L 16 KR 716/14 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SF 223/14 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 716/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.10.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe, der im Rahmen der Beiordnung des Beschwerdeführers im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen.

Der Beschwerdeführer war dem Kläger mit Beschluss des Sozialgerichts vom 30.11.2010 im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Mit Kostenliquidation vom 01.08.2011 machte der Beschwerdeführer Gebühren und Auslagen i.H.v. 559,30 EUR unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr nach VV RVG Nr. 3102 i.H.v. 250,00 EUR sowie eine Terminsgebühr nach VV RVG Nr. 3106 von 200,00 EUR geltend. Er erklärte, Vorschüsse und sonstige Zahlungen (§ 9 RVG) seien nicht vereinnahmt worden.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts (veranlasst durch ein Schreiben der gesetzlichen Vertreterin des Klägers vom 05.05.2011, in dem auf die Zahlung von 60 EUR hingewiesen worden war) erklärte der Beschwerdeführer, ihm sei ein Betrag von 60,00 EUR vom Kläger nicht für die Fertigung der Klage, sondern für die Stellung des Prozesskostenhilfeantrags gezahlt worden. Daher sei diese Zahlung nicht anzurechnen.

Mit Beschluss vom 27.09.2011 setzte der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 499,30 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, die von dem Kläger gezahlten Kosten i.H.v. 60 EUR seien anzurechnen. Die Stellung des Prozesskostenhilfeantrages begründe keinen gesonderten Gebührenanspruch. Diese Tätigkeit sei mit der Verfahrensgebühr abgegolten.

Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Erinnerung vom 14.10.2011 legte der Beschwerdeführer eine Vergütungsvereinbarung vom 14.10.2010 vor. In deren § 2 verpflichtet sich der Auftraggeber für die Erledigung dieser auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichteten Tätigkeit zur Zahlung einer einmaligen pauschalen Gebühr von 60,00 EUR (inklusive Mehrwertsteuer).

Weiter ist ausgeführt in § 3 der Vergütungsvereinbarung:

"Der Auftraggeber ist darüber informiert, dass diese Bearbeitungsgebühr unabhängig davon erhoben wird, ob die beantragte Prozesskostenhilfe in der Folge bewilligt oder abgelehnt wird. Er ist weiter darüber informiert, dass eine Verrechnung dieser Gebühr mit anderen Gebühren, die gegebenenfalls im Verlauf der Mandatsbearbeitung zulasten des Auftraggebers anfallen, nicht stattfindet."

Der Beschwerdeführer vertrat die Auffassung, diese Vergütungsvereinbarung berühre den Gebührenanspruch der Verfahrensgebühr nicht.

Mit Beschluss vom 14.10.2014 hat das Sozialgericht die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bestätigt und die Erinnerung zurückgewiesen. Ein Betrag von 60,00 EUR sei auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Zahlung sei als Vorschuss zu qualifizieren, der naturgemäß auf den zulässigen Honoraranspruch gemäß dem RVG, konkret auf die Verfahrensgebühr, anzurechnen sei. Eine Gebühr für das Stellen eines Prozesskostenhilfeantrags sehe das RVG nicht vor. Die Zulässigkeit einer gesonderten Honorarvereinbarung über eine zusätzliche Vergütung würde dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe entgegen laufen. Sie hätte darüber hinaus die Wirkung eines (unzulässigen) Vertrages zulasten Dritter, hier zulasten der Landeskasse.

Zur Begründung seiner dagegen gerichteten Beschwerde vom 03.11.2014, mit der der Beschwerdeführer die Festsetzung der zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 559,30 EUR begehrt, wird ausgeführt: Bei dem Betrag von 60,00 EUR, den der Kläger an den Beschwerdeführer gezahlt habe, handele es sich nicht um einen Vorschussbetrag. Vielmehr sei die Zahlung aufgrund einer zwischen Auftraggeber und Rechtsanwälten vorab abgeschlossen Vergütungsvereinbarung erfolgt. Diese Vergütungsvereinbarung beziehe sich ausschließlich auf die Abgeltung der Tätigkeit, die mit der vollständigen Zusammenstellung der zur Beantragung der Prozesskostenhilfe erforderlichen Formular- und sonstigen Nachweisunterlagen verbunden gewesen sei. Diese Tätigkeit sei nicht selten mit einem ganz erheblichen Sach- und Personalaufwand verbunden. Viele Rechtssuchende sein bereits mit dem Ausfüllen des Vordrucks zur Beantragung der Prozesskostenhilfe überfordert. Lediglich diese Tätigkeit, die nicht zuletzt den Gerichten bei der Bearbeitung der Prozesskostenhilfegesuche die Arbeit extrem erleichtere, werde mit dem Betrag von 60,00 EUR abgegolten. Die Zulässigkeit einer solchen Gebührenvereinbarung könne nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Der Zugang des Bürgers zum Recht werde durch diese Gebühr in keiner Weise eingeschränkt, im Gegenteil: Das RVG sehe für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Prozesskostenhilfeverfahren einen eigenen Gebührentatbestand vor (VV RVG Nr. 3335). Würde diese Gebühr zur Voraussetzung der Bearbeitung der Angelegenheit eines prozesskostenberechtigten potenziellen Mandanten gemacht, würde sich der Zugang dieses Mandanten aufgrund deren Höhe zum Recht dramatisch verkürzen. Der Umstand, dass diese auf die sodann möglicherweise bewilligte Prozesskostenhilfe angerechnet würde, helfe dem Rechtsuchenden in diesem Moment nicht weiter. Er könne die vom Rechtsanwalt völlig zu Recht geforderte Gebühr schlicht nicht bezahlen. Der Staatskasse entstehe kein Nachteil; sie werde durch die streitige Vergütungsvereinbarung nicht belastet.

Der Beschwerdegegner hält die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung für unbegründet.

II.

Die vom Sozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist insbesondere nicht durch § 178 SGG oder § 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen (vgl. nunmehr § 1 Abs. 3 RVG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung des 2. KostRMoG vom 23.07.2013 - BGBl. I S. 2586 -; vgl. etwa auch etwa LSG NRW, Beschlüsse vom 17.11.2010 - L 19 B 334/09 AS; vom 11.12.2009 - L 19 B 281/09 AS; vom 13.7.2009 - L 7 B 2/09 SB; vom 13.11.2008 - L 20 B 59/08 SO; a.A. zum bis dahin geltenden Recht etwa LSG NRW, Beschluss vom 02.05. 2011 - L 10 P 112/10 B -, alle juris).

Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, der beigeordnete Rechtsanwalt selbst. Beschwerdegegner ist in diesen Verfahren die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist am Verfahren nicht beteiligt (vgl. etwa LSG NRW, Beschluss vom 10.02.2011 - L 9 AS 1290/10 B, juris Rn. 6 m.w.N.).

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 RVG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Dem Beschwerdegegner steht gegenüber der Staatskasse kein Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung zu; das Sozialgericht hat den vom Beschwerdeführer mit seiner Kostenliquidation geltend gemachten Betrag zu Recht um den vom Kläger bereits gezahlten Betrag von 60.00 EUR gemindert. Dem Beschwerdeführer steht gegenüber der Staatskasse keine höhere Vergütung als die vom Sozialgericht festgesetzten 499,30 EUR Euro zu.

Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung und Festsetzung einer höheren Vergütung.

Die Argumentation des Beschwerdeführers, der nach § 55 Abs. 5 S. 2 RVG im Rahmen seiner Antragstellung sich zu den bis zum Tag der Antragstellung erhaltenen Zahlungen hätte erklären müssen, verkennt, dass nach § 58 Abs. 2 RVG grundsätzlich Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, auf die Vergütung anzurechnen sind. Im Übrigen sind nach § 16 Nr. 2 RVG das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, dieselbe Angelegenheit. Vereinbarungen zwischen dem Anwalt und dem Beteiligten, die darauf hinauslaufen, die Anrechnungspflicht von Zahlungen an den Anwalt zulasten der Staatskasse auszuschließen, sind sittenwidrig und darum für den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unbeachtlich (Kießling in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013 Rn. 22). Im Übrigen dürfte die getroffene Vergütungsvereinbarung nach § 3a Abs. 3 S. 1 RVG nichtig sein. Denn die vereinbarte Gebühr für ein Tätigwerden im Prozesskostenhilfeverfahren (und zwar ohne Rücksicht auf den Umstand, ob nachfolgend Prozesskostenhilfe bewilligt werden würde) war im Ergebnis darauf gerichtet, dem Beschwerdeführer durch das vorgesehene Verrechnungsverbot für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung zu sichern. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass eine dem Bevollmächtigten gegebenenfalls zustehende Gebühren nach VV RVG Nr. 3335 für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren ebenso anzurechnen gewesen wäre wie ein vom Mandanten gezahlter Vorschuss. Wegen der Möglichkeit, einen entsprechenden Vorschuss zu verlangen, fehlt es auch an einer wirtschaftlichen Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer war im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit frei, für den Fall der Verweigerung einer Vorschusszahlung das ihm angetragene Mandat nicht zu übernehmen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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