L 14 R 534/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 34 R 229/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 534/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 6.5.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für die Zeit ab dem 1.7.2014 Bewilligung von (abschlagfreier) Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach Maßgabe der zum 1.7.2014 in Kraft getretenen Vorschrift des § 236 b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Der am 00.00.1949 geborene Kläger war vom 1.4.1964 bis zum 31.7.2009 weitgehend versicherungspflichtig beschäftigt; nur der Monat Oktober 1968 wies eine Pflichtbeitragszeit bei Wehrdienst / Zivildienst aus. Der Zeitraum vom 1.4.1964 bis 31.3.1967 erfasste Pflichtbeitragszeiten bei beruflicher Ausbildung; vom 1.8.2007 bis zum 31.7.2009 war der Kläger in - mit Pflichtbeitragszeiten belegter - Altersteilzeitarbeit tätig, welche am 23.12.2003 vereinbart wurde.

Am 7.4.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten Altersrente nach Altersteilzeitarbeit, welche diese ihm mit Bescheid vom 24.6.2009 ab dem 1.8.2009 in Höhe von 1.444,26 Euro brutto monatlich bewilligte: Der Kläger habe 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit ausgeübt und das 60. Lebensjahr vollendet. Die Regelaltersgrenze werde mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 15.7.2014 erreicht. Für jeden Kalendermonat der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente vermindere sich der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003. Vorliegend seien 60 Kalendermonate zu berücksichtigen, d.h. der Zugangsfaktor reduziere sich um 60 x 0,003 = 0,180 auf insgesamt 0,820. Der Kläger erhob gegen diesen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid, dessen Zugang nicht bestritten wurde, keinen Widerspruch.

Durch Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 (BGBl. I, S. 787, 788) wurde § 236 b SGB VI mit Wirkung zum 1.7.2014 eingeführt, demzufolge Versicherte, die vor dem 1.1.1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für besonderes langjährig Versicherte haben, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben.

Bereits am 5.6.2014 hatte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung dieser abschlagfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend mit dem 1.7.2014 beantragt: Alle vor dem 1.1.1942 geborenen Versicherten könnten gemäß § 237 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 SGB VI seit 1999 abschlagfrei nach 45 Pflichtbeitragsjahren Altersrente ab Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten; allen vor dem 1.1.1953 geborenen Versicherten sei dies nunmehr gemäß § 236 b Abs. 2 S. 1 SGB VI ab dem 1.7.2014 - allerdings erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres - möglich. Dass er wegen seines bereits erfolgten Renteneintritts nicht in den Genuss dieser Neuregelung komme, sei gleichheitswidrig. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 25.6.2014 ab, da nach bindender Bewilligung einer Altersrente ein Wechsel in eine andere Rente wegen Alters gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ausgeschlossen sei.

Im Widerspruchsverfahren (Widerspruchseingang am 10.7.2014) erklärte der Kläger, keine "Umwandlung" seiner bisherigen Altersrente in die ab dem 1.7.2014 mögliche Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu begehren. Vielmehr gehe es ihm um die Neufestsetzung einer Altersrente beginnend mit dem 1.7.2014 nach Maßgabe des § 236 b Abs. 2 S. 1 SGB VI unter Berücksichtigung eines ungekürzten Zugangsfaktors von 1,0.

Die Beklagte stellte mit Schreiben vom 21.7.2014 diesbezüglich klar, dass die mit Abschlägen festgestellte Altersrente nach Altersteilzeitarbeit mangels gesetzlicher Grundlage nicht mit einem Zugangsfaktor von 1,0 neu festgestellt werden könne.

Der Kläger führte weiter aus, dass die Neuregelung in § 236 b Abs. 2 S. 1 SGB VI "Bestandsrentner" mit 45 Pflichtbeitragsjahren nicht nur gleichheitswidrig benachteilige (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]), sondern auch deren Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG verletze. Zudem sei bereits der Altersrentenbescheid vom 24.6.2009 rechtswidrig, da ihm im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (Beschluss vom 11.11.2008, Az. 1 Bvl 3/05, in: juris) von Anfang an Altersrente mit einem ungekürzten Zugangsfaktor zugestanden habe, was er zu prüfen bitte. Dies unterblieb bislang.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.1.2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.6.2014 zurück. Nach § 306 Abs. 1 SGB VI werde eine Rente allein aus Anlass einer Rechtsänderung nicht neu bestimmt. Seit dem 1.7.2014 sei das Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz in Kraft. Es enthalte unter anderem Verbesserungen bei der Rente für besonders langjährig Versicherte. Diese Verbesserungen wirkten sich jedoch erst bei Renten mit einem Rentenbeginn ab dem 1.7.2014 aus.

Im Klageverfahren (Klageeingang am 12.2.2015) hat der Kläger seine Rechtsauffassung konkretisiert: Bei der Gruppe der Versicherten mit 45 Pflichtbeitragsjahren werde ohne rechtfertigenden Grund zwischen Neu- und Bestandsrentnern unterschieden. Zudem gehe es nicht nur um den Schutz der Bestandsrentner im Allgemeinen sondern auch um den Schutz der Rentenanwartschaften mit 45 Pflichtbeitragsjahren. Die Neuregelung des § 236 b Abs. 2 S. 1 SGB VI und die Vorschrift über die Berechnung des Zugangsfaktors für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten in § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a SGB VI seien daher verfassungswidrig.

Das Sozialgericht (SG) hat im Hinblick auf die vertretene verfassungsrechtliche Position des Klägers ein Urteil des SG Dortmund vom 12.6.2015, Az. S 61 R 108/15 (in: juris), zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Das SG hat - ausgehend von dem sinngemäßen Antrag des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.6.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 zu verurteilen, ihm anstelle der gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab 1.7.2014 eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu zahlen - mit Urteil vom 6.5.2016 die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Wechsel von der seit dem 1.8.2009 bezogenen Altersrente in eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b SGB VI. Nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente sei der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ausgeschlossen. Demzufolge könnten Rentner, die bereits eine Altersrente mit Abschlägen bezögen, nicht in eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach Vollendung des 63. Lebensjahres wechseln. Gegen die Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber sei auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehalten gewesen, die zum 1.7.2014 in Kraft getretene Regelung des § 236 b SGB VI auf Bestandsrentner auszudehnen und insoweit eine Ausnahme von der für alle Altersrentner geltenden Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI vorzunehmen. Insoweit hat das SG auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015, Az. L 7 R 5354/14 (in: juris), nachfolgend Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 16.12.2015, Az. 1 BvR 2408/15 (in: juris), und auf die Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.08.2015, Az. L 6 R 114/15 (in: juris), nachfolgend Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 30.12.2015, Az. B 13 R 345/15 B (in: juris) hingewiesen.

Nach Zustellung am 21.5.2016 hat der Kläger gegen dieses Urteil am 10.6.2016 Berufung eingelegt. Er begehre keinen Wechsel der Rentenart sondern die Bewilligung von Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.7.2014 mit dem ungekürzten Zugangsfaktor von 1,0.

Der nicht vertretene Kläger hat auf die Ladung zum Verhandlungstermin am 7.10.2016 unter Vorlage eines ärztlichen Attestes mitgeteilt, dass er aufgrund seiner chronischen Herzerkrankung darum bitte, nicht in dem Termin persönlich erscheinen zu müssen; er habe sich schriftsätzlich vollinhaltlich erklärt; aus seiner Sicht könne "nach Lage der Akten" entschieden werden. Daraufhin hat der Senat die Verpflichtung des Klägers, im Verhandlungstermin persönlich zu erscheinen, aufgehoben.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 6.5.2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 25.6.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.1.2015 ab dem 1.7.2014 eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach im Übrigen näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte sieht ihre Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats mitgeteilt, dass der Kläger die Wartezeit von 45 Jahren sowohl zur Vollendung des 63. Lebensjahres als auch am 1.7.2014 erfüllt habe und die reproduzierbare Verwaltungsakte zum Altersrentenantrag vom 7.4.2009 übersandt.

Außerhalb des hiesigen Streitgegenstandes hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der Kläger in seiner Widerspruchsschrift vom 8.8.2014 sinngemäß die Überprüfung des Rentenbescheides vom 24.6.2009 hinsichtlich des dortigen Abschlags beantragt hat. Der Antrag ist nach Aktenlage bislang nicht beschieden worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der einseitigen mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte am 7.10.2016 auf einseitige mündliche Verhandlung entscheiden, da der Kläger in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und er sich mit dieser Vorgehensweise konkludent - "es könne nach Lage der Akten entscheiden werden" - einverstanden erklärt hat.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend mit dem 1.7.2014 gemäß der Regelung des § 236 b i.V.m. § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Die Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI über allgemeine Voraussetzungen für einen Altersrentenanspruch steht der Bewilligung einer solchen Altersrente entgegen.

I. Zwar erfüllt der Kläger am 1.7.2014 die besonderen Voraussetzungen des § 236 b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Abs. 2 S. 1 SGB VI (Vollendung des 63. Lebensjahres, Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren, geboren vor dem 1.1.1953) für die begehrte vorgezogene Altersrente. Er ist bereits am 00.00.1949 geboren und verfügt über einen vom 1.4.1964 bis zum 31.7.2009 mit Pflichtbeitragszeiten aus versicherungspflichtiger Beschäftigung - abgesehen vom Monat Oktober 1968 - belegten Versicherungsverlauf (Wartezeiterfüllung von über 45 Jahren nach § 51 Abs. 3 a SGB VI). II. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 34 Absätze 2, 3 ("Hinzuverdienst") und Abs. 4 ("Rentenwechsel") SGB VI gleichsam "vor die Klammer gezogen" allgemeine oder - besonders im Hinblick auf Abs. 4 - "negative" (so beispielsweise Uta Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, Stand: 19.2.2015, § 34 SGB VI SGB VI, Rdnrn. 23, 81) Voraussetzungen für Altersrentenansprüche aufgestellt; die hier maßgebende Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI verwehrt die Bewilligung der begehrten vorgezogenen Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend mit dem 1.7.2014. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI sind erfüllt (1.). Die Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ist vorliegend auch anwendbar (2.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Geltung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI im vorliegenden Fall bestehen nicht (3.).

1. Die hier maßgebende Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI bestimmt, dass nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine andere Rente wegen Alters ausgeschlossen ist. Die Beklagte hat dem Kläger durch bestandskräftigen Bescheid vom 24.6.2009 zum 1.8.2009 eine Altersrente nach Altersteilzeitarbeit bewilligt. Der Kläger hat diese Altersrente seit dem 1.8.2009 auch tatsächlich bezogen; er bezieht sie weiterhin. Ein Wechsel i.S. des § 34 Abs. 4 SGB VI liegt immer dann vor, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die begehrte abschlagfreie Altersrente erst nach der Bewilligung und während des Bezugs der abschlagbehafteten Altersrente eingetreten sind (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.8.2015, Az. L 6 R 114/15, in: juris, Rdnr. 22). Dies ist hier zu bejahen. Da die Vorschrift des § 236 b SGB VI zum 1.7.2014 in Kraft getreten ist, konnten dessen Voraussetzungen erstmals zu diesem Zeitpunkt - und somit signifikant nach dem Bewilligungs- und Bezugsbeginn der abschlagbehafteten Altersrente des Klägers am 1.8.2009 - erfüllt werden. Mit seinem am 5.6.2014 gestellten Antrag auf Gewährung einer abschlagfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte beginnend mit dem frühestmöglichen Zeitpunkt ab Inkrafttreten der Neuregelung des § 236 b SGB VI zum 1.7.2014 hat der Kläger in der Sache genau dieses "Wechselbegehren" zum Ausdruck gebracht: Die ihm bereits bewilligte Altersrente wolle er nur bis zum 30.6.2014 beziehen und ab dem 1.7.2014 die "neue" abschlagfreie Altersrente gewährt bekommen. Es ist daher unerheblich, wenn er geltend macht, weder einen "Wechsel" noch eine "Umwandlung" der bisher bewilligten Altersrente in eine abschlagfreie Altersrente zu begehren, sondern eine "Neufestsetzung" seiner Altersrente mit seinen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

2. Die Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI ist vorliegend auch anwendbar. Im Zusammenhang mit der Einführung des § 236 b SGB VI, einer Modifizierung der Vorschrift des § 38 SGB VI für Versicherte, die vor dem 1.1.1964 geboren sind, hat der Gesetzgeber weder eine Änderung des § 34 Abs. 4 SGB VI normiert noch explizit bestimmt, dass § 34 Abs. 4 SGB VI auf eine nach der Vorschrift des § 236 b SGB VI zu gewährende Altersrente keine Anwendung finden soll. Auch im Regelungskontext des § 77 SGB VI (Bestimmung des Zugangsfaktors) sowie der §§ 306 ff SGB VI (Vorschriften über die Rentenhöhe bei Rechtsänderungen) hat der Gesetzgeber keine besonderen Bestimmungen für die hier im Streit stehende Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236 b SGB VI geschaffen. Dass er diese Möglichkeiten gehabt und gleichwohl von ihnen keinen Gebrauch gemacht hat, zeigt sich insbesondere daran, dass er zeitgleich mit der Einführung des § 236 b SGB VI eine Sondervorschrift für die sog. Mütterrente in Art. 1 Nr. 15 des Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz normiert hat. Für diese hat der Gesetzgeber nämlich - im Zusammenhang mit der Festlegung der persönlichen Entgeltpunkte - in § 307 b SGB VI eine Ausnahme zu der Grundsatzregelung des § 306 Abs. 1 am Anfang SGB VI zur Rentenhöhe bestimmt, dass aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zugrunde liegenden persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt werden: Gemäß § 307 d SGB VI beträgt der Zuschlag für jedes vor dem 1.1.1992 geborene Kind ab dem 1.7.2014 einen persönlichen Entgeltpunkt, auch wenn bereits am 30.6.2014 Anspruch auf eine Rente bestand. Insofern kann mithin auch keine unbewusste Regelungslücke angenommen werden, die der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI entgegenstehen könnte (siehe insofern auch SG Dortmund, Urteil vom 12.6.2015, Az. S 61 R 108/15, in: juris, Rdnr. 2).

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Geltung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI im vorliegenden Fall bestehen aus Sicht des Senates nicht; eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ist nicht geboten. Der Senat sieht keinen durchgreifenden Ansatzpunkte für die Rechtsauffassung des Klägers, der Gesetzgeber habe die zum 1.7.2014 gewährte Vergünstigung gleichheitswidrig nicht auf Bestandrentner ausgedehnt und für diese Gruppe keine Ausnahme von der für alle Altersrentner geltenden Bestimmung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI getroffen (a)). Auch ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbriefte Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG) ist in dieser Vorgehensweise nicht zu erkennen (b)). a) Unabhängig von der Beantwortung der Fragen, ob es sich bei Bestandsrentnern einerseits und Neurentnern (ab dem 1.7.2014) andererseits um eine vergleichbare Gruppe von Normadressaten handelt und ob die Rentenbewilligung bzw. der Rentenbezug als sachliches Unterscheidungskriterium anzusehen ist, ist jedenfalls im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dieser die Vergünstigung des § 236 b SGB VI nur auf diejenigen Versicherten erstreckt hat, die sich am 1.7.2014 noch nicht im Altersrentenbezug befunden haben. Es obliegt dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu beschließen, ob eine Vergünstigungen schaffende Rechtsänderung, wie die Gewährung einer Sozialleistung, an sich erfolgen und ggfs. ab wann, unter welchen Voraussetzungen sowie für welche Normadressaten diese Neuregelung in Kraft treten soll. Der Gesetzgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser erlaubte es ihm auch, die zum 1.7.2014 gewährte Vergünstigung in § 236 b SGB VI überhaupt zu schaffen und sie nicht auf Bestandsrentner auszudehnen, so dass er keine Ausnahme von der für alle Altersrentner geltenden Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI vorgesehen hat. Mit der Einführung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI zum 1.8.2004 (BGBl. I, 2005, S. 1791) und mit dessen - über die bindende Bewilligung hinausgehenden, bereits am Bezug der Altersrente anknüpfenden - Neufassung zum 1.1.2008 (BGBl. I 2007, S. 554) regelte der Gesetzgeber ausdrücklich, dass ein Altersrentner nach bindender Bewilligung oder für Zeiten des Bezugs dauerhaft Bezieher dieser Altersrente bleiben sollte (BT-Drucks. 16/3794, S. 33); ein Wechsel in eine andere Altersrente mit einer für ihn günstigeren Rentenberechnung sollte explizit ausgeschlossen werden (BT-Drucks. 15/2149, S. 21). Wer eine Altersrente vorzeitig in Anspruch nimmt und sich dadurch unter Abkehr vom Vollzeitarbeitsmarkt für eine längere Rentenlaufzeit entschieden hat, bleibt an die damit regelmäßig einhergehenden Abschläge - zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor nicht kalkulierbaren Dispositionen - dauerhaft gebunden (so insbesondere Fichte, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB VI, Stand: Juni 2016, § 34 Rdnr. 85). Für die gesamte Dauer des Rentenbezugs wird durch die auf diese Weise sichergestellte Berechenbarkeit des Rentenanspruchs die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geschützt (BVerfG, Beschluss vom 7.2.2011, Az. BvR 642/09 m.w.N.). Diese gesetzgeberische Konzeption liegt erkennbar nicht jenseits des weiten Gestaltungsspielraums der Legislative bei der Normierung von Leistungsansprüchen (so insbesondere auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.8.2015, Az. L 6 R 114/15, in: juris, Rdnr.25). Die Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI wird einerseits flankiert von § 77 Abs. 2 vor Nr. 1 SGB VI, welcher klarstellt, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, sich nach Maßgabe der dann folgenden Ziffern bestimmt; § 77 Abs. 2 SGB VI ist somit für die Erstbestimmung des Zugangsfaktors maßgebend (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnr. 25 a.E.). Entgegen der Auffassung der Klägers ist aus diesem Regelungskontext heraus auch an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a) SGB VI, welche den Abschlag von 0,003 pro Kalendermonat für vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten normiert, nicht zu zweifeln. Andererseits zieht § 306 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich eine Begrenzung der persönlichen Entgeltpunkte "nach unten" ein: Spätere Rechtsänderungen führen regelmäßig nicht zu Rentenminderungen. Warum es verfassungsrechtlich - unter Hintanstellung der vorstehend dargelegten Konzeption des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI - geboten sein sollte, dem Kläger als Bestandsrentner wie einem Neurentner ab dem 1.7.2014 die abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b SGBVI zu kommen zu lassen, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber hat in § 236 b SGB VI eine Sonderregelung zu der allgemeinen, Altersrente für besonders langjährig Versicherte normierenden Vorschrift des § 38 SGB VI geschaffen, die eine zeitlich begrenztem Anwendungsbereich hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.5.2015, Az. L 7 R 5354/14, in: juris, Rdnr. 24), quasi eine befristete, sich selbst abschaffenden Vergünstigung für alle zur Zeit des Inkrafttretens am 1.7.2014 noch nicht im Altersrentenbezug stehenden Versicherten: Während vor dem 1.1.1953 geborenen Versicherte Anspruch auf diese Altersrente bereits nach Vollendung des 63. Lebensjahres haben (§ 236 b Abs. 2 S. 1 SGB VI), wird in § 236 b Abs. 2 S. 2 SGB VI die Altersgrenze für zwischen dem 1.1.1953 und dem 31.12.1963 geborene Versicherte je Geburtsjahr um jeweils zwei Monate angehoben, sodass es für alle ab dem 1.1.1964 geborenen Versicherten - wieder - bei der allgemeinen Regelung des § 38 SGB VI bleibt. Der Gesetzgeber wollte zwar diejenigen Versicherten mit der sog. "abschlagfreien Rente mit 63" bedenken, die ihr Arbeitsleben bereits in jungen Jahren begonnen und die Rentenversicherung in 45 Beitragsjahren maßgebend gestützt haben. Indes hat er sich - bei angespannter Finanzlage - wiederum zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung als solchem entschieden, einerseits eine zeitlich begrenzte Privilegierung einzuführen und andererseits Bestandsrentner nicht in diese Privilegierung einzubeziehen. Damit hält sich der Gesetzgeber erkennbar in einem verfassungslegitimen Rahmen bei der Schaffung einer über § 38 SGB VI hinausgehenden leistungsrechtlichen Vergünstigung. Von denselben Erwägungen getragen wird letztlich auch die gesetzgeberische Anknüpfung an den Stichtag "1.7.2014" für das Inkrafttreten der Regelung des § 236 b SGB VI (so auch LSG Baden-Württemberg, a.a.O. und LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rdnr. 25; BSG, Beschluss vom 30.12.2015, Az. B 13 R 345/15 B, Rdnr. 12, mit welchem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 12.8.2015 verworfen worden ist). Wird überdies die Vergünstigung, die der Kläger begehrt, nämlich eine Kombination aus längerer Altersrentenlaufzeit mit Abschlagfreiheit auf Dauer bei lediglich abschlagbehaftete Interimszeit (1.8.20108 - 30:6:2014), einmal aus der Perspektive der Versichertengemeinschaft, einer Solidargemeinschaft, in den Blick genommen, ergäbe sich folgendes Bild: Diese Kombination von Vergünstigungen käme einem nicht mehr solidarischen "Rosinenpicken" nahe, hat sich die Versichertengemeinschaft doch durch den vorzeitigen Rentenbeginn des Klägers auf eine zumindest statisch erwartbare längere Rentenlaufzeit - ausgeglichen durch die dauerhafte Absenkung des Zugangsfaktors - eingestellt. Schließlich hat das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss vom 16.12.2015, Az. 1 BvR 2408/15 (in: juris, Rdnr. 1) - betreffend das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21.5.2015, Az. L 7 R 5354/14 - klar zum Ausdruck gebracht, dass sämtliche Ausführungen gegen die gesetzgeberische Ausgestaltung des § 236 b SGB VI allein wegen der - nicht zu beanstandenden - Regelung des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI (so bereits BSG, Urteil vom 26.7.2007, Az. B 13 R 44/06, in: juris, Rdnr. 27) ins Leere gehen.

b) Im Hinblick auf die durch eigene Beitragsleistung erworbene Anwartschaft (auf eine Altersrente), die vom Schutzumfang des normgeprägten Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG an sich umfasst ist, kommt ein Eingriff in Gestalt der Neuregelung des § 236 b SGB VI entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht in Betracht. Zum 1.7.2014 fehlt es insofern an einem von Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG geschützten Gegenstand. Die Anwartschaft auf eine Altersrente besteht nur so lange, bis das mit der Anwartschaft angelegte Vollrecht, die Rente, in Anspruch genommen wird. Mit der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die beantragte Altersrente(nart), erstarkt die Anwartschaft zu einem echten Leistungsanspruch. Vorliegend ist die - verfassungsrechtlich geschützte - Anwartschaft des Klägers auf die (von ihm beantragte) Altersrente (nach Altersteilzeitarbeit) durch den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 24.6.2009, spätestens aber am 1.8.2009 mit dem Rentenbeginn "untergegangen" bzw. in dem Vollrecht Altersrente (nach Altersteilzeitarbeit) erstarkt. In diese dem Kläger gewährte Altersrente sind selbstredend auch die auf eigener Beitragsleistung beruhenden 45 Pflichtbeitragsjahre einbezogen, haben sie doch maßgebend die Höhe der Entgeltpunkte bestimmt. Diese Altersrente nach Altersteilzeitarbeit unterliegt unstreitig keinem gesetzgeberischen Eingriff. Eine (weitere) Anwartschaft auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte stand dem Kläger nicht zu. Schließlich erweisen sich Rentenabschläge an sich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Der Versicherte, der sich in Kenntnis des konkreten Abschlags wegen des vorzeitigen Rentenbezugs, d.h. also sehenden Auges für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente entschieden und die damit verbundenen Vorteile in Anspruch genommen hat, hatte für diesen Zuwachs an individueller Freiheit im Alter mit einer dauerhaften Rentenkürzung für den früheren Renteneintritt zu rechnen (so bereits BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, Az. 1 BvL 3/05 u.a., in: juris, Rdnrn. 80 ff betreffend die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit).

B. Auch aus § 89 Abs.1 S. 1 SGB VI ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift regelt die Rangfolge für Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, die im selben Zeitraum bestehen: Nur die höchste Rente wird geleistet. Vorliegend bestehen für die Zeit ab dem 1.7.2014 ein Anspruch des Klägers auf die bereits bewilligte und bezogenen Altersrente nach Altersteilzeit (§ 237 SGB VI) und ein Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 236 b SGB VI) nicht nebeneinander. Wie vorstehend unter A. II. ausgeführt, hat der Kläger wegen der Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI bereits keinen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 236 b SGB VI). Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved