L 11 KA 58/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 158/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 58/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.07.2015 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 13.581, 98 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist eine Honorarrückforderung für die Quartale II/2013 und III/2013. Die Antragstellerin ist ein in L ehedem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die für die Quartale II/2013 bis IV/2013 erteilten Honorarbescheide hob die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 12.02.2014 auf und forderte Honorar in Höhe von insgesamt 153.611,64 EUR zurück. Die von der Antragstellerin bestellte und vom Zulassungsausschuss bestätigte ärztliche Leiterin des MVZ habe erklärt, zu keiner Zeit ärztliche Leiterin gewesen zu sein und die Gesamtaufstellungen nicht unterschrieben gehabt zu haben. Die Gesamtaufstellungen entsprächen daher nicht den Vorgaben des § 1 Abs. 4 Honorarverteilungsmaßstab (HVM), wonach bei einem MVZ die Unterschrift des ärztlichen Leiters erforderlich sei. Infolge nicht ordnungsgemäßer Gesamtaufstellung sei der Honoraranspruch nicht entstanden.

Mit Bescheid vom 14.02.2014 hob die Antragsgegnerin die Honorarbescheide für die Quartale II/2013 und III/2013 auf und forderte das insoweit ausgekehrte Honorar von 135.819,69 EUR zurück. Die Begründung des Bescheides ist wortidentisch mit jener des Bescheides vom 12.02.2014.

Der Widerspruch vom 10.03.2014 gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12.02.2014 blieb erfolglos. In der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014 führte die Antragsgegnerin aus:

"Mit Ihrem Widerspruch vom 10.03.2014 wenden Sie sich gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der KV Nordrhein, Bezirksstelle L vom 26.11.2013. Über den Widerspruch hatte die Widerspruchsstelle bei der Bezirksstelle zu entscheiden (§ 4 Abs. 6 der Satzung). Der in Rede stehende Bescheid vom 12.02.2014 wurde mit Schreiben vom 14.02.2014 von Amts wegen aufgehoben. Der Widerspruch musste daher mangels Beschwer als unzulässig zurückgewiesen werden."

Der Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 14.02.2014 blieb gleichermaßen erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.06.2014).

Hiergegen richtet sich die unter dem Aktenzeichen S 33 KA 288/14 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf anhängig gemachte Klage.

Die Antragsgegnerin betreibt die Zwangsvollstreckung. Die Beschwerdeführerin hat hierauf am 11.05.2015 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf einstweiligen Rechtsschutzes durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid beantragt. Sie hat geltend gemacht: Zutreffend sei, dass nicht der ärztliche Leiter sondern ihr Geschäftsführer die Sammelerklärungen unterschrieben habe. Das sei rechtlich geboten. Der Rückforderungsbescheid sei daher offenkundig rechtswidrig. Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 - sei unmissverständlich geklärt, dass nicht der ärztliche Leiter in einem MVZ, sondern allein und ausschließlich das MVZ selbst für die Abgabe einer wahrheitsgemäßen Abrechnungssammelerklärung verantwortlich sei. § 1 Abs. 4 HVM widerspreche damit der bestehenden Gesetzeslage und der Rechtsprechung des BSG. Die Honorarrückforderung sei offensichtlich unverhältnismäßig und eine Ermessensentscheidung nicht ersichtlich. Die Vollziehung des Bescheides sei eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte und führe zu einer konkreten Existenzgefährdung, die eine Schließung des MVZ mit dem Risiko einer Insolvenz befürchten lasse.

Die Antragstellerin hat schriftsätzlich beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 07.07.2014 gegen den Bescheid der Antragstellerin vom 12.04.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.06.2014 anzuordnen;

2. die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides der Antragstellerin vom 12.04.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.06.2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Sie hat vorgetragen:
Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung lägen nicht vor. Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid sei offensichtlich rechtmäßig. Gemäß § 1 Abs. 4 HVM rechne die ordnungsgemäße Abgabe der Sammelerklärung zu den Abrechnungsvoraussetzungen, wozu gehöre, dass sie durch den hierzu allein berechtigten ärztlichen Leiter unterzeichnet werde. Dies sei unstreitig nicht erfolgt. Sofern die Antragstellerin annehme, dass ausschließlich das durch seinen Geschäftsführer vertretene MVZ zur Unterzeichnung und Abgabe der Sammelerklärung berechtigt sei, missinterpretiere sie die Rechtsprechung. Dieser Verpflichtung könne ein Geschäftsführer eines MVZ mangels medizinischer Fachkenntnis nicht nachkommen. Vielmehr sei ausschließlich der ärztliche Leiter aufgrund entsprechender Qualifikation bzw. Kenntnisse in der Lage, die erforderlichen Erklärungen zur Quartalsabrechnung abzugeben. Nur dieser könne beurteilen, ob die maßgeblichen Regelungen insbesondere des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä), des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) und des HVM in der jeweils geltenden Fassung beachtet worden seien. Auch soweit die Antragstellerin meine, dass die vollständige Rückforderung der Honorare für die streitbefangenen Quartale offensichtlich unverhältnismäßig sei, verkenne sie die Rechtsprechung. Infolge der Unterzeichnung der Sammelerklärungen durch einen Nichtberechtigten fehle es an jeglichem Erklärungsinhalt. Daher hätten die Sammelerklärungen für die streitbefangenen Quartale keinerlei Garantiefunktion. Ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug des Bescheides resultiere aus den Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungssystems. Ein Absehen von der Honorarberichtigung bzw. -kürzung würde zu einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung zu Lasten korrekt abrechnender Vertragsärzte führen. Außerdem sei der Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung und Sicherung eines gerechten Vergütungssystems für sämtliche an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer eine Gemeinwohlaufgabe von besonderem Rang.

Mit Beschluss vom 20.07.2015 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der Auffassung der Antragstellerin, der Rückforderungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig, weil allein der Geschäftsführer des MVZ zur Unterzeichnung der Sammelerklärung befugt und § 1 Abs. 4 des HVM mit höherrangigem Recht unvereinbar sei, könne nicht gefolgt werden. Einen solchen Rechtssatz habe das BSG in der bezogenen Entscheidung vom 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - nicht gebildet. Es habe allein klargestellt, dass für die korrekte Abrechnung das MVZ selbst und nicht die dort tätigen Ärzte verantwortlich sei. Diese Verantwortung sei unteilbar und nicht delegierbar, was allerdings nicht bedeute, dass die Pflicht zur Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechungssammelerklärung allein den Geschäftsführer des MVZ treffe. Im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Befugnis, die Pflicht zur Unterzeichnung der Sammelerklärung dem ärztlichen Leiter des MVZ zuzuordnen. Die hierzu von der Antragsgegnerin angeführten Gesichtspunkte erschienen zwar nicht zwingend, zumal es durchaus denkbar sei, dass ein MVZ einen über die erforderlichen Qualifikationen und Kenntnisse verfügenden Geschäftsführer bestelle. Zu berücksichtigen sei aber, dass den ärztlichen Leiter die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der KV treffe. Dem auch die Abgabe der ordnungsgemäßen Abrechnungssammelerklärung für das MVZ zuzuordnen, erscheine jedenfalls nicht von vornherein fernliegend. Ungeachtet dessen verantworte das MVZ die Bestellung eines geeigneten ärztlichen Leiters und die Wahrheitsgemäßheit der Sammelerklärung. Der Auffassung der Antragstellerin, ein MVZ habe bei Fehlen einer der Zulassungsvoraussetzungen nach § 95 SGB V sechs Monate Zeit, diese wieder herzustellen, wobei eine dieser Voraussetzungen die Bestellung eines ärztlichen Leiters und dessen Genehmigung durch die KV sei, könne nicht in vollem Umfang beigetreten werden. Nach § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V sei einem MVZ die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzung des Absatzes 1 Satz 4 und 5 oder des Absatzes 1a Satz 1 länger als sechs Monate nicht mehr vorlägen. Diese Bestimmungen beträfen nicht die ärztliche Leistung des MVZ. Aus § 95 Abs. 6 Satz 4 SGB V in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung folge nichts anderes, da hierdurch einem MVZ nicht die Möglichkeit eingeräumt werde, sechs Monate ohne ärztliche Leitung vertragsärztlich tätig zu sein, sondern lediglich bis zum 30.06.2012 nachzuweisen, dass die ärztliche Leitung den ab 01.01.2012 geltenden Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspreche. Bei Vakanz, Tod oder Krankheit des ärztlichen Leiters könne eine Vertretung der ärztlichen Leitung eingerichtet werden. Für ein Ermessen bleibe kein Raum. Angesichts der für oder gegen eine Vollziehung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Gesichtspunkte sei der Antrag abzulehnen. Es sei nicht ersichtlich, dass das MVZ infolge der Vollziehung des Rückforderungsbescheides in seiner Existenz bedroht und deswegen die Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit gefährdet sein könnte. Gerichtsbekannt habe die Antragstellerin die vertragsärztliche Tätigkeit bereits seit mehreren Quartalen eingestellt und verfüge nicht mehr über einen (genehmigten) Vertragsarztsitz. Werde der Rückforderungsanspruch nicht freiwillig bedient, stehe dieser allenfalls der Haftungsmasse der hinter dem MVZ stehenden GmbH zur Verfügung. Dabei sei es nicht fernliegend, einen totalen Forderungsausfall einzukalkulieren.

