L 8 R 1003/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 1712/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 1003/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2014 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.01.2015 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der dem Kläger gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, insbesondere ob die im Beitrittsgebiet zurück gelegten Zeiten nach den Anlagen 1 bis 16 zum Fremdrentengesetz (FRG) und somit unter Ausschluss der Anwendung des § 256a Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu bewerten sind.

Der Kläger wurde am 00.00.1947 geboren. Nachdem er in der ehemaligen DDR die Schulausbildung und die Hochschulausbildung zum Diplom-Ingenieur absolviert hatte, war er vom 22.3.1971 bis zum 5.2.1988 - mit Ausnahme der Zeit vom 1.2.1987 bis 6.9.1987 - im Beitrittsgebiet rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Im Februar 1988 wurde er aus der ehemaligen DDR ausgewiesen. Nach seiner Übersiedlung am 9.2.1988 war er vom 15.4.1988 bis zum 29.2.2012 in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Am 10.4.1989 erteilte die Beklagte dem Kläger einen Bescheid über die Vormerkung der im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach dem FRG. Dieser Bescheid wurde in Anwendung von Artikel 38 Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) und § 149 Abs. 5 SGB VI mit Bescheid vom 2.9.1998 bestandskräftig aufgehoben. Auf seinen Antrag vom 1.12.2011 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 22.2.2012 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1.3.2012. Der Kläger beantragte am 29.7.2013 die Überprüfung und ggf. Neuberechnung seiner Rente gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Er war der Ansicht, dass Ansprüche nach den Tabellen 1 bis 16 des FRG zu berechnen seien. Die Voraussetzungen des § 256a Abs. 3a SGB VI lägen vor. Er habe in Zeiten vor dem 1.7.1990 in den alten Bundesländern gewohnt und Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung der ehemaligen DDR gezahlt (bis zum 5.2.1988). Die Beklagte habe bislang die Anwendung von § 256a Abs. 3a SGB VI abgelehnt, weil die Regelung hauptsächlich Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in Berlin (West) betreffe, die ausschließlich bei der Sozialversicherung der ehemaligen DDR versichert gewesen seien. Er meinte, dass diese Beschäftigten nicht ausschließlich bei der Sozialversicherung der ehemaligen DDR versichert gewesen seien, sondern ab 1984 Versicherungszeiten auf Basis der Allgemeinen Rentenversicherung der Bundesrepublik erworben hätten. Bei ihm würde der gleiche Sachverhalt hinsichtlich der Versicherungszeiten bestehen. Die Beklagte habe das Recht nicht richtig angewendet. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 6.8.2013 ab. Der Rentenbescheid sei nicht nach § 44 SGB X zurückzunehmen, da weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. § 256a Abs. 3a SGB VI sei vorliegend nicht anwendbar, weil für den Kläger während seines gewöhnlichen Aufenthaltes im Gebiet der Bundesrepublik (ohne das Beitrittsgebiet) keine Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung des Beitrittsgebietes gezahlt worden seien. Dagegen erhob der Kläger den bei der Beklagten am 12.8.2013 eingegangenen Widerspruch. Er meinte, nach § 256a Abs. 3a SGB VI sei nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen bzgl. des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik und der Beitragszahlung zu einem Rentenversicherungssystem des Beitrittsgebietes gleichzeitig vorgelegen haben. Zudem sei die Regelung nicht nur für eine bestimmte Personengruppe getroffen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Berechnung der Rente seien die Entgelte maßgeblich, für die im Beitrittsgebiet tatsächlich Beiträge gezahlt worden seien. Der Kläger sei der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) nicht beigetreten, so dass ab 1.3.1971 lediglich ein Verdienst von 600,00 Mark im Monat zu berücksichtigen sei. Die Zuordnung der Zeiten im Beitrittsgebiet erfolge ausschließlich nach §§ 248 Abs. 3, 256a SGB VI. Die Vorschrift des § 259a SGB VI sei für den Kläger nicht anwendbar, da er nicht vor dem 1.1.1937 geboren sei. Die Vorschrift des § 256a Abs. 3a SGB VI betreffe hauptsächlich Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in Berlin (West), die ausschließlich bei der Sozialpflichtversicherung der ehemaligen DDR versichert gewesen seien und Arbeitsentgelt in DM erhalten hätten. Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 256a Abs. 3a SGB VI nicht, da er während seiner Beschäftigungszeiten im Beitrittsgebiet keinen Wohnsitz im Bundesgebiet gehabt und kein Entgelt in DM erhalten habe. § 272 SGB VI sei mangels Wohnsitznahme im Ausland nicht anwendbar. Der Kläger hat am 20.11.2013 zum Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Er ist der Ansicht gewesen, die DDR-Flüchtlinge, die bereits Bürger der Bundesrepublik geworden seien, würden durch eine nachträgliche Aberkennung der Entgeltpunkte aus Tabellen des FRG und eine Rentenberechnung wie bei Bürgern der neuen Bundesländer auf Grundlage des RÜG grundlegend benachteiligt. Die Einzahlung von Beiträgen in die FZR sei nicht sinnvoll gewesen, wenn geplant war, die DDR zu verlassen. Zudem habe bei der Ausbürgerung auf sämtliche Ansprüche (inklusive Renten) verzichtet werden müssen. Auf das weitere Vorbringen des Klägers, insbesondere im Schriftsatz vom 11.6.2014, wird verwiesen. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6.8.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2013 zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 22.2.2012 zurückzunehmen und eine Neuberechnung der im Beitrittsgebiet bis zur Ausweisung im Februar 1988 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten auf Basis des § 22 FRG nach den Tabellenwerten 1-16 vorzunehmen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt ihrer angefochtenen Verwaltungsentscheidungen. Sie hat die Ansicht vertreten, zusätzlicher Arbeitsverdienst des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit im Januar 1978 sei nach § 256a Abs. 3 SGB VI nicht zu berücksichtigen, da ein möglicher Beitritt zur FZR nicht erfolgt sei. Der Kläger unterfalle nicht der Ausnahme nach § 256a Abs. 2 SGB VI, nach der Beiträge zur FZR als gezahlt gelten. Die von der Beklagten getroffene Auslegung des § 256a Abs. 3a SGB VI entspreche dem gesetzgeberischen Willen. § 272 SGB VI sei nicht anzuwenden, da der Kläger nach dem Verlassen der DDR seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt habe. Mit Urteil vom 21.10.2014 hat das SG Köln die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Rentenbescheides vom 22.2.2012 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und auf Neuberechnung der Rente unter Anwendung der Tabellen nach dem Fremdenrentenrecht für die Zeit im Beitrittsgebiet. Zu Recht habe die Beklagte die Zeiten des Klägers im Beitrittsgebiet nach §§ 248 Abs. 3, 256a SGB VI zugeordnet und insbesondere die Anwendbarkeit der §§ 256a Abs. 3a, 259a, 272 SGB VI verneint. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, die vom Kläger im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des FRG zu bewerten. § 256a Abs. 3a SGB VI sei auf den Kläger nicht anwendbar. Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzung des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Bundesrepublik und die Voraussetzung der Beitragszahlung zu einem Rentenversicherungssystem des Beitrittsgebietes gleichzeitig erfüllt sein müssen. Für diese Auslegung sprächen der Wortlaut und der Sinn und Zweck der Vorschrift. Sie solle Beschäftigte erfassen, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik hatten und gleichzeitig in der ehemaligen DDR sozialversicherungspflichtig waren (Hinweis auf BT-Drucks. 13/2590, S. 28f). Dies habe vor allem Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in West-Berlin betroffen, die in die Sozialversicherung der ehemaligen DDR einzahlten und Arbeitsentgelte in DM erhielten. Dieses Arbeitsentgelt habe netto dem Entgelt von vergleichbaren Beschäftigten im früheren Bundesgebiet entsprochen. Brutto sei es aber niedriger als die Entgelte vergleichbarer Beschäftigter im Bundesgebiet gewesen, da in der DDR Steuern und Sozialversicherungsbeiträge geringer gewesen seien. Auf die weiteren Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 25.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.11.2014 Berufung eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 14.12.2014 hat der Kläger einen erneuten Antrag nach § 44 SGB X gestellt. Mit diesem begehrt er u.a. erneut die Anwendung des § 256a Abs. 3a SGB VI auf seine bis zum 5.2.1988 ausgeübte Tätigkeit beim Evangelischen (Ev.) Kirchenkreis. Dieser habe bescheinigt, dass sein Gehalt in Höhe von 271,55 M für Februar 1988 am 15.2.1988 überwiesen worden sei. Damit zählten für seine Zeiten im Beitrittsgebiet die Werte der Anlagen 1 bis 16 zum FRG.

