S 30 KR 827/05 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 30 KR 827/05 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 214/06 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40.217 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.08.2005 ist zulässig, jedoch sachlich nicht begründet. Denn die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor.

Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in den Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Aussetzung der Vollziehung soll in den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG).

Nach diesen Grundsätzen war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin (Ast) gegen den angefochtenen Beitragsbescheid nicht anzuordnen.

Nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage, auf dies es hier allein ankommt, bestehen nach in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausreichender summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 31.08.2005. Rechtsgrundlage für die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist § 25 Abs. 1 KSVG. Diese Norm bezieht in die Bemessungsgrundlage der KSA Entgelte für künstlerische oder publizistische Leistungen ein, die ein nach § 24 KSVG abgabepflichtiges Unternehmen an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt. Zweifelhaft ist vorliegend nur, ob das von der Ast an C. (C.) gezahlte Entgeltgegenleistung für eine künstlerische oder publizistische Leistung ist, wie es § 25 Abs. 1 KSVG voraussetzt. Bei einem – wie vorliegend – aus mehreren Tätigkeitsbereichen zusammengesetzten gemischten Beruf kann zunächst von einem Entgelt für eine künstlerische Tätigkeit dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild der Tätigkeit prägen. Notwendige Geschäftstätigkeiten, die für die selbständige Ausübung eines Berufs typisch sind, wie Reisen, Organisation und Verwaltung, stehen einer Wertung als künstlerische Tätigkeit nicht entgegen. Als künstlerische Tätigkeiten im Sinne des KSVG kommen vorliegend unter Beachtung vom BSG im Urteil vom 25.10.1995 (SozR 3-5425, § 24 Nr. 12) aufgestellten Grundsätze die Aktivitäten des C. im Bereich der artistischen Vorführungen in Werbespots der Ast in Betracht. Insoweit ist die Artistik von der Sportausübung selbst abzugrenzen, die selbst dann nicht zu einer künstlerischen Tätigkeit wird, wenn sie berufsmäßig erfolgt. Für die Abgrenzung von Sport und Kunst kann nicht maßgebend sein, dass der Ausführende sich selbst als Sportler definiert oder dass sich die für die Vermarktung ausschlaggebende Popularität aus den aktuellen Erfolgen als Sportler herleitet. Maßgebend ist allein, ob die jeweiligen Darbietungen dem Bereich des Sports oder den der Kunst einschließlich der Artistik zuzuordnen sind. Das BSG, dessen Rechtsprechung sich das erkennende Gericht anschließt, hat im Urteil vom 25.10.1995 (a.a.O.) deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber gerade auch den Artisten als Unterhaltungskünstler in den Schutzbereich der KSV einbeziehen wollte; dementsprechend unterliegt auch die Verwertung "artistischer Kunst" der Künstlersozialabgabepflicht, obgleich Artistik nur dem Wortstamm nach zur Kunst zählt, im Übrigen aber den allgemein gebräuchlichen Definitionen von Kunst nicht entspricht (vgl. hierzu BVerfGE 67, 213, 226 f; E 75, 369, 377 und E 83, 130, 138 ff). Kennzeichnend für den Sport ist vorrangig der Wettkampfgedanke. Zur Artistik, wie sie C. in den Werbespots aufführt, und damit zum Schutzbereich der KSV gehören solche Darbietungen, bei denen der circensische Gehalt im Vordergrund steht und sportliche Regelung und Bewertungsmaßstäbe unbeachtet bleiben. Für die Abgrenzung ist in erster Linie auf die Verkehrsauffassung abzustellen. Maßgebende Kriterien für die Zuordnung sind insbesondere: die Existenz von Regeln und Wertmaßstäben aus dem Bereich des Sports, die Art der Veranstaltung, der Veranstaltungsort sowie die Zugehörigkeit des Akteurs zu einschlägigen Interessengruppen, Vereinigungen etc. So ist ohne weiteres von einer sportlichen Betätigung auszugehen, wenn für eine Aktivität ein Regelwerk existiert, dass von einem Verband erlassen worden ist, der dem Deutschen Sportbund angehört. Die Art der Veranstaltung ist maßgebend, wenn Akteure etwa nach einer Wettkampfveranstaltung ihr Können im Rahmen einer Schauveranstaltung darbieten. Wird lediglich ein Werbespot gedreht, so handelt es sich um eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des KSVG. Auch der Veranstaltungsort – Drehstudios und ähnliches – liefern den Hinweis auf den künstlerischen Charakter der Darbietung. Insgesamt sieht das Gericht daher die Voraussetzungen der §§ 25 ff KSVG auch im Falle des C. als gegeben an.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs war schließlich nicht aus Gründen einer unbilligen Härte anzuordnen. Die Ast hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung der Beitragsforderung für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härt zur Folge hätte. Auch sonst ist nicht erkennbar, dass durch die Vollstreckung der von der Ag geforderten Beiträge der Ast ein unzumutbarer und anders nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte, der nur durch Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgewendet werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG.

Der Gegenstandswert ist in entsprechender Anwendung der Vorschriften des GKG nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache für die Ast zu bestimmen.

Da es vorliegend um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ging, ist es angemessen, von der Hälfte der Beitragsforderung in Höhe von 80.434 EUR auszugehen.
Rechtskraft
Aus
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