Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 1483/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1297/15 B ER und L 6 AS 1298/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Az.: L 6 AS 1297/15 B ER und L 6 AS 1298/15 B Az.: S 27 AS 1483/15 ER SG Gelsenkirchen
Beschluss
Az.: L 6 AS 1297/15 B ER und L 6 AS 1298/15 B Az.: S 27 AS 1483/15 ER SG Gelsenkirchen
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.07.2015 wird geändert. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt T, H beigeordnet. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 09.06.2015 bis zum 30.11.2015, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig Leistungen nach dem SGB II (Regelsatz und Kosten der Unterkunft) unter Berücksichtigung des Kindergeldes der Antragsteller zu 3) - 6) und des Einkommens des Antragstellers zu 1) ab 01.09.2015 in Höhe von 500 Euro, zu zahlen; den Antragstellerinnen zu 3) - 5) den Betrag für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf in Höhe von jeweils 70 Euro zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt T bewilligt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der im Jahr 1977 geborene Antragsteller zu 1), seine 1982 geborene Partnerin (Antragstellerin zu 2)) und die 2001, 2003, 2006 und 2013 geborenen gemeinsamen Kinder sind bulgarische Staatsbürger. Sie leben seit April 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Die Antragsteller zu 3) bis 5) besuchen allgemeinbildende Schulen. Der Antragsteller zu 1) übt ein Gewerbe im Baubereich aus. Aus den Einkünften aus diesem Gewerbe und dem Kindergeld bestritt die Familie bis November 2014 ihren Lebensunterhalt. Die Familie wohnt in einer Wohnung von 47 qm zu einer Kaltmiete von 200 Euro. Die Nebenkosten (ohne Heizkosten) betragen 50 Euro.
Auf ihren Antrag vom 8.12.2014 forderte der Antragsgegner u.a. Unterlagen zum Einkommen und die Geburtsurkunden der Kinder an. Aus den Einkommensunterlagen ergab sich ein monatliches Einkommen für die Zeit von Juli bis Dezember 2014 zwischen 580 und 1308 monatlich. Für die Zeit ab Dezember 2014 legte der Antragsteller zu 1) die Bescheinigung EKS vor, aus der sich ein prognostiziertes Einkommen ab Dezember 2014 von monatlich 650 Euro brutto ergab. Der Antragsgegner lehnte durch Bescheid vom 22.05.2015 bzw. 01.06.2015 die Bewilligung von Leistungen ab. Der Antragsteller zu 1) verfüge über ausreichendes Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Die Antragstellerin zu 2) sei, da sie nicht mit dem Antragsteller zu 1) verheiratet sei und dieser in den Geburtsurkunden der Kinder nicht als Vater der Kinder eingetragen sei, keine Familienangehörige gem. § 3 FreizügG/EU. Damit sei eine Aufnahme der Antragstellerin zu 2) und ihrer vier Kinder in die Bedarfsgemeinschaft nicht möglich. Sie hätten keinen Anspruch auf Leistungen.
Gegen den Bescheid legten die Antragsteller Widerspruch ein.
Am 09.06.2015 haben die Antragsteller beim SG Gelsenkirchen den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Dazu haben sie auf Anforderung des Sozialgerichts Kontoauszüge, weitere Unterlagen zum Einkommen des Antragstellers zu 1) sowie eidesstattliche Versicherungen vorgelegt.
Mit Beschluss vom 21.07.2015 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin zu 2) habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Für sie gelte der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Ihre Kinder, die Antragsteller zu 3) - 6) seien daher auch von Leistungen ausgeschlossen. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller zu 1) der Vater der Antragsteller zu 3) - 6) sei. Der Antragsteller zu 1) habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er könne seinen Bedarf im Wesentlichen durch sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit decken.
Gegen den Beschluss haben die Antragsteller am 28.07.2015 Beschwerde erhoben. Sie haben ein notarielles Vaterschaftsanerkenntnis des Antragstellers zu 1) für die Antragsteller zu 3) - 6) vorgelegt.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 27.08.2015 sind die Antragsteller zu 1) und 2) mit Hilfe eines Dolmetschers persönlich angehört worden. Sie haben übereinstimmend erklärt, der Strom sei seit Mai 2015 abgestellt. Für die Monate Januar bis April habe der Antragsteller zu 1) ca. 400-500 Euro aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt. Im Mai 2015 habe er 500 Euro erzielt. Seit Juni 2015 habe er aufgrund von Krankheit und Urlaubszeiten der Auftraggeber keine Einnahmen erzielt. Man habe sich mit Hilfe von Darlehen von Freunden, Verwandten und der Unterstützung von Nachbarn sowie dem Kindergeld über Wasser gehalten. Für die Kinder habe man keinen Schulbedarf kaufen können. Ab September habe der Antragsteller zu 1) einen Auftrag in Düsseldorf. Er werde voraussichtlich 500 bis 700 Euro verdienen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Protokolls vom 27.08.2015 verwiesen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.07.2015 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II (Regelsatz und Kosten der Unterkunft) ab dem 09.06.2015 bis zum 30.11.2015 unter Berücksichtigung von Einkommen des Antragstellers zu 1.) ab dem 01.09.2015 in Höhe von 500 Euro und unter Berücksichtigung des Kindergeldes der Antragsteller zu 3.) bis 6.) zu bewilligen,
ihnen den Schulbedarf für drei Kinder in Höhe von jeweils 70 Euro zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller sind begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Spätestens mit der Vorlage des notariellen Anerkenntnisses im Beschwerdeverfahren bestehen keine ernsthaften Bedenken (mehr), dass der Antragsteller zu 1) als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) mit der Antragstellerin zu 2) als Partnerin (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) und den gemeinsamen Kindern, den Antragstellern zu 3) bis 6), eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Ebenfalls spätestens damit entfällt ein rechtlich tragfähiger Ansatz, den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (für die Antragstellerin zu 2) und deren Kinder) zu prüfen. Das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen sowohl nach Maßgabe der §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 - 4; 8, 9 SGB II zum Alter, zur Erwerbsfähigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zur Hilfebedürftigkeit als auch nach § 28 Abs. 1, Abs. 3 SGB II hält das Gericht für überwiegend wahrscheinlich. Zur Hilfebedürftigkeit verweist der Senat auf die vorgelegten Unterlagen und die völlig überzeugenden und widerspruchsfreien Angaben der Antragsteller zu 1) und 2) im Erörterungstermin vom 27.08.2015. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass angesichts der Schuldenstruktur, aber auch der Wohnsituation, die durch das Zusammenleben einer sechsköpfigen Familie auf 47qm geprägt ist, keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Antragsteller verfügten über bislang nicht offen gelegtes Einkommen und/oder Vermögen, das sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes eingesetzt hätten. Der Senat hält es auch für glaubhaft, dass der Antragsteller zu 1) während des laufenden Eilverfahren nur ein niedrigeres Einkommen erzielt hat und in den nächsten Monaten erzielen wird, das jedenfalls 500 EUR monatlich nicht überschreitet, Sein Einkommen und das Kindergeld für die Antragsteller zu 3) bis 6) decken die Einzelbedarfe und den Gesamtbedarf erkennbar nicht, sind aber entsprechend anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Den Antragstellern drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.
Dies gilt auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der KdU. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 30.04.2015 - L 6 AS 296/15 B ER -. Angesichts der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller in Verbindung mit den gegenüber dem Stromversorger aufgelaufenen Schulden ist es glaubhaft, dass die Wohnung als Lebensmittelpunkt der Familie konkret gefährdet ist, zumal hier zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Familie mit vier minderjährigen Kindern handelt.
Auch bezüglich der Leistungen für den Schulbedarf der Antragstellerinnen zu 3) bis 5) liegt ein Anordnungsgrund vor. Den Kindern ist es unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 GG sowohl aus schulisch-pädagogischen Gründen als auch wegen eines gewissen Stigmatisierungseffektes nicht zuzumuten, zu Beginn des Schuljahres über keinerlei Mittel für die Anschaffung von Schulmaterial zu verfügen.
Ergänzend weist der Senat im Anschluss an die im Eilverfahren vorgelegten Unterlagen darauf hin, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.06.2015 und somit über die Bewilligung für die Zeit ab Dezember 2014 noch nicht entschieden ist.
Den Antragstellern war gem. § 73 a SGG iVm § 114 ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der im Jahr 1977 geborene Antragsteller zu 1), seine 1982 geborene Partnerin (Antragstellerin zu 2)) und die 2001, 2003, 2006 und 2013 geborenen gemeinsamen Kinder sind bulgarische Staatsbürger. Sie leben seit April 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Die Antragsteller zu 3) bis 5) besuchen allgemeinbildende Schulen. Der Antragsteller zu 1) übt ein Gewerbe im Baubereich aus. Aus den Einkünften aus diesem Gewerbe und dem Kindergeld bestritt die Familie bis November 2014 ihren Lebensunterhalt. Die Familie wohnt in einer Wohnung von 47 qm zu einer Kaltmiete von 200 Euro. Die Nebenkosten (ohne Heizkosten) betragen 50 Euro.
Auf ihren Antrag vom 8.12.2014 forderte der Antragsgegner u.a. Unterlagen zum Einkommen und die Geburtsurkunden der Kinder an. Aus den Einkommensunterlagen ergab sich ein monatliches Einkommen für die Zeit von Juli bis Dezember 2014 zwischen 580 und 1308 monatlich. Für die Zeit ab Dezember 2014 legte der Antragsteller zu 1) die Bescheinigung EKS vor, aus der sich ein prognostiziertes Einkommen ab Dezember 2014 von monatlich 650 Euro brutto ergab. Der Antragsgegner lehnte durch Bescheid vom 22.05.2015 bzw. 01.06.2015 die Bewilligung von Leistungen ab. Der Antragsteller zu 1) verfüge über ausreichendes Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Die Antragstellerin zu 2) sei, da sie nicht mit dem Antragsteller zu 1) verheiratet sei und dieser in den Geburtsurkunden der Kinder nicht als Vater der Kinder eingetragen sei, keine Familienangehörige gem. § 3 FreizügG/EU. Damit sei eine Aufnahme der Antragstellerin zu 2) und ihrer vier Kinder in die Bedarfsgemeinschaft nicht möglich. Sie hätten keinen Anspruch auf Leistungen.
Gegen den Bescheid legten die Antragsteller Widerspruch ein.
Am 09.06.2015 haben die Antragsteller beim SG Gelsenkirchen den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Dazu haben sie auf Anforderung des Sozialgerichts Kontoauszüge, weitere Unterlagen zum Einkommen des Antragstellers zu 1) sowie eidesstattliche Versicherungen vorgelegt.
Mit Beschluss vom 21.07.2015 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin zu 2) habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Für sie gelte der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Ihre Kinder, die Antragsteller zu 3) - 6) seien daher auch von Leistungen ausgeschlossen. Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller zu 1) der Vater der Antragsteller zu 3) - 6) sei. Der Antragsteller zu 1) habe keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er könne seinen Bedarf im Wesentlichen durch sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit decken.