Mit Bescheid vom 12.1.2015 hat die Beklagte einen Überprüfungsantrag "vom 22.11.2014" abgelehnt. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt, bzgl. des Entgelts für die Zeit vom 7.9.1987 bis 5.2.1988 ergäben sich durch die Bescheinigung vom 11.12.2014 keine neuen Erkenntnisse. Es seien genau die Werte bestätigt worden, die sie bereits berücksichtigt habe. Neben dem Entgelt sei die Beschäftigung bis 5.2.1988 bestätigt worden. Dass die Auszahlung erst am 15.2.1988 erfolgt sei, sei dabei völlig irrelevant. Dass das Monatsentgelt für Januar 1988 und das Monatsentgelt für Februar 1988 in der Höhe identisch seien, sei von ihr nicht zu hinterfragen. Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers habe diese Werte und Zeiträume genauso bestätigt. § 256a Abs. 3a SGB VI sei daher weiterhin nicht für ihn anwendbar.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Das SG wende § 256a Abs. 3a SGB VI unzutreffend an. Richtig verstanden treffe dieser Paragraph auf ihn zu: Er sei am 8.2.1988 aus der DDR ausgewiesen worden und habe bis dahin Beiträge "zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung des Beitrittsgebiets" gezahlt - demnach vor dem 1.7.1990 - und habe ebenfalls vor dem 1.7.1990 seinen "gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet", genau ab dem 9.2.1988 gehabt. Nach dem Wortlaut des maßgeblichen Paragraphen müssen dessen Voraussetzungen entgegen der Ansicht des SG nicht gleichzeitig vorliegen. Im Übrigen liege zu seiner Tätigkeit als Wirtschaftskraft bei der Ev. Stadtkirchengemeinde in Berlin-L ein neuer Sachverhalt vor. Nach der Information des Ev. Kirchenkreises M vom 11.12.2014 habe er gleichzeitig seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1.7.1990 in der Bundesrepublik gehabt und die Voraussetzung zu einem Rentenversicherungssystem des Beitrittsgebiets erfüllt. Rechtswidrig sei, dass die ursprünglich bestehende Geltung des FRG rückgängig gemacht worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2014 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 28.10.2013 und des Bescheides vom 12.1.2015 zu verurteilen, den Bescheid vom 22.2.2012 teilweise zurück zu nehmen und ihm höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1.3.2012 unter Ermittlung von Entgeltpunkten für die Zeiten bis zum 5.2.1988 aufgrund der Anlagen 1 bis 16 zum Fremdrentengesetz zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Auch unter Berücksichtigung der Bescheinigung des Ev. Kirchenkreises M vom 11.12.2014 liege ein Anwendungsfall des § 256a Abs. 3a SGB VI nicht vor. Die darin für den Zeitraum vom 7.9.1987 bis 5.2.1988 bescheinigten Verdienste lägen der Berechnung der Altersrente in vollem Umfang zugrunde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Streitakten S 2 R 93/08 und S 2 R 101/08 des SG Köln, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Klage des Klägers sind zulässig, aber unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 6.8.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2013. Der Bescheid vom 12.1.2015 ist Gegenstand des Verfahrens gem. §§ 153 Abs. 1, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geworden, da er den Bescheid vom 6.8.2013 hinsichtlich der Ablehnung der teilweisen Rücknahme des Rentenbescheides gem. § 44 SGB X ersetzt. Soweit sich das Verfahren auf den im Berufungsverfahren ergangenen Bescheid vom 12.1.2015 bezieht, entscheidet der Senat auf Klage, da hierüber vom SG am 21.10.2014 noch nicht entschieden werden konnte.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschweren. Denn die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Rentenbescheid vom 22.2.2012 gem. § 44 Abs. 1 SGB X teilweise zurückzunehmen und die Altersrente unter Anwendung der Anlagen 1 bis 16 zum FRG zu gewähren. Der Senat schließt sich zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich den zutreffenden Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an und nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Für die Tätigkeit beim Ev. Kirchenkreis können gem. § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nur Zeiten bis zum 5.2.1988 berücksichtigt werden. Nach dieser Vorschrift stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8.5.1945, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Auch ausweislich der vom Kläger beigebrachten Bestätigung des Ev. Kirchenkreises M vom 11.12.2014 war der Kläger für diesen bis zum 5.2.1988 tätig. Nur für diesen Zeitraum ergibt sich die Anwendbarkeit der Berechnungsvorschriften. Dass die Gehaltszahlung nach der vorerwähnten Bestätigung für Februar am 15.2.1988 erfolgte, ist insoweit nicht maßgeblich.

Die Voraussetzungen des § 256a Abs. 3a SGB VI liegen entgegen der Auffassung des Klägers nicht vor. Der Senat nimmt auch insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend merkt der Senat an, dass der Kläger übersieht, dass die Konjunktion "und" mehrere Bedeutungen haben kann. Zum einen können mit ihr - wie vom Kläger geltend gemacht - mehrere Umstände in Form einer zeitlichen Reihung verbunden werden (Beispiel: "Der Kläger absolvierte eine Schul- und Hochschulausbildung."), zum anderen können mehrere Umstände im Sinne einer Gleichzeitigkeit bzw. Kumulation verknüpft werden (Beispiel: "Verfahrensbeteiligte sind Kläger und Beklagte."). Entgegen der Ansicht des Klägers ist es damit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass im § 256a Abs. 3a SGB VI die Konjunktion "und" iSe Gleichzeitigkeit zu verstehen ist. Da der Wortlaut nicht eindeutig ist, müssen zum Verständnis der Norm die maßgeblichen Auslegungsgesichtspunkte der Entstehungsgeschichte, des Sinn und Zwecks und der Systematik des Abs. 3a des § 256a SGB VI herangezogen werden. Danach ist eine andere Auslegung als die von der Beklagten und dem SG vorgenommene ausgeschlossen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom vom 16.10.2014, L 17 R 444/13, juris, Rn. 17, mwN; KassKomm/Gürtner, SGB VI, § 256a Rn. 40 ff), wie die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 256a Abs. 3a SGB VI verdeutlicht (vgl. BT-Drucksache 13/2590, S. 28 f). Diese lautet wie folgt:

