. Ermittlungsumfang und Ermittlungstiefe werden hier unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls deshalb wesentlich durch das Vorbringen des Antragstellers bestimmt. Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts im Spannungsfeld zwischen einer schnellen und einer richtigen Entscheidung kaum möglich und auch nicht geboten; dem tragen die geringeren Beweisanforderungen Rechnung (zum Spannungsfeld zwischen Eilbedürftigkeit und Untersuchungsgrundsatz s auch Krodel NZS 2001, 449). Aus der Eilbedürftigkeit ergeben sich um so mehr Einschränkungen an die Anforderungen für Sachverhaltsermittlungen, je eilbedürftiger die Sache ist (vgl SächsLSG Beschl v 01.08.2005 - L 3 B 94/05 AS-ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 11. Aufl § 86 b Rn 16a). Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Regelbedarf um eine Leistung handelt, der aus ihrer existenzsichernden Funktion heraus bereits eine gewisse Eilbedürftigkeit eigen ist. Ihre Gewährung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, die dem Schutz der Menschenwürde dient (BVerfG Beschl v 12.05.2005 - 1 BvR 569/05; s auch LSG NRW Beschl v 06.05.2013 - L 6 SF 62/13 ER). Bei dieser Zielsetzung dürfen derartige Leistungen jedenfalls nicht durch bloßes Infragestellen der Hilfebedürftigkeit versagt werden; bloße Mutmaßungen zur (fehlenden) Hilfebedürftigkeit bieten bei fehlender existenzsichernder Grundlage jedenfalls keinen Anlass für weitere Ermittlungen, insbesondere wenn sich diese auf Umstände in der Vergangenheit stützen (vgl auch Keller aaO; BVerfG aaO). Die Verlagerung von umfangreichen Ermittlungen in das Eilverfahren würde auch die Grenzen zwischen Eil- und Hauptsacheverfahren verwischen. Dem Hauptsacheverfahren ist grundsätzlich die abschließende Klärung innerhalb der dort vorgesehenen verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen vorbehalten, nur ausnahmsweise ist eine frühere vorläufige Regelung zulässig wenn dies mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs. 4 GG nach Maßgabe der o.a. Kriterien geboten ist (vgl. Beschluss des LSG NRW vom 16.05.2013 - L 6 AS 531/13 B ER).
Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung bloßer Zweifel an der Hilfebedürftigkeit wenig zielführend, wenn nicht auch die diese Zweifel begründenden Umstände konkret in das Verfahren eingeführt werden, die trotz (hoher) Eilbedürftigkeit weitere Ermittlungen zu den anspruchsbegründenden Tatsachen notwendig erscheinen lassen. Dies gilt hier umso mehr, als der Sachverhalt insbesondere auch zur Hilfebedürftigkeit im laufenden Verwaltungsverfahren hätte aufgeklärt werden sollen. Der bloße Hinweis, der Antragsteller habe bis jetzt seinen Lebensunterhalt bestreiten können und müsse deshalb über anderweitige Einkommens- oder Vermögensquellen verfügen, ist als solcher ohne zusätzliche Umstände von vorneherein wenig geeignet, diese Zweifel zu konkretisieren, verliert hier aber seine Bedeutung jedenfalls deshalb, weil der Antragsteller seine Einnahmesituation glaubhaft dargelegt hat.
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Dem Antragsteller drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.
Im Kern gilt dies auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten der Unterkunft. Soweit der Senat bislang mit den anderen für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Fachsenaten die Auffassung vertreten hat, dass ein Anordnungsgrund regelmäßig erst mit der Erhebung der Räumungsklage anzunehmen sei, da erst dann konkret Wohnungslosigkeit drohe, die in einem bestimmten Zeitfenster des Klageverfahrens durch die vorläufige Gewährung (auch) von Kosten der Unterkunft (vgl. §§ 543 Abs. 2 S. 2; 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) abgewendet werden könne, hat er diese Rechtsprechung aufgegeben (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2015 - L 6 AS 2085/14 B ER) und sieht sich in seiner Auffassung nunmehr auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 4.2.2015 - VIII ZR 175/14; entgegen LG Bonn Urteil vom 10.11.2011 - 6 T 198/11 und LG Wiesbaden Urteil vom 22.06.2012 - S 3 114/11) bestätigt. Neben der andauernden Beeinträchtigung wegen fehlender Kosten der Unterkunft als Teil der ein menschenwürdiges Existenzminimum sichernden Leistung (Alg II) (Art. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 1 GG) kann die Wohnung schon früher als Lebensmittelpunkt konkret gefährdet und damit das Grundrecht aus Art. 13 GG so beeinträchtigt sein, dass eine Regelungsanordnung erforderlich ist. In diesem Zusammenhang den Blick auf die Erhebung der Räumungsklage zu fokussieren, hält der Senat nicht mehr für ausreichend, zumal der Schutz gegen den Verlust der Wohnung in diesem Stadium des Verfahrens auch deshalb problematischer geworden ist, da der dort dann beklagte Antragsteller grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe erhalten kann, der Leistungsträger sich aber regelmäßig nicht in der Pflicht sehen dürfte, die Kosten der Rechtsverteidigung zu übernehmen. Wenn auch die Zahlung von Unterkunftskosten zur Abwendung der außerordentlichen Kündigung noch nach Erhebung der Räumungsklage möglich ist, gilt dies doch nicht mit vergleichbar zuverlässiger Voraussehbarkeit für die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Durch die Nachzahlung der Rückstände wird die Kündigung nicht unwirksam, da §§ 543 Abs. 2 S. 2, 569 Ab. 3 Nr. 2 BGB im Rahmen dieser Kündigung nicht anwendbar ist (BGH Urteil vom 10.10.2012 - VIII ZR 107/12). Die danach entscheidende Frage, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, indem er in einem zur fristlosen Kündigung berechtigendem Ausmaß mit der Mietzahlung deshalb in Verzug ist, weil die Kosten der Unterkunft nicht (rechtzeitig) vom Jobcenter gezahlt worden sind, wurde in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung - soweit dies vom Senat beurteilt werden kann - bisher nicht einheitlich beantwortet (vgl. hierzu AG Lichtenberg Urteil vom 19.12.2013 - 17 C 33/13 - Rdnr 22; BGH Urteil vom 21.10.2009 - VIII ZR 64/09 - juris; s entsprechend LSG NRW Beschluss vom 19.05.2014 - L 19 AS 805/14 B ER - juris mwN; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 22.07.2014 - L 10 AS 1393/14 B ER - juris). Nach der o.a. Rechtsprechung des BGH hat aber auch ein Mieter, der Sozialleistungen (für die Kosten der Unterkunft) erhält, verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (s BGH Urteil vom 04.02.2015 - VIII ZR 175/15 juris Rn 20), so dass mit Blick auf die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung schon zu einem früheren Zeitpunkt wesentliche Nachteile zu gewärtigen sind, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen lassen. Ist damit die Gefahr des Wohnungsverlustes nicht abgewendet, wird hier auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Privatautonomie unter dem Blickwinkel der eigenbestimmten Gestaltung von Rechtsverhältnissen gefährdet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten, den wesentlichen Nachteil als Anordnungsgrund unabhängig von einem bestimmten Zeit- und Verfahrensfenster unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können nicht nur Umstände im Zusammenhang mit dem Verlust der alten Wohnung, sondern auch nicht zuletzt finanzielle Aspekte bei der Beschaffung neuen Wohnraums von Bedeutung sein, wie etwa die allgemeine Situation auf dem örtlichen Wohnungsmarkt, finanzielle Nachteile in Form von Mahnkosten und Zinsen direkt aus dem Mietverhältnis und Versorgungsverträgen, die fortwirkende Störung des Vertrauensverhältnisses bezogen auf das Miet- als Dauerschuldverhältnis, Kosten der (einer) Räumungsklage, Umzugskosten ggfs Einlagerungskosten, Verlust von sozialen Bindungen uVm.
In der Gesamtwürdigung hält der Senat hier den Anordnungsgrund für gegeben. Der Vermieter des Antragstellers hat ausdrücklich erklärt, er werde aufgrund der erheblichen Mietrückstände die Räumungsklage erheben. Dem Antragsteller droht damit die Obdachlosigkeit. Zudem ist auch durch die Unterbrechung der Stromversorgung ein Anordnungsgrund hier offensichtlich.
Der Senat hat mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG den Antragsgegner für die Zeit ab 03.02.2015 (Antragstellung beim SG) bis zum 31.10.2015 (Ablauf des Bewilligungsabschnittes ausgehend von einer erneuten Antragstellung) verpflichtet, vorläufig Leistungen zu erbringen. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Miet- und Stromkostenrückstände durch die zu erwartende Nachzahlung beglichen werden können und dem Antragsgegner bis Oktober ausreichend Zeit verbleibt, die erforderlichen Ermittlungen zur Hilfebedürftigkeit des Antragstellers durchzuführen. Der Senat ist bei der Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistungen zu Gunsten des Antragsgegners von Kosten der Unterkunft lediglich in Höhe der in der Vergangenheit bewilligten 388 Euro ausgegangen.
Dem Antragsteller war gem. § 73 a SGG iVm § 114 ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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