Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 39 KR 1343/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 256/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 01.03.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die bei der Beklagten versicherte Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine während ihres Aufenthalts in der Türkei durchgeführte zahnärztliche Behandlung.
Der Zahnarzt und Kieferorthopäde Dr. I versorgte die Klägerin auf der Grundlage seines Heil- und Kostenplans vom 07.04.2011 am 15.06.2011 nach einer Entfernung parodontal geschädigter, nicht erhaltungswürdiger Zähne mit einer Brückenprothese. Aufgrund von Beschwerden am Zahn 16 wurden nachfolgend mehrere Anpassungen sowie eine Wurzelkanalbehandlung vorgenommen.
2012 wechselte die Klägerin in die zahnärztliche Behandlung von Dr. H, der ihr unter dem 21.03.2012 eine Überfüllung von Wurzelmaterial am Zahn 16, deutliche Einschleifspuren an der Brücke sowie ein Missverhältnis der Zahl der Pfeilerzähne zu der Zahl der zu ersetzenden Zähne mit parodontaler Überlastung bescheinigte. Mit Heil- und Kostenplan vom 10.09.2012 beantragte Dr. H für die Klägerin eine Interimsversorgung für den Ober- und Unterkiefer, die die Beklagten genehmigte.
Unter dem 20.10.2012 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten, von Dr. I fehlerhaft behandelt worden zu sein.
Dr. H versorgte die Klägerin nach Entfernung der Brückenglieder der alten Oberkieferbrücke am 30.10.2012 mit einer Interimsprothese und beantragte mit Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 endgültigen Zahnersatz. Die geschätzten Gesamtbehandlungskosten gab er mit 2.504,58 EUR an.
Die Beklagte genehmigte den Antrag nicht, sondern leitete am 15.06.2011 ein Verfahren zur Prüfung der Behandlung durch Dr. I ein. Während dieses Verfahrens teilte Dr. H der Beklagten im Januar 2013 mit, er werde die Klägerin nicht weiter prothetisch behandeln, weil das Vertrauensverhältnis zerstört sei. Die Klägerin habe ihm erklärt, der am 15.06.2011 eingegliederte Zahnersatz sei in der Türkei angefertigt worden; sie verzichte auf eventuell bestehende Gewährleitungsansprüche gegen den Vorbehandler.
Die Klägerin bestritt eine Behandlung in der Türkei.
Der von der Beklagten mit der Prüfung der Behandlung durch Dr. I beauftragte Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. C gelangte in seinem Gutachten vom 30.06.2013 zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler des Dr. I nicht belegt sei.
Die Klägerin widersprach dem Gutachten u.a. mit dem Vorbringen, die Beklagte habe rechtswidrig Druck auf Dr. H ausgeübt, Dr. I habe die Akten offensichtlich verschönt.
Die Beklagte beschied die Klägerin dazu unter dem 19.12.2013, dass der Fall mit Vorlage des Gutachtens abgeschlossen sei. Sofern die Klägerin aufgrund der Zahnbehandlung Schadensersatzansprüche geltend mache wolle, solle sie sich an die Zahnärzte wenden.
Am 15.04.2014 beantragte die Klägerin, ihr die Kosten für die Durchführung der mit Kostenplan vom 13.11.2012 beantragten Versorgung mit endgültigem Zahnersatz zu erstatten. Sie habe sich vom 24.07.2013 bis 15.08.2013 in der Türkei aufgehalten; dort habe sie sich vom 26.07.2013 bis zum 07.08.2013 von dem Zahnarzt B behandeln lassen, weil die Beklagte ihr die notwendige Leistung nicht habe erbringen wollen und ein anderer Vertragsarzt im Inland voraussichtlich ihre Behandlung nicht durchgeführt hätte. Für die Selbstbeschaffung der Leistung seien ihr Kosten i.H.v. 2.504,58 EUR entstanden. Die Klägerin legte eine Bescheinigung des Arztes B vom 09.08.2013 vor, in der er eine Behandlung vom 26.07.2013 bis zum 07.08.2013 "streng nach dem Heil- und Kostenplan des Herrn Dr. H vom 13.11.2012" und die Zahlung von 2.504,58 EUR bestätigte.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 10.06.2014 mit der Begründung ab, dass es sich nicht um eine Notfallbehandlung gehandelt habe, die Klägerin sei vielmehr zur gezielten Inanspruchnahme in die Türkei gefahren.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin u.a. aus, aufgrund der Differenzen mit der Beklagten habe sie damit rechnen müssen, in der Bundesrepublik Deutschland keine entsprechende Behandlung zu erhalten. Sie habe deshalb die Behandlung in der Türkei vornehmen lassen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2014 zurück. Eine Kostenerstattung für eine Krankenbehandlung in der Türkei, mithin im Nicht-EU- Ausland, komme nach dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei über Soziale Sicherheit nur in Betracht, wenn der Betroffene wegen seines Zustands sofort Leistungen benötigt habe. Bei der durchgeführten Zahnbehandlung habe es sich aber um keine Notfallbehandlung gehandelt. Eine Kostenerstattung wegen einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung des Heil- und Kostenplans vom 13.11.2012 komme ebenfalls nicht in Betracht.
Mit ihrer Klage vom 26.11.2014 hat die Klägerin u.a. vorgetragen, entgegen dem Gutachten des Dr. Dr. C liege eine fehlerhafte Behandlung durch Dr. I vor. Die Beklagte hätte deshalb den Heil- und Kostenplan des Dr. H genehmigen müssen, zumal auch Dr. I keine Behandlung habe mehr vornehmen wollen. Sie sei seit Oktober / November 2012 auf die beantragte Leistung angewiesen gewesen. Das von Dr. H eingesetzte Provisorium habe sie fast ein Jahr lang getragen. Dies habe zu Entzündungen und unerträglichen Schmerzen geführt. Sie habe keine feste Nahrung zu sich nehmen können und deshalb unter Magenschmerzen gelitten, aufgrund derer sie keine Antibiotika habe einnehmen können. Zusammen mit ihrem Bruder sei sie wegen schwerer gesundheitlicher Probleme ihrer Mutter mit dem Auto in die Türkei gefahren. Die Einreise sei nach zwei Tagen Fahrt am 24.07.2013 erfolgt. Ihre Schmerzen seien in der Türkei so stark gewesen, dass sie sogar das Bewusstsein verloren habe und der Zahnarzt B sie notfallbedingt habe behandeln müssen. Für die Behandlung habe der Zahnarzt ein Honorar i.H.v. 2.504,58 EUR in Rechnung gestellt. Die Behandlung sei erfolgreich gewesen. Seit der Behandlung in der Türkei sei sie weitgehend schmerzfrei und könne wieder feste Nahrung zu sich nehmen. Die außergerichtlichen Kosten für Rechtsanwalt Prell, der sie im Verwaltungsverfahren vertreten und für sie den Widerspruch eingelegt habe, i.H.v. 380,80 EUR seien ebenfalls zu erstatten.
Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Arztes B vorgelegt. Darin führt dieser aus, die Klägerin habe nach eigenen Angaben vor der Ankunft in der Zahnarztpraxis das Bewusstsein aufgrund von Zahnschmerzen verloren. Das Zahnfleisch der Klägerin sei schwer entzündet gewesen und der provisorische Zahnersatz habe nicht mehr gepasst. Nach ihren Angaben habe die Klägerin, der eine feste Nahrungsmittelzufuhr unmöglich gewesen sei, aufgrund von Bauchschmerzen keine Schmerzmittel einnehmen können, so dass er sie vom 26.07.2013 bis zum 07.08.2013 notfallbedingt behandelt habe. Die Behandlung habe nicht aufgeschoben werden können, weil ansonsten weitere gesundheitliche Komplikationen ausgelöst bzw. bestehende nicht unbehandelt hätten belassen werden können.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund ist von dem Antrag der Klägerin ausgegangen,
den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Zahnbehandlung in der Türkei i.H.v. 2.504,58 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.03.2016 abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der in der Türkei durchgeführten Zahnbehandlung. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die Leistungen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich in Deutschland zu erbringen. Daraus folge, dass Leistungsansprüche ruhten, solange sich der Versicherte im Ausland aufhalte. Etwas Anderes ergebe sich vorliegend auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.09.1964. Die Klägerin habe sich nicht nach Eintritt des Versicherungsfalls mit Zustimmung der Beklagten in der Türkei aufgehalten. Darüber hinaus sei aufgrund ihres Gesundheitszustands auch keine sofortige Behandlung mit einem endgültigen Zahnersatz erforderlich gewesen. Der Klägerin sei es ohne Gesundheitsgefährdung möglich gewesen, für eine Zahnbehandlung mit endgültigem Zahnersatz nach Deutschland zurückzureisen. Zudem habe sie auch ausreichend Gelegenheit gehabt, vor Einsatz des endgültigen Zahnersatzes mit der Beklagten telefonisch die Frage der Kostenübernahme zu klären. Schließlich stelle die Versorgung mit einer endgültigen Zahnprothese keine Notfallbehandlung dar. Wenn der Klägerin keine Einnahme von Schmerzmitteln möglich gewesen sei, hätte eine Behandlung in Form der Anpassung der vorhandenen Interimsprothese bzw. eine Versorgung mit einem neuen Provisorium erfolgen können.
Gegen das am 21.03.2016 abgesandte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 07.04.2016, mit der sie u.v.a. vertiefend vorträgt, die Beklagte habe den Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 nicht bearbeitet, damit gegen § 13 Abs. 3a Satz 1. 1. Alt. SGB V verstoßen, so dass die Leistung als genehmigt gelte. Sie genieße darüber hinaus Vertrauensschutz, weil die Beklagte die mit Kostenplan vom 10.09.2012 beantragte Interimsversorgung genehmigt habe. Im Übrigen habe der Arzt B ausdrücklich einen Notfall bescheinigt; das SG, das keine medizinischen Kenntnisse habe, könne dies nicht anders werten. Eine Alternativbehandlung sei auch nicht in Betracht gekommen; nur mittels der durchgeführten Behandlung habe ihre Gesundheitsgefährdung vermieden werden können. Eine Rechnung des Arztes B könne sie nicht vorlegen; sie vermute, dass die Rechnung im Zuge von Renovierungen weggeworfen worden sei. Ein zunächst angeführter Amtshaftungsanspruch werde nicht geltend gemacht.
Die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.01.2017 nicht erschienen. sie beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 01.03.2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 10.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Zahnbehandlung in der Türkei in Höhe von 2.504,58 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Klägerin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2017 entscheiden, weil die Klägerin ordnungsgemäß zum Termin geladen und mit der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin deshalb nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung der Kosten für die im Jahr 2013 in der Türkei durchgeführte zahnärztliche Behandlung i.H.v. 2.504,58 EUR. Daraus folgt im Übrigen, dass der Klägerin die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten i.H.v. 380,80 EUR nicht zu erstatten sind.
Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus: Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Leistungen der deutschen Krankenversicherung nach dem SGB V grundsätzlich in der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen. Der Anspruch auf diese Leistungen ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit im SGB V nichts Abweichendes bestimmt ist. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch aus zwischenstaatlichem Recht ergeben.
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten ergibt sich nicht aus zwischenstaatlichem Recht. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit Art. 4a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.04.1964 (BGBl. II 1972, S. 2) in der Fassung vom 02.11.1984 (BGBl. II 1986, S. 1040; im folgenden Abkommen) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen auch bei Aufenthalt in der Türkei. Versicherte deutscher Krankenkassen und deren Familienangehörige erhalten danach Leistungen,
a) wenn sie, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthaltes vorher zugestimmt hat (Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) des Abkommens), b) wenn der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigen (Art. 12 Abs. 1 Buchstabe b) des Abkommens).
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil die Beklagte nach Eintritt des Versicherungsfalls der Verlegung des Aufenthalts der Klägerin in die Türkei nicht zugestimmt hat und die Klägerin die dort erbrachten Leistungen wegen ihres Zustandes auch nicht sofort benötigte.
Die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen bei Aufenthalt in der Türkei bezieht sich bereits nach ihrer Überschrift lediglich auf § 12 Abs. 1 Buchstabe b) und den hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 12 Abs. 1 Buchstabe c) und bestimmt dementsprechend, dass ein Anspruch auf Sachleistungen nur besteht, wenn solche Leistungen wegen des Zustandes der betreffenden Person sofort benötigt werden.
Es liegt auch kein Fall des § 12 Abs. 1 Buchstabe b) vor.
Der Versicherungsfall ist nach dem Vorbringen der Klägerin bereits vor der Reise in die Türkei eingetreten und nicht erst "während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei". Die Klägerin hat nämlich u.v.a. angegeben, dass sie bereits seit Oktober / November 2012 auf die beantragte Leistung angewiesen gewesen sei (Schriftsatz vom 01.12.2014). Auch nach ihrem Vorbringen im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin ihr Zähne deshalb in der Türkei sanieren lassen, weil sie der Auffassung war, aufgrund von Differenzen mit der Beklagten in Deutschland keine entsprechende Behandlung zu erhalten (Schriftsatz vom 15.04.2014). Dieses Vorbringen belegt wie im Übrigen auch der Umstand, dass sie den Heil - und Kostenplan des Dr. H bei ihrer Reise in die Türkei mit sich geführt hat (s. Bescheinigung des Arztes B vom 09.08.2013), dass sie während ihres Aufenthalts in der Türkei nicht plötzlich zahnärztliche Hilfe benötigt hat, sondern geplant in die Türkei gereist ist, um dort die ihres Erachtens sachgerechte Behandlung eines nach ihrem Vorbingen schon seit langen von ihr beklagten Zustandes zu erlangen.
Im Übrigen kann aber auch unterstellt werden, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts in der Türkei verstärkte Schmerzen gehabt hat. Indes hätte eine endgültige Gebisssanierung ohne Gesundheitsgefährdung auch nach Rückkehr der Klägerin nach Deutschland erfolgen können. Als Notfallbehandlung i.S.d. Abkommens kommen vorliegend allein eine zahnärztliche Schmerzbehandlung und ggf. eine weitere Interimsprothese in Betracht, jedoch keine endgültige Maßnahme in Form eines endgültigen Zahnersatzes (so auch Landessozialgericht (LSG) Hamburg, Urteil vom 12.09.2014 - L 1 KR 162/13 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.07.2007 - L 9 KR 145/04 -). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Arzt B der Klägerin im Wesentlichen aufgrund derer Angaben eine Notfallsituation bescheinigt. Selbst wenn eine solche Notfallsituation vorgelegen haben sollte, ändert das Nichts daran, dass kein Grund dafür bestand, nunmehr eine endgültige Zahnprothese einzusetzen.
Im Übrigen bestimmen Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a des Abkommens Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 des Abkommens ist unbedingte Dringlichkeit gegeben, wenn die Gewährung der Leistung nicht aufgeschoben werden kann, ohne das Leben oder die Gesundheit der Person ernstlich zu gefährden. Der Einsatz einer endgültigen Zahnprothese ist nicht unaufschiebbar; es ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass ein Aufschub das Leben oder die Gesundheit der Klägerin hätte ernstlich gefährden können. Die aufgrund der Höhe der geltend gemachten Kosten erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor, so dass auch aus diesem Grund ein Anspruch der Klägerin scheitert.
Die Klägerin hat aber schließlich auch deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung, weil für die fragliche Behandlung kein genehmigter Heil- und Kostenplan vorliegt. Nach § 87 Abs. 1a Satz 2 SGB V hat der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs. 1a Satz 4 SGB V) und gegebenenfalls begutachten zu lassen (§ 87 Abs. 1a Satz 5 SGB V). Aus diesen Regelungen folgt, dass die Gewährung von zahnärztlichen Leistungen in jedem Fall von der vorherigen Genehmigung des Heil- und Kostenplans durch die Krankenkasse abhängig ist (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R -). Fehlt es an der Genehmigung der tatsächlich erfolgten Versorgung, so hat die Krankenkasse keine Leistungen gegenüber dem Versicherten zu erbringen (LSG Hamburg, Urteil vom 12.09.2014 - L 1 KR 162/13 - ).
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen,
1. sie habe aufgrund der Genehmigung des Kostenplans vom 10.09.2012 (von der Beklagten genehmigte Interimsversorgung für den Ober- und Unterkiefer) darauf vertrauen dürfen, dass auch eine endgültige Zahnprothese genehmigt werden würde,
2. dass der Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 (Versorgung der Klägerin mit einem endgültigen Zahnersatz) durch Zeitablauf als genehmigt gelte,
3. dass § 13 Abs. 3 SGB V die Erstattung der Kosten vorgebe.
zu 1.
Mit der Genehmigung des Kostenplans vom 10.09.2012 hat die Beklagte lediglich einer Interimsversorgung für den Ober- und Unterkiefer zugestimmt. Dies ist nicht inhaltsgleich mit einer Zustimmung zu einer endgültigen Versorgung. Die auf eine Interimsversorgung beschränkte Zustimmung beinhaltet vielmehr die sinngemäße Aussage, dass die endgültige Versorgung einer neuen Prüfung und Genehmigung bedarf.
Im Übrigen ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, inwieweit mit der Genehmigung einer Interimsversorgung einer endgültigen Versorgung im Nicht-EU-Ausland hätte zugestimmt worden sein können bzw. inwieweit ein entsprechendes Vertrauen der Klägerin hätte begründet werden können.
zu 2.
Unerheblich ist der Hinweis der Klägerin auf § 13 Abs. 3a SGB V, nach dem eine Leistung als genehmigt gilt, wenn die Krankenkasse nicht innerhalb der im Einzelnen vorgesehenen Fristen über den gestellten Antrag entschieden hat. Ungeachtet der Frage, ob diese Regelung überhaupt für Heil- und Kostenpläne im o.a. Sinne gilt, greift sie hinsichtlich des Heil- und Kostenplans vom 13.11.2012 schon deshalb nicht, weil sie erst mit dem am 26.02.2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRVerbG) in das Gesetz eingefügt worden ist.
Im Übrigen bezieht sich der Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 ausschließlich auf eine Behandlung durch den zur vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigten Zahnarzt Dr. H und nicht auf eine Versorgung im Nicht-EU-Ausland.
zu 3.
§ 13 Abs. 3 SGB V setzt u.v.a. voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung notwendig war. Das ist bei der unter den vorgenannten und im Einzelnen gewürdigten Umständen im EU-Ausland von der Klägerin selbstbeschafften Leistung nicht der Fall. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die bei der Beklagten versicherte Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine während ihres Aufenthalts in der Türkei durchgeführte zahnärztliche Behandlung.
Der Zahnarzt und Kieferorthopäde Dr. I versorgte die Klägerin auf der Grundlage seines Heil- und Kostenplans vom 07.04.2011 am 15.06.2011 nach einer Entfernung parodontal geschädigter, nicht erhaltungswürdiger Zähne mit einer Brückenprothese. Aufgrund von Beschwerden am Zahn 16 wurden nachfolgend mehrere Anpassungen sowie eine Wurzelkanalbehandlung vorgenommen.
2012 wechselte die Klägerin in die zahnärztliche Behandlung von Dr. H, der ihr unter dem 21.03.2012 eine Überfüllung von Wurzelmaterial am Zahn 16, deutliche Einschleifspuren an der Brücke sowie ein Missverhältnis der Zahl der Pfeilerzähne zu der Zahl der zu ersetzenden Zähne mit parodontaler Überlastung bescheinigte. Mit Heil- und Kostenplan vom 10.09.2012 beantragte Dr. H für die Klägerin eine Interimsversorgung für den Ober- und Unterkiefer, die die Beklagten genehmigte.
Unter dem 20.10.2012 äußerte die Klägerin gegenüber der Beklagten, von Dr. I fehlerhaft behandelt worden zu sein.
Dr. H versorgte die Klägerin nach Entfernung der Brückenglieder der alten Oberkieferbrücke am 30.10.2012 mit einer Interimsprothese und beantragte mit Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 endgültigen Zahnersatz. Die geschätzten Gesamtbehandlungskosten gab er mit 2.504,58 EUR an.
Die Beklagte genehmigte den Antrag nicht, sondern leitete am 15.06.2011 ein Verfahren zur Prüfung der Behandlung durch Dr. I ein. Während dieses Verfahrens teilte Dr. H der Beklagten im Januar 2013 mit, er werde die Klägerin nicht weiter prothetisch behandeln, weil das Vertrauensverhältnis zerstört sei. Die Klägerin habe ihm erklärt, der am 15.06.2011 eingegliederte Zahnersatz sei in der Türkei angefertigt worden; sie verzichte auf eventuell bestehende Gewährleitungsansprüche gegen den Vorbehandler.
Die Klägerin bestritt eine Behandlung in der Türkei.
Der von der Beklagten mit der Prüfung der Behandlung durch Dr. I beauftragte Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. C gelangte in seinem Gutachten vom 30.06.2013 zu dem Ergebnis, dass ein Behandlungsfehler des Dr. I nicht belegt sei.
Die Klägerin widersprach dem Gutachten u.a. mit dem Vorbringen, die Beklagte habe rechtswidrig Druck auf Dr. H ausgeübt, Dr. I habe die Akten offensichtlich verschönt.
Die Beklagte beschied die Klägerin dazu unter dem 19.12.2013, dass der Fall mit Vorlage des Gutachtens abgeschlossen sei. Sofern die Klägerin aufgrund der Zahnbehandlung Schadensersatzansprüche geltend mache wolle, solle sie sich an die Zahnärzte wenden.
Am 15.04.2014 beantragte die Klägerin, ihr die Kosten für die Durchführung der mit Kostenplan vom 13.11.2012 beantragten Versorgung mit endgültigem Zahnersatz zu erstatten. Sie habe sich vom 24.07.2013 bis 15.08.2013 in der Türkei aufgehalten; dort habe sie sich vom 26.07.2013 bis zum 07.08.2013 von dem Zahnarzt B behandeln lassen, weil die Beklagte ihr die notwendige Leistung nicht habe erbringen wollen und ein anderer Vertragsarzt im Inland voraussichtlich ihre Behandlung nicht durchgeführt hätte. Für die Selbstbeschaffung der Leistung seien ihr Kosten i.H.v. 2.504,58 EUR entstanden. Die Klägerin legte eine Bescheinigung des Arztes B vom 09.08.2013 vor, in der er eine Behandlung vom 26.07.2013 bis zum 07.08.2013 "streng nach dem Heil- und Kostenplan des Herrn Dr. H vom 13.11.2012" und die Zahlung von 2.504,58 EUR bestätigte.
Die Beklagte lehnte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 10.06.2014 mit der Begründung ab, dass es sich nicht um eine Notfallbehandlung gehandelt habe, die Klägerin sei vielmehr zur gezielten Inanspruchnahme in die Türkei gefahren.
Mit ihrem Widerspruch führte die Klägerin u.a. aus, aufgrund der Differenzen mit der Beklagten habe sie damit rechnen müssen, in der Bundesrepublik Deutschland keine entsprechende Behandlung zu erhalten. Sie habe deshalb die Behandlung in der Türkei vornehmen lassen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2014 zurück. Eine Kostenerstattung für eine Krankenbehandlung in der Türkei, mithin im Nicht-EU- Ausland, komme nach dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei über Soziale Sicherheit nur in Betracht, wenn der Betroffene wegen seines Zustands sofort Leistungen benötigt habe. Bei der durchgeführten Zahnbehandlung habe es sich aber um keine Notfallbehandlung gehandelt. Eine Kostenerstattung wegen einer zu Unrecht erfolgten Ablehnung des Heil- und Kostenplans vom 13.11.2012 komme ebenfalls nicht in Betracht.
Mit ihrer Klage vom 26.11.2014 hat die Klägerin u.a. vorgetragen, entgegen dem Gutachten des Dr. Dr. C liege eine fehlerhafte Behandlung durch Dr. I vor. Die Beklagte hätte deshalb den Heil- und Kostenplan des Dr. H genehmigen müssen, zumal auch Dr. I keine Behandlung habe mehr vornehmen wollen. Sie sei seit Oktober / November 2012 auf die beantragte Leistung angewiesen gewesen. Das von Dr. H eingesetzte Provisorium habe sie fast ein Jahr lang getragen. Dies habe zu Entzündungen und unerträglichen Schmerzen geführt. Sie habe keine feste Nahrung zu sich nehmen können und deshalb unter Magenschmerzen gelitten, aufgrund derer sie keine Antibiotika habe einnehmen können. Zusammen mit ihrem Bruder sei sie wegen schwerer gesundheitlicher Probleme ihrer Mutter mit dem Auto in die Türkei gefahren. Die Einreise sei nach zwei Tagen Fahrt am 24.07.2013 erfolgt. Ihre Schmerzen seien in der Türkei so stark gewesen, dass sie sogar das Bewusstsein verloren habe und der Zahnarzt B sie notfallbedingt habe behandeln müssen. Für die Behandlung habe der Zahnarzt ein Honorar i.H.v. 2.504,58 EUR in Rechnung gestellt. Die Behandlung sei erfolgreich gewesen. Seit der Behandlung in der Türkei sei sie weitgehend schmerzfrei und könne wieder feste Nahrung zu sich nehmen. Die außergerichtlichen Kosten für Rechtsanwalt Prell, der sie im Verwaltungsverfahren vertreten und für sie den Widerspruch eingelegt habe, i.H.v. 380,80 EUR seien ebenfalls zu erstatten.
Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Arztes B vorgelegt. Darin führt dieser aus, die Klägerin habe nach eigenen Angaben vor der Ankunft in der Zahnarztpraxis das Bewusstsein aufgrund von Zahnschmerzen verloren. Das Zahnfleisch der Klägerin sei schwer entzündet gewesen und der provisorische Zahnersatz habe nicht mehr gepasst. Nach ihren Angaben habe die Klägerin, der eine feste Nahrungsmittelzufuhr unmöglich gewesen sei, aufgrund von Bauchschmerzen keine Schmerzmittel einnehmen können, so dass er sie vom 26.07.2013 bis zum 07.08.2013 notfallbedingt behandelt habe. Die Behandlung habe nicht aufgeschoben werden können, weil ansonsten weitere gesundheitliche Komplikationen ausgelöst bzw. bestehende nicht unbehandelt hätten belassen werden können.
Das Sozialgericht (SG) Dortmund ist von dem Antrag der Klägerin ausgegangen,
den Bescheid der Beklagten vom 10.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Zahnbehandlung in der Türkei i.H.v. 2.504,58 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.03.2016 abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der in der Türkei durchgeführten Zahnbehandlung. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien die Leistungen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich in Deutschland zu erbringen. Daraus folge, dass Leistungsansprüche ruhten, solange sich der Versicherte im Ausland aufhalte. Etwas Anderes ergebe sich vorliegend auch nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.09.1964. Die Klägerin habe sich nicht nach Eintritt des Versicherungsfalls mit Zustimmung der Beklagten in der Türkei aufgehalten. Darüber hinaus sei aufgrund ihres Gesundheitszustands auch keine sofortige Behandlung mit einem endgültigen Zahnersatz erforderlich gewesen. Der Klägerin sei es ohne Gesundheitsgefährdung möglich gewesen, für eine Zahnbehandlung mit endgültigem Zahnersatz nach Deutschland zurückzureisen. Zudem habe sie auch ausreichend Gelegenheit gehabt, vor Einsatz des endgültigen Zahnersatzes mit der Beklagten telefonisch die Frage der Kostenübernahme zu klären. Schließlich stelle die Versorgung mit einer endgültigen Zahnprothese keine Notfallbehandlung dar. Wenn der Klägerin keine Einnahme von Schmerzmitteln möglich gewesen sei, hätte eine Behandlung in Form der Anpassung der vorhandenen Interimsprothese bzw. eine Versorgung mit einem neuen Provisorium erfolgen können.
Gegen das am 21.03.2016 abgesandte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 07.04.2016, mit der sie u.v.a. vertiefend vorträgt, die Beklagte habe den Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 nicht bearbeitet, damit gegen § 13 Abs. 3a Satz 1. 1. Alt. SGB V verstoßen, so dass die Leistung als genehmigt gelte. Sie genieße darüber hinaus Vertrauensschutz, weil die Beklagte die mit Kostenplan vom 10.09.2012 beantragte Interimsversorgung genehmigt habe. Im Übrigen habe der Arzt B ausdrücklich einen Notfall bescheinigt; das SG, das keine medizinischen Kenntnisse habe, könne dies nicht anders werten. Eine Alternativbehandlung sei auch nicht in Betracht gekommen; nur mittels der durchgeführten Behandlung habe ihre Gesundheitsgefährdung vermieden werden können. Eine Rechnung des Arztes B könne sie nicht vorlegen; sie vermute, dass die Rechnung im Zuge von Renovierungen weggeworfen worden sei. Ein zunächst angeführter Amtshaftungsanspruch werde nicht geltend gemacht.
Die Klägerin ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.01.2017 nicht erschienen. sie beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 01.03.2016 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 10.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Zahnbehandlung in der Türkei in Höhe von 2.504,58 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Klägerin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2017 entscheiden, weil die Klägerin ordnungsgemäß zum Termin geladen und mit der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2014 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin deshalb nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung der Kosten für die im Jahr 2013 in der Türkei durchgeführte zahnärztliche Behandlung i.H.v. 2.504,58 EUR. Daraus folgt im Übrigen, dass der Klägerin die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten i.H.v. 380,80 EUR nicht zu erstatten sind.
Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus: Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Leistungen der deutschen Krankenversicherung nach dem SGB V grundsätzlich in der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen. Der Anspruch auf diese Leistungen ruht, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit im SGB V nichts Abweichendes bestimmt ist. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch aus zwischenstaatlichem Recht ergeben.
Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten ergibt sich nicht aus zwischenstaatlichem Recht. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit Art. 4a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.04.1964 (BGBl. II 1972, S. 2) in der Fassung vom 02.11.1984 (BGBl. II 1986, S. 1040; im folgenden Abkommen) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen auch bei Aufenthalt in der Türkei. Versicherte deutscher Krankenkassen und deren Familienangehörige erhalten danach Leistungen,
a) wenn sie, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthaltes vorher zugestimmt hat (Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) des Abkommens), b) wenn der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigen (Art. 12 Abs. 1 Buchstabe b) des Abkommens).
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil die Beklagte nach Eintritt des Versicherungsfalls der Verlegung des Aufenthalts der Klägerin in die Türkei nicht zugestimmt hat und die Klägerin die dort erbrachten Leistungen wegen ihres Zustandes auch nicht sofort benötigte.
Die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen bei Aufenthalt in der Türkei bezieht sich bereits nach ihrer Überschrift lediglich auf § 12 Abs. 1 Buchstabe b) und den hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 12 Abs. 1 Buchstabe c) und bestimmt dementsprechend, dass ein Anspruch auf Sachleistungen nur besteht, wenn solche Leistungen wegen des Zustandes der betreffenden Person sofort benötigt werden.
Es liegt auch kein Fall des § 12 Abs. 1 Buchstabe b) vor.
Der Versicherungsfall ist nach dem Vorbringen der Klägerin bereits vor der Reise in die Türkei eingetreten und nicht erst "während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei". Die Klägerin hat nämlich u.v.a. angegeben, dass sie bereits seit Oktober / November 2012 auf die beantragte Leistung angewiesen gewesen sei (Schriftsatz vom 01.12.2014). Auch nach ihrem Vorbringen im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin ihr Zähne deshalb in der Türkei sanieren lassen, weil sie der Auffassung war, aufgrund von Differenzen mit der Beklagten in Deutschland keine entsprechende Behandlung zu erhalten (Schriftsatz vom 15.04.2014). Dieses Vorbringen belegt wie im Übrigen auch der Umstand, dass sie den Heil - und Kostenplan des Dr. H bei ihrer Reise in die Türkei mit sich geführt hat (s. Bescheinigung des Arztes B vom 09.08.2013), dass sie während ihres Aufenthalts in der Türkei nicht plötzlich zahnärztliche Hilfe benötigt hat, sondern geplant in die Türkei gereist ist, um dort die ihres Erachtens sachgerechte Behandlung eines nach ihrem Vorbingen schon seit langen von ihr beklagten Zustandes zu erlangen.
Im Übrigen kann aber auch unterstellt werden, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts in der Türkei verstärkte Schmerzen gehabt hat. Indes hätte eine endgültige Gebisssanierung ohne Gesundheitsgefährdung auch nach Rückkehr der Klägerin nach Deutschland erfolgen können. Als Notfallbehandlung i.S.d. Abkommens kommen vorliegend allein eine zahnärztliche Schmerzbehandlung und ggf. eine weitere Interimsprothese in Betracht, jedoch keine endgültige Maßnahme in Form eines endgültigen Zahnersatzes (so auch Landessozialgericht (LSG) Hamburg, Urteil vom 12.09.2014 - L 1 KR 162/13 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.07.2007 - L 9 KR 145/04 -). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Arzt B der Klägerin im Wesentlichen aufgrund derer Angaben eine Notfallsituation bescheinigt. Selbst wenn eine solche Notfallsituation vorgelegen haben sollte, ändert das Nichts daran, dass kein Grund dafür bestand, nunmehr eine endgültige Zahnprothese einzusetzen.
Im Übrigen bestimmen Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a des Abkommens Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 des Abkommens ist unbedingte Dringlichkeit gegeben, wenn die Gewährung der Leistung nicht aufgeschoben werden kann, ohne das Leben oder die Gesundheit der Person ernstlich zu gefährden. Der Einsatz einer endgültigen Zahnprothese ist nicht unaufschiebbar; es ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass ein Aufschub das Leben oder die Gesundheit der Klägerin hätte ernstlich gefährden können. Die aufgrund der Höhe der geltend gemachten Kosten erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor, so dass auch aus diesem Grund ein Anspruch der Klägerin scheitert.
Die Klägerin hat aber schließlich auch deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung, weil für die fragliche Behandlung kein genehmigter Heil- und Kostenplan vorliegt. Nach § 87 Abs. 1a Satz 2 SGB V hat der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (§ 87 Abs. 1a Satz 4 SGB V) und gegebenenfalls begutachten zu lassen (§ 87 Abs. 1a Satz 5 SGB V). Aus diesen Regelungen folgt, dass die Gewährung von zahnärztlichen Leistungen in jedem Fall von der vorherigen Genehmigung des Heil- und Kostenplans durch die Krankenkasse abhängig ist (BSG, Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 19/08 R -). Fehlt es an der Genehmigung der tatsächlich erfolgten Versorgung, so hat die Krankenkasse keine Leistungen gegenüber dem Versicherten zu erbringen (LSG Hamburg, Urteil vom 12.09.2014 - L 1 KR 162/13 - ).
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen,
1. sie habe aufgrund der Genehmigung des Kostenplans vom 10.09.2012 (von der Beklagten genehmigte Interimsversorgung für den Ober- und Unterkiefer) darauf vertrauen dürfen, dass auch eine endgültige Zahnprothese genehmigt werden würde,
2. dass der Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 (Versorgung der Klägerin mit einem endgültigen Zahnersatz) durch Zeitablauf als genehmigt gelte,
3. dass § 13 Abs. 3 SGB V die Erstattung der Kosten vorgebe.
zu 1.
Mit der Genehmigung des Kostenplans vom 10.09.2012 hat die Beklagte lediglich einer Interimsversorgung für den Ober- und Unterkiefer zugestimmt. Dies ist nicht inhaltsgleich mit einer Zustimmung zu einer endgültigen Versorgung. Die auf eine Interimsversorgung beschränkte Zustimmung beinhaltet vielmehr die sinngemäße Aussage, dass die endgültige Versorgung einer neuen Prüfung und Genehmigung bedarf.
Im Übrigen ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, inwieweit mit der Genehmigung einer Interimsversorgung einer endgültigen Versorgung im Nicht-EU-Ausland hätte zugestimmt worden sein können bzw. inwieweit ein entsprechendes Vertrauen der Klägerin hätte begründet werden können.
zu 2.
Unerheblich ist der Hinweis der Klägerin auf § 13 Abs. 3a SGB V, nach dem eine Leistung als genehmigt gilt, wenn die Krankenkasse nicht innerhalb der im Einzelnen vorgesehenen Fristen über den gestellten Antrag entschieden hat. Ungeachtet der Frage, ob diese Regelung überhaupt für Heil- und Kostenpläne im o.a. Sinne gilt, greift sie hinsichtlich des Heil- und Kostenplans vom 13.11.2012 schon deshalb nicht, weil sie erst mit dem am 26.02.2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRVerbG) in das Gesetz eingefügt worden ist.
Im Übrigen bezieht sich der Heil- und Kostenplan vom 13.11.2012 ausschließlich auf eine Behandlung durch den zur vertragszahnärztlichen Versorgung berechtigten Zahnarzt Dr. H und nicht auf eine Versorgung im Nicht-EU-Ausland.
zu 3.
§ 13 Abs. 3 SGB V setzt u.v.a. voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung notwendig war. Das ist bei der unter den vorgenannten und im Einzelnen gewürdigten Umständen im EU-Ausland von der Klägerin selbstbeschafften Leistung nicht der Fall. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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