Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 408/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 845/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 12/18 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7.12.2017 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld für die Zeit vom 9.4. bis 18.4.2016.
Der 1973 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger arbeitete bis September 2015 als Maschinist bei der S GmbH. Nach einer Freistellung war er ab dem 1.6.2016 bei der E-Jobservice beschäftigt. Der Kläger ist seit Jahren bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C, der Knappschaftsarzt ist, in Behandlung. Auf Grund von durch Dr. C festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeiten bezog der Kläger bereits in den Jahren 2014 und 2015 Krankengeld. Dabei händigte Dr. C dem Kläger immer nur die für den Arbeitgeber bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (fortan: AU-Bescheinigung) aus und verschickte die für die Beklagte bestimmte AU-Bescheinigung in von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen an die Beklagte.
Der Kläger erkrankte am 8.1.2016 arbeitsunfähig wegen M 54.5G und M 54.02.G. Die AU-Bescheinigungen wurden zunächst von Dr. C ausgestellt, der die für die Beklagte bestimmten Bescheinigungen in den Freiumschlägen an die Beklagte versandte. Dem Kläger überreichte Dr. C nur die für den Arbeitgeber bestimmten AU-Bescheinigungen. Die Beklagte bewilligte jeweils abschnittsweise vom 07.02.2016 bis zum 8.4.2016 Krankengeld. In den Bewilligungsbescheiden vom 19.2.2016, 24.2.2016, 24.3.2016 und 7.4.2016 wies sie den Kläger darauf hin, dass eine weitere Zahlung des Krankengeldes u.a. nur erfolgen könne, wenn die Ärztin/ der Arzt die AU-Bescheinigung vollständig ausgefüllt habe und sie der Beklagten im Original zugesandt werde. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe, wenn ihr die erneute Attestierung der Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung gemeldet werde.
Am 8.4.2016 bescheinigte Dr. C weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.4.2016 und versandte die für die Beklagte bestimmte AU-Bescheinigung in einem von ihr zur Verfügung gestellten Freiumschlag. Nachdem die AU-Bescheinigung bei der Beklagten eingegangen war, wurde diese gescannt. Für jede gescannte AU-Bescheinigung legt die Beklagte eine digitale Akte an, in der das Scan-Datum gespeichert wird. Dies ermöglicht z.B. eine spätere Reproduktion der AU-Bescheinigung mit oder ohne den Aufdruck des Scan-Datums. Die in der Verwaltungsakte befindliche Reproduktion trägt nur den handschriftlichen Vermerk "Scan-Datum 19.04.2018". Die im Gerichtsverfahren von der Beklagten vorgelegte Reproduktion trägt hingegen nur die oben links aufgedruckte Scan-Nummer 000.
Ab dem 22.4.2016 war der Kläger für etwa 2 ½ Monate bei dem Neurologen und Psychiater T in Behandlung, der zwei AU-Folgebescheinigungen ausstellte. Die in der Verwaltungsakte befindlichen Reproduktionen dieser AU-Bescheinigungen tragen einen Eingangsstempel der "Knappschaft Geschäftsstelle H".
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.4.2016 Krankengeld vom 19.4. bis 30.4.2016. Zugleich stellte sie für die Zeit vom 9.4. bis 18.4.2016 das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld fest, da die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit erst am 19.4.2016 angezeigt worden sei. Mit seinem Widerspruch erklärte der Kläger, ihm sei die "Ein-Wochen-Frist" nicht bekannt gewesen. Zudem habe er mit Dr. C vereinbart, dass dieser die AU-Bescheinigungen zeitnah an die Beklagte sende. Insoweit habe er einen verspäteten Zugang nicht zu vertreten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2017 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 10.4.2017 erhobenen Klage hat der Kläger betont, alles in seiner Macht Stehende getan zu haben, um Krankengeld zu erhalten. Es sei so üblich gewesen, dass Dr. C die AU-Bescheinigungen per Freiumschlag direkt an die Beklagte geschickt habe. Ein etwaiges Fehlverhalten des im Lager der Beklagten stehenden Arztes sei dieser zuzurechnen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27.04.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2017 zu verurteilen, ihm auch für den Zeitraum vom 09.04.2016 bis 18.04.2016 Krankengeld nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erläutert, dass das Ende der 90iger Jahre vor dem Hintergrund des § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) als Service für die Ärzte eingeführte System der Freiumschläge zum Juni 2016 eingestellt worden sei. Eine Regelung, die den Ärzten die - grundsätzlich den Versicherten obliegende - Pflicht zur Übersendung der AU-Bescheinigungen auferlegt habe, habe es nie gegeben. Der Service der Ärzte erfolge weder in ihrem Auftrag noch auf ihre Veranlassung. Auch sei nie vereinbart worden, dass man AU-Bescheinigungen sammeln und gebündelt an sie schicken könne, was in der Praxis aber häufig der Fall gewesen sei. Das Verschulden der Ärzte sei ihr nicht anzulasten. Die unmittelbar von den Ärzten an das Kompetenzcenter Digitalisierung (KCD) übersandten AU-Bescheinigungen erhielten keinen separaten Eingangsstempel, da man sie dort taggenau scanne und die Datei mit einem unabänderlichen digitalen Eingangsstempel versehe. Die streitgegenständliche AU-Bescheinigung sei am 19.04.2016 im KCD gescannt worden und trage die laufende Scannummer 000. Am 19.04.2016 seien viele AU-Bescheinigungen der Praxis Dr. C eingegangen. Anhand der Scan-Nummern sei ersichtlich, dass unmittelbar vor und hinter der AU-Bescheinigung des Klägers AU-Bescheinigungen, die vom 6.4. bis 15.04.2016 ausgestellt worden seien, gescannt worden seien. Dies bedeute, dass Dr. C die AU-Bescheinigungen in diesem Zeitraum gesammelt und zusammen in einem Umschlag an sie gesandt habe. Dem Kläger, der mehrfach über die Meldefrist belehrt worden sei, sei das etwaige Verschulden des Arztes zuzurechnen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 7.12.2017 antragsgemäß stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zwar sei davon auszugehen, dass die AU-Bescheinigung nicht innerhalb der Wochenfrist bei der Beklagten eingegangen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in Fällen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aber dann Ausnahmen vom Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld anerkannt, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, er daran durch eine Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert worden sei und der Versicherte zusätzlich seine Rechte spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht habe. Bereits mit Urteil vom 28.10.1981 (3 RK 59/80) habe das BSG festgestellt, dass sich die Krankenkasse dann nicht auf den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen könne, wenn dies auf Umständen beruhe, die in ihren Verantwortungsbereich fielen. Von einer solchen Ausnahmesituation könne hier ausgegangen werden. Die Beklagte habe voradressierte und vorfrankierte Freiumschläge an ihre Vertragsärzte verteilt, damit diese ihr darin AU-Bescheinigungen ihrer Versicherten einreichten. Der Kläger habe glaubhaft geschildert, dass Dr. C die für die Beklagte bestimmte AU-Bescheinigung immer in Freiumschlägen an die Beklagte gesandt habe. Wenn es aber auf dem von ihr eröffneten Versandweg zu einer verspäteten Meldung komme, müsse sich die Beklagte dies zurechnen lassen. Denn dann könne von dem Kläger nicht erwartet werden, sich dem Vorschlag seines behandelnden Arztes zu widersetzen und darauf zu bestehen, die AU-Bescheinigung selber zu versenden. Von dem Versicherten zu verlangen, dass er sich bei der Beklagten nach dem rechtzeitigen Eingang der AU-Bescheinigung erkundige, überspanne die an ihn zu stellenden Obliegenheiten.
Gegen das ihr am 19.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.12.2017 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen vertieft. Nach der Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.04.2017 (S 46 KR 997/16 - nicht rechtskräftig) führe das Bereitstellen von Freiumschlägen nicht zu einer Verantwortlichkeit der Krankenkasse für die rechtzeitige Übersendung der AU-Bescheinigung. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die digitale Datei zu der streitgegenständlichen AU-Bescheinigung das Scan-Datum 19.4.2016 trage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7.12.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Er habe anlässlich der im Januar 2016 begonnen Arbeitsunfähigkeit nicht mit Dr. C über das Versenden der AU-Bescheinigungen an die Beklagte gesprochen. Vielmehr seien ihm - so wie bei den Arbeitsunfähigkeiten in 2014 und 2015 - immer nur die für den Arbeitgeber bestimmten Durchschläge ausgehändigt worden. Wie die von Herrn T ausgestellten AU-Bescheinigungen verschickt worden seien, könne er nicht mehr sagen. Die in 2016 erlassenen Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld habe er erhalten, sich aber keine weiteren Gedanken dazu gemacht.
Auf Nachfrage des Senats hat Dr. C am 11.4.2018 erklärt, im ersten Halbjahr 2016 die AU-Bescheinigungen täglich in den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen an diese versandt zu haben. Mit dem Kläger habe er vereinbart, die AU-Bescheinigung vom 8.4.2016 an die Beklagte zu versenden und dies auch getan. Weshalb diese erst am 19.4.2016 eingegangen sein solle, könne er nicht sagen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 27.4.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.3.2017 zu Recht stattgegeben. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat für die Zeit vom 9.4. bis 18.4.2016 Anspruch auf Krankengeld.
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld ergeben sich aus den Regelungen des Zweiten Titels des Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB V (§§ 44 ff. SGB V), die hier in der mit dem 23.07.2015 in Kraft getretenen Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (BGBl. I 2015, 1211-1244; BR-Drs. 641/14) zur Anwendung gelangen. Danach setzt der Anspruch auf Krankengeld zunächst voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ärztlich festgestellt wurde und er weiterhin gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten versichert gewesen ist (vgl. § 44 Abs. 1 SGB V). Dr. C hat am 8.4.2016 Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.4.2016 festgestellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen wäre, liegen nicht vor und wurden von der Beklagten auch nicht behauptet.
Ein Ruhen des Krankengeldanspruches nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist in der Zeit vom 9.4.2016 bis 18.4.2016 nicht eingetreten.
Gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Zwar kann der Kläger den Zugang der AU-Bescheinigung innerhalb einer Woche seit dem 8.4.2016 nicht nachweisen. Auch scheidet eine Wiedereinsetzung in die Wochenfrist aus, weil es sich bei dieser um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 22; Brinkhoff in jurisPK-SGB V, Stand: 23.02.2016, § 49 Rn. 47 m.w.N.; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. 10/14 X/14, K § 49 Rn. 63).
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat in diesem Zusammenhang (wie auch schon in seinem Urteil vom 2.1.2018 - L 5 KR 265/17, anhängig unter B 3 KR 6/18 R) anschließt, ist es der Beklagten hier jedoch verwehrt, sich auf den Fristablauf zu berufen.
Grundlage dafür ist das in dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wurzelnde Institut der Nachsichtgewährung. Eine Nachsichtgewährung kommt nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 20, 22 m.w.N.) in Betracht, wenn dafür besondere Gründe vorliegen und die vom Gesetzgeber mit der Ausschlussfrist verfolgten Ziele und die dabei zu berücksichtigenden Interessen nicht entgegenstehen. Denn in solchen Fällen kann sich die Berufung des Versicherungsträgers auf die Ausschlussfrist als rechtsmissbräuchlich darstellen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 22). Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist es - ebenso wie des § 46 S. 1 SGB V -, Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung einer Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R Rn. 14 f., 17).
Davon ausgehend hat das BSG (Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 23 ff.) für die Vorgängerregelung zu § 49 Nr. 5 SGB V (§ 216 Abs. 3 RVO) und in nachfolgenden Entscheidungen zu § 49 Nr. 5 SGB V (vgl. etwa BSG, Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R Rn. 15 ff.) zwar entschieden, dass die Meldeobliegenheit - ebenso wie § 46 S. 1 SGB V - stets strikt auszulegen ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R m.w.N.) und sich Versicherte bei unterbliebener oder verzögerter Meldung auch nicht auf fehlendes (eigenes) Verschulden (etwa wegen unvorhersehbar langer Postlaufzeiten) berufen können (vgl. Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 23 und Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 Rn. 17 - jeweils m.w.N.).
Daraus, dass das Gesetz die Meldung der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuweist, ergibt sich jedoch nicht, dass der Krankenkasse kein eigener Verantwortungsbereich mehr verbleibt. Vielmehr kann der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unter Umständen dem Ruhen des Krankengeldanspruches entgegenstehen. Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Versicherter die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig "gemeldet" hat, der Zugang der Meldung aber durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 24).
Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung bei Versäumung der Meldefrist hat das BSG (Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R Rn. 22) folgendermaßen konkretisiert: Hat der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert und macht er seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf die Fehlentscheidung auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen.
Diese Kriterien entsprechen im Wesentlichen auch den Grundsätzen, die in der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R) zu der gleich gelagerten (s.o.) Bestimmung des § 46 S. 1 SGB V entwickelt worden sind und finden auch auf den hier vorliegenden Fall Anwendung. Danach hat der Kläger im vorliegenden Fall alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, um ab dem 9.4.2016 wieder einen Anspruch auf Krankengeld zu haben.
Hier hat sich der Kläger am 8.4.2016 in die Praxis des Dr. C begeben, wo er weiter bis zum 22.4.2016 arbeitsunfähig geschrieben wurde. Er hat die für seinen Arbeitgeber bestimmte AU-Bescheinigung entgegengenommen und sich über den weiteren Gang der Dinge keine Gedanken gemacht. Obwohl er von der Beklagten in den Bewilligungsbescheiden vom 19.2.2016, 24.2.2016, 24.3.2016 und 7.4.2016 darüber belehrt worden war, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, wenn die erneute Attestierung der Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung gemeldet wird, hat er dies nicht zum Anlass genommen, mit Dr. C (erneut) über den Versand der für die Beklagte bestimmten AU-Bescheinigung zu sprechen. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte gelangt der Senat zu der Auffassung, dass daraus im vorliegenden Einzelfall nicht der Schluss gezogen werden kann, der Kläger habe nicht alles ihm Zumutbare getan, um seinen Anspruch auf Krankengeld sicherzustellen. Denn dem bei Dr. C seit Jahren in Behandlung befindlichen Kläger war anlässlich der Arbeitsunfähigkeiten mit Krankengeldbezug in den Jahren 2014 und 2015 die jahrelange Übung der Knappschaftspraxis C, die AU-Bescheinigungen in Freiumschlägen an die Beklagte zu versenden, gewissermaßen in "in Fleisch und Blut" übergegangen. Da der Kläger in der Vergangenheit mit Dr. C abgesprochen hatte, dass dieser die AU-Bescheinigungen in den Freiumschlägen an die Beklagte versendet, gab es für ihn zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit in 2016 keinen Anlass, anzunehmen, dass sich an der Absprache oder der jahrelangen Praxis des Dr. C etwas geändert hätte. Denn Dr. C schickte die für die Beklagte bestimmten AU-Bescheinigungen auch im ersten Quartal 2016 nach wie vor in Freiumschlägen an die Beklagte. Dies hat Dr. C in seinem Bericht vom 13.4.2018 sowohl generell als auch für die AU-Bescheinigungen des Klägers bestätigt. Daher durfte der Kläger nach seinem Empfängerhorizont trotz der Hinweise der Beklagten auf seine ihm obliegenden Pflichten auch davon ausgehen, dass sein Knappschaftsarzt -so wie zuvor- die AU-Bescheinigung vom 8.4.2018 an die Beklagte übersendet. Er hat auf den von der Beklagten initiierten und ihm über Dr. C angetragenen Versandweg vertraut und vertrauen dürfen. Hier überspannte es die an den Kläger zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn man von ihm verlangte, er hätte sich entgegen der bisher geübten - und zumindest nach seinem Erkenntnishorizont von der Beklagten gebilligten - Praxis eine Kopie der AU-Bescheinigung von Dr. C bzw. dessen Mitarbeitern aushändigen lassen und diese an die Beklagte schicken müssen oder diese anrufen müssen, um nachzufragen ob die Bescheinigung angekommen ist.
Eine (Fehl)Entscheidung der Beklagten, die den Kläger im vorliegenden Fall daran hinderte, seinen Krankengeldanspruch zu wahren, liegt ebenfalls vor. Denn die Praxis der Beklagten, Dr. C Freiumschläge zur Übermittlung von AU-Bescheinigungen an sie zu überlassen, hinderte den Kläger an der Wahrung seines Krankengeldanspruches.
Die Beklagte hat mit der Überlassung der Freiumschläge an Vertrags- bzw. Knappschaftsärzte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Erfüllung der Meldeobliegenheit für ihre Versicherten erleichtern wollte, indem sie einen kostenfreien Meldeweg über den Vertrags-/Knappschaftsarzt eröffnete. Ist dies der Fall, erscheint es - unabhängig von zivilrechtlichen Zurechnungsregeln - offenbar treuwidrig, sich darauf zu berufen, wenn auf diesem von ihr (ohne Not) eröffneten besonderen Übermittlungsweg ein Fehler passiert, der zur Versäumung der Meldefrist führt.
Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass das Risiko einer fehlenden oder verspäteten Übermittlung einer AU-Bescheinigung (grundsätzlich) den Versicherten zur Last fällt. Der allein maßgebende, eine abweichende Beurteilung rechtfertigende Unterschied liegt darin, dass die Beklagte einen gesonderten Übermittlungsweg für die Versicherten eröffnet hat. Auch wenn dieser nicht verpflichtend war, hat sie damit die Übermittlung und auch das Risiko eines Versagens aus der Sphäre des Versicherten in ihre Sphäre überführt.
Den Einwand der Beklagten, die Übersendung der Bescheinigungen für die Versicherten stelle in dem vorliegenden Zusammenhang eine reine Serviceleistung der Ärzte dar, die weder im Auftrag noch auf Veranlassung der Beklagten erfolge, sondern von den Ärzten eigenverantwortlich angeboten und durchgeführt werde, ist kaum noch nachvollziehbar. Es stellt schlichtweg ein gröblich widersprüchliches Verhalten dar, durch die Überlassung von Freiumschlägen einen gesonderten - und damit offenbar gewünschten - Übermittlungsweg zu eröffnen, gleichzeitig aber zu behaupten, dies nicht veranlasst zu haben, wenn dieser Übermittlungsweg dann beschritten wird. Von einer ärztlichen Serviceleistung könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn Dr. C die Übersendung der AU-Bescheinigung eigenständig initiiert und auf eigene Kosten übernommen hätte. So verhält es sich hier jedoch unstreitig gerade nicht.
Ob in der Überlassung der Freiumschläge ein Auftrag im zivilrechtlichen Sinne zu sehen oder Dr. C als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe tätig geworden sein könnte, bedarf keiner Erörterung. Auch um die Zurechnung eines (etwaigen) vertragsärztlichen Fehlverhaltens geht es nicht. Es kommt allein darauf an, dass die Beklagte selbst rein tatsächlich eine Ursache gesetzt hat, die eine Berufung auf die Versäumung der Meldefrist treuwidrig erscheinen lässt.
Klarstellend ist mit Blick auf das Urteil des BSG vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R, wonach ein vertragsärztliches Fehlverhalten nicht ohne weiteres der Krankenkasse zugerechnet werden kann, darauf hinzuweisen, dass es sich dort um ein von der Krankenkasse nicht veranlasstes vertragsärztliches Fehlverhalten handelte. Auf (möglicherweise) parallel bestehende, unsichere Regressansprüche gegen Vertragsärzte müssen sich Versicherte - und damit hier der Kläger - grundsätzlich nicht verweisen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R).
Auf die Frage, ob der Kläger die Meldung ohne schuldhaftes Zögern innerhalb der Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nachgeholt hat, kommt es nicht an, da der Beklagten bei Erteilung des Bescheids vom 27.4.2016 die AU-Bescheinigung vom 8.4.2016 bereits vorlag.
Da sich die Beklagte nicht auf den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen kann, kann der Senat die Frage, ob die Beklagte den Ruhenszeitraum richtig berechnet hat, dahin stehen lassen. Fraglich ist im vorliegenden Fall schon, wann die AU-Bescheinigung vom 8.4.2016 gescannt wurde, da eine dem Senat vorliegende Reproduktion kein Scan-Datum trägt und auf der anderen handschriftlich das Datum "19.4.2018" vermerkt ist. Auch wenn viel dafür spricht, dass es sich dabei um ein Versehen handelt und die elektronische Datei zu der AU-Bescheinigung das Scan-Datum 19.4.2016 trägt, weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte über das in der elektronischen Akte gespeicherte und nach ihren Angaben unabänderliche Scan-Datum grundsätzlich allenfalls nachweisen kann, wann eine AU-Bescheinigung gescannt worden ist. Dies belegt aber nicht zwingend, dass die AU-Bescheinigung auch am gleichen Tag bei ihr eingegangen ist. Denn bei dem maschinellen Scannen steht zum einen nicht die Frage des Eingangs der Bescheinigung, sondern die Digitalisierung des Originals im Focus. Diese wird zum anderen durch einen Scanner vorgenommen; eine Maschine, die zur Prüfung des Eingangsdatums der AU-Bescheinigung gar nicht in der Lage ist. Schließlich erfolgt das Scannen nicht unmittelbar nach dem Eingang. Vielmehr sind dem Scannen nach dem von der Beklagten geschilderten üblichen Geschehensablauf noch das maschinelle Sortieren der Post, das händische "bevorzugte" Aussortieren sowie das Stapeln der AU-Bescheinigungen zur Vorbereitung des Scan-Vorgangs vorgelagert. Somit fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Eingang und dem Scannen der AU-Bescheinigungen, der zu bejahen wäre, wenn man unmittelbar nach dem Öffnen der Post einen Eingangsstempel anbrächte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 S. 1, 183 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen; § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld für die Zeit vom 9.4. bis 18.4.2016.
Der 1973 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger arbeitete bis September 2015 als Maschinist bei der S GmbH. Nach einer Freistellung war er ab dem 1.6.2016 bei der E-Jobservice beschäftigt. Der Kläger ist seit Jahren bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. C, der Knappschaftsarzt ist, in Behandlung. Auf Grund von durch Dr. C festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeiten bezog der Kläger bereits in den Jahren 2014 und 2015 Krankengeld. Dabei händigte Dr. C dem Kläger immer nur die für den Arbeitgeber bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (fortan: AU-Bescheinigung) aus und verschickte die für die Beklagte bestimmte AU-Bescheinigung in von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen an die Beklagte.
Der Kläger erkrankte am 8.1.2016 arbeitsunfähig wegen M 54.5G und M 54.02.G. Die AU-Bescheinigungen wurden zunächst von Dr. C ausgestellt, der die für die Beklagte bestimmten Bescheinigungen in den Freiumschlägen an die Beklagte versandte. Dem Kläger überreichte Dr. C nur die für den Arbeitgeber bestimmten AU-Bescheinigungen. Die Beklagte bewilligte jeweils abschnittsweise vom 07.02.2016 bis zum 8.4.2016 Krankengeld. In den Bewilligungsbescheiden vom 19.2.2016, 24.2.2016, 24.3.2016 und 7.4.2016 wies sie den Kläger darauf hin, dass eine weitere Zahlung des Krankengeldes u.a. nur erfolgen könne, wenn die Ärztin/ der Arzt die AU-Bescheinigung vollständig ausgefüllt habe und sie der Beklagten im Original zugesandt werde. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe, wenn ihr die erneute Attestierung der Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung gemeldet werde.
Am 8.4.2016 bescheinigte Dr. C weiterhin Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.4.2016 und versandte die für die Beklagte bestimmte AU-Bescheinigung in einem von ihr zur Verfügung gestellten Freiumschlag. Nachdem die AU-Bescheinigung bei der Beklagten eingegangen war, wurde diese gescannt. Für jede gescannte AU-Bescheinigung legt die Beklagte eine digitale Akte an, in der das Scan-Datum gespeichert wird. Dies ermöglicht z.B. eine spätere Reproduktion der AU-Bescheinigung mit oder ohne den Aufdruck des Scan-Datums. Die in der Verwaltungsakte befindliche Reproduktion trägt nur den handschriftlichen Vermerk "Scan-Datum 19.04.2018". Die im Gerichtsverfahren von der Beklagten vorgelegte Reproduktion trägt hingegen nur die oben links aufgedruckte Scan-Nummer 000.
Ab dem 22.4.2016 war der Kläger für etwa 2 ½ Monate bei dem Neurologen und Psychiater T in Behandlung, der zwei AU-Folgebescheinigungen ausstellte. Die in der Verwaltungsakte befindlichen Reproduktionen dieser AU-Bescheinigungen tragen einen Eingangsstempel der "Knappschaft Geschäftsstelle H".
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.4.2016 Krankengeld vom 19.4. bis 30.4.2016. Zugleich stellte sie für die Zeit vom 9.4. bis 18.4.2016 das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld fest, da die Attestierung der Arbeitsunfähigkeit erst am 19.4.2016 angezeigt worden sei. Mit seinem Widerspruch erklärte der Kläger, ihm sei die "Ein-Wochen-Frist" nicht bekannt gewesen. Zudem habe er mit Dr. C vereinbart, dass dieser die AU-Bescheinigungen zeitnah an die Beklagte sende. Insoweit habe er einen verspäteten Zugang nicht zu vertreten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2017 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 10.4.2017 erhobenen Klage hat der Kläger betont, alles in seiner Macht Stehende getan zu haben, um Krankengeld zu erhalten. Es sei so üblich gewesen, dass Dr. C die AU-Bescheinigungen per Freiumschlag direkt an die Beklagte geschickt habe. Ein etwaiges Fehlverhalten des im Lager der Beklagten stehenden Arztes sei dieser zuzurechnen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 27.04.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2017 zu verurteilen, ihm auch für den Zeitraum vom 09.04.2016 bis 18.04.2016 Krankengeld nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erläutert, dass das Ende der 90iger Jahre vor dem Hintergrund des § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) als Service für die Ärzte eingeführte System der Freiumschläge zum Juni 2016 eingestellt worden sei. Eine Regelung, die den Ärzten die - grundsätzlich den Versicherten obliegende - Pflicht zur Übersendung der AU-Bescheinigungen auferlegt habe, habe es nie gegeben. Der Service der Ärzte erfolge weder in ihrem Auftrag noch auf ihre Veranlassung. Auch sei nie vereinbart worden, dass man AU-Bescheinigungen sammeln und gebündelt an sie schicken könne, was in der Praxis aber häufig der Fall gewesen sei. Das Verschulden der Ärzte sei ihr nicht anzulasten. Die unmittelbar von den Ärzten an das Kompetenzcenter Digitalisierung (KCD) übersandten AU-Bescheinigungen erhielten keinen separaten Eingangsstempel, da man sie dort taggenau scanne und die Datei mit einem unabänderlichen digitalen Eingangsstempel versehe. Die streitgegenständliche AU-Bescheinigung sei am 19.04.2016 im KCD gescannt worden und trage die laufende Scannummer 000. Am 19.04.2016 seien viele AU-Bescheinigungen der Praxis Dr. C eingegangen. Anhand der Scan-Nummern sei ersichtlich, dass unmittelbar vor und hinter der AU-Bescheinigung des Klägers AU-Bescheinigungen, die vom 6.4. bis 15.04.2016 ausgestellt worden seien, gescannt worden seien. Dies bedeute, dass Dr. C die AU-Bescheinigungen in diesem Zeitraum gesammelt und zusammen in einem Umschlag an sie gesandt habe. Dem Kläger, der mehrfach über die Meldefrist belehrt worden sei, sei das etwaige Verschulden des Arztes zuzurechnen.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 7.12.2017 antragsgemäß stattgegeben und die Berufung zugelassen. Zwar sei davon auszugehen, dass die AU-Bescheinigung nicht innerhalb der Wochenfrist bei der Beklagten eingegangen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in Fällen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aber dann Ausnahmen vom Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld anerkannt, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und Zumutbare getan habe, um seine Ansprüche zu wahren, er daran durch eine Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert worden sei und der Versicherte zusätzlich seine Rechte spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht habe. Bereits mit Urteil vom 28.10.1981 (3 RK 59/80) habe das BSG festgestellt, dass sich die Krankenkasse dann nicht auf den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen könne, wenn dies auf Umständen beruhe, die in ihren Verantwortungsbereich fielen. Von einer solchen Ausnahmesituation könne hier ausgegangen werden. Die Beklagte habe voradressierte und vorfrankierte Freiumschläge an ihre Vertragsärzte verteilt, damit diese ihr darin AU-Bescheinigungen ihrer Versicherten einreichten. Der Kläger habe glaubhaft geschildert, dass Dr. C die für die Beklagte bestimmte AU-Bescheinigung immer in Freiumschlägen an die Beklagte gesandt habe. Wenn es aber auf dem von ihr eröffneten Versandweg zu einer verspäteten Meldung komme, müsse sich die Beklagte dies zurechnen lassen. Denn dann könne von dem Kläger nicht erwartet werden, sich dem Vorschlag seines behandelnden Arztes zu widersetzen und darauf zu bestehen, die AU-Bescheinigung selber zu versenden. Von dem Versicherten zu verlangen, dass er sich bei der Beklagten nach dem rechtzeitigen Eingang der AU-Bescheinigung erkundige, überspanne die an ihn zu stellenden Obliegenheiten.
Gegen das ihr am 19.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.12.2017 Berufung eingelegt und ihr Vorbringen vertieft. Nach der Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.04.2017 (S 46 KR 997/16 - nicht rechtskräftig) führe das Bereitstellen von Freiumschlägen nicht zu einer Verantwortlichkeit der Krankenkasse für die rechtzeitige Übersendung der AU-Bescheinigung. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die digitale Datei zu der streitgegenständlichen AU-Bescheinigung das Scan-Datum 19.4.2016 trage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 7.12.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Er habe anlässlich der im Januar 2016 begonnen Arbeitsunfähigkeit nicht mit Dr. C über das Versenden der AU-Bescheinigungen an die Beklagte gesprochen. Vielmehr seien ihm - so wie bei den Arbeitsunfähigkeiten in 2014 und 2015 - immer nur die für den Arbeitgeber bestimmten Durchschläge ausgehändigt worden. Wie die von Herrn T ausgestellten AU-Bescheinigungen verschickt worden seien, könne er nicht mehr sagen. Die in 2016 erlassenen Bescheide über die Bewilligung von Krankengeld habe er erhalten, sich aber keine weiteren Gedanken dazu gemacht.
Auf Nachfrage des Senats hat Dr. C am 11.4.2018 erklärt, im ersten Halbjahr 2016 die AU-Bescheinigungen täglich in den von der Beklagten zur Verfügung gestellten Freiumschlägen an diese versandt zu haben. Mit dem Kläger habe er vereinbart, die AU-Bescheinigung vom 8.4.2016 an die Beklagte zu versenden und dies auch getan. Weshalb diese erst am 19.4.2016 eingegangen sein solle, könne er nicht sagen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 27.4.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.3.2017 zu Recht stattgegeben. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat für die Zeit vom 9.4. bis 18.4.2016 Anspruch auf Krankengeld.
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld ergeben sich aus den Regelungen des Zweiten Titels des Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB V (§§ 44 ff. SGB V), die hier in der mit dem 23.07.2015 in Kraft getretenen Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (BGBl. I 2015, 1211-1244; BR-Drs. 641/14) zur Anwendung gelangen. Danach setzt der Anspruch auf Krankengeld zunächst voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ärztlich festgestellt wurde und er weiterhin gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten versichert gewesen ist (vgl. § 44 Abs. 1 SGB V). Dr. C hat am 8.4.2016 Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.4.2016 festgestellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen wäre, liegen nicht vor und wurden von der Beklagten auch nicht behauptet.
Ein Ruhen des Krankengeldanspruches nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist in der Zeit vom 9.4.2016 bis 18.4.2016 nicht eingetreten.
Gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Zwar kann der Kläger den Zugang der AU-Bescheinigung innerhalb einer Woche seit dem 8.4.2016 nicht nachweisen. Auch scheidet eine Wiedereinsetzung in die Wochenfrist aus, weil es sich bei dieser um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 22; Brinkhoff in jurisPK-SGB V, Stand: 23.02.2016, § 49 Rn. 47 m.w.N.; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Erg.-Lfg. 10/14 X/14, K § 49 Rn. 63).
Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat in diesem Zusammenhang (wie auch schon in seinem Urteil vom 2.1.2018 - L 5 KR 265/17, anhängig unter B 3 KR 6/18 R) anschließt, ist es der Beklagten hier jedoch verwehrt, sich auf den Fristablauf zu berufen.
Grundlage dafür ist das in dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wurzelnde Institut der Nachsichtgewährung. Eine Nachsichtgewährung kommt nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 20, 22 m.w.N.) in Betracht, wenn dafür besondere Gründe vorliegen und die vom Gesetzgeber mit der Ausschlussfrist verfolgten Ziele und die dabei zu berücksichtigenden Interessen nicht entgegenstehen. Denn in solchen Fällen kann sich die Berufung des Versicherungsträgers auf die Ausschlussfrist als rechtsmissbräuchlich darstellen (vgl. BSG a.a.O. Rn. 22). Sinn und Zweck des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ist es - ebenso wie des § 46 S. 1 SGB V -, Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung einer Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R Rn. 14 f., 17).
Davon ausgehend hat das BSG (Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 23 ff.) für die Vorgängerregelung zu § 49 Nr. 5 SGB V (§ 216 Abs. 3 RVO) und in nachfolgenden Entscheidungen zu § 49 Nr. 5 SGB V (vgl. etwa BSG, Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R Rn. 15 ff.) zwar entschieden, dass die Meldeobliegenheit - ebenso wie § 46 S. 1 SGB V - stets strikt auszulegen ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 35/14 R m.w.N.) und sich Versicherte bei unterbliebener oder verzögerter Meldung auch nicht auf fehlendes (eigenes) Verschulden (etwa wegen unvorhersehbar langer Postlaufzeiten) berufen können (vgl. Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 23 und Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 Rn. 17 - jeweils m.w.N.).
Daraus, dass das Gesetz die Meldung der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuweist, ergibt sich jedoch nicht, dass der Krankenkasse kein eigener Verantwortungsbereich mehr verbleibt. Vielmehr kann der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unter Umständen dem Ruhen des Krankengeldanspruches entgegenstehen. Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Versicherter die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig "gemeldet" hat, der Zugang der Meldung aber durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 Rn. 24).
Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung bei Versäumung der Meldefrist hat das BSG (Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R Rn. 22) folgendermaßen konkretisiert: Hat der Versicherte alles in seiner Macht stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert und macht er seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf die Fehlentscheidung auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen.
Diese Kriterien entsprechen im Wesentlichen auch den Grundsätzen, die in der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R) zu der gleich gelagerten (s.o.) Bestimmung des § 46 S. 1 SGB V entwickelt worden sind und finden auch auf den hier vorliegenden Fall Anwendung. Danach hat der Kläger im vorliegenden Fall alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, um ab dem 9.4.2016 wieder einen Anspruch auf Krankengeld zu haben.
Hier hat sich der Kläger am 8.4.2016 in die Praxis des Dr. C begeben, wo er weiter bis zum 22.4.2016 arbeitsunfähig geschrieben wurde. Er hat die für seinen Arbeitgeber bestimmte AU-Bescheinigung entgegengenommen und sich über den weiteren Gang der Dinge keine Gedanken gemacht. Obwohl er von der Beklagten in den Bewilligungsbescheiden vom 19.2.2016, 24.2.2016, 24.3.2016 und 7.4.2016 darüber belehrt worden war, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, wenn die erneute Attestierung der Arbeitsunfähigkeit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung gemeldet wird, hat er dies nicht zum Anlass genommen, mit Dr. C (erneut) über den Versand der für die Beklagte bestimmten AU-Bescheinigung zu sprechen. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte gelangt der Senat zu der Auffassung, dass daraus im vorliegenden Einzelfall nicht der Schluss gezogen werden kann, der Kläger habe nicht alles ihm Zumutbare getan, um seinen Anspruch auf Krankengeld sicherzustellen. Denn dem bei Dr. C seit Jahren in Behandlung befindlichen Kläger war anlässlich der Arbeitsunfähigkeiten mit Krankengeldbezug in den Jahren 2014 und 2015 die jahrelange Übung der Knappschaftspraxis C, die AU-Bescheinigungen in Freiumschlägen an die Beklagte zu versenden, gewissermaßen in "in Fleisch und Blut" übergegangen. Da der Kläger in der Vergangenheit mit Dr. C abgesprochen hatte, dass dieser die AU-Bescheinigungen in den Freiumschlägen an die Beklagte versendet, gab es für ihn zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit in 2016 keinen Anlass, anzunehmen, dass sich an der Absprache oder der jahrelangen Praxis des Dr. C etwas geändert hätte. Denn Dr. C schickte die für die Beklagte bestimmten AU-Bescheinigungen auch im ersten Quartal 2016 nach wie vor in Freiumschlägen an die Beklagte. Dies hat Dr. C in seinem Bericht vom 13.4.2018 sowohl generell als auch für die AU-Bescheinigungen des Klägers bestätigt. Daher durfte der Kläger nach seinem Empfängerhorizont trotz der Hinweise der Beklagten auf seine ihm obliegenden Pflichten auch davon ausgehen, dass sein Knappschaftsarzt -so wie zuvor- die AU-Bescheinigung vom 8.4.2018 an die Beklagte übersendet. Er hat auf den von der Beklagten initiierten und ihm über Dr. C angetragenen Versandweg vertraut und vertrauen dürfen. Hier überspannte es die an den Kläger zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn man von ihm verlangte, er hätte sich entgegen der bisher geübten - und zumindest nach seinem Erkenntnishorizont von der Beklagten gebilligten - Praxis eine Kopie der AU-Bescheinigung von Dr. C bzw. dessen Mitarbeitern aushändigen lassen und diese an die Beklagte schicken müssen oder diese anrufen müssen, um nachzufragen ob die Bescheinigung angekommen ist.
Eine (Fehl)Entscheidung der Beklagten, die den Kläger im vorliegenden Fall daran hinderte, seinen Krankengeldanspruch zu wahren, liegt ebenfalls vor. Denn die Praxis der Beklagten, Dr. C Freiumschläge zur Übermittlung von AU-Bescheinigungen an sie zu überlassen, hinderte den Kläger an der Wahrung seines Krankengeldanspruches.
Die Beklagte hat mit der Überlassung der Freiumschläge an Vertrags- bzw. Knappschaftsärzte deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Erfüllung der Meldeobliegenheit für ihre Versicherten erleichtern wollte, indem sie einen kostenfreien Meldeweg über den Vertrags-/Knappschaftsarzt eröffnete. Ist dies der Fall, erscheint es - unabhängig von zivilrechtlichen Zurechnungsregeln - offenbar treuwidrig, sich darauf zu berufen, wenn auf diesem von ihr (ohne Not) eröffneten besonderen Übermittlungsweg ein Fehler passiert, der zur Versäumung der Meldefrist führt.
Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass das Risiko einer fehlenden oder verspäteten Übermittlung einer AU-Bescheinigung (grundsätzlich) den Versicherten zur Last fällt. Der allein maßgebende, eine abweichende Beurteilung rechtfertigende Unterschied liegt darin, dass die Beklagte einen gesonderten Übermittlungsweg für die Versicherten eröffnet hat. Auch wenn dieser nicht verpflichtend war, hat sie damit die Übermittlung und auch das Risiko eines Versagens aus der Sphäre des Versicherten in ihre Sphäre überführt.
Den Einwand der Beklagten, die Übersendung der Bescheinigungen für die Versicherten stelle in dem vorliegenden Zusammenhang eine reine Serviceleistung der Ärzte dar, die weder im Auftrag noch auf Veranlassung der Beklagten erfolge, sondern von den Ärzten eigenverantwortlich angeboten und durchgeführt werde, ist kaum noch nachvollziehbar. Es stellt schlichtweg ein gröblich widersprüchliches Verhalten dar, durch die Überlassung von Freiumschlägen einen gesonderten - und damit offenbar gewünschten - Übermittlungsweg zu eröffnen, gleichzeitig aber zu behaupten, dies nicht veranlasst zu haben, wenn dieser Übermittlungsweg dann beschritten wird. Von einer ärztlichen Serviceleistung könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn Dr. C die Übersendung der AU-Bescheinigung eigenständig initiiert und auf eigene Kosten übernommen hätte. So verhält es sich hier jedoch unstreitig gerade nicht.
Ob in der Überlassung der Freiumschläge ein Auftrag im zivilrechtlichen Sinne zu sehen oder Dr. C als Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe tätig geworden sein könnte, bedarf keiner Erörterung. Auch um die Zurechnung eines (etwaigen) vertragsärztlichen Fehlverhaltens geht es nicht. Es kommt allein darauf an, dass die Beklagte selbst rein tatsächlich eine Ursache gesetzt hat, die eine Berufung auf die Versäumung der Meldefrist treuwidrig erscheinen lässt.
Klarstellend ist mit Blick auf das Urteil des BSG vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R, wonach ein vertragsärztliches Fehlverhalten nicht ohne weiteres der Krankenkasse zugerechnet werden kann, darauf hinzuweisen, dass es sich dort um ein von der Krankenkasse nicht veranlasstes vertragsärztliches Fehlverhalten handelte. Auf (möglicherweise) parallel bestehende, unsichere Regressansprüche gegen Vertragsärzte müssen sich Versicherte - und damit hier der Kläger - grundsätzlich nicht verweisen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R).
Auf die Frage, ob der Kläger die Meldung ohne schuldhaftes Zögern innerhalb der Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nachgeholt hat, kommt es nicht an, da der Beklagten bei Erteilung des Bescheids vom 27.4.2016 die AU-Bescheinigung vom 8.4.2016 bereits vorlag.
Da sich die Beklagte nicht auf den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen kann, kann der Senat die Frage, ob die Beklagte den Ruhenszeitraum richtig berechnet hat, dahin stehen lassen. Fraglich ist im vorliegenden Fall schon, wann die AU-Bescheinigung vom 8.4.2016 gescannt wurde, da eine dem Senat vorliegende Reproduktion kein Scan-Datum trägt und auf der anderen handschriftlich das Datum "19.4.2018" vermerkt ist. Auch wenn viel dafür spricht, dass es sich dabei um ein Versehen handelt und die elektronische Datei zu der AU-Bescheinigung das Scan-Datum 19.4.2016 trägt, weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte über das in der elektronischen Akte gespeicherte und nach ihren Angaben unabänderliche Scan-Datum grundsätzlich allenfalls nachweisen kann, wann eine AU-Bescheinigung gescannt worden ist. Dies belegt aber nicht zwingend, dass die AU-Bescheinigung auch am gleichen Tag bei ihr eingegangen ist. Denn bei dem maschinellen Scannen steht zum einen nicht die Frage des Eingangs der Bescheinigung, sondern die Digitalisierung des Originals im Focus. Diese wird zum anderen durch einen Scanner vorgenommen; eine Maschine, die zur Prüfung des Eingangsdatums der AU-Bescheinigung gar nicht in der Lage ist. Schließlich erfolgt das Scannen nicht unmittelbar nach dem Eingang. Vielmehr sind dem Scannen nach dem von der Beklagten geschilderten üblichen Geschehensablauf noch das maschinelle Sortieren der Post, das händische "bevorzugte" Aussortieren sowie das Stapeln der AU-Bescheinigungen zur Vorbereitung des Scan-Vorgangs vorgelagert. Somit fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Eingang und dem Scannen der AU-Bescheinigungen, der zu bejahen wäre, wenn man unmittelbar nach dem Öffnen der Post einen Eingangsstempel anbrächte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 S. 1, 183 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen; § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
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