Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 KR 371/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 SF 75/16 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Beklagten, die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2015 - S 27 KR 371/15 - auszusetzen, hilfsweise von einer Sicherheitsleistung von 12.600,00 EUR abhängig zu machen, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beklagte begehrt die Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgericht (SG) Düsseldorf vom 03.12.2015 ( S 27 KR 371/15).
Streitig ist der Eintritt der Genehmigungsfiktion bei einer Sachleistung (ambulante Liposuktion).
Die an einem Lipödem leidende Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Dort beantragte sie Kostenübernahme nach einem Kostenvoranschlag von 12.600,00 EUR für eine ambulante Liposuktion der unteren und oberen Extremitäten in drei Eingriffen unter Vorlage von diese Behandlung befürwortenden ärztlichen Stellungnahmen. Die Klägerin behauptet, diesen Antrag am 23.12.2014 bei der Geschäftsstelle der Beklagten in M abgegeben zu haben. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.02.2015 ab. Bei der begehrten Therapie handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht von den gesetzlichen Krankenkasse finanziert werden dürfe. Der Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bewirke nicht, dass die beantragte Leistung als genehmigt gelte, führe allenfalls zu einem Kostenerstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung. Der Anspruch sei auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen beschränkt. Hierzu zähle die Liposuktion nicht.
Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte eine Stellungnahme vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 09.03.2015 ein. Dieser führte aus, dass die in der Regel ambulant durchzuführende Therapie mangels Empfehlung des GBA nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden dürfe, als Therapie der Wahl gelte die komplexe Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, ggf. apparative Lymphdrainage). Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 zurück und führte u.a. aus, dass die Genehmigungsfiktion keinen Sachleistungs- sondern nur einen Erstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung begründe, der auf dem Grunde nach übernahmefähige Leistungen der GKV beschränkt sei.
Mit ihrer am 04.05.2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 03.12.2015 verpflichtet, die Kosten für eine ambulante Liposuktion in drei Sitzungen der oberen und unteren Extremitäten zu übernehmen. Es hat ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 beschwere die Klägerin. Diese Bescheide seien rechtswidrig, weil die Klägerin von der Beklagten die Kostenzusage für die begehrte ambulante Liposuktion in drei Sitzungen der oberen und unteren Extremitäten nach § 13 Abs. 3a SGB V beanspruchen könne. Die Beklagte habe die Entscheidungsfrist aus § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten. Sie habe ohne Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme weder binnen drei Wochen über den Antrag entschieden noch der Klägerin rechtzeitig schriftlich und unter Darlegung der Gründe mitgeteilt, dass sie die Frist nicht einhalten könne. Rechtsfolge der Fristversäumung sei der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Der Versicherte sei bei Eingreifen der Genehmigungsfiktion nicht auf den Weg der Selbstbeschaffung und Kostenerstattung beschränkt (wird unter Darlegung der Gesetzeshistorie und Bezugnahme auf Rechtsprechung weiter ausgeführt). Der (fingierte) Sachleistungsanspruch bestehe unabhängig davon, ob diese Behandlung den sonstigen Leistungsvoraussetzungen des SGB V genüge (Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V und Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus § 135 SGB V). Das Wirksamwerden der Genehmigungsfiktion hänge ausschließlich von der Nichteinhaltung der Frist oder der fehlenden schriftlichen Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist ab, nicht dagegen von der Einhaltung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V oder der sonstigen Voraussetzungen (wird unter Bezugnahme auf zitierte Rechtsprechung weiter ausgeführt).
Dieser Entscheidung hat die Beklagte mit der am 18.01.2015 anhängig gemachten Berufung angegriffen. Dieses Verfahren wird vor dem Senat zum Az. L 11 KR 28/16 geführt.
Die Beklagte beantragt,
die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2015 - S 27 KR 371/15 - auszusetzen, hilfsweise von einer Sicherheitsleistung von 12.600,00 EUR abhängig zu machen.
Die Klägerin meint, der Antrag könne keinen Erfolg haben. Eine Aussetzung komme nur in Ausnahmefällen in Betracht. Das sei nur dann gegeben, wenn das eingelegte Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg habe. Daran fehle es indessen.
II.
Der Antrag ist abzulehnen. Die Voraussetzungen des § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind nicht gegeben.
1. Der Antrag ist zulässig. Gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG stellen alle gerichtlichen Entscheidungen Vollstreckungstitel dar, wenn sie keine aufschiebende Wirkung haben. Eine Zwangsvollstreckung ist hiernach zulässig, wenn gegen eine Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt wird oder bei Durchführung des Rechtsmittelverfahrens keine aufschiebende Wirkung eintritt. Die Entscheidungen brauchen nicht rechtskräftig zu sein. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung stellt eine Ausnahme dar, er ist im SGG für Einzelfälle bei der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens angeordnet (vgl. §§ 154, 165, 175 SGG).
Die Beklagte hat Berufung eingelegt (§ 143 SGG). Dies bewirkt aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a SGG Aufschub bewirkt (§ 154 Abs. 1 SGG). Klagen i.S.d. § 86a SGG sind nur isolierte Anfechtungsklagen, weil der Anwendungsbereich des § 154 Abs. 1 SGG hierauf beschränkt ist (Landessozialgericht )LSG) Bayern, Beschluss vom 16.12.2004 - L 18 SB 132/04 -; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 154 Rdn. 2), denn diese Rechtsschutzform hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, entfaltet ihre Gestaltungswirkung vielmehr ohne Vollstreckung aus sich heraus (Frehse, in: Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 154 Rdn. 3). Die Klägerin hat in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass § 154 Abs. 1 SGG nicht greift. Die Regelung des § 154 Abs. 2 SGG steht dem Antrag nicht entgegen. Hiernach bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Darum geht es hier nicht. Die Klägerin begehrt Kostenübernahme für eine ambulante Liposuktion.
2. Der Antrag ist nicht begründet.
a) Umstritten ist, nach Maßgabe welcher Kriterien die Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG zu treffen ist.
aa) Nach überwiegender Auffassung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (Bundessozialgericht (BSG), Beschlüsse vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R - und 26.11.1991 - 1 RR 10/91 - ; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 199 Rdn 8 m.w.N.; Erkelenz, in: Jansen, a.a.O., § 199 Rdn. 20 m.w.N.). Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten, wenn der Vollstreckungsaussetzungsantrag abgelehnt, das Urteil anschließend aber aufgehoben wird, gegenüber den Folgen, die eintreten, wenn dem Vollstreckungsaussetzungsantrag stattgegeben, die Berufung später aber zurückgewiesen wird. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Vollstreckbarkeit von nicht rechtskräftigen Entscheidungen ein Ausnahmefall von der Grundregel darstellt, wobei ein obsiegender Beteiligter ein gesetzlich geschütztes Interesse hat, die ihm zustehenden Leistungen umfassend und zügig zu erhalten (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch; vgl. BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 -). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt, wenn der Vollstreckungsschuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil erleiden würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht (BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 -; LSG Bayern, Beschluss vom 27.05.2009 - L 18 R 178/09 ER -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -).
bb) Streitig ist weiter, inwieweit bei der Ermessensentscheidung die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu berücksichtigen ist. Hierzu wird vertreten, dass der in § 154 Abs. 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, wonach Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer, a.a.O., § 199 Rdn 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -). Der Gesetzgeber habe ausdrücklich eine Regelung zur Vollstreckung in § 154 Abs. 2 SGG getroffen und dabei auch das generelle Interesse des Leistungsträgers berücksichtigt, Leistungen erst bei endgültiger Klärung der Sach- und Rechtslage zu erbringen, indem nur die aufschiebende Wirkung der Berufung für Beträge, die für die Zeit vor Erlass des Urteils zu zahlen sind, angenommen wurde. Eine Aussetzung kommt danach z.B. nur in Betracht, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Erfolg hat (LSG Bayern, Beschluss vom 28.04.2009 - L 20 R 299/09 ER -). Teilweise wird vertreten, eine Aussetzung der Vollstreckung könne auch angeordnet werden, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich sei, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem Rechtsmittel in wesentlichem Umfang Erfolg haben werde (LSG Bayern, Beschluss v. 20.04.2009 - L 13 R 57/09 ER -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -).
Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung des Ausspruchs an. Dazu gehört auch die Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die gewährten Leistungen zurückzuerhalten (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 26.01.2006 - L 8 AS 403/06 ER - und 27.04.2007 - L 8 AS 1503/07 ER -; LSG Bayern, Beschluss vom 13.11.2008 - L 18 U 392/08 ER -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner konkret und glaubhaft vorzutragen sind (LSG Bayern, Beschluss vom 27.05.2009 - L 18 R 178/09 ER -).
cc) Teils wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG um eine gebundene Entscheidung handelt (BSG, Urteil vom 09.08.1999 - B 4 RA 25/98 B -; offen gelassen von LSG Bayern, Beschlüsse vom 15.05.2009 - L 2 U 60/09 ER -; 08.02.2006 - L 10 AS 17/06 ER -, 29.08.2005 - L 13 KN 6/05 ER -). Dies wird damit begründet, dass § 199 Abs. 2 SGG keine Regelungen darüber enthalte, unter welchen Voraussetzungen die Aussetzung der Zwangsvollstreckung bei Rechtsmitteln zu erfolgen habe. Deshalb sei auf §§ 719, 707 Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzugreifen. Dies folge aus der in § 198 Abs. 1 SGG angeordneten entsprechenden Anwendung des Achten Buches der ZPO. Nach §§ 719, 707 ZPO ordnet das Gericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde; und zwar gegebenenfalls auch dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers dem entgegen steht (hierzu Erkelenz, in: Jansen, SGG, § 199 Rdn. 21).
Dem folgt der Senat nicht. Nach § 198 Abs. 1 SGG gelten für die Vollstreckung die Vorschriften des Achten Buches der ZPO entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Letzteres ist der Fall. Zutreffend ist zwar, dass § 199 Abs. 2 SGG keine Kriterien für die Entscheidung des Gerichts festlegt. Indes ist dies keine Sonderheit. Eine vergleichbare Situation ergibt sich für § 86a Abs. 2 SGG bzw. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Auch dort sind die Abwägungsmaßstäbe nicht genannt (hierzu Frehse, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, § 23 Rdn. 101 und Rdn. 115). Dies bewirkt indes nur, dass auf vergleichbare Regelungen des SGG zurückgegriffen werden kann (z.B. von § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG auf § 86b SGG und von § 86b Abs.1 Nr. 2 SGG auf § 86b Abs. 2 SGG). Einer Anwendung der §§ 719, 707 ZPO bedarf es nicht (hierzu schon Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -).
b) Die Entscheidung erfolgt nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage. Das Gericht entscheidet aufgrund präsenter Beweismittel. Die Beteiligten haben die für ihre Interessen bedeutsamen Umstände vorzutragen und glaubhaft zu machen (Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -; Erkelenz, a.a.O., § 199 Rdn. 22). Wird mit dem LSG Bayern (Beschlüsse vom 30.07.2015 - L 7 AS 473/15 ER - und 28.04.2009 - L 20 R 299/09 ER -) angenommen, dass eine Aussetzung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, etwa weil das Rechtsmittel der Beklagten offensichtlich Erfolg haben wird, so hat der Aussetzungsantrag keinen Erfolg. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V sind umstritten. Das SG hat sich mit den anstehenden Rechtsfragen unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung ausführlich auseinandergesetzt. Ob und inwieweit der Senat dem folgt, ist offen. Soweit vertreten wird, dass eine Aussetzung der Vollstreckung auch angeordnet werden kann, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem Rechtsmittel in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (LSG Bayern, Beschluss vom 20.04.2009 - L 13 R 57/09 ER -), führt auch das nicht weiter. Die Erfolgsaussichten sind derzeit nicht überschaubar. Die grundsätzliche Klärung der relevanten Rechtsfragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Bei dieser Sachlage kommt auch keine Aussetzung gegen Sicherheitsleitung in Betracht.
III.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beklagte begehrt die Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgericht (SG) Düsseldorf vom 03.12.2015 ( S 27 KR 371/15).
Streitig ist der Eintritt der Genehmigungsfiktion bei einer Sachleistung (ambulante Liposuktion).
Die an einem Lipödem leidende Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Dort beantragte sie Kostenübernahme nach einem Kostenvoranschlag von 12.600,00 EUR für eine ambulante Liposuktion der unteren und oberen Extremitäten in drei Eingriffen unter Vorlage von diese Behandlung befürwortenden ärztlichen Stellungnahmen. Die Klägerin behauptet, diesen Antrag am 23.12.2014 bei der Geschäftsstelle der Beklagten in M abgegeben zu haben. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.02.2015 ab. Bei der begehrten Therapie handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht von den gesetzlichen Krankenkasse finanziert werden dürfe. Der Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bewirke nicht, dass die beantragte Leistung als genehmigt gelte, führe allenfalls zu einem Kostenerstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung. Der Anspruch sei auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen beschränkt. Hierzu zähle die Liposuktion nicht.
Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte eine Stellungnahme vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 09.03.2015 ein. Dieser führte aus, dass die in der Regel ambulant durchzuführende Therapie mangels Empfehlung des GBA nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden dürfe, als Therapie der Wahl gelte die komplexe Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, ggf. apparative Lymphdrainage). Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2015 zurück und führte u.a. aus, dass die Genehmigungsfiktion keinen Sachleistungs- sondern nur einen Erstattungsanspruch nach Selbstbeschaffung begründe, der auf dem Grunde nach übernahmefähige Leistungen der GKV beschränkt sei.
Mit ihrer am 04.05.2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 03.12.2015 verpflichtet, die Kosten für eine ambulante Liposuktion in drei Sitzungen der oberen und unteren Extremitäten zu übernehmen. Es hat ausgeführt: Der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2015 beschwere die Klägerin. Diese Bescheide seien rechtswidrig, weil die Klägerin von der Beklagten die Kostenzusage für die begehrte ambulante Liposuktion in drei Sitzungen der oberen und unteren Extremitäten nach § 13 Abs. 3a SGB V beanspruchen könne. Die Beklagte habe die Entscheidungsfrist aus § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht eingehalten. Sie habe ohne Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme weder binnen drei Wochen über den Antrag entschieden noch der Klägerin rechtzeitig schriftlich und unter Darlegung der Gründe mitgeteilt, dass sie die Frist nicht einhalten könne. Rechtsfolge der Fristversäumung sei der Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Der Versicherte sei bei Eingreifen der Genehmigungsfiktion nicht auf den Weg der Selbstbeschaffung und Kostenerstattung beschränkt (wird unter Darlegung der Gesetzeshistorie und Bezugnahme auf Rechtsprechung weiter ausgeführt). Der (fingierte) Sachleistungsanspruch bestehe unabhängig davon, ob diese Behandlung den sonstigen Leistungsvoraussetzungen des SGB V genüge (Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V und Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus § 135 SGB V). Das Wirksamwerden der Genehmigungsfiktion hänge ausschließlich von der Nichteinhaltung der Frist oder der fehlenden schriftlichen Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist ab, nicht dagegen von der Einhaltung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 SGB V oder der sonstigen Voraussetzungen (wird unter Bezugnahme auf zitierte Rechtsprechung weiter ausgeführt).
Dieser Entscheidung hat die Beklagte mit der am 18.01.2015 anhängig gemachten Berufung angegriffen. Dieses Verfahren wird vor dem Senat zum Az. L 11 KR 28/16 geführt.
Die Beklagte beantragt,
die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.12.2015 - S 27 KR 371/15 - auszusetzen, hilfsweise von einer Sicherheitsleistung von 12.600,00 EUR abhängig zu machen.
Die Klägerin meint, der Antrag könne keinen Erfolg haben. Eine Aussetzung komme nur in Ausnahmefällen in Betracht. Das sei nur dann gegeben, wenn das eingelegte Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg habe. Daran fehle es indessen.
II.
Der Antrag ist abzulehnen. Die Voraussetzungen des § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind nicht gegeben.
1. Der Antrag ist zulässig. Gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG stellen alle gerichtlichen Entscheidungen Vollstreckungstitel dar, wenn sie keine aufschiebende Wirkung haben. Eine Zwangsvollstreckung ist hiernach zulässig, wenn gegen eine Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt wird oder bei Durchführung des Rechtsmittelverfahrens keine aufschiebende Wirkung eintritt. Die Entscheidungen brauchen nicht rechtskräftig zu sein. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung stellt eine Ausnahme dar, er ist im SGG für Einzelfälle bei der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens angeordnet (vgl. §§ 154, 165, 175 SGG).
Die Beklagte hat Berufung eingelegt (§ 143 SGG). Dies bewirkt aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a SGG Aufschub bewirkt (§ 154 Abs. 1 SGG). Klagen i.S.d. § 86a SGG sind nur isolierte Anfechtungsklagen, weil der Anwendungsbereich des § 154 Abs. 1 SGG hierauf beschränkt ist (Landessozialgericht )LSG) Bayern, Beschluss vom 16.12.2004 - L 18 SB 132/04 -; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, 2014, § 154 Rdn. 2), denn diese Rechtsschutzform hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, entfaltet ihre Gestaltungswirkung vielmehr ohne Vollstreckung aus sich heraus (Frehse, in: Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 154 Rdn. 3). Die Klägerin hat in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), so dass § 154 Abs. 1 SGG nicht greift. Die Regelung des § 154 Abs. 2 SGG steht dem Antrag nicht entgegen. Hiernach bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Darum geht es hier nicht. Die Klägerin begehrt Kostenübernahme für eine ambulante Liposuktion.
2. Der Antrag ist nicht begründet.
a) Umstritten ist, nach Maßgabe welcher Kriterien die Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG zu treffen ist.
aa) Nach überwiegender Auffassung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (Bundessozialgericht (BSG), Beschlüsse vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R - und 26.11.1991 - 1 RR 10/91 - ; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 199 Rdn 8 m.w.N.; Erkelenz, in: Jansen, a.a.O., § 199 Rdn. 20 m.w.N.). Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten, wenn der Vollstreckungsaussetzungsantrag abgelehnt, das Urteil anschließend aber aufgehoben wird, gegenüber den Folgen, die eintreten, wenn dem Vollstreckungsaussetzungsantrag stattgegeben, die Berufung später aber zurückgewiesen wird. Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Vollstreckbarkeit von nicht rechtskräftigen Entscheidungen ein Ausnahmefall von der Grundregel darstellt, wobei ein obsiegender Beteiligter ein gesetzlich geschütztes Interesse hat, die ihm zustehenden Leistungen umfassend und zügig zu erhalten (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch; vgl. BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 -). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung erfolgt, wenn der Vollstreckungsschuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil erleiden würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht (BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 -; LSG Bayern, Beschluss vom 27.05.2009 - L 18 R 178/09 ER -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -).
bb) Streitig ist weiter, inwieweit bei der Ermessensentscheidung die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu berücksichtigen ist. Hierzu wird vertreten, dass der in § 154 Abs. 2 SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, wonach Berufungen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer, a.a.O., § 199 Rdn 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -). Der Gesetzgeber habe ausdrücklich eine Regelung zur Vollstreckung in § 154 Abs. 2 SGG getroffen und dabei auch das generelle Interesse des Leistungsträgers berücksichtigt, Leistungen erst bei endgültiger Klärung der Sach- und Rechtslage zu erbringen, indem nur die aufschiebende Wirkung der Berufung für Beträge, die für die Zeit vor Erlass des Urteils zu zahlen sind, angenommen wurde. Eine Aussetzung kommt danach z.B. nur in Betracht, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Erfolg hat (LSG Bayern, Beschluss vom 28.04.2009 - L 20 R 299/09 ER -). Teilweise wird vertreten, eine Aussetzung der Vollstreckung könne auch angeordnet werden, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich sei, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem Rechtsmittel in wesentlichem Umfang Erfolg haben werde (LSG Bayern, Beschluss v. 20.04.2009 - L 13 R 57/09 ER -; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -).
Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung des Ausspruchs an. Dazu gehört auch die Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die gewährten Leistungen zurückzuerhalten (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 26.01.2006 - L 8 AS 403/06 ER - und 27.04.2007 - L 8 AS 1503/07 ER -; LSG Bayern, Beschluss vom 13.11.2008 - L 18 U 392/08 ER -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner konkret und glaubhaft vorzutragen sind (LSG Bayern, Beschluss vom 27.05.2009 - L 18 R 178/09 ER -).
cc) Teils wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Entscheidung nach § 199 Abs. 2 SGG um eine gebundene Entscheidung handelt (BSG, Urteil vom 09.08.1999 - B 4 RA 25/98 B -; offen gelassen von LSG Bayern, Beschlüsse vom 15.05.2009 - L 2 U 60/09 ER -; 08.02.2006 - L 10 AS 17/06 ER -, 29.08.2005 - L 13 KN 6/05 ER -). Dies wird damit begründet, dass § 199 Abs. 2 SGG keine Regelungen darüber enthalte, unter welchen Voraussetzungen die Aussetzung der Zwangsvollstreckung bei Rechtsmitteln zu erfolgen habe. Deshalb sei auf §§ 719, 707 Zivilprozessordnung (ZPO) zurückzugreifen. Dies folge aus der in § 198 Abs. 1 SGG angeordneten entsprechenden Anwendung des Achten Buches der ZPO. Nach §§ 719, 707 ZPO ordnet das Gericht die Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde; und zwar gegebenenfalls auch dann, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers dem entgegen steht (hierzu Erkelenz, in: Jansen, SGG, § 199 Rdn. 21).
Dem folgt der Senat nicht. Nach § 198 Abs. 1 SGG gelten für die Vollstreckung die Vorschriften des Achten Buches der ZPO entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Letzteres ist der Fall. Zutreffend ist zwar, dass § 199 Abs. 2 SGG keine Kriterien für die Entscheidung des Gerichts festlegt. Indes ist dies keine Sonderheit. Eine vergleichbare Situation ergibt sich für § 86a Abs. 2 SGG bzw. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG. Auch dort sind die Abwägungsmaßstäbe nicht genannt (hierzu Frehse, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, § 23 Rdn. 101 und Rdn. 115). Dies bewirkt indes nur, dass auf vergleichbare Regelungen des SGG zurückgegriffen werden kann (z.B. von § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG auf § 86b SGG und von § 86b Abs.1 Nr. 2 SGG auf § 86b Abs. 2 SGG). Einer Anwendung der §§ 719, 707 ZPO bedarf es nicht (hierzu schon Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -).
b) Die Entscheidung erfolgt nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage. Das Gericht entscheidet aufgrund präsenter Beweismittel. Die Beteiligten haben die für ihre Interessen bedeutsamen Umstände vorzutragen und glaubhaft zu machen (Senat, Beschlüsse vom 28.06.2013 - L 11 SF 74/13 ER - und 12.06.2012 - L 11 SF 181/12 ER -; Erkelenz, a.a.O., § 199 Rdn. 22). Wird mit dem LSG Bayern (Beschlüsse vom 30.07.2015 - L 7 AS 473/15 ER - und 28.04.2009 - L 20 R 299/09 ER -) angenommen, dass eine Aussetzung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, etwa weil das Rechtsmittel der Beklagten offensichtlich Erfolg haben wird, so hat der Aussetzungsantrag keinen Erfolg. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V sind umstritten. Das SG hat sich mit den anstehenden Rechtsfragen unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung ausführlich auseinandergesetzt. Ob und inwieweit der Senat dem folgt, ist offen. Soweit vertreten wird, dass eine Aussetzung der Vollstreckung auch angeordnet werden kann, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Vollstreckungsschuldner mit seinem Rechtsmittel in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (LSG Bayern, Beschluss vom 20.04.2009 - L 13 R 57/09 ER -), führt auch das nicht weiter. Die Erfolgsaussichten sind derzeit nicht überschaubar. Die grundsätzliche Klärung der relevanten Rechtsfragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Bei dieser Sachlage kommt auch keine Aussetzung gegen Sicherheitsleitung in Betracht.
III.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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