"Zu Nummer 43 (§ 256a)

Beschäftigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im bisherigen Bundesgebiet und gleichzeitiger Beschäftigung im Beitrittsgebiet (hierbei handelt es sich insbesondere um Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn mit Wohnsitz in Berlin [West]) erhielten in der ehemaligen DDR ein Arbeitsentgelt in Deutscher Mark, das Netto dem Arbeitsentgelt von vergleichbaren Beschäftigten im bisherigen Bundesgebiet entsprach, Brutto aber wegen der niedrigeren Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in der DDR niedriger war als die Arbeitsentgelte vergleichbarer Beschäftigter im Bundesgebiet. Diese Personen hatten vor dem 1. Juli 1990 Beiträge nach den im Beitrittsgebiet geltenden Vorschriften an den dort zuständigen Rentenversicherungsträger zu leisten. Aufgrund Artikel 23 § 5 des Gesetzes zum Staatsvertrag sind die Entgeltpunkte für diese Zeiten bei Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1995 nach den Tabellenwerten des Fremdrentengesetzes zu ermitteln.

Nach Auslaufen dieser Übergangsregelung wären die Entgeltpunkte nach § 256a zu ermitteln. Danach wären für die Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum 28. Februar 1971 die durch Beiträge zur Sozialpflichtversicherung versicherten und darüber hinaus auch die tatsächlich erzielten Verdienste zu berücksichtigen. Diese, annähernd auf "Westniveau" befindlichen Verdienste wären zusätzlich durch Vervielfältigung mit den Werten der Anlage 10 zu erhöhen. Für die Zeit vom 1. März 1971 an wären dagegen nur die Verdienste bis 600 Mark monatlich berücksichtigungsfähig, da diese Personen Beiträge zur FZR - insbesondere weil sie dafür ohnehin bei gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der DDR eine Rente nicht erhalten hätten - nicht geleistet haben. Im Ergebnis wäre für die Zeit vor dem 1. März 1971 regelmäßig eine Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze, für Zeiten vom 1.3.1971 an dagegen auf der Grundlage von 600 Mark monatlich ermittele Beitragsbemessungsgrundlage zugrunde zu legen.

Um derartige sozialpolitisch unvertretbare Ergebnisse zu vermeiden, soll mit der vorgeschlagenen Änderung die gegenwärtig geltende Übergangsregelung auf Dauer aufrechterhalten werden."

An der Verfassungsmäßigkeit des § 256a SGB VI bestehen keine Zweifel (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 5 R 36/11 R; juris).

Auch die Voraussetzungen des § 259a Abs. 1 SGB VI mit der Folge der Anwendbarkeit der Anlagen 1 bis 16 zum FRG sind nicht erfüllt, da der Kläger am 22.9.1947 und damit nicht vor dem 1.1.1937 geboren ist. Diese Vorschrift ist verfassungsgemäß (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 5 R 36/11 R; Hessisches LSG, Urteil vom 18.1.2013, L 5 R 144/12 ZVW; Bayerisches LSG, Urteil vom 29.9.2014, L 19 R 673/12; jeweils juris).

Soweit dem Kläger mit Vormerkungsbescheid vom 10.4.1989 zunächst Zeiten nach den Vorschriften des FRG anerkannt worden waren, kann er hieraus keine Rechte mehr herleiten, da dieser Bescheid mit dem Vormerkungsbescheid vom 2.9.1998 bestandskräftig aufgehoben worden war. Der dagegen gerichtete Überprüfungsantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 16.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2008 abgelehnt. Dieser Bescheid wurde nach der Rücknahme der Klage in dem Verfahren S 2 R 101/08 des SG Köln bestandskräftig. Zudem wurde dem Kläger die Rente mit Bescheid vom 22.2.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.7.2012 ohne Anwendung des FRG bestandskräftig zuerkannt. Nach § 44 SGB X kann ein Anspruch auf Rücknahme des vorgenannten Rentenbescheides daher u.a. nur bestehen, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag materiell-rechtlich ein Anspruch auf Gewährung der Rente unter Anwendung des FRG bestehen würde. Dies ist allerdings wie oben dargelegt nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved