L 11 KA 25/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 250/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 25/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.04.2017 - S 14 KA 250/15 ER - abgeändert und die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 23.06.2015 (xxx) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2015 (xxx) erhobenen Klage S 14 KA 332/15 angeordnet. Ferner wird die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet, rückwirkend ab dem 01.07.2015 den durch Bescheid vom 20.01.2014 (xxx) festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Teil E Nr. 3.4.5 der KBV-Vorgaben i.H.v. 22,50 EUR bei der Honorarfestsetzung anzusetzen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt 4/5 der Kosten des auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Verfahrens (Antrag zu 1). Der Antragsteller trägt 1/5 der Kosten des auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Verfahrens (Antrag zu 1). Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des auf Vollzugsfolgenbeseitigung gerichteten Verfahrens (Antrag zu 2).

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz um die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung des Fallwertes der Laboratoriumsuntersuchungen des Kapitels 32.3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) im Zusammenhang mit der fallwertbezogenen Budgetierung nach Nr. 3.4 Teil E der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gemäß § 87b Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung mit Wirkung ab dem 01.10.2013 (KBV-Vorgaben (KBV-V)).

Nr. 3.4 Teil E KBV-V regelt die Vergütung der speziellen Laboratoriumsuntersuchungen bei Nicht-Laborärzten. Hiernach unterliegen die Kostenerstattungen für spezielle Laboratoriumsuntersuchungen des Kapitels 32.3 EBM bei Nicht-Laborärzten einer fallwertbezogenen Budgetierung (Nrn. 3.4.1 bis 3.4.3 Teil E KBV-V). Die Vorgaben sind für alle Nicht-Laborärzte verbindlich anzuwenden, es sei denn, betroffene Ärzte weisen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nach, dass sie die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen erfüllen. In diesem Fall kann die KV das Budget nach Nr. 3.4.2 Teil E KBV-V erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen (Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V).

Der Antragsteller ist als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie in H zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid vom 20.01.2014 wies ihm die Antragsgegnerin für Leistungen des Speziallabors nach Abschnitt 32.3 EBM einen individuellen Fallwert von 22,50 EUR zu. Im hiergegen gerichteten Widerspruch führte der Antragsteller aus, ein durchschnittliches Laborbudget zuzüglich eines Zuschlags von 50 % sei für seine Praxis aufgrund der Patientenzahl und des Behandlungsspektrums bei weitem nicht auskömmlich. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015). Die hierauf am 01.10.2015 erhobene Klage ist vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 14 KA 331/15) anhängig.

Mit Bescheid vom 23.06.2015 hob die Antragsgegnerin den mit "Beschluss auf Anerkennung eines individuellen Fallwertes für Leistungen des Speziallabors nach Kapitel 32.2 EBM" titulierten Bescheid vom 20.01.2014 ab dem Quartal III/2015 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und legte für das Laborbudget den in Nr. 3.4.3 Teil E KBV-V bestimmten Referenzfallwert von 4,00 EUR zugrunde. Sie führte aus, die Abrechnung der Blutgasanalyse nach Gebührenordnungsposition (GOP) 32247 EBM (Bestimmung der Blutgase und des Säure-Basen-Status) sei im gleichen Behandlungsfall neben der GOP 13650 EBM (Zusatzpauschale Pneumologisch-Diagnostischer Komplex) ausgeschlossen. Infolge wesentlicher Änderung der Verhältnisse bedürfe es einer Referenzfallwerterhöhung daher nicht mehr.

Dem Widerspruch vom 02.07.2015 half die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 teilweise ab. Sie legte ab dem Quartal III/2015 nun einen individuellen Fallwert für Leistungen nach Kapitel 32.3 EBM von 15,77 EUR zugrunde. Dieser Betrag entspreche dem rechnerischen Bedarf des Jahres 2014 und berücksichtige, dass die GOP 32247 EBM nicht neben der GOP 13650 EBM berechnungsfähig sei. Nach Abschnitt 2.1.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM sei eine GOP dann nicht berechnungsfähig, wenn deren obligate und - sofern vorhanden - fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil einer anderen berechneten GOP seien. Die am 01.10.2015 erhobene Klage ist vor dem SG anhängig (S 14 KA 332/15).

Mit Schriftsatz vom 03.07.2015 (Eingang 06.07.2015) hat der Antragsteller um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und vorgetragen: Seine Klage habe aufschiebende Wirkung. Die Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V lägen nicht vor. Die Rücknahme des zuerkannten individuellen Fallwertes sei keine Honorarfestsetzung. Dem faktischen Vollzug durch die Antragsgegnerin sei jedenfalls analog § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu begegnen. Die Herabsetzung des Fallwertes sowohl auf 4,00 EUR als auch auf 15,77 EUR werde weder durch § 48 SGB X noch § 45 SGB X gestützt. Die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Geändert habe sich lediglich das behördliche Subsumtionsergebnis. Das unterfalle § 48 SGB X nicht. § 45 SGB X habe die Antragsgegnerin ohnehin nicht als Rechtsgrundlage genannt. Die Umdeutung eines Bescheides nach § 48 SGB X in einen Bescheid nach § 45 SGB X sei nicht möglich. Die Blutgasanalysen seien in die Fallwertberechnung einzubeziehen. Ein Fallwert von 15,77 EUR reiche nicht, um die Praxis in der bisherigen Struktur fortführen zu können. Er erfülle die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen und sei berechtigt, die höherwertigen GOP 32460 und 32247 EBM abzurechnen. Bei den Leistungen der GOP 32247, 32380, 32427 und 32460 EBM überschreite er die Vergleichsgruppenwerte in den Quartalen des Jahres 2014 erheblich. Der Überweisungsanteil betrage mindestens zwei Drittel. Die Antragsgegnerin trage die Glaubhaftmachungslast bezüglich der Berechnungsgrundlagen. Dem sei sie nicht gerecht geworden. Die Reduzierung des Fallwertes sei rechtswidrig.