Gegen den Beschluss haben die Antragsteller am 28.07.2015 Beschwerde erhoben. Sie haben ein notarielles Vaterschaftsanerkenntnis des Antragstellers zu 1) für die Antragsteller zu 3) - 6) vorgelegt.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 27.08.2015 sind die Antragsteller zu 1) und 2) mit Hilfe eines Dolmetschers persönlich angehört worden. Sie haben übereinstimmend erklärt, der Strom sei seit Mai 2015 abgestellt. Für die Monate Januar bis April habe der Antragsteller zu 1) ca. 400-500 Euro aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt. Im Mai 2015 habe er 500 Euro erzielt. Seit Juni 2015 habe er aufgrund von Krankheit und Urlaubszeiten der Auftraggeber keine Einnahmen erzielt. Man habe sich mit Hilfe von Darlehen von Freunden, Verwandten und der Unterstützung von Nachbarn sowie dem Kindergeld über Wasser gehalten. Für die Kinder habe man keinen Schulbedarf kaufen können. Ab September habe der Antragsteller zu 1) einen Auftrag in Düsseldorf. Er werde voraussichtlich 500 bis 700 Euro verdienen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Protokolls vom 27.08.2015 verwiesen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.07.2015 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem SGB II (Regelsatz und Kosten der Unterkunft) ab dem 09.06.2015 bis zum 30.11.2015 unter Berücksichtigung von Einkommen des Antragstellers zu 1.) ab dem 01.09.2015 in Höhe von 500 Euro und unter Berücksichtigung des Kindergeldes der Antragsteller zu 3.) bis 6.) zu bewilligen,
ihnen den Schulbedarf für drei Kinder in Höhe von jeweils 70 Euro zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller sind begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Spätestens mit der Vorlage des notariellen Anerkenntnisses im Beschwerdeverfahren bestehen keine ernsthaften Bedenken (mehr), dass der Antragsteller zu 1) als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) mit der Antragstellerin zu 2) als Partnerin (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) und den gemeinsamen Kindern, den Antragstellern zu 3) bis 6), eine Bedarfsgemeinschaft bildet. Ebenfalls spätestens damit entfällt ein rechtlich tragfähiger Ansatz, den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (für die Antragstellerin zu 2) und deren Kinder) zu prüfen. Das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen sowohl nach Maßgabe der §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 - 4; 8, 9 SGB II zum Alter, zur Erwerbsfähigkeit, zum gewöhnlichen Aufenthalt und zur Hilfebedürftigkeit als auch nach § 28 Abs. 1, Abs. 3 SGB II hält das Gericht für überwiegend wahrscheinlich. Zur Hilfebedürftigkeit verweist der Senat auf die vorgelegten Unterlagen und die völlig überzeugenden und widerspruchsfreien Angaben der Antragsteller zu 1) und 2) im Erörterungstermin vom 27.08.2015. Ergänzend sei darauf verwiesen, dass angesichts der Schuldenstruktur, aber auch der Wohnsituation, die durch das Zusammenleben einer sechsköpfigen Familie auf 47qm geprägt ist, keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Antragsteller verfügten über bislang nicht offen gelegtes Einkommen und/oder Vermögen, das sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes eingesetzt hätten. Der Senat hält es auch für glaubhaft, dass der Antragsteller zu 1) während des laufenden Eilverfahren nur ein niedrigeres Einkommen erzielt hat und in den nächsten Monaten erzielen wird, das jedenfalls 500 EUR monatlich nicht überschreitet, Sein Einkommen und das Kindergeld für die Antragsteller zu 3) bis 6) decken die Einzelbedarfe und den Gesamtbedarf erkennbar nicht, sind aber entsprechend anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Den Antragstellern drohen ohne eine einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können.
Hinsichtlich des Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.
Dies gilt auch für den Anordnungsgrund hinsichtlich der KdU. Insoweit verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 30.04.2015 - L 6 AS 296/15 B ER -. Angesichts der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller in Verbindung mit den gegenüber dem Stromversorger aufgelaufenen Schulden ist es glaubhaft, dass die Wohnung als Lebensmittelpunkt der Familie konkret gefährdet ist, zumal hier zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich hier um eine Familie mit vier minderjährigen Kindern handelt.
Auch bezüglich der Leistungen für den Schulbedarf der Antragstellerinnen zu 3) bis 5) liegt ein Anordnungsgrund vor. Den Kindern ist es unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 GG sowohl aus schulisch-pädagogischen Gründen als auch wegen eines gewissen Stigmatisierungseffektes nicht zuzumuten, zu Beginn des Schuljahres über keinerlei Mittel für die Anschaffung von Schulmaterial zu verfügen.
Ergänzend weist der Senat im Anschluss an die im Eilverfahren vorgelegten Unterlagen darauf hin, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.06.2015 und somit über die Bewilligung für die Zeit ab Dezember 2014 noch nicht entschieden ist.
Den Antragstellern war gem. § 73 a SGG iVm § 114 ZPO für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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