L 14 R 95/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 22 R 381/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 95/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 251/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 14 R 820/12 LSG NRW durch Zurücknahme der Berufung am 08.11.2013 beendet ist. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Fortsetzung des Verfahrens L 14 R 820/12.

Die am 00.00.1956 geborene Klägerin arbeitete seit Februar 1974 bei der Firma I Küchen in P (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Büroangestellte. Mit Bescheid vom 27.05.1992 gewährte ihr die Beklagte ab dem 01.04.1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer.

Mit Änderungsbescheid vom 19.09.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab September 2007 - unter Anrechnung eines monatlichen Bruttoarbeitsentgelts in Höhe von 1.374,00 Euro - eine monatliche Rente in Höhe eines Drittels der Vollrente, mithin in Höhe von 183,10 Euro. Sie wies unter der Überschrift "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten" u.a. darauf hin, dass die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung sowie der Bezug von Einkommen unverzüglich mitzuteilen seien. In Anlage 19 des Bescheides wurden außerdem die für das Jahr 2007 geltenden Hinzuverdienstgrenzen konkret beziffert.

Am 22.09.2009 übermittelte die Beklagte der Klägerin ein Formular zur Angabe des erwirtschafteten Hinzuverdienstes für die Zeit ab Oktober 2007. In diesem bestätigte der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin, an welchen die Klägerin das Formular weitergeleitet hatte, am 30.09.2009 u.a. für das Jahr 2008 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 17.664,78 Euro. Darin sei ein jährlich im Juli zu zahlender Betrag in Höhe von 365,70 Euro enthalten. Die Arbeitgeberin bestätigte mit Schreiben vom 20.10.2009, die Klägerin habe ein monatliches Bruttogehalt von 1.415,00 Euro entsprechend der von der Beklagten mitgeteilten Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 1.415,26 Euro erhalten, außerdem sei ein Arbeitgeber-Zuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 26,59 Euro gewährt worden.

Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.2009 die Rentenbewilligung für die Zeit ab 01.01.2008 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte von der Klägerin bezogen auf den Zeitraum "vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2009" Leistungen in Höhe von 2.206,26 Euro zurück. Aus den Anlagen 1 und 10 des Bescheides ergab sich, dass sich der Erstattungsbetrag allein aus den für das Jahr 2008 geleisteten Rentenzahlungen zusammensetzte und für das Jahr 2009 keine Erstattung verlangt wurde. Zur Begründung führte die Beklagte aus, im Jahr 2008 sei die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in Höhe von einem Drittel der Vollrente überschritten worden, so dass kein zahlbarer Rentenanspruch bestanden habe. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe den Wegfall des Rentenanspruches kennen müssen. Bereits in den zuvor erteilten Bescheiden sei auf die Hinzuverdienstgrenzen hingewiesen worden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25.11.2009 Widerspruch und führte aus, die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau T, habe der Mitarbeiterin ihrer Arbeitgeberin, Frau N, am 04.12.2008 erklärt, ihr Bruttogehalt von 1.415,00 Euro zuzüglich Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen überschreite nicht die Hinzuverdienstgrenze. Hierauf habe sie sich verlassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte aus, nach der Bescheinigung ihrer Arbeitgeberin habe die Klägerin im Jahr 2008 einen Hinzuverdienst in Höhe von 17.664,78 Euro erzielt. Darin sei eine Einmalzahlung in Höhe von 365,70 Euro enthalten gewesen, so dass ein monatlicher Hinzuverdienst in Höhe von 1.441,59 Euro (17.664,78 Euro abzüglich 365,70 Euro = 17.299,08 Euro geteilt durch 12) zugrunde zu legen sei. Hiermit sei die Hinzuverdienstgrenze für 2008 in Höhe von 1.438,21 Euro für einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente in Höhe eines Drittels der Vollrente überschritten worden, so dass im Jahr 2008 kein zahlbarer Anspruch bestanden habe. Ab 01.01.2009 habe eine höhere Hinzuverdienstgrenze von 1.458,40 Euro gegolten, so dass die am 04.12.2008 gegebene Information, die Hinzuverdienstgrenze werde mit dem Gesamtverdienst von 1.441,59 Euro eingehalten, richtig gewesen sei. Ab 01.01.2009 ergebe sich deshalb auch keine Überzahlung mehr. Für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 könne sich die Klägerin nicht auf eine falsche Auskunft vom 04.12.2008 berufen, da auch bei richtiger Information die Überzahlung für die Vergangenheit nicht mehr zu vermeiden gewesen wäre.

Zur Begründung der hiergegen vor dem Sozialgericht Detmold (Az.: S 22 R 381/10) am 27.04.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren Bezug genommen. Sie hat hervorgehoben, dass eine zeugenschaftliche Vernehmung der Mitarbeiterin ihrer Arbeitgeberin, Frau N, in Bezug auf das mit der Beklagten am 04.12.2008 geführte Telefonat zwingend geboten sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.09.2012 hat die Beklagte den Klageanspruch teilweise anerkannt, den Erstattungsbetrag auf 1.840,06 Euro reduziert und dies damit begründet, dass für Januar und Februar 2008 ein rentenschädliches Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nicht vorliege. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2010 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 04.09.2012 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie nicht durch das angenommen Teilanerkenntnis erledigt ist.

Sie hat vorgetragen, dass der Klägerin die Thematik der Hinzuverdienstgrenzen hinreichend bekannt gewesen sei, da bereits im Jahr 2003 hierzu ein Klageverfahren geführt worden sei. Die Hinzuverdienstgrenzen seien der Klägerin ausdrücklich und unmissverständlich mit Rentenbescheid und Informationsschreiben bekannt gegeben worden. Das Bruttogehalt - einschließlich der vermögenswirksamen Leistungen - habe die Klägerin ihrer Gehaltsbescheinigung entnehmen und mit einfachen Überlegungen feststellen können, dass die Hinzuverdienstgrenze überschritten gewesen sei. Die Auskunft vom 04.12.2008 könne sich auf die Erstattungspflicht nicht auswirken, da die letzte Zahlung für 2008 bereits am 01.12.2008 angewiesen worden sei. Die Klägerin sei bösgläubig gewesen. Darüber hinaus habe sie auch die Mitteilung über die Erhöhung des Bruttogehaltes versäumt, womit die Mitteilungspflichten verletzt worden seien.

Mit Urteil vom 04.09.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung der Rentenbewilligung sei § 48 Abs. 1 SGB X. Die Verhältnisse, die der Rentenbewilligung zugrunde lagen, hätten sich ab dem 01.03.2008 wesentlich geändert, da die Klägerin durchgängig bis Ende 2008 - jedoch nicht mehr danach - Hinzuverdienst in rentenschädlicher Höhe erzielt habe. Habe am 31.12.2000 - wie vorliegend - Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bestanden, sei nach § 313 Abs. 1 SGB VI (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) - in der im Jahr 2008 maßgeblichen Fassung - § 96a SGB VI unter Beachtung der Hinzuverdienstgrenzen des § 313 Abs. 3 SGB VI mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Regelungen zur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Rente wegen Berufsunfähigkeit entsprechend anzuwenden seien. Nach § 96a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI werde eine Rente nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten werde. Diese werde nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in § 313 Abs. 3 SGB VI genannten Beträge nicht übersteige, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibe. Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst werde gemäß § 313 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet. Die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen sei in § 313 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI geregelt. Danach betrage die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit a) in voller Höhe das 0,57-fache, b) in Höhe von zwei Dritteln das 0,76-fache, c) in Höhe von einem Drittel das 0,94-fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, mindestens jedoch mit 0,5 Entgeltpunkten. Vorliegend hätten die monatlichen Hinzuverdienstgrenzen für die Klägerin - unter Zugrundelegung der maßgeblichen 0,6157 Entgeltpunkte - im Jahr 2008 für eine Vollrente 872,11 Euro, für eine Rente in Höhe von zwei Dritteln 1.162,81 Euro und für eine Rente in Höhe von einem Drittel 1.438,21 Euro betragen. Die Klägerin habe im Jahr 2008 mit dem zugrundezulegenden regelmäßigen Bruttoentgelt von 1.441,59 Euro sämtliche Hinzuverdienstgrenzen überschritten. Insbesondere habe die Beklagte die vermögenswirksamen Leistungen zu Recht in die Berechnung des Bruttoentgelts einbezogen. Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 des Fünften Gesetzes zur Förderung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz - 5. VermBG) - in der im Jahr 2008 geltenden Fassung - seien vermögenswirksame Leistungen Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung. Die rückwirkende vollständige Aufhebung der Rentenbewilligung in Höhe des streitbefangenen Erstattungsbetrages beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X. Denn die Klägerin habe (zumindest) grob fahrlässig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ihre der Beklagten gegenüber bestehende Mitteilungspflicht anlässlich der Erhöhung des Bruttoverdienstes im Jahr 2008 mit der Folge des Überschreitens sämtlicher Hinzuverdienstgrenzen für die Berufsunfähigkeitsrente, auf die sie im Rentenbescheid vom 19.09.2007 ausdrücklich hingewiesen worden sei, verletzt. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach ihren intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, diese Hinweise zu verstehen, seien nicht ersichtlich. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass sie Einkommen mitzuteilen habe. Ihr sei weiter bekannt gewesen, dass es wegen der Hinzuverdienstgrenzen auf die Höhe des Einkommens ankomme. Ihr habe daher klar sein müssen, dass sie auch Veränderungen der Höhe des Einkommens mitzuteilen habe. Dies habe sie nicht getan. Der Einwand der Klägerin, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass auch vermögenswirksame Leistungen in die Berechnung einzubeziehen seien, vermag die grobe Fahrlässigkeit der Verletzung ihrer Mitteilungspflichten nicht zu beseitigen. Zum einen hätten die Gehaltsabrechnungen der Klägerin in der Rubrik "Gesamtbrutto" den jeweiligen Betrag unter Einbeziehung der vermögenswirksamen Leistungen ausgewiesen. Zum anderen habe die Klägerin im Zweifel - rechtzeitig nach Erhöhung des Entgelts - bei der Beklagten nachzufragen gehabt, um bezüglich der Behandlung der vermögenswirksamen Leistungen Klarheit zu erhalten. Außerdem habe die Klägerin gewusst oder nicht gewusst, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, dass der Rentenanspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Auch wenn ihr die für das Jahr 2008 konkret geltenden Hinzuverdienstgrenzen nicht mitgeteilt worden seien, habe ihr klar sein müssen, dass sie diese überschreite. Ihr seien die für das Jahr 2007 geltenden Grenzen bekannt gewesen. Diese habe sie mit dem im Jahr 2008 erzielten Bruttoverdienst in Höhe von 1.441,59 Euro überschritten. Unerheblich sei der von der Klägerin unter Beweis gestellte Inhalt des mit der Beklagten geführten Telefonats vom 04.12.2008, da dieses Telefonat nach Auszahlung sämtlicher Rentenansprüche für das Jahr 2008 erfolgt sei und somit Vertrauensschutz bei Empfang der Leistungen nicht habe erzeugen können. Da hiernach die Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit von März bis Dezember 2008 rechtmäßig gewesen sei, stehe zugleich fest, dass die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zur Erstattung der überzahlten Leistungen für den vorgenannten Zeitraum verpflichtet sei.

Nach Zustellung des Urteils hat die Klägerin am 27.09.2012 unter dem Aktenzeichen L 14 R 820/12 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat die im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwältin Hippel ausgeführt, dass die Klägerin ihre Mitteilungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt habe. Die Klägerin habe über die Lohnbuchhaltung ihrer Arbeitgeberin (durch Frau N) die Klärung der tatsächlichen Hinzuverdienstgrenze mit der Beklagten veranlasst. Frau N habe sich mit der Beklagten (Frau T) am 04.12.2008 in Verbindung gesetzt, die mitgeteilt habe, dass die Hinzuverdienstgrenze bei 1.415,26 Euro liege und die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers keine Rolle bei der Bestimmung der Hinzuverdienstgrenze spielen würden. Diese Information habe Frau N der Klägerin weitergeleitet, die auf die Richtigkeit dieser Angabe vertraut habe. Die überzahlten Leistungen seien überdies mittlerweile verbraucht. Es liege zudem ein Ermessensfehlgebrauch vor. Auch sei der aufzuhebende Bescheid nicht ordnungsgemäß benannt worden. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben. In Bezug auf das Telefonat vom 04.12.2008 sei Frau N und ihr Ehemann, der bei dem Telefonat zugegen gewesen sei, zeugenschaftlich zu vernehmen.

Im Verhandlungstermin vor dem Landessozialgericht NRW am 08.11.2013 wurde Folgendes protokolliert:

"Der Vorsitzende weist noch einmal darauf hin, dass nach dem Ergebnis der Zwischenberatung des Senats der Senat bei Antragstellung die Berufung der Klägerin ohne Revisionszulassung zurückweisen würde.

Daraufhin erklärt die Bevollmächtigte der Klägerin nach Rücksprache und im Einvernehmen mit der Mandantin:

`Wir nehmen die Klage zurück.´

vorgespielt und genehmigt"

Mit Schreiben vom 09.11.2013 hat der Ehemann der Klägerin erklärt: "Meine Frau fühlte sich gestern durch die ganze Situation so unter Druck gesetzt. Sie hätte auch allem möglichem zugestimmt."

Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 22.12.2013 an das Bundessozialgericht (BSG) gewandt und "Beschwerde, Widerspruch" gegen "die Sitzung beim Landessozialgericht Essen am 08.11.2013" eingelegt. Sie hat vortragen, dass sie in der Sitzung zur Rücknahme gedrängt worden sei. Das BSG hat der Klägerin mit Schreiben vom 13.01.2014 mitgeteilt, dass bei der gegebenen Verfahrenslage das BSG nicht tätig werden könne. Mit Schreiben vom 28.01.2014 hat die Klägerin ihre Einwände gegen eine Verfahrensbeendigung bekräftigt.

Aufgrund richterlicher Verfügung vom 28.01.2014 wurde das Schreiben vom selben Tage als Anfechtung der Berufungsrücknahme vom 08.11.2013 gewertet und das Verfahren erneut unter dem Aktenzeichen L 14 R 95/14 beim Landessozialgericht NRW eingetragen. Ergänzend hat die Klägerin mit Schreiben vom 13.03.2014 vorgetragen, dass sie ihre bei Gericht getätigte Rücknahme der Berufung zurücknehme. Sie hat um erneute Verhandlung und zeugenschaftliche Vernehmung ihres Ehemanns, von Frau N als auch von Frau T gebeten. Weiter hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.03.2014 behauptet, dass sie durch ihre Anwältin zu der Rücknahme der Berufung gedrängt worden sei. Sie sei dadurch verunsichert gewesen und habe mit niemanden Rücksprache halten können.

Mit Schreiben vom 25.04.2014 hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass das Gericht einseitig agiere und vorsätzlich die benannten Zeugen nicht hören wolle. Sie hat den Antrag "auf Befangenheit des Gerichts" gestellt.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 14 R 820/12 LSG NRW durch die Zurücknahme der Berufung am 08.11.2013 nicht erledigt ist,

2. das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 04.09.2012 zu ändern und den Bescheid vom 09.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2010 und des Teilanerkenntnisses vom 04.09.2012 aufzuheben.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 14 R 820/12 LSG NRW durch die Zurücknahme der Berufung am 08.11.2013 erledigt ist;

hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann trotz der Erklärung der Klägerin "auf Befangenheit des Gerichts" in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden (1.). Die Berufung hat keinen Erfolg (2.)

1. Der Senat kann in seiner üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vorgeschriebenen Besetzung entscheiden, weil das Ablehnungsgesuch wegen offensichtlichen Missbrauchs unzulässig ist (vgl. m.w.N. aus der Rspr. des BSG Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2014, Az.: L 3 SF 39/14 AB).

Gemäß § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Hierzu bestimmt § 42 Abs. 2 ZPO, dass wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung stattfindet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob vom Standpunkt des Beteiligten aus objektiv und vernünftig betrachtet Gründe vorliegen, die das Misstrauen rechtfertigen. Die Ablehnung eines gesamten Gerichts oder Senats - wie hier - ohne Vortrag von Befangenheitsgründen, die sich individuell auf den oder die beteiligten Richter beziehen, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Nach § 42 ZPO können nur die einzelnen Richter, nicht aber das Gericht als solches oder eine Gerichtsabteilung abgelehnt werden (vgl. m.w.N. Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 07.11.1973, Az.: VIII ARZ 14/73). Eine pauschale Ablehnung eines Spruchkörpers oder des gesamten Gerichts ist grundsätzlich rechtsmissbräuchlich und unbeachtlich (vgl. m.w.N. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25.03.2008, Az.: 3 AR 7/08). Dies ist vorliegend der Fall. Aus dem Gesuch der Klägerin wird nicht deutlich, welche Richter des 14. Senats konkret und mit welcher individuellen Begründung abgelehnt werden sollen, so dass nicht überprüft werden kann, ob Zweifel an der Unparteilichkeit oder objektiven Einstellung der einzelnen Richter bestehen. Die Klägerin erhebt vielmehr zum wiederholten Mal den Vorwurf unzureichender Sachverhaltsaufklärung. Bei dieser Sachlage sind die abgelehnten Richter berechtigt, selbst über das Befangenheitsgesuch zu entscheiden (vgl. m.w.N. BGH, Beschluss vom 07.11.1973, Az.: VIII ARZ 14/73; BSG, Beschluss vom 21.07.2010, Az.: B 7 AL 60/10 B).

2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

a. Der Klageantrag zu 1. ist unzulässig. Eine isolierte Feststellungsklage i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, die im Ergebnis darauf gerichtet ist, die Unwirksamkeit einer Berufungsrücknahmeerklärung festzustellen, ist gegenüber dem Anfechtungsbegehren (Klageantrag zu 2.) subsidiär. Denn bei einem Streit um die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme wird der Rechtsstreit unter Beibehaltung des ursprünglichen Klagebegehrens fortgesetzt. Das Gericht entscheidet bei Wirksamkeit der Berufungsrücknahme durch Urteil dahingehend, dass es die Beendigung des Rechtsstreits durch Berufungsrücknahme feststellt, oder aber bei Unwirksamkeit der Berufungsrücknahme in der Sache selbst (vgl. in Bezug auf eine - strittige - vergleichsweise Erledigung BSG, Urteil vom 28.11.2002, Az.: B 7 AL 26/02 R).

b. Der zulässige Klageantrag zu 2. ist unbegründet.

Das Verfahren L 14 R 820/12 LSG NRW ist durch Rücknahme der Berufung im Verhandlungstermin am 08.11.2013 erledigt.

Die Abgabe der Berufungsrücknahmeerklärung durch die Klägerbevollmächtigte wird durch das Sitzungsprotokoll vom 08.11.2013 bewiesen, das als öffentliche Urkunde Beweis für die tatsächliche Abgabe der darin bekundeten Erklärung begründet (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 415 Abs. 1 ZPO). Das Sitzungsprotokoll ist auch geeignet, über die Abgabe einer derartigen Erklärung Beweis zu begründen (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO). Die Erklärung ist der Bevollmächtigten und der Klägerin vorgespielt und von ihnen genehmigt worden (§ 122 SGG i.V.m. § 162 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Niederschrift wurde von dem Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin gemäß § 163 ZPO unterschrieben, so dass alle für die Errichtung des Protokolls vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet worden sind.

Die Klägerin muss die Erklärung ihrer Prozessbevollmächtigten gegen sich gelten lassen. Die von einem Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären (§ 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Gemäß § 73 Abs. 6 i.V.m. § 81 ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen Prozesshandlungen. Weisungen im Innenverhältnis zwischen Mandant und Prozessbevollmächtigten beeinträchtigen die Wirksamkeit von Prozesserklärungen nicht (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.07.2012, Az.: L 13 SB 8/12). Eine Vollmachtsbeschränkung nach § 83 Abs. 1 ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nur (im Anwaltsprozess) vor dem Bundessozialgericht möglich; im Übrigen würde eine solche Beschränkung eine eindeutige, nach außen erkennbare Erklärung voraussetzen (vgl. m.w.N. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.04.2013, Az.: L 13 R 108/13), die hier nicht vorliegt. Ein offensichtlicher Missbrauch der Vollmacht ist nicht ersichtlich. Die Prozessbevollmächtigte hat mit der Berufungsrücknahme auf den zutreffenden Hinweis des Gerichts zu den mangelnden Erfolgsaussichten angemessen und nach Rücksprache und im Einvernehmen mit der Klägerin reagiert.

Die Klägerin kann die Rücknahme auch nicht entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) anfechten, denn diese ist eine gestaltende Prozesshandlung, auf die die Vorschriften des BGB über Nichtigkeit, Widerruf und Anfechtung grundsätzlich nicht anwendbar sind. Unabhängig davon, dass die Irrtumsanfechtung einer Prozesserklärung nach Rechtsprechung und vorherrschender Lehre unzulässig ist (vgl. m.w.N. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2004, Az.: L 16 P 5/03), und unabhängig davon, dass eine Nichtigkeit der Rücknahmeerklärung selbst dann nicht angenommen wird, wenn diese Erklärung aufgrund einer - wie von Klägerseite angeführten - "Überrumpelung" durch das Gericht oder infolge einer unrichtigen Belehrung über die Prozessaussicht abgegeben worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1980, Az.: 9 RV 16/79), ist hier ein einschlägiger Sachverhalt nicht von der Klägerin dargelegt oder sonst erkennbar geworden. Im Gegenteil wurde der Klägerin - ausweislich des Sitzungsprotokolls - vielmehr Gelegenheit zur Rücksprache mit ihrer Bevollmächtigten gegeben.

Einem Widerruf könnte höchstens dann Bedeutung zukommen, wenn er gleichzeitig mit der Zurücknahme bei Gericht einginge. Eine derartige Sachlage liegt hier nicht vor.

Ein Wiederaufgreifen eines durch Zurücknahme der Berufung beendeten Rechtsstreits ist ausnahmsweise dann möglich, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne der §§ 179, 180 SGG in Verbindung mit den §§ 579 oder 580 ZPO vorliegen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.02.1999, Az.: L 2 RJ 4585/98). Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ergibt sich hierfür jedoch nicht der geringste Anhalt.

Eine Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO findet statt,

1. wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;

2. wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;

3. wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;

4. wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

Solche schwersten Verstöße gegen das Prozessrecht liegen hier erkennbar nicht vor und wurden auch nicht geltend gemacht. Insbesondere liegt kein Fall des § 579 Nr. 2 ZPO vor, wenn - wie vorliegend - erst nach Rücknahme der Berufung ein Befangenheitsgesuch gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2001, Az.: III ZR 45/00).

Eine Restitutionsklage nach § 580 ZPO findet ausschließlich statt

1. wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;

2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;

3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;

4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;

5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;

6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;

7. wenn die Partei

a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder

b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;

8. wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

Auch diese Wiederaufnahmegründe sind offensichtlich nicht erfüllt. Insbesondere stellen die an das Landessozialgericht NRW bzw. das BSG abgegebenen Schreiben der Klägerin bzw. ihres Ehemannes vom 09.11.2013, 22.12.2013, 28.01.2014, 13.03.2014, 21.03.2014 und 25.04.2014 keine Urkunden i.S.v. § 580 Nr. 7 b) ZPO dar, die eine der Klägerin günstigere Entscheidung hätten herbeiführen können. Denn Urkunden, die - wie die vorstehend dargelegten - erst nach Abschluss des vorangehenden Verfahrens abgefasst worden sind, können keinen Restitutionsgrund i.S.v. § 580 Nr. 7 b) ZPO bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 14.11.1974, Az.: VII ZB 25/74).

Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden. Die Zurücknahme bewirkt gemäß § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels. Das Berufungsgericht kann daher nur die Feststellung treffen, dass das zuvor bei ihm anhängige Berufungsverfahren durch Zurücknahme der Berufung am 08.11.2013 beendet ist. Dem Berufungsgericht ist es danach verwehrt, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide und des die Bescheide bestätigenden Urteils des SG Detmold vom 04.09.2012 zu überprüfen, denn der Verlust des Rechtsmittels bewirkt, dass das Urteil des SG rechtskräftig geworden ist; die Rechtskraft bedingt, dass das Urteil die Beteiligten bindet, soweit über den Streitgegenstand entschieden ist (§ 141 Abs. 1 SGG; vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2004, Az.: L 16 P 5/03); auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt wurde (vgl. BSG, Beschluss vom 04.11.2009, Az.: B 14 AS 81/08 B). Vorliegend war Gegenstand der Entscheidung des SG Detmold vom 04.09.2012 der Bescheid der Beklagten vom 09.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2010 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 04.09.2012. Der von der Klägerin erfolglos angefochtene Bescheid ist mit der Zurücknahme der Berufung gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Weitere Ermittlungen - insbesondere eine Vernehmung der von Klägerseite benannten Zeugen - sind somit nicht zu veranlassen.

Es ist daher festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 14 R 820/12 LSG NRW durch die wirksame Erklärung der Bevollmächtigten beendet worden ist.

Die Berufung ist mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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