Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 37 KR 510/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 301/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 92/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB verworfen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.04.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt den Erlass, hilfsweise die unbefristete Niederschlagung von Beitragsforderungen der Beklagten sowie die Rückzahlung von geleisteten Beiträgen für die Zeit seit dem 01.08.2013.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin legte 1990 das Abitur ab, nahm in N ab dem Wintersemester 1993/94 das Studium der Medizin auf, ohne dieses mit einem Abschluss zu beenden, und zog 2002 nach C um, wo sie seit 2006 Rechtswissenschaften studiert. Sie ist seit dem 04.09.1994 Mitglied der Beklagten, bei der sie seit dem 01.10.1999 als freiwillig Krankenversicherte geführt wird. Die Beklagte berechnete die von der Klägerin ab dem 01.08.2013 zu entrichtenden Beiträge nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage von 921,67 Euro. Die Klägerin kam ihren Zahlungspflichten stets nach; offene Beitragsforderungen bestehen nicht.
Mit Schreiben vom 10.11.2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Erlass der Beitragsansprüche, hilfsweise auf unbefristete Niederschlagung sowie auf Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge ab August 2013. Zur Begründung führte sie aus, dass sie seit August 2013 ihren Lebensunterhalt durch die Überziehung ihres Kontos und damit durch Nutzung eines Dispositionskredites sicherstelle. Seit Mai 2013 erhalte sie von ihrem Vater keinen Unterhalt mehr, bis Juli 2013 habe ihr ihre Mutter übergangsweise ausgeholfen. Die Suche nach einer Arbeitsstelle, die sie neben ihrem Studium zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausüben könne, habe bisher keinen Erfolg gezeigt. Seit August 2013 verfüge sie über kein Einkommen mehr. Sie bitte deshalb um Rückzahlung der seitdem gezahlten Beiträge sowie um Erlass der Beiträge mit sofortiger Wirkung und für die Zukunft, bis sich die Situation geändert habe. Jedoch werde auch mit einer Arbeitsstelle neben dem Studium kaum die Einnahmegrenze erreicht, die eine Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ermöglichen werde. Das heiße, ihre prekäre Situation werde sich bis zum Ende des Studiums voraussichtlich nicht ändern. Die Einziehung der Beiträge sei unbillig, da zurzeit kein anrechenbares Einkommen zur Verfügung stehe. Die Bedarfsgrenze im Sinne des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für eine Alleinstehende sei bei ihr nicht gesichert. Es liege ein persönlicher Härtefall vor. Die Erfüllung der Beitragsforderungen sei unzumutbar und existenzbedrohend. Die Niederschlagung sei wegen der Erfolglosigkeit einer zwangsweisen Einziehung vorzunehmen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.11.2013 einen Erlass der Beiträge ab. Nach dem Beitragsschuldengesetz sei dies nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung keine andere Absicherung im Krankheitsfalle bestehe. Dies sei vorliegend nicht gegeben, denn die Klägerin sei seit dem 04.09.1994 ihr Mitglied.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und machte geltend, eine Ermessensausübung nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei nicht erfolgt. Die Einziehung der Forderung sei aus besonderen Gründen unbillig. Ihre persönlichen Verhältnisse erlaubten keine Erfüllung der Beitragsforderungen. Das Einkommen sei so gering, dass sie deutlich unterhalb des Betrages liege, den der Gesetzgeber für das Existenzminimum vorsehe. Die Ablehnung verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) näher bestimmt worden sei. Diesbezüglich sei insbesondere § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) zu beachten, der das pfändungsfreie Einkommen danach bestimme, dass dem Schuldner das Existenzminimum erhalten bleibe. Die Einziehung der Forderung sei existenzbedrohend. Es liege auch keine nur vorübergehende Gefährdung vor, weil sie auf Grund ihres Studiums auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage sei, das Einkommen über das Existenzminimum zu erhöhen. Daneben sei der Erlass wegen einer sachlichen Unbilligkeit gerechtfertigt, die sich daraus ergebe, dass die Erfüllung durch die Versicherungspflicht provoziert sei. Der Staat habe die Versicherungsbeiträge durch eine entsprechende Ersatzleistung sicherzustellen. Er habe die Versicherungspflicht für alle angeordnet. Als Studentin habe sie aber keine Ansprüche nach dem SGB II oder dem SGB XII, die ersatzweise für die Beiträge eintreten könnten. Diese gesetzliche Lücke sei zu ihren Gunsten zur Wahrung des Existenzminimums von 1.050,00 Euro zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht nicht im Sinn gehabt, das Existenzminimum zu gefährden. Die Niederschlagung sei wegen der Erfolglosigkeit der voraussichtlichen Einziehung vorzunehmen, die sich von vornherein aus ihrer Situation ergebe.
Im Dezember 2013 setzte die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01.12.2013 in Höhe von insgesamt 154,51 Euro und für die Zeit ab dem 01.01.2014 in Höhe von insgesamt 158,53 Euro monatlich fest, wogegen die Klägerin ebenfalls Widerspruch einlegte.
Mit Bescheid vom 20.01.2014 lehnte die Beklagte sowohl einen Erlass als auch eine Niederschlagung der Beitragsforderungen ab. Nach § 76 SGB IV seien die Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Unter Beachtung der Beitragserhebungsgrundsätze dürfe ein Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Falles unbillig sei. Der Erlass sei nur zulässig, wenn eine Stundung oder ein Vergleich nicht in Betracht komme. Der Erlass begünstige endgültig Einzelne zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Dies erfordere enge Maßstäbe und gebe dem Versicherungsträger nur einen begrenzten Ermessensspielraum. Grundlage für den Erlass könnten persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe sein. Gründe für die Prüfung des Erlasses seien insbesondere dann gegeben, wenn eine Gefährdung des wirtschaftlichen Fortbestehens oder des notwendigen Lebensunterhaltes des Anspruchsgegners bestünden. Dies sei von der Klägerin zu belegen. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensabwägung sei insbesondere berücksichtigt worden, dass ein Erlass grundsätzlich nur möglich sei, wenn im Einzelfall eine Unklarheit im Sachverhalt oder in der Rechtslage bestehe oder wenn ein fehlerhaftes Handeln der Beklagten vorliege. So sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Beitragsforderungen nicht vorliege. Weiter sei zu berücksichtigen, dass gemäß § 223 SGB V für jeden Tag der Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse Beiträge zu entrichten seien. Eine grundsätzliche Befreiung von der Beitragszahlung für einen bestimmten Lebensabschnitt - im Falle der Klägerin für die Dauer ihres Studiums - sei dabei weder vorgesehen noch den gesetzlichen Krankenkassen möglich.