Diese Entscheidung greift die Antragstellerin mit der Beschwerde an. Dieswe sei nicht verfristet. Zwar habe das SG eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis (EB) am 20.07.2015 veranlasst. Die Zustellung sei indes nicht wirksam und habe deswegen die Monatsfrist des § 173 Satz 1 Halbs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht auslösen können. Die Zustellung gegen EB sei nach § 63 Abs. 2 SGG, § 174 Abs. 1 und Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) erfolgt. Das EB habe Frau L als ausgebildete Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte am 20.07.2015 mit dem Vordruck "EINGEGANGEN" unterzeichnet, dem Datum 20.07.2015 gestempelt, eigenhändig unterschrieben und dann per Fax an das SG zurückgesandt. Frau L sei weder befugt noch ermächtigt, Empfangsbekenntnisse über die Zustellung nach § 63 Abs. 2 SGG, § 174 Abs. 1 u. 4 ZPO eigenhändig zu unterzeichnen und zurückzusenden. Es bestehe die strikte Weisung, sämtliche eingehende Post unverzüglich dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bzw. bei seiner Abwesenheit dem Vertreter vorzulegen. Im vorliegenden Fall sei dies nicht erfolgt. Weder das Empfangsbekenntnis vom 20.07.2015, noch das Empfangsbekenntnis vom 23.07.2015, seien den Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten Prof. Dr. S u.a. vorgelegt oder sonst zur Kenntnis gebracht worden. Der die Angelegenheit der Antragstellerin bearbeitende Rechtsanwalt U habe sich vom 17.07.2015 bis 03.08.2015 urlaubsbedingt in Übersee befunden und sei am 03.08.2015 zurückgekehrt. Erst am 04.08.2015 habe er den zuzustellenden Beschluss des SG als zugestellt entgegenommen. Die Frist beginne daher erst mit dem 04.08.2015. Die am 20.08.2015 beim SG eingegangene Beschwerde sei daher fristgerecht.

In der Sache trägt die Antragstellerin vor:
Die Entscheidung des SG widerspreche den gesetzlichen und vertragsarztrechtlichen Bestimmungen sowie der Rechtsprechung des BSG. Ein Gestaltungsspielraums für die Antragsgegnerin, die Pflicht zur Unterzeichnung der Sammelerklärung ausschließlich dem ärztlichen Leiter eines MVZ zuzuordnen, bestehe nicht. Auch § 35 BMV-Ä regele abschließend, wer die Sammelerklärung gegenüber der Antragsgegnerin abgeben müsse, nämlich der "abrechnende" Arzt. Nach § 1 Abs. 7 BMV-Ä gelte diese Regelung entsprechend für ein MVZ. Die Korrektheit der Leistungsabrechnung sowie die Abgabe einer wahrheitsgemäßen Abrechnungssammelerklärung lägen allein und ausschließlich im Verantwortungsbereich des MVZ und gerade nicht bei den dort tätigen Ärzten bzw. dem ärztlichen Leiter. Zu den Aufgaben der im MVZ tätigen Ärzte und damit auch des ärztlichen Leiters gehöre es nicht, die Abrechnung zu erstellen und zu kontrollieren sowie eine wahrheitsgemäße Abrechnungserklärung gegenüber der KV abzugeben. Der ärztliche Leiter sei für die Organisation der ärztlichen Versorgung verantwortlich und besitze weder die Geschäftsführungs- noch Vertretungsbefugnis. Die aus einer unrichtigen Sammelerklärung ergebenen Konsequenzen träfen allein das MVZ. Die eine rechtsverbindliche Erklärung über die Korrektheit der Leistungsabrechnung enthalte Abgabe einer Sammelerklärung setze eine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für das MVZ voraus. Sie - die Antragstellerin - werde als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) betrieben. Nach § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) werde eine GmbH allein durch den Geschäftsführer vertreten. Dies beinhalte auch die Vertretung des MVZ gegenüber der KV. Mit der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers gehe seine persönliche Haftung nach § 43 GmbHG einher. Es ist rechtlich nicht zu begründen, einen Geschäftsführer, dem allein die Vertretungsbefugnis für die Antragstellerin aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen obliege, bei Abrechnungsfehlern und Abgabe einer unrichtigen Sammelerklärung in Haftung zu nehmen, wenn er diese nicht unterzeichnen dürfe. Die Antragstellerin hafte dann für Erklärungen, die der ärztlichen Leiter als "Dritter" abgebe, ohne dass dieser hierzu aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Vertretungsbefugnis berechtigt sei. Diese "Vertretungsbefugnis" werde dem ärztlichen Leiter allein und einseitig sowie ohne Rechtsgrundlage durch die Antragsgegnerin "eingeräumt" und damit der eigentliche und ausschließliche gesetzliche Vertreter von einer Kernpflicht ausgeschlossen. § 1 Abs. 4 des HVM sei daher mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.07.2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 33 KA 288/14 anhängigen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014 anzuordnen sowie deren Vollziehung aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen

Sie meint, die Beschwerde sei verfristet. Der angegriffene Beschluss vom 20.07.2015 sei der Sozietät der Rechtsanwälte Prof. Dr. S am 20.07.2015 wirksam zugestellt worden. Die Beschwerde sei am 21.08.2015 beim SG eingegangen. Auf die Entgegennahme des Beschlusses durch den sachberarbeitenden Rechtsanwalt komme es nicht an. Im Übrigen entspreche der Beschluss des SG der Sach- und Rechtslage.

Mit Beschluss vom 25.11.2015 hat der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 12.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014 längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens hergestellt.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zutreffend hat das SG den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. In entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG nimmt der Senat hierauf Bezug. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden Entscheidung.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgerecht beim SG eingegangen (nachfolgend a)). Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben (nachfolgend b)).

a) Das SG hat den Bevollmächtigten der Antragstellerin den Beschluss vom 20.07.2015 in Ablichtung und als Ausfertigung gegen Empfangsbekenntnis (EB) am 20.07.2015 per Telekopie (Fax) und am 23.07.2015 per Post übersandt. Das EB wurde am 20.07.2015 als eingegangen unterzeichnet und dem SG an diesem Datum per Fax zurückgesandt. Die Beschwerde ging am 21.08.2015 beim SG ein. Die Antragstellerin meint, die Beschwerde sei nicht verfristet, weil das EB von einer hierzu nicht befugten Kanzleikraft unterzeichnet und zurückgesandt worden sei.

(1) Nach § 173 Satz 1 Halbs. 1 SGG ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung an den Rechtsmittelführer, also mit der Zustellung, wenn diese unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 i.V.m. § 135 oder § 133 Satz 2 SGG notwendig ist (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 174 Rdn. 5a; Frehse, in: Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 173 Rdn. 2). Zustellung ist die Bekanntgabe eines Schriftstücks in der durch die Zivilprozessordnung bestimmten Form (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 166 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 142 Abs. 2 SGG ist Zustellung von Beschlüssen nur vorgeschrieben, soweit sie nach mündlicher Verhandlung ergehen (§ 142 Abs. 1 i.V.m. § 135 SGG). Im Übrigen genügt die Bekanntgabe, die schriftlich ohne Zustellung oder mündlich erfolgen kann (Behn, in: Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Auflage, 9/2002, § 173 Rdn. 10). Bekanntgabe meint die Möglichkeit der tatsächlichen oder vollinhaltlichen Kenntnisnahme des fraglichen Schriftstücks (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Auflage, 2013, § 166 Rdn. 4).

Liefe die Monatsfrist ab Bekanntgabe, wäre die Beschwerdefrist nicht gewahrt. Der Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten am 20.07.2015 zugegangen. Mit diesem Datum hatten sie die Möglichkeit, den Inhalt zur Kenntnis zu nehmen. Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt die Frist mit dem Tag der Zustellung. Übertragen auf die Bekanntgabe begönne die Frist am 20.07.2015 (Montag) und endete mit Ablauf des desjenigen Tages des folgenden Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG), also am 20.08.2015 (Mittwoch). Die am 21.08.2015 eingegangene Beschwerde wäre verfristet.

(2) Abweichend von § 142 Abs.1 SGG schreibt § 63 Abs. 1 Satz 1 SGG vor, dass Entscheidungen dann zuzustellen sind, wenn eine Frist in Lauf gesetzt wird. Diese Norm verdrängt § 142 Abs. 1 SGG infolge Spezialität, denn gegen den Beschluss des SG ist die Beschwerde binnen der Frist des § 173 Satz 1 Halbs. 1 SGG statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG). Die Frist beginnt mit Zustellung (§ 64 Abs. 1 SGG) und endet nach Maßgabe des § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Frist begönne am 20.07.2015 und endete - wie in Fall der Bekanntgabe - am 20.08.2018. Die Beschwerde wäre verfristet.

Die Beschwerde wäre nur dann fristgerecht, wenn der Rechtsauffassung der Bevollmächtigten der Antragstellerin beigetreten werden könnte, wonach die Zustellung gegen EB nur und erst dann wirksam ist, wenn sie den Rechtsanwalt erreicht. Das wäre hier der der 04.08.2015, also der Tag, an dem Rechtsanwalt U das Schriftstück nach Rückkehr aus dem Urlaub entgegengenommen hat.

(3) Die Zustellung an einen Rechtsanwalt kann gemäß § 174 Abs. 1 ZPO gegen EB erfolgen, welches den Nachweis für die Zustellung erbringt (§ 174 Abs. 4 ZPO) und die Zustellungsurkunde nach § 182 ZPO ersetzt. Das ausgefüllte EB erbringt grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass das Schriftstück an dem vom Empfänger angegebenen Tag tatsächlich zugestellt wurde (§ 53 Abs. 2 Satz 1 SGG, §§ 174 und 418 Abs. 1 ZPO). Wird ein Schriftstück - wie hier der Beschluss des SG - einem Rechtsanwalt nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 174 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO in der Weise übermittelt, dass es ihm per Fax und mittels gewöhnlicher Briefpost gegen EB übersandt wird, so ist eine Zustellung mit dem bloßen Eingang des Fax bzw. der Briefkost in der Kanzlei des bevollmächtigten Anwalts noch nicht ohne weiteres bewirkt. Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es darauf an, dass der Rechtsanwalt selbst Kenntnis vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks genommen hat (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 27.06.2015 - 9 B 33/15 -; Urteil vom 24.05.1984 - 3 C 48.83 -; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 19.04.2012 - IX ZB 303/11 -; Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 12.01.2010 - 4 U 193/09 -; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Auflage, 2015, § 174 Rdn. 5b). Die Zustellungen nach § 174 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO setzen also voraus, dass das Schriftstück vom Zustellungsadressaten entgegengenommen worden ist. Das ist dann der Fall, wenn der Zustellungsadressat von der Zustellung des Schriftstücks Kenntnis erhält und die Bereitschaft bekundet, das Schriftstück entgegenzunehmen (BFH, Beschlüsse vom 01.03.2005 - X B 158/04 -, 14.09.1998 - VII B 135/98 -, 09.04.1987 - V B 111/86 -; BGH, Urteil vom 31.05.1979 - VII ZR 290/78 -). Auch § 174 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO verlangen, dass das zuzustellende Schriftstück von dem als Zustellungsadressat bezeichneten Rechtsanwalt als einem Organ der Rechtspflege persönlich als zugestellt entgegengenommen wird. Gelangt das Schriftstück zwar in seine Kanzlei und wird dort von einer Büroangestellten entgegengenommen, genügt das für eine wirksame Zustellung nicht (BFH, Beschlüsse vom 01.03.2005 - X B 158/04 - und 31.10.1996 - VIII B 11/96 -; BVerwG, Beschlüsse vom 25.01.1995 - 6 P 19.93 - und 17.05.1979 - 2 C 1.79 -; BGH, Beschluss vom 16.12.1981 - IVb ZB 570/81 -; Stöber, in: Zöller, ZPO, 31. Auflage, 2016, § 174 Rdn. 14). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Rechtsanwalt einen Dritten (z.B. seinen Kanzleivorsteher) zur Entgegennahme von Zustellungen nach § 174 Abs. 1 ZPO ermächtigt und dieser das zugestellte Schriftstück durch Unterzeichnung des EB als zugestellt entgegennimmt (BFH, Beschluss vom 01.03.2005 - X B 158/04 - und Urteil vom 20.01.1989 - III R 91/85 -; hierzu auch BGH, Urteil vom 10.06.1976 - IX ZR 51/75 -). Andererseits muss in einer Anwaltssozietät grundsätzlich jeder Anwalt als berechtigt angesehen werden, für einen Sozius Zustellungen entgegenzunehmen. Die gegenteilige Annahme wäre lebensfremd, weil sie davon ausginge, daß die Anwälte die praktischen Vorteile einer Assoziierung, hier also die Möglichkeit einer jederzeitigen gegenseitigen Vertretung, nicht wahrgenommen hätten (BGH, Urteil vom 10.06.1976 - IX ZR 51/75 -; Beschluss vom 10.07.1969 - VII ZB 13/69 -). In einer Sozietät ist daher grundsätzlich jeder Sozius berechtigt, Zustellungen für die anderen Angehörigen der Gesellschaft entgegenzunehmen (BFH, Beschluss vom 22.09.2015 - V B 20/15 -). Der fehlende Nachweis einer formgerechten Zustellung wird durch den tatsächlichen Zugang des Dokuments geheilt. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dafür, dass der Rechtsanwalt zumindest konkludent bestätigt, das Schriftstück selbst erhalten und als zugestellt entgegengenommen zu haben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.07.2015 - 9 B 33/15 und 29.04.2011 - 8 B 86.10 - sowie Urteil vom 17.05.2006 - 2 B 10.06 -).

(4) Übertragen auf die vorliegende Fallgestaltung bedeutet dies: Das EB war adressiert mit "Herr Rechtsanwalt Prof. Dr. S u.a., I-straße 00, E". Dem entspricht das Schreiben des SG vom 20.07.2015, mit dem gegen EB eine Ablichtung und eine Ausfertigung des Beschlusses übersandt wurden. Adressat war hiernach nicht allein Rechtsanwalt U in seiner Funktion als sachbearbeitender Anwalt. Adressat waren alle in der Kanzlei tätigen Sozien. Insoweit ist es unerheblich, ob und wann Rechtsanwalt U infolge Urlaubs abwesend war und wann er das Schriftstück entgegengenommen hat. Die Kanzlei erfasst ausweislich des Schriftsatzes vom 21.08.2015 weitere 11 Anwälte. Es reicht aus, wenn der zugegangene Beschluss einem dieser Anwälte vorgelegt worden wäre. Das allerdings bestreiten die Bevollmächtigten.

Lässt sich der wirksame Zugang eines EB nicht nachweisen, trifft die verfahrensrechtliche Beweislast grundsätzlich den Absender, hier also das SG (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.07.2015 - 9 B 33/15 -; Urteil vom 25.04.2005 - 1 C 6/04 - ). Der Absender hat im Bestreitensfall zu beweisen, das Schriftstück abgesandt zu haben und dass es formgerecht zugegangen ist. Vorliegend ist nicht der Zugang als solcher streitig, es geht um die Wirksamkeit der Zustellung. Die Kanzlei der Bevollmächtigten hat den Beschluss als empfangsbereit entgegengenommen und das unterzeichnete EB dem SG per Fax zurückgesandt. Dem Feld "EINGEGANGEN" auf dem Vordruck "Empfangsbekenntnis" folgt der handschriftliche Eintrag "E, i.A. L", der allerdings das dahinterliegende Datum überschreibt. Zu identifizieren ist lediglich "Juli 2015". Das Datumsfragment "20." ergibt sich daraus, dass das EB am 20.07.2014 als Fax beim SG eingegangen ist.

Die verfahrensrechtliche Beweislast dafür, dass die das EB unterzeichnende Kanzleiangestellte hierzu nicht befugt war, hat die Antragstellerin. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Er ist allerdings nicht schon dann erbracht, wenn lediglich die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht; vielmehr sind an einen solchen Gegenbeweis in dem Sinne "strenge Anforderungen" zu stellen, dass zur Überzeugung des Gerichts die Beweiswirkung des EB vollständig entkräftet und damit jede Möglichkeit seiner Richtigkeit ausgeschlossen sein muss (vgl. BFH, Beschluss vom 22.09.2015 - V B 20/15 -; Beschluss vom 23.02.2006 - IX B 206/05 -; Beschluss vom 31.10.1996 - III B 11/96 -). Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast führen zum selben Ergebnis. Sind die beweispflichtigen Tatsachen der internen Sphäre dem an sich nicht beweisbelasteten Beklagten zuzuordnen und kann allerdings nur er hierüber Auskunft geben, ist es dem Kläger faktisch unmöglich, sich hierzu substantiiert zu äußern. Im Amtshaftungsprozess und im Staatshaftungsprozess wegen Entschädigung nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) erfordert danach die effektive Durchsetzung z.B. des aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) folgenden Beschleunigungsgebots eine sekundäre Darlegungslast des Staates zumindest hinsichtlich interner Abläufe und der Einzelheiten eventueller Organisationsmängel (zum Amtshaftungsprozess: BVerfG, Beschluss vom 22.08.2013 - 1 BvR 1067/12 -; hierzu auch BGH, Urteil vom 14.11.2013 - III ZR 376/12 -). Die Darlegungslast hinsichtlich der kanzleiinternern Organisation liegt mithin bei der Antragstellerin. Diesen Anforderungen ist sie mit einer für das einstweilige Rechtsschutzverfahren (noch) hinreichenden Substantiierung nachgekommen. Allerdings mutet es durchaus befremdlich an, dass die Kanzleikraft die "strikte Weisung" nicht befolgt haben soll, sämtliche eingehende Post dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bzw. in dessen Abwesenheit dem Vertreter vorzulegen. Der Senat hat deswegen die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Verfügung vom 01.02.2016 aufgefordert, das tatsächliche Vorbringen zu den Behauptungen:

- "Bei der Büroangestellten der Prozessbevollmächtigten handelt es sich um Frau L, eine ausgebildete Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte."

- "Frau L war weder befugt noch ermächtigt Empfangsbekenntnisse über die Zustellung nach § 63 Abs. 2 SGG, § 174 Abs. 1 u. 4 ZPO eigenhändig zu unterzeichnen und zurückzusenden."

- "Es besteht die strikte Weisung, sämtliche eingehende Post unverzüglich dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt bzw. bei seiner Abwesenheit dem Vertreter vorzulegen."

- "Im vorliegenden Fall ist dies nicht erfolgt. Weder das Empfangsbekenntnis vom 20. Juli 2015, noch das Empfangsbekenntnis vom 23. Juli 2015, wurde den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin, den Rechtsanwälten Prof. Dr. S u.a. vorgelegt, oder sonst wie zur Kenntnis gebracht."

durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO).

Das ist geschehen. Mit Schriftsatz vom 03.02.2016 haben die Bevollmächtigten eine beglaubigte Abschrift des Rechtsanwaltsgehilfenbriefs sowie je eine eidesstattliche Versicherung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts U und des ihn vertretenden Rechtsanwalts S vorgelegt. Danach war die Kanzleikraft nicht befugt, das EB zu unterzeichnen und zurückzusenden. Statt dessen bestand die Weisung, eingehende Schriftstücke unverzüglich Rechtsanwalt U bzw. in dessen Urlaubsabwesenheit dem Vertreter (Rechtsanwalt S) vorzulegen, was unterblieb. Die fraglichen Behauptungen sind hiernach glaubhaft gemacht. Soweit der BFH im Beschluss vom 22.09.2015 - V B 20/15 - einen Gegenbeweis verlangt, greift das über die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu stellenden Anforderungen hinaus. Dem vorläufigen Charakter dieses Verfahrens entsprechend reicht es aus, wenn zu beweisende Tatsachen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 921 Satz 2 ZPO).

Aus alldem folgt, dass der Beschluss des SG nicht wirksam zugestellt worden ist. Die Rechtsbehelfsfrist lief daher nicht schon ab dem 20.07.2015, sondern erst ab persönlicher Entgegennahme durch Rechtsanwalt U am 04.08.2015. Die am 21.08.2015 beim SG eingegangene Beschwerde war daher nicht verfristet.

b) Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst, ist ein Rechtsschutzbedürfnis, denn jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (Keller, a.a.O., vor § 51 Rdn. 16; Frehse, a.a.O., vor § 143 Rdn. 5 und § 86b Rdn. 26), mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER -, 12.07.2012 - L 11 KA 39/12 B ER -, 13.04.2011 - L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -, 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -, 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -, 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER - und 02.04.2009 - L 11 KA 2/09 ER -). Im Interesse der Entlastung der Gerichte ist das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint (Senat, Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER -, 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -, 12.07.2012 - L 11 KA 39/12 B ER -, 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -; vgl. auch Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 12 f.). Zugunsten der Antragstellerin kann ein solches Rechtsschutzbedürfnis angesichts des bisherigen Verfahrensablaufs, der gegenläufigen Interessen der Beteiligten und der von der Antragsgegnerin jedenfalls im Schriftsatz vom 05.02.2015 formulierten Erwägung, ihr sei es nicht zuzumuten, die Vollziehung des von ihr erlassenen Verwaltungsakts wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit auszusetzen, angenommen werden.

2. Der Streitgegenstand des Verfahrens bedarf der Klärung. Der Antrag war gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 07.07.2014 gegen den Bescheid vom 12.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014. Diesen Bescheid meint die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 14.02.2014 aufgehoben zu haben. Das erweist sich als fragwürdig. Ein Bescheid kann verfahrensrechtlich nur nach Maßgabe der §§ 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder spezieller Regelungen des Vertragsarztrechts wie den Vorschriften über sachlich-rechnerische Berichtigungen (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V) aufgehoben werden. Der Bescheid vom 14.02.2014 benennt keine Rechtsgrundlage. Abgesehen davon, dass er die aufgehobenen Honorarbescheide statt der Quartale II/2013 bis IV/2013 auf die Quartale II/2013 und III/2013 eingrenzt und die Rückforderung von 153.611,64 EUR auf 135.819,69 EUR reduziert, ist dieser Bescheid wortgleich mit dem Bescheid vom 12.02.2014. Der Senat versteht den Bescheid vom 14.02.2014 daher so, dass die Antragsgegnerin den Bescheid vom 12.02.2014 schlicht ersetzt hat (zu den Voraussetzungen für ersetzende Bescheide s. BSG, Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 4/11 R -). Das war jedenfalls innerhalb der Rechtsbehelfsfrist möglich, weil es die Antragstellerin begünstigt. Streitbefangen ist daher allein der Bescheid vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014. Das SG hat angenommen, dass es der Antragstellerin ungeachtet ihres Antrags letztlich um den Bescheid vom 14.02.2014 geht, weil die Klage in der Hauptsache gegen diesen Bescheid gerichtet ist. Eine solche Auslegung ist vertretbar. Streitgegenstand ist daher der Bescheid vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014.

3. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben. Das SG hat den Antrag zutreffend abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Zwar ist in § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG lediglich die Rede von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung, doch wird wegen der gleichen Zielrichtung auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von dieser Norm erfasst (Senat, Beschlüsse vom 17.07. 2013 - L 11 KA 101/12 B ER -, 20.05.2009 - L 11 B 5/09 KA ER -, 13.04.2011 - L 11 KA 133/10 B ER und L 11 KA 17/11 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.10.2006 - L 10 B 15/06 KA ER -; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 03.08.2006 - L 4 B 269/04 KA ER -).

In Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ist eine Differenzierung in Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch nicht vorzunehmen. Demgegenüber wird für die Prüfung, ob und inwieweit die streitige Regelung wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, in beiden Varianten des § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (z. B. Art. 12, 14 GG) eingreifenden Regelung abgestellt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER -). Hingegen nennt § 86b Abs. 1 SGG keine Voraussetzungen für den Erfolg des Eilantrags. Demzufolge ist zu klären, welcher Maßstab für die richterliche Eilentscheidung entscheidend ist (Senat, Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -). Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Der Senat hat als Eingangskriterium festgelegt, dass die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen sind (Senat, Beschlüsse vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -). Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund (Senat, Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER -, 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien für die Entscheidung nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (Senat, Beschlüsse vom Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER -, 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -). Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist (vgl. auch Begründung zum 6. SGG-ÄndG BT-Drs. 14/5943 zu Nr. 34). Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung nur ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Vergleichbares gilt, wenn der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie im Fall der Regressfestsetzung durch den Beschwerdeausschuss nach Durchführung einer Richtgrößenprüfung in § 106 Abs. 5a Satz 11 SGB V ausdrücklich ausgeschlossen hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom Beschlüsse vom 19.05.2014 - L 11 KA 99/13 B ER - und 31.08.2011 - L 11 KA 24/11 B ER -). Einen solchen Fall regelt auch § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Danach haben Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung

b) Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es ggf. auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an. Diese haben indessen keine solche Bedeutung wie im Anwendungsbereich des § 86b Abs. 2 SGG, da sie dort in der Form des Anordnungsgrundes gleichrangig neben dem Anordnungsanspruch stehen. Für § 86b Abs. 1 SGG sind wirtschaftliche Interessen ein Kriterium neben einer Vielzahl anderer in die Abwägung einzubeziehender Umstände und können - je nach Sachlage - auch von untergeordneter Wertigkeit sein (Senat, Beschluss vom 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -). Hieraus folgt, dass der Antrag nicht schon am fehlenden Anordnungsgrund scheitert. Mit Zweitbescheid vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014 hob die Antragsgegnerin die Honorarbescheide für die Quartale II/2013 und III/2013 auf und forderte einen Betrag von 135.819,,69 EUR zurück. Ob angesichts dieser Größenordnung ein Anordnungsgrund i.S.d. § 86b Abs. 2 SGG gegeben wäre, wird maßgeblich durch die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin bestimmt (zu den Anforderungen ausführlich Senat, Beschluss vom 09.05.2012 - L 11 KA 90/11 B ER -). Das SG hat sich hierzu geäußert. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Letztlich kommt es hierauf nicht entscheidend an. Bei einer Entscheidung nach § 86b Abs. 1 SGG hat - wie aufgezeigt - eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen zu erfolgen (vgl. Senat, Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -).

Hieraus ist herzuleiten: Ist der angefochtene Bescheid überwiegend wahrscheinlich rechtmäßig, greift die Regel; die Ausnahme käme nur zum Zug, wenn gravierende private Interessen ausnahmsweise ein Abweichen von der Regel erfordern. Wäre hingegen der angefochtene Bescheid überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig, spräche dies gegen ein öffentliches Interesse am Vollzug; dennoch wäre eine Interessenabwägung geboten. Erweist sich der angefochtene Bescheid hingegen als offenkundig rechtswidrig, reduziert sich das öffentliche Interesse "auf Null". Der Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides mag zwar von einem übergeordneten öffentlichen Interesse getragen sein, dieses jedoch ist wegen Art. 20 Abs. 3 GG nicht schutzwürdig, solange der Bescheid nicht rechtmäßig ist (Senat, Beschlüsse vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER - und 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -).

c) Der Widerspruchsbescheid vom 10.06.2014 ist nicht schon deswegen aufhebbar, weil Dr. I ihn als einer von drei Mitgliedern der bei der Beschwerdegegnerin eingerichteten Widerspruchsstelle verantwortet, obgleich er als Vorsitzender des Bezirksstellenrates der Bezirksstelle L auch den Bescheid vom 14.02.2014 unterzeichnet hat.

aa) Der Vorsitzende des Bezirksstellenrates Dr. I war im Widerspruchsverfahren ungeachtet dessen, dass er den Bescheid vom 14.02.2014 unterzeichnet hat, nicht ausgeschlossen. Die im Verwaltungsverfahren zum Ausschluss führenden Umstände listet § 16 Abs. 1 SGB X auf. Die Norm gilt auch im Rechtsbehelfsverfahren (BSG, Urteil vom 19.03.1997 - 6 RKa 35/95 -). Aus dem Katalog des § 16 Abs. 1 SGB X kann allenfalls dessen Nr. 5 greifen. Danach darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies gilt nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist und nicht für Beschäftigte bei Betriebskrankenkassen (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 19.03.1997 - 6 RKa 35/95 -, wonach ein Krankenkassenbediensteter von der Mitwirkung im Beschwerdeausschusses in der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil er zuvor im Verwaltungsverfahren die Interessen seiner Kasse vertreten hat). Dr. I ist als Vorsitzender der Bezirksstelle L möglicherweise in einem dem Vorstand oder Aufsichtsrat "gleichartigen Organ" tätig. Allerdings ist die KV als die das Verwaltungsverfahren betreibenden Behörde nicht Beteiligte i.S.d. § 16 Abs. 1 SGB X, was mit der gebotenen Deutlichkeit aus § 12 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X folgt. Dr. I ist daher jedenfalls nicht nach § 16 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen.

bb) Würde allerdings § 60 Abs. 2 SGG auf das Widerspruchsverfahren angewendet, wäre der Bescheid formell fehlerhaft und ggf. aufhebbar. Nach § 60 Abs. 2 SGG ist von der Ausübung des Amtes als Richter (auch) ausgeschlossen, wer bei dem vorangehenden Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Die Regelung bezieht sich auch auf ehrenamtliche Richter und betrifft damit die im Vertragsarztrecht nicht seltene Variante, dass einer der für den Rechtsstreit zuständigen ehrenamtlichen Richter für die am Streitverfahren beteiligte KV schon im Widerspruchsverfahren tätig war (z.B. BSG, Urteil vom 13.12.2000 - B 6 KA 42/00 R - zum Ausschluss eines ehrenamtlichen Richters, der im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren im Prothetik-Einigungsausschuss tätig war). Eine vergleichbare Regelung sieht das SGB X für das Verwaltungsverfahren nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 60 Abs. 2 SGG auf das Widerspruchsverfahren scheidet aus. Der Katalog des § 16 Abs. 1 SGB X wird als abschießend bezeichnet (Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 16 Rdn. 5; Hissnauer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 16 Rdn. 5). Dem ist zuzustimmen. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift. Das entspricht der Rechtslage zu § 60 SGG i.V.m. § 41 ZPO. Die Ausschließungsgründe in § 41 ZPO sind abschließend (BFH, Beschluss vom 12.09.2007 - X B 18/03 -; LSG Hessen, Urteil vom 13.07.2005 - L 6/7 KA 564/02-; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.06.1998 - L 5 S 2/98 -). Eine erweiternde Auslegung scheidet aus (BGH, Urteil vom 04.12.1989 - RiZ(R) 5/89 -; Senat, Beschlüsse vom 03.09.2014 - L 11 SF 201/13 EK AS - und 04.12.2013 - L 11 SF 398/13 EK AS -). Infolgedessen ist es methodisch nicht tragbar, den Ausschließungsgrund des § 60 Abs. 2 SGG auf das Widerspruchsverfahren anzuwenden. Im Übrigen fehlt es an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Hierzu ist die besondere Funktion des Widerspruchsverfahrens zu berücksichtigen. Zutreffend verweist die Beschwerdegegnerin insoweit auf die Rechtsprechung des BSG, das zum Beschwerdeausschuss ausgeführt hat (BSG, Urteil vom 16.03.1967 - 6 RKa 19/66 -):

"Dem Beschwerdeausschuß kommt nicht die gerichtsähnliche Funktion zu, die das LSG ihm beigemessen hat. Wie der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 30. November 1965 (BSG 24, 134, 135 f.) unter Hinweis auf die Vorgeschichte der Regelung über das Vorverfahren (§§ 77 SGG ff) näher dargelegt hat, sollen die Widerspruchsstellen nach dem ihnen zugedachten Zweck keine "neutralen" Einrichtungen sein. Das Vorverfahren soll gerade nicht Rechtsmittelinstanz sein; es soll nicht bereits Teil des in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) garantierten Rechtsweg sein. Vielmehr soll das Vorverfahren ein Verfahren der Verwaltung sein. Vor allem soll die Verwaltung davor geschützt werden, voreilig verklagt zu werden, bevor sie nicht noch einmal ihren Verwaltungsakt selbst hat überprüfen können, was zugleich auch auf eine Entlastung der Gerichte hinausläuft. Somit erübrigt sich sowohl jede "Objektivierung" des Vorverfahrens als auch eine besondere Gewährleistung der "Unabhängigkeit" der Widerspruchsstelle oder ihres "sachlichen" oder "persönlichen" Abstands zu dem angefochtenen Verwaltungsakt."

Sowohl § 16 SGB X als auch § 60 Abs. 2 SGG sind danach nicht analogiefähig. Ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 17 SGB X erfüllt waren, ist im Beschwerdeverfahren nicht erheblich.

d) Der Bescheid vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014 erweist sich auch im Übrigen nicht als offensichtlich rechtswidrig.

aa) Nach § 1 Abs. 4 des HVM idF vom 01.01.2014 gilt:

"Voraussetzung der Abrechnung ist, dass alle Leistungserbringer die vom Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein für die Abrechnung festgesetzten Erklärung(en) auf Vordruck (Gesamtaufstellung) ordnungsgemäß und vollständig abgeben. Dabei sind von den Leistungserbringern die für das jeweilige Quartal von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zur Verfügung gestellten Vordrucke zu benutzen. In der Gesamtaufstellung ist durch Unterschrift zu bestätigen, dass der Unterzeichner die Verantwortung für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen trägt, weil er sie selbst erfüllt oder sich von deren Erfüllung persönlich überzeugt hat. Im letzten Fall genügt bei einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) die Unterschrift eines Partners. Bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) und bei Krankenhäusern ist die Unterschrift des ärztlichen Leiters erforderlich."

Die Gesamtaufstellungen für die Quartale II/2013 und III/2013 hat der ärztliche Leiter des MVZ unstreitig nicht unterschrieben. Sofern die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung entfiele und damit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches fehlen würde, wäre der auf der Honorarabrechnung in Verbindung mit der durch Unterschrift bestätigten ordnungsgemäßen Abrechnung beruhende Honorarbescheid fehlerhaft. Die Antragsgegnerin wäre berechtigt, wenn nicht verpflichtet, die fehlerhaften Honorarbescheide aufzuheben und das Honorar neu festzusetzen (grundlegend BSG, Urteil vom 17.09.1997 - 6 RKa 86/95 -; s. auch Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 41/03 R -). Das ist geschehen, indem die Antragsgegnerin die Honorarbescheide für II/2013 und III/2013 in Höhe von 135.819,69 EUR aufgehoben hat.

bb) Der Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM verstößt nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht gegen höherrangiges Recht.

(1) Der HVM bindet die Antragstellerin, die als zugelassenes MVZ (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB V) Mitglied der Antragsgegnerin (§ 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V) und deren Rechtsetzungsgewalt unterworfen ist (§ 95 Abs. 3 Satz 3 SGB V).

(2) Die Antragsgegnerin hat in § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM bestimmt, dass der ärztliche Leiter des MVZ die Gesamtaufstellung zu unterzeichnen hat. Demgegenüber meint die Antragstellerin, die Antragsgegnerin sei aus Rechtsgründen gezwungen, dem Geschäftsführer die Unterzeichnungspflicht zuzuweisen. Als Varianten kommen in Betracht, dass jeder eine vertragsärztliche Leistung für das MVZ erbringende und dort angestellte Arzt eine eigene Abrechnung erstellt und per Unterschrift bestätigt oder die Unterschriftpflicht dem nichtärztlichen Leiter zugewiesen wird.

(a) Ärztlicher Leiter / nichtärztlicher Leiter
Nach summarischer Prüfung der Rechtslage spricht viel dafür, die Unterschriftspflicht dem ärztlichen Leiter aufzuerlegen. Das ergibt sich wie folgt: Die maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Teilnahme eines MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung normieren § 95 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 2 Sätze 5 bis 10, Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB V. Die Legaldefinition des MVZ enthält § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit den Worten: "Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind." Hiernach ist für ein MVZ konstitutiv, dass es einen ärztlichen Leiter hat. Anders gewendet: Fehlt der Einrichtung ein ärztlicher Leiter, ist es jedenfalls kein MVZ i.S.d. SGB V. Nach § 95 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 i.d.F. des GKV-Versorgungsstrukturgesetz (BGBI I 2983) muss der ärztliche Leiter im MVZ als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R -). Zu § 95 Abs. 1 SGB V hat das BSG das zutreffend wie folgt hergeleitet: Die Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz (BGBl I 2003, 2190), mit dem die Bestimmungen über die MVZ in das SGB V eingefügt worden seien, enthielten keine expliziten Aussagen zu den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Qualifikation des ärztlichen Leiters eines MVZ. Ein Hinweis habe sich allenfalls daraus ergeben, dass durch § 95 Abs. 1 Satz 6 Halbs. 2 SGB V, wonach ein MVZ nur von Leistungserbringern gegründet werden könne, die aufgrund von Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag an der medizinischen Versorgung der Versicherten teilnähmen, sichergestellt werden solle, dass eine primär an medizinischen Vorgaben orientierte Führung der Zentren gewährleistet werde (BSG, a.a.O., unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 15/1525, S. 108). Das führe zwar nicht zwingend zu dem Schluss, dass der ärztliche Leiter eines MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen müsse. Immerhin sei dem aber die Vorstellung zu entnehmen, dass mit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich eine in erster Linie an medizinischen Vorgaben ausgerichtete Leistungserbringung verbunden sei (BSG, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen meint das Merkmal "ärztlich geleitete Einrichtung" in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V, dass ein vom Träger weisungsunabhängiger, selbst im MVZ tätiger leitender Arzt zu bestimmen ist, der auch im MVZ angestellt sein kann. Dieser Arzt trägt die Gesamtverantwortung für die von den angestellten Ärzten erbrachten Leistungen (hierzu BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R -). Der ärztliche Leiter muss nicht auf der Ebene des Vorstands oder der Geschäftsführung angesiedelt sein (zutreffend Ramolla, in: Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, § 95 Rdn. C 95-179; Möller/Dahm/Remplik, Handbuch Medizinrecht, 9. Kapitel, S. 54). Das Gesetz verlangt keine Organstellung (Dahm, in: Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren, Kapitel III Rdn. 38).

Zum Umfang der Leitungsbefugnis äußert sich § 95 Abs. 1 SGB V nicht. Vielmehr lässt sich der Begriff der "ärztlichen Leitung" unter Rückgriff auf § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. den Krankenhausgesetzen der Länder präzisieren. Nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 ist ein Krankenhaus eine Einrichtung, die u.a. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung steht. Was hierunter zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Zurückzugreifen ist auf die landesrechtlichen Krankenhausgesetze (Wigge, in: Schnapp/Wigge, a.a.O., § 6 Rdn. 70; Möller/Dahm/Remplik, a.a.O., 9. Kapitel, Rdn. 52; Dahm, in: Dahm/Möller/Ratzel, Rechtshandbuch Medizinische Versorgungszentren, Kapitel III Rz 35). In § 35 Abs. 1 Satz 2 Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (KHGG NRW) vom 11.12.2007 (GV. NRW. S. 702, ber. 2008 S. 157, in Kraft getreten am 29.12.2007; geändert durch Gesetz vom 16.03.2010 (GV. NRW. S. 184), in Kraft getreten am 31.03.2010; Art. 8 des Gesetzes vom 14.02.2012 (GV. NRW. S. 97), in Kraft getreten am 25.02.2012; Gesetz vom 25.3.2015 (GV. NRW. S. 302), in Kraft getreten am 01.04.2015) ist bestimmt, dass an der Betriebsleitung eines Krankenhauses eine Leitende Ärztin oder ein Leitender Arzt, die Leitende Pflegekraft und die Leiterin oder der Leiter des Wirtschafts- und Verwaltungsdienstes zu beteiligen sind. Das ist auf § 107 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu übertragen und wird hier dadurch angereichert, dass die ärztliche Leitung sich auf den fachlich-medizinischen Teil erstrecken muss. Die solchermaßen präzisierte Leitungsbefugnis greift auch im Fall eines MVZ (§ 95 Abs. 1 SGB V). M.a.W.: Der ärztliche Leiter ist in medizinischen Angelegenheiten keinerlei Weisungen der Gesellschafter unterworfen (vgl. Möller/Dahm/Remplik, a.a.O., 9. Kapitel, Rdn. 54). Das BSG hat dies im Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - zutreffend wie folgt zusammengefasst:

"Der im MVZ tätige Arzt reduziert mit der Entscheidung, seine Tätigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung in einem MVZ auszuüben, seinen Pflichtenkreis im technisch-administrativen Bereich; dem Arzt diese Möglichkeit zu bieten, war eines der Ziele bei der Schaffung des Rechtsinstituts des MVZ (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 7 RdNr 22; siehe auch BT-Drucks 15/1525 S 108). Er behandelt die Patienten und muss dem MVZ gegenüber deutlich machen, welche Leistungen er wann bei welchem Patienten erbracht hat. Die Erstellung und Kontrolle der Abrechnung gegenüber der KÄV ist hingegen Sache des MVZ, was für den dort tätigen Arzt - im Vergleich mit dem in eigener Praxis tätigen Vertragsarzt - den Vorteil hat, sich mit den administrativen Aufgaben nicht befassen zu müssen. Das hat auf der anderen Seite unvermeidlich die Konsequenz, dass dies dem MVZ obliegt: Der Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes korrespondiert die volle Verantwortung des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung. Mit diesen Zuständigkeiten ist der zentrale Verantwortungsbereich des MVZ beschrieben; die Verantwortung für die organisatorischen Abläufe und für die Leistungsabrechnung kennzeichnen den Kern der Aufgaben des MVZ, sie stehen nicht wie beim Vertragsarzt neben der Aufgabe der Patientenbehandlung. Die korrekte Gestaltung der Leistungserbringung und der Leistungsabrechnung sind die bei weitem wichtigste Aufgabe des MVZ; unterlaufen ihm dabei Versäumnisse, so betrifft dies den Kern seiner vertragsarztrechtlichen Pflichten und nicht nur ´bürokratische Nebenaufgaben´. Daher ist bei der Entscheidung darüber, ob einem MVZ eine gröbliche Pflichtverletzung zur Last fällt, für die Überlegung, ob ihm auch gesundheitliche Gefährdungen von Patienten anzulasten sind, grundsätzlich kein Raum."

Der ärztliche Leiter ist in die Leitung des MVZ einzubinden und muss jedenfalls für den fachlich-medizinischen Bereich zuständig sein. Ob und inwieweit er in die Leitungsfragen im Übrigen eingebunden ist, bleibt im Einzelfall nach Opportunitätsgesichtspunkten zu regeln. Daneben bleibt es dem MVZ unbenommen, einen nichtärztlichen Leiter zu installieren. Vorgeschrieben ist dies indessen nicht. Der Rechtsträger des MVZ ist insoweit frei. Er kann sich mit einem ärztlichen Leiter begnügen: er kann einen ärztlichen und einen nichtärztlichen Leiter vorsehen. Zufolge der normativen Vorgaben ist es allerdings nicht gestattet, ein MVZ nur mit einem nichtärztlichen Leiter einzurichten. Eine solche Institution wäre infolge der Legaldefinition des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V kein MVZ i.S.d. Gesetzes.

Aus vorgenannten Zusammenhängen ergibt sich: Der ärztliche Leiter trägt die Gesamtverantwortung für die von den angestellten Ärzten erbrachten Leistungen (BSG, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R -). Schon das legt es nahe, die Wirksamkeit der Honorarabrechnung davon abhängig zu machen, dass sie vom ärztlichen Leiter unterzeichnet wird. Ohnehin ist die Bestellung eines ärztlichen Leiters obligat: Ohne ärztlichen Leiter kein MVZ i.S.d. SGB V. Der nichtärztliche Leiter kann hingegen, muss indessen nicht installiert werden. Insofern liegt es fern, wenn ein HVM bestimmen würde, dass die Gesamtaufstellung vom nichtärztlichen Leiter zu quittieren wäre. Ein MVZ wäre dann gehalten, allein aus diesem Grunde einen nichtärztlichen Leiter zu berufen. Das wäre tendenziell sachwidrig. All dies deutet darauf hin, dass § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM insoweit rechtmäßig ist.

(b) Angestellte Ärzte
Würde der HVM den im MVZ tätigen Ärzten auferlegen, eigene Abrechnungen zu erstellen und einzureichen, wäre dies gesetzwidrig. Das MVZ als juristisch-virtuelles Konstrukt ist als solches nicht handlungsfähig. An der vertragsärztlichen Versorgung nimmt es teil, indem seine Angestellten vertragsärztliche Leistungen erbringen. Die angestellten Ärzte sind zwar Mitglieder der KV (§ 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V), indessen werden die von ihnen erbrachten Leistungen dem MVZ zugerechnet. Vertragsarztrechtlich ist Leistungserbringer nicht der angestellte Arzt sondern das MVZ. Aus dieser normativen Konzeption folgt, dass die im MVZ angestellten Ärzte von administrativen Tätigkeiten weitergehend freigestellt sein sollen (so vertiefend BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R -). Leistungserbringer ist das MVZ, dass sich hierzu den Hilfe bei ihm angesteller Ärzte bedient. Hieraus leitet das BSG (a.a.O.) zutreffend her, dass das MVZ für die Leistungsabrechnung verantwortlich ist. Dann aber wäre es gesetzwidrig, wenn ein HVM dem angestellten Arzt die Verantwortung für die Abrechnung zuweisen würde. Soweit § 35 Abs. 2 Satz 2 BMV-Ä die Worte "vom abrechnenden Arzt" verwendet, steht dies nicht entgegen. Abrechnender Arzt ist nicht der angestellte Arzt des MVZ, sondern das MVZ selbst.

(c) Geschäftsführer der GmbH
Die Antragstellerin war als GmbH tätig. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG wird eine GmbH gerichtlich und außergerichtlich durch den Geschäftsführer vertreten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann hieraus nicht hergeleitet werden, dass ein HVM die Unterschriftsverpflichtung allein diesem zuweisen muss und andere Varianten wie jene des streitbefangenen § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM ausgeschlossen wären.

(aa) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft vor Gericht, gegenüber Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, bei Verbänden und bei der Stellung eines Strafantrags. Er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Handeln des Geschäftsführers im Außenverhältnis ist Handeln der Gesellschaft (Schneider/Schneider/Hohenstatt, in: Scholz, GmbHG, 11. Auflage, 2012-2015, § 35 Rdn. 23). Die organschaftliche Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers ist unbeschränkt. Von der Vertretungsbefugnis gedeckt ist daher auch der Abschluss von Rechtsgeschäften, die mit dem Gesellschaftszweck und die mit dem Unternehmensgegenstand nicht vereinbar sind (Schneider/Schneider/Hohenstatt, a.a.O., § 35 Rdn. 25).

Das deutet daraufhin, dass der Geschäftsführer des in Form einer GmbH betriebenen MVZ kraft Gesetzes gehalten ist, die Gesamtaufstellung zu unterzeichnen, mithin § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM mit normativen Vorgaben kollidiert. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM in den Regelungsbereich des § 35 Abs. 1 GmbHG eingreift. Das wäre nur dann der Fall, wenn § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM einen Bezug zum Rechtsbegriff "Vertretung" hätten. Das muss nicht so sein. Der in § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM postulierten Verpflichtung ist die "Verantwortung" dafür immanent, dass die Leistungsabrechnung "peinlichst genau" erfolgt. Verstößt ein Vertragsarzt hiergegen, kann dies nicht nur zu Honorarrückforderungen sondern wegen gröblicher Pflichtverletzung zum Entzug der Zulassung führen (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 -). Das könnte bedeuten, dass der HVM keinen Vertretungsfall, sondern lediglich eine Wissenserklärung mit einer Verantwortungszuweisung betrifft. Selbst wenn auch diese dem Regelungsgehalt des § 35 Abs. 1 GmbHG zugewiesen würde, bliebe weiter zu klären, ob und ggf. inwieweit die zivilrechtliche Rechtslage durch öffentlich-rechtliche Normen des Vertragsarztrecht verdrängt werden kann. Das ist grundsätzlich möglich. So ist eine Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlicher Hinsicht als fortbestehend anzusehen und nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig, solange sie noch Pflichten aus ihrem Status zu erfüllen hat oder ihr hieraus noch Rechte zustehen (BSG, Urteil vom 07.02.2007 - B 6 KA 6/06 R -; zur parallelen Rechtslage im Steuerrecht: BFH, Urteil vom 27.04.2000 - I R 65/98 -).

(bb) Zu erwägen ist ferner:
Ein MVZ kann auch in der Rechtsform einer GmbH betrieben werden (so ausdrücklich § 95 Abs. 2 Satz 6 i.d.F. des Gesetzes vom 22.12.2006 (BGBl I 3439)). Im Übrigen können sich die Gründer jeder nach der deutschen Rechtsordnung zulässigen Organisationsform bedienen. In Betracht kommen daher auch BGB-Gesellschaft, Partnergesellschaft, juristische Personen des Privatrechts wie Aktiengesellschaft, rechtsfähiger Verein und Genossenschaft (hierzu Hencke, in: Peters, SGB V, 19. Auflage, 75. Lfg., Stand 01.07.2010, § 95 Rdn. 10d). Würden die Erwägungen der Antragstellerin greifen, müsste der HVM ggf. für jede dieser Rechtsformen eine gesonderte Unterschriftzeichnung ausweisen. Vertretungsbefugnis und Geschäftsführung sind nicht einheitlich geregelt. Die Vertretungsmacht in einer BGB-Gesellschaft (§ 714 BGB) ist z.B. akzessorisch zur Geschäftsführung (§ 709 BGB). Die Führung der Geschäfte steht den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 709 Abs. 1 Halbs. 1 BGB). Für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§ 709 Abs. 1 Halbs. 2 BGB). Hiervon kann abgewichen werden, indem die Geschäftsführung einem Gesellschafter oder mehreren Gesellschaftern übertragen wird (§ 710 BGB).

Aber auch dann, wenn das MVZ in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird, ergeben sich bei der von der Antragstellerin verfochtenen Lösung vielfältige Probleme. Zwar wird die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich durch den Geschäftsführer vertreten (§ 25 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Fraglich ist, was im Fall der Führungslosigkeit gilt. § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nimmt diese Situation zwar in den Blick, regelt aber nur den Fall, dass der Gesellschaft gegenüber Willenserklärungen abzugeben sind oder Schriftstücke zugestellt werden. Überdies kann die GmbH mehrere Geschäftsführer haben (§ 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Geklärt werden müsste, ob die Gesamtaufstellung wegen gemeinschaftlicher Vertretung (§ 35 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GmbHG) von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen wäre oder aber der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt (§ 35 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 GmbHG).

(3) Soweit die Antragstellerin meint, aus der Entscheidung des BSG vom 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R - herleiten zu können, dass die Sammelerklärung vom GmbH-Geschäftsführer unterzeichnet werden muss, geht das fehl. Das BSG weist lediglich die Verantwortung für die Abrechnung dem MVZ zu und hat allein klargestellt, dass für die Korrektheit der Abrechnung das MVZ selbst und nicht die dort tätigen Ärzte verantwortlich sind. Die solchermaßen nicht teilbare und nicht delegierbare Verantwortung bewirkt, dass das MVZ gegenüber den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht auf ein eventuelles Fehlverhalten der dort tätigen Ärzte verweisen kann. Das bedeutet indes nicht, dass die Pflicht zur Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechungssammelerklärung allein den Geschäftsführer des MVZ trifft. Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers haben die KVen auch die Befugnis, die Pflicht zur Unterzeichnung der Sammelerklärung dem ärztlichen Leiter des MVZ zuzuordnen. Wesentlich ist insofern, dass dem ärztlichen Leiter eines MVZ die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der KV obliegt (BGS, Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 33/10 R -). Dieser Gesamtverantwortung auch die Abgabe der ordnungsgemäßen Abrechnungssammelerklärung für das MVZ zuzuordnen, erscheint durchaus naheliegend. Das MVZ trifft insoweit die Verantwortung dafür, einen geeigneten ärztlichen Leiter zu bestellen und über ihn eine wahrheitsgemäße Sammelerklärung abzugeben.

(4) Nach summarischer Prüfung scheint es keine normative Vorgabe zu geben, die es der Antragsgegnerin verbietet, die durch die Unterschrift dokumentierte Verantwortung für die Gesamtaufstellung dem ärztlichen Leiter des MVZ zuzuweisen. Eine vertiefende Klärung der vom Senat angedeuteten Rechtsfragen bleibt, soweit entscheidungserheblich, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

3. Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen, der Beschwerde stattzugeben. Es spricht viel dafür, dass § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM rechtmäßig ist. Das zugrunde gelegt, war die Abrechnungssammelerklärung fehlerhaft. Da der Honoraranspruch ohne ordnungsgemäße Abrechnungserklärung nicht entsteht, war die Antragsgegnerin zu Rückforderung verpflichtet. Gegenläufige Individualinteressen sind weder dargetan noch ersichtlich. Die bereits eingeleitete Zwangsvollstreckung musste die Antragsgegnerin infolge des Beschlusses des Senats vom 25.11.2015 vorläufig einstellen. Dadurch war die Antragstellerin bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens geschützt. Im Übrigen kann die Existenz der Antragstellerin nicht von der Vollziehung des Rückforderungsbescheides abhängen, da sie die vertragsärztliche Tätigkeit, so das SG, bereits seit mehreren Quartalen eingestellt hat und nicht mehr über einen genehmigten Vertragsarztsitz verfügt. Der Rückforderungsanspruch wird daher allenfalls aus der hinter dem MVZ stehenden Träger-GmbH bedient werden können und ohnehin ein totaler Forderungsausfall drohen.

Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

III.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Streitsache. Maßgebend ist grundsätzlich dessen wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (std. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 26.03.2012 - L 11 KA 134/11 B -, 17.10.2011 - L 11 KA 123/10 - 09.08.2011 - L 11 KA 27/11 B -). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen.

In dem auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren kann keine endgültige Zuweisung der geltend gemachten Forderungen erfolgen. Das zu berücksichtigende Interesse der Antragstellerin war allein darauf gerichtet, zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens das rückgeforderte Honorar behalten zu dürfen, um darüber verfügen zu können. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch den Zeitfaktor "Länge des Verfahrens" und durch das Zinsinteresse bestimmt (vgl. dazu Beschlüsse des Senats vom 15.04.2015 - L 11 KA 107/14 B -, 07.11.2011 - L 11 KA 110/11 B -, 04.10.2011 - L 11 KA 50/11 B -, 28.02.2011 - L 11 KA 63/10 B - und vom 31.08.2011 - L 11 KA 24/11 B ER). Angesichts der finanziellen Situation der Antragstellerin bzw. der Träger-GmbH ist Zinsinteresse darauf gerichtet, den zurückgeforderten Betrag nicht durch eine Zwischenfinanzierung ausgleichen zu müssen. Die Dauer des Hauptsacheverfahrens vor dem SG schätzt der Senat auf zwei Jahre. Angesichts eines Zinssatzes von derzeit max. 5 % ergibt sich somit ein Zinsinteresse von 5 % auf 135.819,69 EUR = 6.790,99 EUR x 2 = 13.581,98 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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