Der Antragsteller hat beantragt,

die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 erhobenen Klage unter dem Az.: S 14 KA 331/15 festzustellen sowie die Vollziehung des Bescheides vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 dadurch aufzuheben, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, rückwirkend ab dem 01.07.2015 den durch den Bescheid vom 20.01.2014 festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Teil E 3.4.5 der KBV-Vorgabe in Höhe von 22,50 EUR bei der Honorarfestsetzung zu berücksichtigen,

hilfsweise,

die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 erhobenen Klage unter dem Az.: S 14 KA 331/15 anzuordnen sowie die Vollziehung des Bescheides vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 dadurch aufzuheben, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, rückwirkend ab dem 01.07.2015 den durch den Bescheid vom 20.01.2014 festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Teil E 3.4.5 der KBV-Vorgabe in Höhe von 22,50 EUR bei der Honorarfestsetzung zu berücksichtigen,

sowie vorsorglich,

die Antragsgegnerin bei Nichtbeachtung einer entsprechenden Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit Wirkung ab dem 01.07.2015 den durch den Bescheid vom 20.01.2014 festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Teil E 3.4.5 der KBV-Vorgabe bei künftiger Honorarbescheidung anzuwenden, bis über die Klage des Antragstellers in dem vor dem Sozialgericht Düsseldorf bereits anhängigen Hauptsacheverfahren unter dem Az.: S 14 KA 331/15 rechtskräftig entschieden ist.

Die Antragsgegnerin hat sinngemäß beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat gemeint, die Aufhebungsbefugnis korrespondiere mit ihrer Befugnis zur sachlich-rechnerischen Berichtigung. Vertrauensschutzgesichtspunkte seien nicht ersichtlich. Jedenfalls nach § 45 SGB X habe sie den Bescheid vom 20.01.2014 rechtmäßig aufgehoben. Leistungen nach GOP 32247 EBM seien nicht neben solchen nach GOP 13650 EBM abrechenbar. Das habe sie zunächst übersehen. § 87b Abs. 2 Satz 6 SGB V sei anwendbar, weil individuelle Regelungen zur Laborbudgetanpassung Maßnahmen der Honorarfestsetzung seien. Sie habe die Prüfung anhand der Abrechnungsscheine für das Quartal III/2014 vorgenommen. Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V enthalte eine Ausnahme, die es nur im besonderen Einzelfall aus Sicherstellungsgründen zulasse, vom bundesweit einheitlich festgelegten Referenzfallwert abzuweichen. Dabei gehe es nicht darum, jede höhere Leistungsanforderung rechnerisch dadurch auszugleichen, dass die Laborfallwerte individuell angepasst werden. Es gehe auch nicht darum, jeder Praxis deren Ausrichtung ohne Honorareinbußen dauerhaft zu garantieren. Ohnehin sei ihr die Möglichkeit entzogen worden, mittels KV-spezifischer Referenzfallwerte insgesamt höhere nordrheinische Beträge für eine Arztgruppe festzusetzen. Der erforderliche Anpassungsbedarf könne sich nicht auf die von den Referenzfallwerten erfassten arztgruppentypischen Laboratoriumsuntersuchungen beziehen. Der bundeseinheitlich zugeordnete Laborfallwert berücksichtige bereits, dass die Arztgruppe bestimmte Kernparameter typischerweise im eigenen Labor bestimme. Der Antragsteller erbringe im eigenen Labor überwiegend fachgruppentypische Leistungen nach GOP 32247, 32380, 32426 und 32427 EBM. Dennoch habe sie ihm einen der gesamten Leistungsanforderung vor Quotierung entsprechenden Fallwert zugeordnet.

Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 06.04.2017 abgelehnt. Der Hauptantrag sei zulässig (wird ausgeführt). Er beziehe sich nicht auf das vom Antragsteller genannte Verfahren S 14 KA 331/15. Gemessen an seinem Begehren müsse es das Verfahren S 14 KA 332/15 betreffen (wird ausgeführt). Der Hauptantrag sei unbegründet. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 habe wegen § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V keine aufschiebende Wirkung. Honorarfestsetzungsbescheide seien neben der vorläufigen und endgültigen Honorarfestsetzung auch die sachlich-rechnerische Richtigstellung und die hierauf fußende Honorarrückforderung einschließlich der Verrechnung solcher Forderungen mit dem Honoraranspruch. Dem sei auch der Streit um eine zeitliche und höhenmäßige Begrenzung eines Fallwertzuschlags zuzurechnen. Da die Höhe des Fallwerts unmittelbare Auswirkungen auf das dem Vertragsarzt zuzuweisende Regelleistungsvolumen und damit Auswirkungen auch auf die Honorarfestsetzung habe, gelte § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V auch im vorliegenden Fall. Der Hilfsantrag sei ebenfalls zulässig (wird ausgeführt). Er sei aber unbegründet. Der Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 sei nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig. Die Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des individuellen Fallwertes für Leistungen nach Kapitel 32.2 EBM ab dem Quartal III/2015 von 22,50 EUR auf 15,77 EUR sei § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Änderung der Verhältnisse bestehe darin, dass die Antragsgegnerin ihre Rechtsauffassung zur Möglichkeit der parallelen Abrechnung der GOP 32247 EBM und GOP 13650 EBM geändert habe. Sie habe in ihrer Zeitschrift "KVNo aktuell" unter dem 16.06.2015 folgende Information veröffentlicht: "Die KV Nordrhein informiert aus gegebenem Anlass darüber, dass die Blutgasanalyse nach EBM-Ziffer 32247 nicht im gleichen Behandlungsfall mit dem pneumologischen Komplex nach EBM-Nummer 13650 abgerechnet werden kann. Diese Regelung ergibt sich aus den allgemeinen Bestimmungen 2.1.3 EBM sowie aus dem Leistungskomplex der Ziffer 13650, da die Blutgasanalyse Bestandteil des fakultativen Leistungsinhaltes ist." Hieraus folge eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Diese Sachlage sei jener einer Änderung der früheren "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) vergleichbar. Die Änderung dieser Bewertungsgrundsätze habe die Rechtsprechung als Fall der wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X verstanden (u.a. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 -). Zwar habe sich im Streitfall nicht die anzuwendende Rechtsquelle (der EBM), sondern die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin zur Auslegung der maßgebenden EBM-Bestimmungen geändert. Das sei rechtlich gleichwertig. Die nunmehrige Rechtsauffassung der Antragsgegnerin treffe zu. Ein auf der Nebeneinanderberechnung der GOP 13650 EBM und GOP 32447 EBM beruhender Fallwert sei rechtswidrig. Damit könne der mit Bescheid vom 20.01.2014 festgesetzte Fallwert von 22,50 EUR keinen Bestand haben (wird ausgeführt). Sofern der Antragsteller meine, die Antragsgegnerin lasse die Einschränkung "soweit" in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X unberücksichtigt, ergäben sich hierfür nach summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte. Unzutreffend sei allerdings die Auffassung der Antragsgegnerin, dass alternativ § 45 Abs. 1 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht komme. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB X erfüllt seien, habe die Antragsgegnerin jedenfalls das ihr durch diese Norm eröffnete Ermessen nicht ausgeübt. Wegen der Ablehnung der Anträge auf Feststellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 erhobenen Klage (S 14 KA 332/15) bestehe kein Anspruch des Antragstellers, die Vollziehung des Bescheides vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 dadurch aufzuheben, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werde, rückwirkend ab dem 01.07.2015 den durch den Bescheid vom 20.01.2014 festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V in Höhe von 22,50 EUR bei der Honorarfestsetzung zu berücksichtigen. Deswegen könne die Antragsgegnerin auch nicht mittels einstweiliger Anordnung verpflichtet werden, bei Nichtbeachtung einer entsprechenden Entscheidung mit Wirkung ab dem 01.07.2015 den durch den Bescheid vom 20.01.2014 festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V bei künftiger Honorarbescheidung anzuwenden, bis über die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren rechtskräftig entschieden sei.