Die Klägerin machte hiergegen unter anderem geltend hielt, sie sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert. Denn die freiwillige Versicherung ende gemäß § 191 Nr. 2 SGB V mit dem Eintritt der Pflichtversicherung. Die Benutzung von Vordrucken für die Einkommenserklärung werde von ihr aus triftigen Gründen abgelehnt.
Mit Bescheid vom 13.03.2014 führte die Beklagte ergänzend aus, dass unter Bezugnahme auf ihre bisherigen Ausführungen auch eine Erstattung der bereits entrichteten Beiträge seit dem 01.08.2013 nicht möglich sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 wies sie schließlich den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18.11.2013, ergänzt um die Bescheide vom 20.01.2014 und vom 13.03.2014, als unbegründet zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die angefochtenen Bescheide und führte ergänzend aus, dass die dargelegten wirtschaftlichen Umstände nicht zu einer existenzbedrohenden oder unzumutbaren Zahlungspflicht führten und damit zu einer persönlichen Unbilligkeit. Selbst erhebliche wirtschaftliche Belastungen durch normale gesetzliche Zahlungspflichten seien zumutbar. Die Beiträge der Klägerin bemäßen sich nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme und damit nach dem niedrigsten Satz, der auch von allen anderen freiwillig versicherten Studenten gefordert werde. Dem habe die Klägerin lediglich entgegen gehalten, dass die Beiträge sie erheblich belasteten, die Eltern die Zahlung eingestellt hätten und sie keine Nebentätigkeit ausüben könne. Diesen persönlichen Umständen stehe das berechtigte Interesse der Versichertengemeinschaft gegenüber, die eine gesetzeskonforme Beitragszahlung aller Versicherten erwarten könne und mit Ausnahme der Familienversicherung keine beitragsfreie Mitgliedschaft kenne. Hinreichend überprüfbare Nachweise, die für eine persönliche Unbilligkeit sprechen, seien nicht vorgelegt worden. Aus den genannten Gründen scheide auch eine Rückzahlung der seit dem 01.08.2013 entrichteten Beiträge aus. Da es sich bei der Niederschlagung von Beiträgen lediglich um eine verwaltungsinterne Maßnahme ohne Außenwirkung handele, könne diesem Antrag nicht entsprochen werden.
Mit der am 27.05.2014 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft: Seit dem 01.04.2007 sei sie nicht mehr freiwillig bei der Beklagten versichert, sondern unterliege der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Zudem sei ein Erlass nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV auszusprechen. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten sei diesbezüglich ermessensfehlerhaft. Zudem sei die Einziehung der Beiträge nach Lage des Falles unbillig. Das Ermessen sei darüber hinaus immer im Rahmen der grundgesetzlichen Werteordnung auszuüben. Maßgebend sei insoweit das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 GG, das vorliegend bei Einzug der Beiträge nicht gewahrt sei. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Niederschlagung in Anbetracht ihrer prekären finanziellen Einkommenssituation.
Mit Urteil vom 20.04.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 11.05.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.05.2015 Berufung eingelegt. In formaler Hinsicht rügt sie, dass die von ihr angefochtenen Bescheide nicht durch den Vorstand der Beklagten erlassen worden seien. Dem Sozialgericht hält sie vor, dass es die rechtlichen Voraussetzungen für einen Erlass, die auch für eine Erstattung bereits gezahlter Beiträge Geltung hätten, ebenso verkannt habe wie die Möglichkeit eines Vorauserlasses bzw. Vorausverzichts. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ihr Grundrecht auf Erhaltung des Existenzminimums sei verletzt worden. Im Zeitraum von August 2013 bis Dezember 2013 habe sie kein eigenes Arbeitseinkommen und von Dezember 2013 bis Dezember 2014 habe sie ein monatliches Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung i.H.v. 450 EUR gehabt. Nach Abzug von 315 EUR für ihre Miete seien ihr lediglich 135 EUR verblieben, die sie für Lebensmittel verbraucht habe. Die monatlichen Beiträge an die Krankenkasse in Höhe von 158,53 EUR habe sie aus dem Kreditrahmen ihres Kontos gezahlt. Seit Oktober 2014 sei sie als Werkstudentin zu einem Betrag von 886,- EUR brutto beschäftigt. Davon erhalte Sie nach Abzug des Rentenversicherungsbeitrags 803,16 EUR auf ihr Konto überwiesen. Nach Abzug der Miete verblieben ihr also 488,16 EUR, wovon sie die monatlichen Beiträge an die Krankenkasse in Höhe von 158,53 EUR zahle. Ihr verblieben also nur 329,63 EUR. Das pfändungsfrei zu haltende Existenzminimum für einen Alleinstehenden betrage gemäß der aktuellen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2015 1079,- EUR. Dieser Betrag sei eine Untergrenze, die ihr zu belassen sei. Mit § 850c ZPO habe der Gesetzgeber eine absolute Belastungsgrenze vorgeschrieben. Diese werde ihr aber durch die Beitragserhebung nicht belassen, was einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde darstelle. Die Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerhaft. Die Beurteilung des Sozialgerichts, das eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles verlange, sei insoweit contra legem. Voraussetzung für den Erlass sei, dass die Einziehung der Beiträge nach Lage des Einzelfalles gegenüber dem Beitragsschuldner unbillig wäre. Hiermit sei eine Ermessensausübung gemeint. Die Unbilligkeit sei in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu prüfen und erfordere eine einzelfallbezogene Interessenabwägung. Eine allgemeine Festlegung der Interessenabwägung verbiete sich. Hier bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null. Es liege eine Gefährdung des Existenzminimums vor. Denn nach Abzug der gegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge verbleibe ein Einkommen unterhalb des in den jeweils gültigen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen definierten Betrages. Diese Gefährdung sei auch keine vorübergehende. Denn ihre Einnahmen würden sich auf absehbare Zeit nicht so erhöhen, dass nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge das Existenzminimum gewährleistet sei. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bestehe zwischen Stundung und Niederschlagung keine Rangfolge. Einer Stundung könne ohnehin nicht entgegengehalten werden, dass ihre prekäre Situation nur vorübergehend sei. Der Sicherung des Existenzminimums sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Anwendung des § 76 Abs. 2 SGB IV Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber habe den Fall studentischer Arbeitnehmer mit einem prekären Einkommen unbewusst fehlerhaft geregelt. Es handele sich in Ihrem Fall um einen atypischen Sonderfall, der eine sachliche Unbilligkeit begründe. Dieser atypische Sonderfall sei durch den beantragten Erlass zur Wahrung des Existenzminimums sachgerecht zu lösen. Daraus folge, dass sie Anspruch auf Erlass der zukünftigen Beiträge und auf Erstattung der seit August 2013 bereits gezahlten Beiträge habe.
Hilfsweise begehrt die Klägerin eine unbefristete Niederschlagung der Beitragsforderungen, weil eine Einziehung nach dem 8. Buch der ZPO eindeutig keinen Erfolg haben werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.04.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2013 in der Fassung der Bescheide vom 20.01.2014 und 13.03.2014, sämtliche in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2014 zu verurteilen, ihr die seit dem 01.08.2013 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten und zukünftige Beiträge zu erlassen, hilfsweise niederzuschlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die zulässiger Weise erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG beschwert ist. Die Beklagte hat die begehrte Erstattung gezahlter Krankenversicherungsbeiträge bzw. den zukünftigen Erlass von Beitragsschulden bzw. die Niederschlagung von Beitragsforderungen zu Recht abgelehnt.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht mangels Erlasses durch den Vorstand der Beklagten rechtswidrig. Bei den Ersatzkassen, zu denen die Beklagte zählt, wird gemäß § 31 Abs. 3a SGB IV als Verwaltungsorgan ein hauptamtlicher Vorstand gebildet, der die Krankenkasse verwaltet und gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 35a Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Hiervon wird die Führung der laufenden Geschäfte umfasst, wozu auch die Tätigkeit mit Außenwirkung bei Durchführung der gesetzlichen Aufgaben und die Beitragserhebung zählt (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 35a SGB IV Rn. 5; allgemein zu den laufenden Geschäften BSGE 26, 129). Dies bedeutet aber nicht, dass die Setzung der in diesem Zusammenhang erforderlichen Verwaltungsakte durch die Vorstandsmitglieder persönlich geschehen muss. Die vertretungsberechtigten Organe der Krankenkassen haben die Eigenschaft einer Behörde (§ 31 Abs. 3 SGB IV). Sie können daher durch Richtlinien, Geschäftsordnungen etc. wirksam Vertretungsregelungen schaffen (BAG, Urteil vom 10.02.2005 - 2 AzR 584/03, juris Rn. 59). Dafür, dass die hier angefochtenen Bescheide unter Verletzung entsprechender Kompetenzregelungen des Vorstands erlassen worden sind, fehlen auch im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin jegliche Anhaltspunkte.
In materieller Hinsicht kann die Klägerin ihren Anspruch nicht auf § 256a SGB V stützen. Danach sollen bei Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (sogenannter Auffangtatbestand im Rahmen der zum 01.07.2007 geschaffenen allgemeinen Krankenversicherungspflicht) nachzuzahlende Beiträge und Säumniszuschläge erlassen bzw. ermäßigt werden (§ 256a Abs. 1, 2 SGB V). Abgesehen davon, dass auf die Klägerin infolge ihrer seit 1999 bei der Beklagten bestehenden freiwilligen Versicherung § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V keine Anwendung findet (§ 5 Abs. 8a SGB V), sieht § 256a SGB V allein die Möglichkeit des Erlasses nachzuzahlender Beiträge bzw. die Ermäßigungen von Beiträgen bei verspäteter Meldung vor, nicht aber die hier von der Klägerin begehrte Erstattung gezahlter Beiträge bzw. den Erlass zukünftiger Beitragsforderungen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer seit dem 01.08.2013 gezahlten Krankenversicherungsbeiträge bzw. den Erlass zukünftiger Beitragsforderungen gemäß § 76 SGB IV. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV darf der Versicherungsträger Ansprüche auf Einnahmen nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden. Aufgrund der durch Art. 1 Nr. 149 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl I S. 378) eingeführten Regelung des § 271f Abs. 3 SGB V bestimmen die zum 17.02.2010 in Kraft getretenen Beitragserhebungsgrundsätze des GKV-Spitzenverbandes, dass Beitragsansprüche nur erlassen werden dürfen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Der Erlass ist nur zulässig, wenn eine Stundung oder ein Vergleich nicht in Betracht kommt (§ 9 Abs. 1). Grundlage für den Erlass können persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe sein. Gründe für den Erlass sind insbesondere dann gegeben, wenn eine Gefährdung des wirtschaftlichen Fortbestehens oder des notwendigen Lebensunterhaltes des Anspruchsgegners besteht (§ 9 Abs. 2).
Die Entscheidung über den Erlass steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, wie aus der Formulierung "darf erlassen" folgt (vgl. Baier a.a.O. Rn. 6; siehe auch § 9 Abs. 4 Satz 1 der Beitragserhebungsgrundsätze). Der hier von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erlass/Erstattung ist daher schon deshalb unbegründet, weil die Entscheidung der Beklagten nicht nur in der von der Klägerin begehrten Weise ausfallen konnte. Eine derartige Ermessensreduzierung auf Null folgt nicht aus der von der Klägerin geltend gemachten Unterschreitung ihres Existenzminimums infolge der Beitragsaufbringung. Einen Fall der persönlichen Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV stellt nämlich gerade die Gefährdung des Lebensunterhaltes dar (BSG SozR 1500 § 154 Nr. 8, juris Rn. 14; von Boetticher, juris-PK, 3. Aufl. 2016, § 76 SGB IV Rn. 38 m.w.N.), so dass hierdurch erst der Weg der entsprechenden Ermessensausübung eröffnet und nicht im Sinne der Klägerin begrenzt wird (vgl. auch LSG NW, Urteil vom 28.05.2013 - L 18 KN 138/12, juris Rn. 18). Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht schlüssig aufgezeigt, warum bei ihr eine Stundungs- und/oder Ratenzahlungsvereinbarung ausgeschlossen sein sollte, denn sie hat selbst eingeräumt, dass Veränderungen ihrer wirtschaftlichen Situation in der Zukunft möglich seien.
Der von der Klage als Minus mit umfasste Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur ermessensgerechten Neubescheidung ist ebenfalls nicht begründet.
Die Beklagte hat im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung zutreffend unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls erkannt, dass eine den Erlass der Beitragsforderung begründende Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht gegeben ist. Unbilligkeit in diesem Sinne kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (von Boetticher a.a.O. Rn. 38/39). Da die Geltendmachung der Beiträge hier erkennbar keinen Wertungswiderspruch zum Zweck der Beitragseinziehung beinhaltet (siehe dazu auch unten) und die Klägerin außerhalb ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse keine sonstigen Umstände bezeichnet hat, die einen Erlass der Beitragsforderungen gebieten könnten, ist hier die Unbilligkeit der Beitragseinziehung letztlich danach zu bemessen, ob die Beitragseinziehung eine solche Gefährdung des Lebensunterhalts der Klägerin nach sich zieht, die es als nicht mehr vertretbar erscheinen lässt, sie ganz oder teilweise mit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung zu belasten. Dies ist nicht der Fall. Unabhängig davon, ob die Feststellung des Existenzminimums im Rahmen der Unbilligkeitsbestimmung im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV nach § 850c ZPO oder nach den Regelungen des SGB II und XII zu erfolgen hat, ist vorliegend die Unbilligkeit der Beitragseinziehung zu verneinen, weil die Versorgungssituation der Klägerin im Wesentlichen auf ihrer freien Entscheidung beruht (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 07.05.2013 - L 5 KR 511/10, juris). Sie befindet sich seit 1993 mit Unterbrechungen im Studium, ohne das erkennbar wäre, dass dies Folge von ihr nicht beeinflussbarer Umstände ist (zur denkbaren Anwendung des § 76 SGB IV auf Beitragslasten eines Studenten des zweiten Bildungsweges nach Verlust des Schutzes der Krankenversicherung der Studenten vgl. BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 4, juris Rn. 22). Damit hat die Klägerin aber selbstverantwortlich die Situation geschaffen, dass sie einerseits infolge ihres dauerhaften Studiums keine ausreichende Erwerbstätigkeit zur Erwirtschaftung der Beiträge nachgehen will und andererseits auch nicht in den Genuss einer für sie kostenfreien Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V wegen des Bezugs von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II im Hinblick auf die Ausschlussregelungen der §§ 7 Abs. 5, 27 SGB II gelangen kann. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte nicht gehalten, der Klägerin einen kostenfreien Krankenversicherungsschutz zu gewähren, worauf letztlich das Begehren der Klägerin zielt. Dies stünde auch in einem Wertungswiderspruch zur Begrenzung der kostengünstigen Versicherungsmöglichkeit in der Krankenversicherung der Studenten, welche der Gesetzgeber zulässigerweise zeitlich befristet hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V). Auch gebieten es weder die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufswahlfreiheit noch der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), einen unbegrenzten Zugang zur Krankenversicherung der Studenten oder zu einer kostenfreien Krankenversicherung zu ermöglichen (BSG SozR 4-2500 § 5 Nr. 24 Rn. 36/37). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass freiwillig Versicherte einen dem Umfang ihres Krankenversicherungsschutzes angemessenen Mindestbeitrag zu zahlen haben (BVerfG SozR 3-1300 § 40 Nr. 3, juris Rn. 5).
Soweit die Klägerin einen zukünftigen Erlass der Beiträge geltend macht, kann dahinstehen, ob dies mangels Entscheidung der Beklagten vorliegend überhaupt zulässigerweise im Klageverfahren beansprucht werden kann, denn jedenfalls gelten die dargelegten Grundsätze auch hierfür entsprechend.
Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf unbefristete Niederschlagung der Beitragsforderungen durchdringen. Die Niederschlagung von Beitragsforderungen ist nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV möglich, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen.
Die Niederschlagung, die ein rein verwaltungsinterner Vorgang ist (vgl. z.B. Dörrmann in Hauck/Haines SGB IV § 76 Rn. 13), hat zu erfolgen, wenn anzunehmen ist, dass die Einziehung des Beitragsanspruchs wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsgegners oder wegen anderer Gründe dauernd ohne Erfolg bleibt (§ 7 Abs. 1 S. 1 Beitragserhebungsgrundsätze). Beide Alternativen des § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB IV verlangen dem Verwaltungsträger eine gesicherte ex-ante-Prognose über die Realisierbarkeit ab, die periodisch und bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkt überprüft werden muss (vgl. Breitkreutz in LPK § 76 SGB IV Rn. 14). Schon in Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin die Beiträge bislang immer gezahlt hat, fehlt es jedenfalls an der zu fordernden sicheren Prognose, dass die zukünftigen Ansprüche der Krankenkasse nicht realisiert werden können. Im Übrigen dürfte insoweit ohnehin eine Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) zu fordern sein (vgl. Dörrmann a.a.O. Rn. 14), die hier fehlt, zumal die Klägerin im Verwaltungsverfahren offenbar andere Angaben als solche zu dem laufenden Arbeitseinkommen nicht machen möchte.
Die Berufung war daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt den Erlass, hilfsweise die unbefristete Niederschlagung von Beitragsforderungen der Beklagten sowie die Rückzahlung von geleisteten Beiträgen für die Zeit seit dem 01.08.2013.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin legte 1990 das Abitur ab, nahm in N ab dem Wintersemester 1993/94 das Studium der Medizin auf, ohne dieses mit einem Abschluss zu beenden, und zog 2002 nach C um, wo sie seit 2006 Rechtswissenschaften studiert. Sie ist seit dem 04.09.1994 Mitglied der Beklagten, bei der sie seit dem 01.10.1999 als freiwillig Krankenversicherte geführt wird. Die Beklagte berechnete die von der Klägerin ab dem 01.08.2013 zu entrichtenden Beiträge nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage von 921,67 Euro. Die Klägerin kam ihren Zahlungspflichten stets nach; offene Beitragsforderungen bestehen nicht.
Mit Schreiben vom 10.11.2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Erlass der Beitragsansprüche, hilfsweise auf unbefristete Niederschlagung sowie auf Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge ab August 2013. Zur Begründung führte sie aus, dass sie seit August 2013 ihren Lebensunterhalt durch die Überziehung ihres Kontos und damit durch Nutzung eines Dispositionskredites sicherstelle. Seit Mai 2013 erhalte sie von ihrem Vater keinen Unterhalt mehr, bis Juli 2013 habe ihr ihre Mutter übergangsweise ausgeholfen. Die Suche nach einer Arbeitsstelle, die sie neben ihrem Studium zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausüben könne, habe bisher keinen Erfolg gezeigt. Seit August 2013 verfüge sie über kein Einkommen mehr. Sie bitte deshalb um Rückzahlung der seitdem gezahlten Beiträge sowie um Erlass der Beiträge mit sofortiger Wirkung und für die Zukunft, bis sich die Situation geändert habe. Jedoch werde auch mit einer Arbeitsstelle neben dem Studium kaum die Einnahmegrenze erreicht, die eine Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ermöglichen werde. Das heiße, ihre prekäre Situation werde sich bis zum Ende des Studiums voraussichtlich nicht ändern. Die Einziehung der Beiträge sei unbillig, da zurzeit kein anrechenbares Einkommen zur Verfügung stehe. Die Bedarfsgrenze im Sinne des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für eine Alleinstehende sei bei ihr nicht gesichert. Es liege ein persönlicher Härtefall vor. Die Erfüllung der Beitragsforderungen sei unzumutbar und existenzbedrohend. Die Niederschlagung sei wegen der Erfolglosigkeit einer zwangsweisen Einziehung vorzunehmen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.11.2013 einen Erlass der Beiträge ab. Nach dem Beitragsschuldengesetz sei dies nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung keine andere Absicherung im Krankheitsfalle bestehe. Dies sei vorliegend nicht gegeben, denn die Klägerin sei seit dem 04.09.1994 ihr Mitglied.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und machte geltend, eine Ermessensausübung nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei nicht erfolgt. Die Einziehung der Forderung sei aus besonderen Gründen unbillig. Ihre persönlichen Verhältnisse erlaubten keine Erfüllung der Beitragsforderungen. Das Einkommen sei so gering, dass sie deutlich unterhalb des Betrages liege, den der Gesetzgeber für das Existenzminimum vorsehe. Die Ablehnung verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) näher bestimmt worden sei. Diesbezüglich sei insbesondere § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) zu beachten, der das pfändungsfreie Einkommen danach bestimme, dass dem Schuldner das Existenzminimum erhalten bleibe. Die Einziehung der Forderung sei existenzbedrohend. Es liege auch keine nur vorübergehende Gefährdung vor, weil sie auf Grund ihres Studiums auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage sei, das Einkommen über das Existenzminimum zu erhöhen. Daneben sei der Erlass wegen einer sachlichen Unbilligkeit gerechtfertigt, die sich daraus ergebe, dass die Erfüllung durch die Versicherungspflicht provoziert sei. Der Staat habe die Versicherungsbeiträge durch eine entsprechende Ersatzleistung sicherzustellen. Er habe die Versicherungspflicht für alle angeordnet. Als Studentin habe sie aber keine Ansprüche nach dem SGB II oder dem SGB XII, die ersatzweise für die Beiträge eintreten könnten. Diese gesetzliche Lücke sei zu ihren Gunsten zur Wahrung des Existenzminimums von 1.050,00 Euro zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht nicht im Sinn gehabt, das Existenzminimum zu gefährden. Die Niederschlagung sei wegen der Erfolglosigkeit der voraussichtlichen Einziehung vorzunehmen, die sich von vornherein aus ihrer Situation ergebe.
Im Dezember 2013 setzte die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 01.12.2013 in Höhe von insgesamt 154,51 Euro und für die Zeit ab dem 01.01.2014 in Höhe von insgesamt 158,53 Euro monatlich fest, wogegen die Klägerin ebenfalls Widerspruch einlegte.
Mit Bescheid vom 20.01.2014 lehnte die Beklagte sowohl einen Erlass als auch eine Niederschlagung der Beitragsforderungen ab. Nach § 76 SGB IV seien die Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben. Unter Beachtung der Beitragserhebungsgrundsätze dürfe ein Versicherungsträger Ansprüche nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des Falles unbillig sei. Der Erlass sei nur zulässig, wenn eine Stundung oder ein Vergleich nicht in Betracht komme. Der Erlass begünstige endgültig Einzelne zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Dies erfordere enge Maßstäbe und gebe dem Versicherungsträger nur einen begrenzten Ermessensspielraum. Grundlage für den Erlass könnten persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe sein. Gründe für die Prüfung des Erlasses seien insbesondere dann gegeben, wenn eine Gefährdung des wirtschaftlichen Fortbestehens oder des notwendigen Lebensunterhaltes des Anspruchsgegners bestünden. Dies sei von der Klägerin zu belegen. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensabwägung sei insbesondere berücksichtigt worden, dass ein Erlass grundsätzlich nur möglich sei, wenn im Einzelfall eine Unklarheit im Sachverhalt oder in der Rechtslage bestehe oder wenn ein fehlerhaftes Handeln der Beklagten vorliege. So sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Beitragsforderungen nicht vorliege. Weiter sei zu berücksichtigen, dass gemäß § 223 SGB V für jeden Tag der Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse Beiträge zu entrichten seien. Eine grundsätzliche Befreiung von der Beitragszahlung für einen bestimmten Lebensabschnitt - im Falle der Klägerin für die Dauer ihres Studiums - sei dabei weder vorgesehen noch den gesetzlichen Krankenkassen möglich.
Die Klägerin machte hiergegen unter anderem geltend hielt, sie sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert. Denn die freiwillige Versicherung ende gemäß § 191 Nr. 2 SGB V mit dem Eintritt der Pflichtversicherung. Die Benutzung von Vordrucken für die Einkommenserklärung werde von ihr aus triftigen Gründen abgelehnt.
Mit Bescheid vom 13.03.2014 führte die Beklagte ergänzend aus, dass unter Bezugnahme auf ihre bisherigen Ausführungen auch eine Erstattung der bereits entrichteten Beiträge seit dem 01.08.2013 nicht möglich sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 wies sie schließlich den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 18.11.2013, ergänzt um die Bescheide vom 20.01.2014 und vom 13.03.2014, als unbegründet zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die angefochtenen Bescheide und führte ergänzend aus, dass die dargelegten wirtschaftlichen Umstände nicht zu einer existenzbedrohenden oder unzumutbaren Zahlungspflicht führten und damit zu einer persönlichen Unbilligkeit. Selbst erhebliche wirtschaftliche Belastungen durch normale gesetzliche Zahlungspflichten seien zumutbar. Die Beiträge der Klägerin bemäßen sich nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme und damit nach dem niedrigsten Satz, der auch von allen anderen freiwillig versicherten Studenten gefordert werde. Dem habe die Klägerin lediglich entgegen gehalten, dass die Beiträge sie erheblich belasteten, die Eltern die Zahlung eingestellt hätten und sie keine Nebentätigkeit ausüben könne. Diesen persönlichen Umständen stehe das berechtigte Interesse der Versichertengemeinschaft gegenüber, die eine gesetzeskonforme Beitragszahlung aller Versicherten erwarten könne und mit Ausnahme der Familienversicherung keine beitragsfreie Mitgliedschaft kenne. Hinreichend überprüfbare Nachweise, die für eine persönliche Unbilligkeit sprechen, seien nicht vorgelegt worden. Aus den genannten Gründen scheide auch eine Rückzahlung der seit dem 01.08.2013 entrichteten Beiträge aus. Da es sich bei der Niederschlagung von Beiträgen lediglich um eine verwaltungsinterne Maßnahme ohne Außenwirkung handele, könne diesem Antrag nicht entsprochen werden.
Mit der am 27.05.2014 zum Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft: Seit dem 01.04.2007 sei sie nicht mehr freiwillig bei der Beklagten versichert, sondern unterliege der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Zudem sei ein Erlass nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV auszusprechen. Die angegriffene Entscheidung der Beklagten sei diesbezüglich ermessensfehlerhaft. Zudem sei die Einziehung der Beiträge nach Lage des Falles unbillig. Das Ermessen sei darüber hinaus immer im Rahmen der grundgesetzlichen Werteordnung auszuüben. Maßgebend sei insoweit das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 GG, das vorliegend bei Einzug der Beiträge nicht gewahrt sei. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Niederschlagung in Anbetracht ihrer prekären finanziellen Einkommenssituation.
Mit Urteil vom 20.04.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 11.05.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.05.2015 Berufung eingelegt. In formaler Hinsicht rügt sie, dass die von ihr angefochtenen Bescheide nicht durch den Vorstand der Beklagten erlassen worden seien. Dem Sozialgericht hält sie vor, dass es die rechtlichen Voraussetzungen für einen Erlass, die auch für eine Erstattung bereits gezahlter Beiträge Geltung hätten, ebenso verkannt habe wie die Möglichkeit eines Vorauserlasses bzw. Vorausverzichts. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ihr Grundrecht auf Erhaltung des Existenzminimums sei verletzt worden. Im Zeitraum von August 2013 bis Dezember 2013 habe sie kein eigenes Arbeitseinkommen und von Dezember 2013 bis Dezember 2014 habe sie ein monatliches Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung i.H.v. 450 EUR gehabt. Nach Abzug von 315 EUR für ihre Miete seien ihr lediglich 135 EUR verblieben, die sie für Lebensmittel verbraucht habe. Die monatlichen Beiträge an die Krankenkasse in Höhe von 158,53 EUR habe sie aus dem Kreditrahmen ihres Kontos gezahlt. Seit Oktober 2014 sei sie als Werkstudentin zu einem Betrag von 886,- EUR brutto beschäftigt. Davon erhalte Sie nach Abzug des Rentenversicherungsbeitrags 803,16 EUR auf ihr Konto überwiesen. Nach Abzug der Miete verblieben ihr also 488,16 EUR, wovon sie die monatlichen Beiträge an die Krankenkasse in Höhe von 158,53 EUR zahle. Ihr verblieben also nur 329,63 EUR. Das pfändungsfrei zu haltende Existenzminimum für einen Alleinstehenden betrage gemäß der aktuellen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2015 1079,- EUR. Dieser Betrag sei eine Untergrenze, die ihr zu belassen sei. Mit § 850c ZPO habe der Gesetzgeber eine absolute Belastungsgrenze vorgeschrieben. Diese werde ihr aber durch die Beitragserhebung nicht belassen, was einen nicht gerechtfertigten Eingriff in ihr Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde darstelle. Die Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerhaft. Die Beurteilung des Sozialgerichts, das eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles verlange, sei insoweit contra legem. Voraussetzung für den Erlass sei, dass die Einziehung der Beiträge nach Lage des Einzelfalles gegenüber dem Beitragsschuldner unbillig wäre. Hiermit sei eine Ermessensausübung gemeint. Die Unbilligkeit sei in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu prüfen und erfordere eine einzelfallbezogene Interessenabwägung. Eine allgemeine Festlegung der Interessenabwägung verbiete sich. Hier bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null. Es liege eine Gefährdung des Existenzminimums vor. Denn nach Abzug der gegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge verbleibe ein Einkommen unterhalb des in den jeweils gültigen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen definierten Betrages. Diese Gefährdung sei auch keine vorübergehende. Denn ihre Einnahmen würden sich auf absehbare Zeit nicht so erhöhen, dass nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge das Existenzminimum gewährleistet sei. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts bestehe zwischen Stundung und Niederschlagung keine Rangfolge. Einer Stundung könne ohnehin nicht entgegengehalten werden, dass ihre prekäre Situation nur vorübergehend sei. Der Sicherung des Existenzminimums sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Anwendung des § 76 Abs. 2 SGB IV Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber habe den Fall studentischer Arbeitnehmer mit einem prekären Einkommen unbewusst fehlerhaft geregelt. Es handele sich in Ihrem Fall um einen atypischen Sonderfall, der eine sachliche Unbilligkeit begründe. Dieser atypische Sonderfall sei durch den beantragten Erlass zur Wahrung des Existenzminimums sachgerecht zu lösen. Daraus folge, dass sie Anspruch auf Erlass der zukünftigen Beiträge und auf Erstattung der seit August 2013 bereits gezahlten Beiträge habe.