Diese Entscheidung greift der Antragsteller fristgerecht mit der Beschwerde an. Er trägt vor: Die Voraussetzungen des § 48 SGB X lägen nicht vor. Die GOP 13650 EBM und GOP 32247 EBM seien inhaltlich unverändert. Die Antragsgegnerin interpretiere diese Leistungsziffern nunmehr anders. Die Änderung von Rechtsauffassungen sei § 48 Abs. 1 SGB X nicht zuzuordnen. Die Antragstellerin hätte seine Abrechnung stattdessen sachlich-rechnerisch berichtigen müssen. Jedenfalls hätten die Fallwertfestsetzungen auf die jeweilige Änderung beschränkt werden müssen. Soweit das SG auf die vormaligen AHP zurückgreife, trage das nicht. Die Änderung der AHP folge anderen Bedingungen (wird ausgeführt). Hinsichtlich der Frage, ob die von der Antragsgegnerin geänderte Rechtsauffassung zur Auslegung der fraglichen GOP des EBM § 48 SGB X unterfallen, lasse sich hieraus nichts herleiten (wird ausgeführt). Im Übrigen habe die Antragsgegnerin unbeachtet gelassen, dass § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur eine "Soweit-Änderung" zulasse. Würde angenommen, dass die geänderte Rechtsauffassung eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X darstelle, müsse in einem nächsten Schritt geklärt werden, in welcher Weise sich die Auslegungsänderung auf den Fallwert auswirke. Die objektive Beweislast treffe die Antragsgegnerin. Im Ergebnis hätte die Fallwertfestsetzung von 22,50 EUR nicht aufgehoben werden dürfen (wird ausgeführt). Selbst wenn § 48 Abs. 1 SGB X als Ermächtigungsrundlage in Betracht käme, wäre der angefochtene Bescheid überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens zumindest offen. Die Folgenabwägung spreche dafür, den Vollzug des angefochtenen Bescheides auszusetzen. Der drohende Honorarverlust sei irreparabel (wird ausgeführt). Hingegen könne die Antragsgegnerin im Obsiegensfall die zwischenzeitlich vergüteten Honorare rechnerisch berichtigen. Auch der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch sei begründet. Die rechtswidrige Fallwertherabsetzung habe Eingriffscharakter. Der Schutzbereich von Art. 3 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sei betroffen. Der rechtswidrige Zustand, nämlich die zu niedrige Fallwertfestsetzung von 15,77 EUR, dauere an. Eine Duldungspflicht bestehe nicht. Angesichts der evidenten Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns sei die Antragsgegnerin zur rückwirkenden Korrektur der Honorarbescheidung nach Maßgabe der Fallwertbemessung von 22,50 EUR zu verpflichten. Auch der Antrag zu 3) sei begründet. Anordnungsanspruch sei der Folgenbeseitigungsanspruch. Der Anordnungsgrund sei gegeben. Er beruhe darauf, dass die Rücknahmeentscheidungen offensichtlich rechtswidrig seien. Jedenfalls bewirke die Fallwertreduzierung einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil (wird jeweils ausgeführt).

Der Antragsteller beantragt,

1. den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.04.2017 - S 14 KA 250/15 ER - aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 23.06.2015 (xxx) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2015 (xxx) erhobenen Klagen unter den Aktenzeichen S14 KA 331/15 sowie S 14 KA 332/15 anzuordnen sowie 2. die Vollziehung des Bescheids vom 23.06.2015 (H12/138) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2015 (xxx) dadurch aufzuheben, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, rückwirkend ab dem 01.07.2015 den durch Bescheid vom 20.01.2014 (xxx) festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V i.H.v. 22,50 EUR bei der Honorarfestsetzung zu berücksichtigen.

Soweit die Antragsgegnerin nicht zusichert, im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei zukünftiger Honorarbescheidung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren ihm gegenüber den Fallwert i.H.v. 22,50 EUR anzusetzen, beantragt er vorsorglich weiter,

3. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit Wirkung ab dem 01.07.2015 den durch Bescheid vom 20.01.2014 (xxx) festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V i.H.v. 22,50 EUR bei der künftigen Honorarbescheidung anzuwenden, bis über seine Klage in dem vor dem Sozialgericht Düsseldorf bereits anhängigen Hauptsacheverfahren unter den Aktenzeichen S 14 KA 331/15 und S14 KA 332/15 rechtskräftig entschieden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Beschluss des SG und ergänzt: Sie sei zur Umsetzung der KBV-Vorgaben verpflichtet und könne hiervon nur im Einzelfall aus Sicherstellungsgründen abweichen. Eine individuelle Festsetzung müsse an zu bestimmende Bezugszeiträume anknüpfen. Rechtliche Vorgaben dahin, dass nur Bemessungszeiträume definiert werden könnten, in denen die Leistungen "frei" vergütet worden seien, existierten nicht. Demzufolge sei nicht zu beanstanden, wenn sie bei Pneumologen einheitlich auf das Jahr 2014 abstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten des SG Düsseldorf (S 14 KA 21/14, S 14 KA 331/15 und S 14 KA 332/15) Bezug genommen.

II.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist hinsichtlich der Anträge zu 1. und zu 2. begründet. Der Antrag zu 3. geht im Antrag zu 1. auf.

1. Der Antrag zu 1.

a) Der Antrag ist zulässig.

aa) Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) erhobenen Klage S 14 KA 332/15 anzuordnen, ist statthaft (§ 86b Abs. 1 Satz 1 SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen (Nr. 1), in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (Nr. 2) und in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen (Nr. 3). Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. In entsprechender Anwendung der Norm kann das Gericht auf Antrag durch deklaratorischen Beschluss aussprechen, dass der Widerspruch bzw. die Klage aufschiebende Wirkung haben. Ein feststellender Ausspruch ist zwar dem Wortlaut nach in § 86b SGG nicht ausdrücklich vorgesehen, er ist jedoch als Minus zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG mit umfasst (z.B. Senat, Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -).

bb) Grundvoraussetzung für den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist (noch) gegeben.

Zwar ist die Zulässigkeit des Antrags nicht an ein irgendwie geartetes Vorverfahren geknüpft. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 27.10.1998 - 2 BvR 2662/95 - indessen darauf hingewiesen, dass in Einklang mit Art. 19 Abs. 4 GG jede an einen Antrag gebundene Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, vor § 51 Rn. 16a; Frehse in Jansen, SGG, 4. Auflage, 2012, § 86b Rn. 6 m.w.N.; Hommel in Peters/Sautter/Wolff, 4. Auflage, 78. Lfg., 9/2004, § 86b Rn. 35). Demzufolge gilt, dass im Interesse der Entlastung der Gerichte das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist, wenn der Beteiligte sein Begehren erkennbar auch außergerichtlich durchsetzen kann oder der Versuch, eine Aussetzung durch die Behörde zu erreichen, nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Ein solcher Antrag wäre auch noch nach Klageerhebung zulässig, denn ab diesem Zeitpunkt können sowohl die Verwaltung als auch das Gericht die sofortige Vollziehung anordnen (Senat, Beschluss vom 16.04.2014 - L 11 KA 76/13 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -). Dieser Ansatz wiederum ist dahin einzuschränken, dass zwar beide Stellen zuständig sind, indessen die sofortige Vollziehung zunächst bei der Verwaltung zu beantragen ist. Erst wenn ein solcher Antrag erkennbar aussichtslos ist, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung des Gerichts (Senat, Beschluss vom 16.04.2014 - L 11 KA 76/13 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -; Frehse, a.a.O., § 86b Rn. 6 m.w.N.). Der gegenteiligen Entscheidung des BSG vom 17.01.2007 - B 6 KA 4/07 R - folgt der Senat nicht. Zwar führt das BSG aus, § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG setze im Gegensatz zu § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gerade nicht voraus, dass sich der Antragsteller zunächst an die Verwaltung wende, um eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu erhalten. Das trifft zwar zu, greift indessen zu kurz. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis lediglich normativ konkretisiert. Nur wenn die Behörde einen Aussetzungsantrag ablehnt oder die besonderen Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO vorliegen, kann unmittelbar die Aussetzung bei Gericht beantragt werden. Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Förmlichkeiten eines solchen Antrags sind streng (Redeker in Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage, 2014, § 80 Rn. 38). Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass für das SGG Abweichendes gilt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass ein Gericht sich in der Sache mit dem angetragenen Rechtsstreit befasst. Mithin ist ein Antrag nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG auch ohne normative Verfestigung entsprechend § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vorrangig (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 06.02.2017 - L 11 KA 62/16 B ER -; Beschluss vom 16.04.2014 - L 11 KA 76/13 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -; Beschluss vom 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -; Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -; so auch Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 27).

Der Antragsteller hat es versäumt, einen Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG zu stellen. Letztlich ist das Rechtsschutzbedürfnis gleichwohl (noch) gegeben. Denn aus dem prozessualen Vorbringen der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, das ein vorprozessual gestellter Antrag erkennbar aussichtslos gewesen wäre. Auf einen im Gerichtsverfahren zu stellenden Antrag kann der Antragsteller aus nämlichem Grund nicht verwiesen werden.

b) Der Antrag zu 1. ist begründet. Die Voraussetzungen für einen Aufschub liegen vor.

aa) Der Antrag ist zunächst auszulegen.

Mit Bescheid vom 23.06.2016 hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 20.01.2014 aufgehoben. Dieser Bescheid gestand dem Antragsteller für Leistungen des Speziallabors nach Kapitel 32.3 EBM ab 01.01.2014 einen individuellen Fallwert von 22,50 EUR zu. Der Bescheid vom 23.06.2015 ersetzte den individuellen Fallwert durch den von Nr. 3.4.3 Teil E KBV-V für die Arztgruppe der Pneumologen bestimmten Referenzfallwert von 4,00 EUR. Auf Widerspruch setzte die Antragsgegnerin ab Quartal III/2015 den individuellen Fallwert auf nunmehr 15,77 EUR fest (Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 (xxx)).

Dem Antragsteller geht es im anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren darum, die Wirkungen des Aufhebungsbescheides vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) insoweit zu suspendieren, als der Fallwert von 22,50 EUR unterschritten wird. Den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) hat er im Verfahren S 14 KA 332/15 mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffen. Mit der Klage S 14 KA 331/15 wendet er sich zwar auch gegen einen Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015, indessen mit anderem Aktenzeichen (xxx). Dieser Widerspruchsbescheid bezieht sich auf einen anderen Ausgangsbescheid, nämlich jenen vom 20.01.2014, durch den die Antragsgegnerin für Leistungen des Speziallabors nach Kapitel 32.3 EBM einen individuellen Fallwert von 22,50 EUR zugestand. Der Antragsteller verfolgt mit der Klage S 14 KA 331/15 das Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, einen höheren Fallwert von mindestens 30,00 EUR zu bestimmen. Die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gestellten Anträge sind hingegen darauf ausgerichtet, den Fallwert von 22,50 EUR zu perpetuieren. Mithin beziehen sie sich nicht auf das vom Antragsteller bezeichnete Verfahren S 14 KA 331/15, sondern auf das Verfahren S 14 KA 332/15. Ginge es dem Antragsteller auch darum, den Bescheid vom 20.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) zum Gegenstand eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens zu machen, hätte er dies gesondert verfolgen müssen. Die Streitgegenstände der Verfahren S 14 KA 331/15 und S 14 KA 332/15 sind nicht identisch. Im Übrigen zielt das gesamte Vorbringen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 14 KA 250/15 ER (= L 11 KA 25/17 B ER) auf den im Verfahren S 14 KA 332/15 identifizierten Streitgegenstand.

bb) Auf § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG kann der Antragsteller sein Begehren nicht stützen. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) hat keine aufschiebende Wirkung. Grundsätzlich suspendieren Widerspruch und Anfechtungsklage zwar (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). Indessen entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Eine solche Regelung enthält § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V. Hiernach hat die Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Bescheide über die Honorarfestsetzung sind neben der vorläufigen und endgültigen Honorarfestsetzung auch die sachlich-rechnerische Richtigstellung und die hierauf fußende Honorarrückforderung einschließlich der Verrechnung solcher Forderungen mit dem Honoraranspruch (Senat, Beschluss vom 17.03.2010 - L 11 B 25/09 KA ER -). Dem ist auch der Streit um eine zeitliche und höhenmäßige Begrenzung eines Fallwertzuschlags zuzuordnen (Senat, Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -). Da die Höhe des Fallwertes unmittelbare Auswirkungen sowohl auf das dem Vertragsarzt zuzuweisende Regelleistungsvolumen als deswegen auch auf die Honorarfestsetzung hat, gilt § 85 Abs. 4 Satz 6 SGB V, wie das SG zutreffend erkannt hat.

cc) Rechtsgrundlage für diesen Antrag ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Die Anfechtungsklage hat keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsteller begehrt, den durch Gesetz beseitigten Suspensiveffekt seiner Klage wiederherzustellen.

dd) In Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ist nicht nach Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch zu differenzieren (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -; Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -). Demgegenüber wird für die Prüfung, ob und inwieweit die streitige Regelung wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, in beiden Varianten des § 86b Abs. 2 SGG grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen der in geschützte Rechtsgüter (z. B. Art. 12, 14 GG) eingreifenden Regelung abgestellt (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 11.10.2013 - L 11 KA 23/13 B ER -; Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -; Beschluss vom 27.05.2013 - L 11 KA 16/13 B ER -). Hingegen nennt § 86b Abs. 1 SGG keine Voraussetzungen für den Erfolg des Eilantrags (Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 36). Infolgedessen ist zu klären, welcher Maßstab für die richterliche Eilentscheidung wesentlich ist. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (Nachweise bei Frehse, a.a.O., § 86b Rn. 34). Der Senat hat als Eingangskriterium festgelegt, dass die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen sind (Senat, Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -; Beschluss vom 23.12.2010 - L 11 KA 71/10 B ER -; vgl. auch Keller, a.a.O., § 86b Rn. 12e ff.; Frehse, a.a.O., § 86b Rn. 34 ff.). Dabei steht eine Prüfung der Erfolgsaussichten zunächst im Vordergrund (Senat, Beschluss vom 06.05.2015 - L 11 KA 10/14 B ER -; Beschluss vom 17.07.2013 - L 11 KA 101/12 B ER -; Beschluss vom 16.03.2011 - L 11 KA 96/10 B ER -). Auch wenn das Gesetz keine materiellen Kriterien nennt, kann als Richtschnur für die Entscheidung davon ausgegangen werden, dass das Gericht dann die aufschiebende Wirkung wiederherstellt, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene durch ihn in subjektiven Rechten verletzt wird. Am Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse (z.B. Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 06.05.2015 - L 11 KA 10/14 B ER -; Beschluss vom 10.11.2010 - L 11 KA 87/10 B ER -; Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 38). Andererseits liegt ein überwiegendes öffentliches Interesse dann vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ersichtlich rechtmäßig ist (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -). Die Gesetzesbegründung formuliert hierzu (BT-Drs. 14/5943 zu Nr. 34, S. 15, li Spalte): "Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung wird von den Gerichten regelmäßig auch dann angenommen, wenn sich ohne weiteres und in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkennen lässt, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinerlei Erfolg verspricht (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1974, NJW 1974, S. 1294/1295)."

Sind die Erfolgsaussichten nicht offensichtlich, müssen die für und gegen eine sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die Regelung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu beachten, wonach in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben) die Vollziehung nur ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Vergleichbares gilt, wenn der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie im Fall der Regressfestsetzung durch den Beschwerdeausschuss in § 106c Abs. 3 Satz 5 SGB V ausdrücklich ausgeschlossen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 31.08.2011 - L 11 KA 24/11 B ER -). Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es ggf. auch auf wirtschaftliche Beeinträchtigungen an. Wie ausgeführt haben diese indessen keine solche Bedeutung wie im Anwendungsbereich des § 86b Abs. 2 SGG, da sie dort in der Form des Anordnungsgrundes gleichrangig neben dem Anordnungsanspruch stehen. Für § 86b Abs. 1 SGG sind wirtschaftliche Interessen ein Kriterium neben einer Vielzahl anderer in die Abwägung einzubeziehender Umstände und können - je nach Sachlage - auch von untergeordneter Bedeutung sein (Senat, Beschluss vom 13.06.2016 - L 11 KA 76/15 B ER -; Beschluss vom 21.05.2010 - L 11 B 15/09 KA ER -).

ee) Der Antragsteller wird mit der Klage S 14 KA 332/15 überwiegend wahrscheinlich obsiegen.

(1) Die Klage S 14 KA 332/15 ist zulässig.

Die Klage wurde am 01.10.2015 und damit fristgerecht anhängig gemacht. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Der Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 (xxx) ging den Bevollmächtigten des Antragstellers am 03.09.2015 zu.

(2) Die Klage erscheint als begründet.

(a) Mit Bescheid vom 23.06.2016 hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 20.01.2014 aufgehoben. Dieser Bescheid gestand dem Antragsteller für Leistungen des Speziallabors nach Kapitel 32.3 EBM ab 01.01.2014 einen individuellen Fallwert von 22,50 EUR zu. Der Bescheid vom 23.06.2015 ersetzte diesen Fallwert durch den für Pneumologen bestimmten Referenzfallwert von 4,00 EUR (Nr. 3.4.3 Teil E KBV-V). Im Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 (xxx) erhöhte die Antragsgegnerin den individuellen Fallwert ab III/2015 auf nunmehr 15,77 EUR.

Rechtlich stützte die Antragsgegnerin den Aufhebungsbescheid vom 23.06.2015 auf § 48 SGB X. Dabei ging sie davon aus, die Abrechnung der Blutgasanalyse nach GOP 32247 EBM sei im "gleichen" (so der Bescheidtext) Behandlungsfall zusätzlich zum pneumologischen Komplex nach GOP 13650 EBM ausgeschlossen. Zukünftig werde nur eine Leistung im Behandlungsfall in der Frequenztabelle enthalten sein. Das Abrechnungsbild werde sich wesentlich ändern. Aufgrund der wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse für die Abrechnung bedürfe es einer Erhöhung des Referenzfallwertes für Leistungen nach Kapitel 32.3 EBM nicht mehr. Der Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 (xxx) bestätigt diese Auffassung mit dem Bemerken, dass "im Rahmen der Ermessensausübung nunmehr nach § 48 SGB X dieser Umstand insoweit zu würdigen (war), dass für die Berechnung des individuellen Fallwertes für Leistungen des Speziallabors nach Kap. 32.3 EBM die BGA ab III/15 bei der Höhe nunmehr keine Berücksichtigung mehr finden kann." Ausgehend hiervon analysiert der Widerspruchsbescheid (xxx) die Abrechnung des Speziallabors und setzt den Fallwert sodann auf 15,77 EUR fest.

(b) Dieser Sachverhalt ist rechtlich an § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu messen. Die Norm bestimmt:

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

(aa) Strukturell setzt die Norm sich aus Tatbestand und Rechtsfolge zusammen. Dem Tatbestand (Voraussetzungen) sind die Halbsätze 1 und 2 zuzuordnen. Halbsatz 3 betrifft die Rechtsfolge. Tatbestand und Rechtsfolge werden durch die konjugierte Form "ist" verbunden. Das Wort "Veränderungen" impliziert einen Datenabgleich. Das ist nur möglich, wenn die maßgebenden Kriterien zuvor rechtlich definiert sind und ihnen sodann ein festgestellter und feststehender Sachverhalt zugeordnet wird (Subsumtion). Logisch resultiert hieraus folgende Prüfung:

Bezugsobjekt ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Fehlt es daran, endet die Prüfung. Sodann ist der zeitliche Bezugspunkt ("beim Erlass") zu fixieren. Ausgangspunkt sind die beim Erlass des Verwaltungsaktes maßgebenden Verhältnisse. Das sind jene, die im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen letzten bescheidmäßigen Feststellung vorgelegen haben. Rechtserheblich sind nur Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art. Unbeachtlich ist, ob diese Umstände dem fraglichen Bescheid von der Behörde auch zu Grunde gelegt worden sind. Ist dieser Schritt absolviert, steht eines der Vergleichsparameter fest. Nunmehr ist der aktuelle Zustand zu bestimmen. Sind die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegenen Verhältnisse mit jenen im Zeitpunkt der beabsichtigten Bescheidung deckungsgleich, kann nicht auf § 48 SGB X zurückgegriffen werden. Ggf. käme dann § 45 SGB X in Betracht. Hierauf hat sich die Antragsgegnerin erstmals im erstinstanzlichen Verfahren bezogen. Weichen die solchermaßen identifizierten Umstände voneinander ab, ist das nur dann rechtserheblich, wenn die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse betroffen sind. Schließlich muss die Abweichung wesentlich sein. Wird all das bejaht, ist der Weg in die zwingend ("ist") angeordnete Rechtsfolge frei.

(bb) Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 6 KA 15/13 R - Sonographiegenehmigung; Urteil vom 18.03.1998 - B 6 KA 23/97 R - Zytologiegenehmigung; Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 45 Rn. 63 m.w.N.). Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind solche, deren Regelungswirkungen nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen (BSG, Urteil vom 13.05.2015 - B 6 KA 14/14 R -; Schütze, a.a.O., § 45 Rn. 64). Ihnen eigentümlich ist ein Element der Zukunftsgerichtetheit. Ungeachtet ihrer zeitlichen Dauer ist eine Laufzeitbegrenzung unschädlich. Kennzeichnend ist, dass für die Erfüllung der sich aus dem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ergebenden Folgen keine weiteren Regelungen notwendig sind, solange der Verwaltungsakt nicht aufgehoben ist (Schütze, a.a.O., § 45 Rn. 64 m.w.N.).

Der Bescheid vom 23.06.2016 hebt den Bescheid vom 20.01.2014 auf. Dieser ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung i.S. vorgenannter Definition. Auf der Grundlage des Bescheides vom 20.01.2014 gestand die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 01.01.2014 für Leistungen des Speziallabors nach Kapitel 32.3 EBM einen individuellen Fallwert von 22,50 EUR zu. Dem ist eine nicht lediglich punktuelle Wirkung immanent. Der Bescheid bringt dies mittels der in ihm formulierten Zeitbezogenheit ("ab 01.01.2014") hinlänglich zum Ausdruck. Die Antragsgegnerin hat den Regelungsgehalt des Bescheides weder befristet noch sonst zeitlich begrenzt. Sie hat ihm als auflösende Bedingung lediglich eine Nebenbestimmung (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X) beigefügt ("Änderung der Referenzfallwerte im HVM der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein"). Demzufolge belegen die Nachweise der Festsetzung des Laborbudgets und der Ermittlung/Unterschreitung für die Quartale I/2014 bis IV/2014 einen Fallwert von jeweils 22,50 EUR.

(cc) Maßgebender Zeitpunkt für die Vergleichsbetrachtung ist der Zeitpunkt, in dem der Bescheid vom 20.01.2014 erlassen wurde. Das ist infolge des eingelegten Widerspruchs dahin zu modifizieren, dass auf den Widerspruchsbescheid vom 02.09.2015 (xxx) abzustellen ist. Ob die Wortfolge "beim Erlass" das Bescheiddatum meint oder der Zugang wesentlich ist, kann dahinstehen. Dieser Widerspruchsbescheid ist den Bevollmächtigten des Antragstellers spätestens am 03.09.2015 zugegangen (Poststempel des zurückgesandten Empfangsbekenntnisses). Zeitlicher Fixpunkt ("beim Erlass") ist mithin der 02./03.09.2015. Die dort von der Antragsgegnerin als maßgeblich gewertete Rechtslage ist zu vergleichen mit jener im Zeitpunkt des Eintritts der (angenommenen) Änderung. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Antragsgegnerin erstmals erkannte, dass nach ihrer Auffassung die Abrechnung der GOP 32247 EBM nicht neben der GOP 13650 EBM zulässig war. Das ist regelhaft nicht das Datum des Aufhebungsbescheides (hier: 23.06.2015), liegt zeitlich vielmehr davor. Anhand der dem Senat vorliegenden Akten ist dieses Datum nicht auszumachen. Dem Aufhebungsbescheid ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin jedenfalls vor dem Quartal III/2015 die fragliche Abrechnungsproblematik erkannte. Das wird bestätigt durch die in ihrer Zeitschrift "KVNo aktuell" unter dem 16.06.2015 veröffentlichte Information zur Abrechnungsfähigkeit der GOP 32247 EBM neben jener der GOP 13650 EBM.

(dd) Sodann müssen sich die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 20.01.2014 vorgelegenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben.

(aaa) Dem zuerkannten Fallwert von 22,50 EUR (Bescheid vom 20.01.2014) lagen die vom Antragsteller mitgeteilten Abrechnungsfrequenzen zugrunde, die dadurch gekennzeichnet waren, "dass sie die Tatsache der Abrechnung des pneumologischen Komplexes und der Blutgasanalyse enthielten" (so Bescheid vom 23.06.2015). Demzufolge war die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 20.01.2014 der Auffassung, die GOP 32247 EBM und GOP 13650 EBM könnten im gleichen Behandlungsfall "nebeneinander" abgerechnet werden. Diese Rechtsauffassung hat sie geändert, was zum Aufhebungsbescheid vom 23.06.2015 führte.