Hilfsweise begehrt die Klägerin eine unbefristete Niederschlagung der Beitragsforderungen, weil eine Einziehung nach dem 8. Buch der ZPO eindeutig keinen Erfolg haben werde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.04.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2013 in der Fassung der Bescheide vom 20.01.2014 und 13.03.2014, sämtliche in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2014 zu verurteilen, ihr die seit dem 01.08.2013 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten und zukünftige Beiträge zu erlassen, hilfsweise niederzuschlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die zulässiger Weise erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG beschwert ist. Die Beklagte hat die begehrte Erstattung gezahlter Krankenversicherungsbeiträge bzw. den zukünftigen Erlass von Beitragsschulden bzw. die Niederschlagung von Beitragsforderungen zu Recht abgelehnt.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht mangels Erlasses durch den Vorstand der Beklagten rechtswidrig. Bei den Ersatzkassen, zu denen die Beklagte zählt, wird gemäß § 31 Abs. 3a SGB IV als Verwaltungsorgan ein hauptamtlicher Vorstand gebildet, der die Krankenkasse verwaltet und gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 35a Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Hiervon wird die Führung der laufenden Geschäfte umfasst, wozu auch die Tätigkeit mit Außenwirkung bei Durchführung der gesetzlichen Aufgaben und die Beitragserhebung zählt (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 35a SGB IV Rn. 5; allgemein zu den laufenden Geschäften BSGE 26, 129). Dies bedeutet aber nicht, dass die Setzung der in diesem Zusammenhang erforderlichen Verwaltungsakte durch die Vorstandsmitglieder persönlich geschehen muss. Die vertretungsberechtigten Organe der Krankenkassen haben die Eigenschaft einer Behörde (§ 31 Abs. 3 SGB IV). Sie können daher durch Richtlinien, Geschäftsordnungen etc. wirksam Vertretungsregelungen schaffen (BAG, Urteil vom 10.02.2005 - 2 AzR 584/03, juris Rn. 59). Dafür, dass die hier angefochtenen Bescheide unter Verletzung entsprechender Kompetenzregelungen des Vorstands erlassen worden sind, fehlen auch im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin jegliche Anhaltspunkte.
In materieller Hinsicht kann die Klägerin ihren Anspruch nicht auf § 256a SGB V stützen. Danach sollen bei Versicherungspflichtigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (sogenannter Auffangtatbestand im Rahmen der zum 01.07.2007 geschaffenen allgemeinen Krankenversicherungspflicht) nachzuzahlende Beiträge und Säumniszuschläge erlassen bzw. ermäßigt werden (§ 256a Abs. 1, 2 SGB V). Abgesehen davon, dass auf die Klägerin infolge ihrer seit 1999 bei der Beklagten bestehenden freiwilligen Versicherung § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V keine Anwendung findet (§ 5 Abs. 8a SGB V), sieht § 256a SGB V allein die Möglichkeit des Erlasses nachzuzahlender Beiträge bzw. die Ermäßigungen von Beiträgen bei verspäteter Meldung vor, nicht aber die hier von der Klägerin begehrte Erstattung gezahlter Beiträge bzw. den Erlass zukünftiger Beitragsforderungen.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer seit dem 01.08.2013 gezahlten Krankenversicherungsbeiträge bzw. den Erlass zukünftiger Beitragsforderungen gemäß § 76 SGB IV. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV darf der Versicherungsträger Ansprüche auf Einnahmen nur erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beiträge erstattet oder angerechnet werden. Aufgrund der durch Art. 1 Nr. 149 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl I S. 378) eingeführten Regelung des § 271f Abs. 3 SGB V bestimmen die zum 17.02.2010 in Kraft getretenen Beitragserhebungsgrundsätze des GKV-Spitzenverbandes, dass Beitragsansprüche nur erlassen werden dürfen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Der Erlass ist nur zulässig, wenn eine Stundung oder ein Vergleich nicht in Betracht kommt (§ 9 Abs. 1). Grundlage für den Erlass können persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe sein. Gründe für den Erlass sind insbesondere dann gegeben, wenn eine Gefährdung des wirtschaftlichen Fortbestehens oder des notwendigen Lebensunterhaltes des Anspruchsgegners besteht (§ 9 Abs. 2).
Die Entscheidung über den Erlass steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, wie aus der Formulierung "darf erlassen" folgt (vgl. Baier a.a.O. Rn. 6; siehe auch § 9 Abs. 4 Satz 1 der Beitragserhebungsgrundsätze). Der hier von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erlass/Erstattung ist daher schon deshalb unbegründet, weil die Entscheidung der Beklagten nicht nur in der von der Klägerin begehrten Weise ausfallen konnte. Eine derartige Ermessensreduzierung auf Null folgt nicht aus der von der Klägerin geltend gemachten Unterschreitung ihres Existenzminimums infolge der Beitragsaufbringung. Einen Fall der persönlichen Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV stellt nämlich gerade die Gefährdung des Lebensunterhaltes dar (BSG SozR 1500 § 154 Nr. 8, juris Rn. 14; von Boetticher, juris-PK, 3. Aufl. 2016, § 76 SGB IV Rn. 38 m.w.N.), so dass hierdurch erst der Weg der entsprechenden Ermessensausübung eröffnet und nicht im Sinne der Klägerin begrenzt wird (vgl. auch LSG NW, Urteil vom 28.05.2013 - L 18 KN 138/12, juris Rn. 18). Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht schlüssig aufgezeigt, warum bei ihr eine Stundungs- und/oder Ratenzahlungsvereinbarung ausgeschlossen sein sollte, denn sie hat selbst eingeräumt, dass Veränderungen ihrer wirtschaftlichen Situation in der Zukunft möglich seien.
Der von der Klage als Minus mit umfasste Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zur ermessensgerechten Neubescheidung ist ebenfalls nicht begründet.
Die Beklagte hat im Rahmen der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung zutreffend unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls erkannt, dass eine den Erlass der Beitragsforderung begründende Unbilligkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht gegeben ist. Unbilligkeit in diesem Sinne kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (von Boetticher a.a.O. Rn. 38/39). Da die Geltendmachung der Beiträge hier erkennbar keinen Wertungswiderspruch zum Zweck der Beitragseinziehung beinhaltet (siehe dazu auch unten) und die Klägerin außerhalb ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse keine sonstigen Umstände bezeichnet hat, die einen Erlass der Beitragsforderungen gebieten könnten, ist hier die Unbilligkeit der Beitragseinziehung letztlich danach zu bemessen, ob die Beitragseinziehung eine solche Gefährdung des Lebensunterhalts der Klägerin nach sich zieht, die es als nicht mehr vertretbar erscheinen lässt, sie ganz oder teilweise mit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung zu belasten. Dies ist nicht der Fall. Unabhängig davon, ob die Feststellung des Existenzminimums im Rahmen der Unbilligkeitsbestimmung im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB IV nach § 850c ZPO oder nach den Regelungen des SGB II und XII zu erfolgen hat, ist vorliegend die Unbilligkeit der Beitragseinziehung zu verneinen, weil die Versorgungssituation der Klägerin im Wesentlichen auf ihrer freien Entscheidung beruht (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 07.05.2013 - L 5 KR 511/10, juris). Sie befindet sich seit 1993 mit Unterbrechungen im Studium, ohne das erkennbar wäre, dass dies Folge von ihr nicht beeinflussbarer Umstände ist (zur denkbaren Anwendung des § 76 SGB IV auf Beitragslasten eines Studenten des zweiten Bildungsweges nach Verlust des Schutzes der Krankenversicherung der Studenten vgl. BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 4, juris Rn. 22). Damit hat die Klägerin aber selbstverantwortlich die Situation geschaffen, dass sie einerseits infolge ihres dauerhaften Studiums keine ausreichende Erwerbstätigkeit zur Erwirtschaftung der Beiträge nachgehen will und andererseits auch nicht in den Genuss einer für sie kostenfreien Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V wegen des Bezugs von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II im Hinblick auf die Ausschlussregelungen der §§ 7 Abs. 5, 27 SGB II gelangen kann. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte nicht gehalten, der Klägerin einen kostenfreien Krankenversicherungsschutz zu gewähren, worauf letztlich das Begehren der Klägerin zielt. Dies stünde auch in einem Wertungswiderspruch zur Begrenzung der kostengünstigen Versicherungsmöglichkeit in der Krankenversicherung der Studenten, welche der Gesetzgeber zulässigerweise zeitlich befristet hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V). Auch gebieten es weder die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufswahlfreiheit noch der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), einen unbegrenzten Zugang zur Krankenversicherung der Studenten oder zu einer kostenfreien Krankenversicherung zu ermöglichen (BSG SozR 4-2500 § 5 Nr. 24 Rn. 36/37). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass freiwillig Versicherte einen dem Umfang ihres Krankenversicherungsschutzes angemessenen Mindestbeitrag zu zahlen haben (BVerfG SozR 3-1300 § 40 Nr. 3, juris Rn. 5).
Soweit die Klägerin einen zukünftigen Erlass der Beiträge geltend macht, kann dahinstehen, ob dies mangels Entscheidung der Beklagten vorliegend überhaupt zulässigerweise im Klageverfahren beansprucht werden kann, denn jedenfalls gelten die dargelegten Grundsätze auch hierfür entsprechend.
Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit ihrem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf unbefristete Niederschlagung der Beitragsforderungen durchdringen. Die Niederschlagung von Beitragsforderungen ist nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB IV möglich, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen.
Die Niederschlagung, die ein rein verwaltungsinterner Vorgang ist (vgl. z.B. Dörrmann in Hauck/Haines SGB IV § 76 Rn. 13), hat zu erfolgen, wenn anzunehmen ist, dass die Einziehung des Beitragsanspruchs wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsgegners oder wegen anderer Gründe dauernd ohne Erfolg bleibt (§ 7 Abs. 1 S. 1 Beitragserhebungsgrundsätze). Beide Alternativen des § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB IV verlangen dem Verwaltungsträger eine gesicherte ex-ante-Prognose über die Realisierbarkeit ab, die periodisch und bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkt überprüft werden muss (vgl. Breitkreutz in LPK § 76 SGB IV Rn. 14). Schon in Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin die Beiträge bislang immer gezahlt hat, fehlt es jedenfalls an der zu fordernden sicheren Prognose, dass die zukünftigen Ansprüche der Krankenkasse nicht realisiert werden können. Im Übrigen dürfte insoweit ohnehin eine Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) zu fordern sein (vgl. Dörrmann a.a.O. Rn. 14), die hier fehlt, zumal die Klägerin im Verwaltungsverfahren offenbar andere Angaben als solche zu dem laufenden Arbeitseinkommen nicht machen möchte.
Die Berufung war daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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