(bbb) Die Änderung betrifft indessen nicht die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse.

In den tatsächlichen Verhältnissen ist eine Änderung eingetreten, wenn im Hinblick auf die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände ein anderer Sachverhalt vorliegt.

Dazu kann die Änderung einer inneren Tatsache rechnen, soweit diese als Absicht oder innere Einstellung vom Tatbestand vorausgesetzt und ihr Fortbestand für die Leistungsgewährung rechtlich wesentlich ist (Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 8 m.w.N.). Gemeint sind Fallgestaltungen, in denen z.B. die subjektive Bereitschaft des Versicherten entfällt, an einer Reha-Maßnahme teil- oder eine Beschäftigung aufzunehmen (hierzu Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 8 m.w.N. auf BSG, Urteil vom 24.05.1984 - 7 RAr 85/83 - und Urteil vom 22.09.1981 - 1 RJ 112/80 -). Darum geht es hier nicht. Die Abrechnungsfähigkeit der GOP 32247 EBM und GOP 13650 EBM hat keinen Bezug zur "Absicht" oder "inneren Einstellung" der Antragsgegnerin. Insbesondere sind diese Umstände nicht Abrechnungsvoraussetzung.

Zu den tatsächlichen Verhältnissen gehören ferner alle Veränderungen in Bezug auf tatbestandsrelevante äußere Tatsachen (so Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 8). Auch daran fehlt es. Geändert hat sich keine äußere Tatsache, geändert hat sich die rechtliche Bewertung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Frage, ob die GOP 32247 EBM im "gleichen" Behandlungsfall neben der GOP 13650 EBM abgerechnet werden kann.

Auch die rechtlichen Verhältnisse haben sich nicht geändert. Das wäre dann der Fall, wenn die rechtliche Grundlage des Verwaltungsaktes geändert worden ist und der Änderung Geltung für den Verwaltungsakt zukommen soll. Solche Änderungen können bewirkt sein durch Gesetzesänderungen, Änderungen von Rechtsverordnungen, Satzungsänderungen oder sonstigen Rechtsquellen, die für den Erlass des Verwaltungsaktes sowie seines Fortbestandes bedeutsam waren und sind (Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 10). Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht erfüllt. Die Leistungslegenden der GOP 32447 EBM und GOP 13650 EBM haben sich nicht geändert.

Keine wesentliche Rechtsänderung ist es, wenn der einem Verwaltungsakt zugrundeliegende Ausgangsbescheid wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit zu korrigieren ist und deshalb auch dem Folgebescheid die Grundlage entzogen wird (Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 10). So liegt es hier. Ausgehend von der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin wären die GOP 32247 EBM und GOP 13650 EBM in demselben Behandlungsfalle schon bei Erlass des Bescheides vom 20.10.2014 nicht nebeneinander abrechnungsfähig gewesen. Die Antragsgegnerin hätte sachlich-rechnerisch richtigstellen müssen (§ 106d Abs. 2 SGB V).

Dieses Ergebnis wird durch § 48 Abs. 2 SGB X bestätigt. Danach ist der Verwaltungsakt im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt. Lediglich für diesen Ausnahmefall erkennt das Gesetz an, dass eine geänderte Auslegung rechtserheblich ist und eine Bescheidkorrektur über § 48 SGB X ermöglicht. Darum geht es hier nicht. Nicht das BSG, sondern die Antragsgegnerin hat die Rechtsauffassung zum Verhältnis der GOP 32247 EBM zur GOP 13650 EBM geändert. Die eine Ausnahme postulierende Vorschrift des § 48 Abs. 2 SGB X ist weder einer ausdehnenden Auslegung zugänglich, noch gar analogiefähig.

Das SG hat dennoch angenommen, dass die rechtlichen Verhältnisse sich geändert hätten. Es hat eine Parallele zur Änderung von Bewertungsgrundsätzen gesehen und sich insoweit unter Hinweise auf (u.a.) BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - darauf bezogen, dass die Änderung der früheren AHP als Fall der wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gewertet worden ist. Zwar habe sich nicht die anzuwendende Rechtsquelle (EBM) geändert, so das SG, geändert habe sich aber die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin zur Auslegung der maßgebenden EBM-Bestimmungen, was gleichwertig sei.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Im Ausgangspunkt zutreffend erscheint mit der Rechtsprechung des BSG (s. die Nachweise bei Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 11) der Ansatz, dass Änderungen der vormaligen AHP eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse darstellen. Allerdings ist zur Kenntnis zu nehmen, dass der für das Unfallversicherungsrecht zuständige Senat des BSG entschieden hat, derartiges gelte nur, wenn es sich bei den betreffenden Richtlinien um ein geschlossenes Beurteilungsgefüge handele, das vom Gericht wie untergesetzliche Normen nur eingeschränkt überprüft werden könne; es gelte z.B. nicht für die in der Unfallversicherung ausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungsgrundsätze für die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Solche Richtlinien seien zwar in einem Verwaltungsverfahren als antizipierte Sachverständigengutachten heranzuziehen; ihre Änderung rechtfertige jedoch nicht die Anwendung des § 48 SGB X (so Schütze, a.a.O., § 48 Rn. 11 unter Hinweise auf BSG, Urteile vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 - und 30.06.1998 - B 2 U 41/97 R -).

Erweist sich angesichts dieser Rechtsprechung der Bezug auf die AHP schon als fraglich, hat das SG im Ergebnis einen entscheidenden Punkt übersehen. Die Parallele zu den AHP trägt nicht. Zwar mag eine Novellierung der AHP ganz oder in einzelnen Positionen eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X darstellen (s. oben). Ersichtlich keine Änderung der rechtlichen Verhältnisse ist es hingegen, wenn die zuständige Behörde ihre Rechtsauffassung ändert und nunmehr einzelne Positionen dieses unveränderten Bewertungsgerüstes anders versteht (auslegt). Geänderte Rechtsauffassungen sind dem Tatbestandsmerkmal "Änderung der rechtlichen Verhältnisse" nicht unterzuordnen. Geändert hat sich nicht das Bewertungsgerüst (EBM), geändert hat sich das Verständnis der Antragsgegnerin davon, in welchem Verhältnis zwei GOP zueinanderstehen. Im Bescheid vom 20.01.2014 hat die Antragsgegnerin angenommen, die GOP 32247 EBM sei neben der GOP 13650 EBM abrechenbar. Diese Rechtsauffassung hat sie später aufgegeben, was in den Aufhebungsbescheid vom 23.06.2015 mündete.

(ccc) Damit ergibt sich, dass der Aufhebungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (xxx) schon deswegen rechtswidrig ist, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht erfüllt sind. Es fehlt an einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Bescheides vom 20.01.2014 vorgelegen haben.

(c) Eine Umdeutung des Bescheides vom 20.01.2014 in einen auf § 45 SGB X gestützten Bescheid scheidet aus. Nach § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Eine Umdeutung scheitert jedenfalls an § 43 Abs. 3 SGB X. Hiernach kann eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X bindet die Behörde. Sind die Voraussetzungen erfüllt, "ist" der Verwaltungsakt aufzuheben (s. schon oben). Demgegenüber eröffnet § 45 Abs. 1 SGB X der Behörde (auch) ein Rücknahmeermessen. Zwar kann das Ermessen in besonderen Fällen auf Null reduziert sein, so dass die Behörde den Verwaltungsakt zurücknehmen muss. In der Folge wäre eine Umdeutung zulässig. Allerdings ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass das der Antragsgegnerin eingeräumte Ermessen auf Null reduziert wäre und sie den Bescheid vom 20.01.2014 deswegen hätte aufheben müssen.

(d) Nach alledem wird der Antragsteller im Verfahren S 14 KA 332/15 überwiegend wahrscheinblich obsiegen. Damit ist die wesentliche Voraussetzung für den Antrag zu 1. erfüllt. Gegenläufige Allgemeininteressen sind nicht ersichtlich. Sollte der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren unterliegen, wäre er gehalten, die abgerechneten Beträge zurückzuzahlen, die darauf beruhen, dass die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet worden ist, einen Fallwert von 22,50 EUR anzusetzen.

2. Der Antrag zu 2.

Der Antrag hat Erfolg.

Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Antragsteller die Vollziehung des Bescheides vom 23.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) rückgängig zu machen, indem die Antragsgegnerin verpflichtet wird, ab dem 01.07.2015 den von ihr durch Bescheid vom 20.01.2014 nach Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V zugestandenen individuellen Fallwert von 22,50 EUR bei der Honorarfestsetzung zu berücksichtigen.

Rechtsgrundlage ist § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG. Hiernach kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden ist (Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch).

Die Voraussetzungen sind erfüllt. Das Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG ist ein Annexverfahren zu § 86b Abs. 1 Satz 1 SGG, das den Erfolg des Hauptantrags bedingt. Letztes ist der Fall (s. oben unter I. 1.). Sodann muss der Bescheid vom 23.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2015 (xxx) vollzogen sein. Auch diese Voraussetzung ist gegeben. Infolge fehlenden Suspensiveffekts der vom Antragsteller ergriffenen Rechtsmittel hat die Antragsgegnerin den Bescheidtenor für die jeweilige Honorarabrechnung ab Quartal III/2015 umgesetzt.

Die Rückgängigmachung der Vollziehung unterliegt nach Umfang und Inhalt dem Ermessen des Gerichts (Keller, a.a.O., § 86b Rn. 10a). Die Anforderungen sind moderat, weil das Gericht die Maßnahmen, dazu rechnen auch jene des § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG, auf Antrag jederzeit ändern oder aufheben kann. Insoweit gilt, dass vom Antragsteller nicht mehr als ein sachliches Interesse verlangt werden kann (Hommel, a.a.O., § 86b Rn. 16 m.w.N.; hierzu auch Senat, Beschluss vom 06.01.2004 - L 11 B 17/03 KA ER -). Das (legitime) sachliche Interesse des Antragstellers ist evident.

3. Antrag zu 3.

Mittels dieses Antrags will der Antragsteller die Antragsgegnerin vorsorglich verpflichten, mit Wirkung ab dem 01.07.2015 den durch Bescheid vom 20.01.2014 festgelegten individuellen Fallwert auf der Grundlage von Nr. 3.4.5 Teil E KBV-V i.H.v 22,50 EUR bei der künftigen Honorarbescheidung anzuwenden, bis über die Klage in den anhängigen Hauptsacheverfahren S 14 KA 331/15 und S 14 KA 332/15 rechtskräftig entschieden ist.

Der so formulierte Antrag ist nicht zulässig. Er ist vorsorglich gestellt und setzt den Eintritt einer Bedingung voraus ("sofern die Antragsgegnerin nicht zusichert"). Im Übrigen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Die Entscheidung zum Antrag zu 1. hat zur Folge, dass die hiergegen gerichtete Klage S 14 KA 332/15 aufschiebende Wirkung hat. Der Bescheid vom 23.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2015 (xxx) hebt den Bescheid vom 20.01.2014 auf. Der erfolgreiche Antrag zu 1. bewirkt, dass die aufschiebende Wirkung der hiergegen gerichteten Klage S 14 KA 332/15 (wieder) hergestellt ist. Das Wesen der aufschiebenden Wirkung ist umstritten (Senat, Beschluss vom 06.05.2015 - L 11 KA 10/14 B ER -; Beschluss vom 24.05.2006 - L 11 B 20/06 KA ER -; hierzu auch Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Auflage, 2017, § 21 Rn. 101 ff. m.w.N.). Die Differenzierung in Wirksamkeitshemmung oder Vollziehbarkeitshemmung ist jedenfalls vorliegend unerheblich. Entscheidend ist, dass nach beiden Modellen der Verwaltungsakt nicht vollzogen werden darf. Mithin darf die Antragsgegnerin nichts unternehmen, was den Regelungsgehalt des Bescheides vom 23.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2015 (xxx) verwirklichen könnte. Er existiert zwar weiterhin, entfaltet derzeit indessen keine Rechtswirkungen. Infolgedessen ist der Bescheid vom 20.10.2014 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 23.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2015 (xxx) maßgebend. Für Leistungen des Speziallabors nach Kapitel 32.3 EBM ist insoweit zunächst ein Fallwert von 22,50 EUR zugrundezulegen.

III.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Antrags zu 1. (Aussetzung der Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG) beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Antrag zu 2. (Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG) verlangt eine eigenständige Kostenentscheidung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.01.2009 - L 7 B 47/08 KA ER -; Keller, a.a.O., § 86b Rn. 10a; Frehse in Jansen, a.a.O., § 86b Rn. 46). Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Antrags zu 2. beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Antrag zu 3. geht im Antrag zu 1. auf und führt zur Kostenquotelung.

Die Entscheidung über den Streitwert ergeht gesondert.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved