L 11 KA 81/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 586/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 81/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Abrechnungsbescheid der Beklagten für das Quartal I/2011 betreffend die vom Beigeladenen erbrachten vertragsärztlichen Leistungen (auch) gegenüber dem Kläger bestandskräftig geworden ist.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beigeladenen, der im streitgegenständlichen Zeitraum in H zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. Das Amtsgericht (AG) N eröffnete mit Beschluss vom 17.11.2010 vorläufig und mit Beschluss vom 01.03.2011 endgültig das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen.

Der Kläger berichtete dem Insolvenzgericht fortlaufend davon, dass die Beklagte an den insolventen Beigeladenen trotz dessen weiterhin ausgeübter vertragsärztlicher Tätigkeit kein Honorar auskehre. Stattdessen rechne sie mit Gegenforderungen aus einer in der Vergangenheit erfolgten Doppelabrechnung und einer unberechtigten Abschlagzahlung auf. Über die Zulässigkeit dieses Handelns während des laufenden Insolvenzverfahrens streite er mit der Beklagten. Er gehe jedoch davon aus, dass die Beklagte auch künftig, wie bereits bisher, gegen die Honoraransprüche des Beigeladenen aufrechnen werde (Sachstandsberichte vom 25.01. und 04.05.2011 sowie "Sachverständigengutachten" vom 28.02.2011).

Im Mai 2011 übersandte die Beklagte an das Büro des Klägers in E unter Bezugnahme auf das laufende Insolvenzverfahren den an den Beigeladenen adressierten Honorarbescheid für das Quartal IV/2010 (Schreiben vom 09.05.2011). Das Begleitschreiben der Beklagten vom 09.05.2011 war an die "Rechtsanwälte und Steuerberater N & G, zHd. Herrn T, H-straße 00, E" gerichtet. Darin heißt es unter anderem: "Den zunächst dem Insolvenzschuldner übermittelten Abrechnungsbescheid erlauben wir uns, auch Ihnen gegenüber als Anlage zu diesem Schreiben bekanntzugeben. Vor diesem Hintergrund bleibt es jedenfalls in 4. Quartal 2010 bei der sich aus dem vorliegenden Bescheid ergebenden Verrechnung. Da es sich bei dem Abrechnungsbescheid um einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid handelt, ist der Erlass eines gesonderten Aufrechnungsbescheides entbehrlich." Der Kläger legte hiergegen bei der Beklagten mit Schreiben vom 18.05.2011 fristgerecht Widerspruch ein (" ... in der vorbezeichneten Angelegenheit lege ich unter Vorlage des Insolvenzeröffnungsbeschlusses vom 01.03.2011 gegen den Abrechnungsbescheid vom 26.04.2011 - mir zugegangen am 11.05.2011 - vollumfänglich Widerspruch ein").

Die Beklagte rechnete das Quartal I/2011 Ende Juli 2011 gegenüber dem Beigeladenen ab (Bescheid vom 26.07.2011). Der Bescheid endete mit einem Honoraranspruch i.H.v. 35.821,53 EUR, gegen den die Beklagte erneut in voller Höhe aufrechnete. Diese Aufrechnung ergab sich - wie bereits in den Vorquartalen - daraus, dass die Beklagte von dem vom Beigeladenen verdienten Honorar nicht nur Verwaltungskosten und ähnliche Positionen in Abzug brachte, sondern unter dem Abrechnungspunkt "Saldovortrag" auch den nach der Aufrechnung im Abrechnungsbescheid IV/2010 verbliebenen Rückforderungsanspruch.

Mit Schreiben vom 26.07.2011 übersandte die Beklagte diesen Bescheid erneut an die Kanzlei des Klägers in E. Adressiert war das Schreiben dieses Mal jedoch nicht "zHd. Herrn T", sondern an "Herrn Rechtsanwalt Dr. G", d.h. an den Insolvenzverwalter, jedoch ohne Nennung dieser Funktion. Im Begleitschreiben heißt es unter anderem: " anbei übersenden wir Ihnen die Abrechnungsunterlagen des Quartals 1/2011 der Praxis Dr. med. C". Der Betreff des Schreibens lautete: "Abrechnungsunterlagen des Herrn Dr. C, H BSNR 000".

Hiergegen legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 09.11.2011 bat er stattdessen die Beklagte, ihm den bereits Ende Juli übersandten Abrechnungsbescheid für das Quartal I/2011 (förmlich) bekannt zu geben. Weiter heißt es in seinem Schreiben: "Soweit die mitgeteilte Auffassung zur Aufrechnung weiterhin vertreten wird, bitte ich zudem um zeitnahe Erteilung eines entsprechenden Aufrechnungsbescheids, damit dieser auf dem Rechtsweg angegriffen werden kann".

Die Beklagte informierte den Kläger darüber, dass die Bekanntgabe bereits mit Schreiben vom 26.07.2011 erfolgt sei (Schreiben vom 15.11.2011). Darüber hinaus müsse kein weiterer Aufrechnungsbescheid erteilt werden. Der Bescheid sei bereits bestandskräftig. Der Kläger zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 24.04.2012 an, dass ihm eine Rückäußerung auf sein Schreiben vom 09.11.2011 bisher nicht vorliege und es damit an einer Bekanntgabe des Abrechnungsbescheides für das Quartal I/2011 weiterhin fehle. Die Beklagte übersandte erneut ihre Schreiben vom 26.07. und 15.11.2011 und zweifelte eine ausreichende Büroorganisation des Klägers an (E-Mail vom 25.04.2012).

Am 07.05.2012 erhob der Kläger gegen den Abrechnungsbescheid für das Quartal I/2011 Widerspruch und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, der Abrechnungsbescheid für das Quartal I/2011 sei bisher förmlich nicht bekannt gegeben gewesen. Er habe zwar das Schreiben der Beklagten vom 26.07. am 28.07.2011 erhalten, dieses sei aber an ihn persönlich und nicht an ihn als Insolvenzverwalter gerichtet gewesen. Der dem Schreiben anliegende Abrechnungsbescheid sei wiederum an den Beigeladenen und nicht an ihn adressiert worden. Diese Form der Übermittlung bringe nicht zum Ausdruck, dass man ihm als Insolvenzverwalter die Honorarabrechnung und Aufrechnung habe bekannt geben wollen. Er habe angenommen, den Abrechnungsbescheid nur zur Kenntnis erhalten zu haben. Darüber hinaus sei die Aufrechnung gemäß den §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 130 Abs. 1 Nr. 2 und 140 Abs. 3 Insolvenzordnung (InsO) unwirksam (Schreiben vom 30.07.2012). Die Beklagte habe im Augenblick der Aufrechnung Kenntnis vom Insolvenzverfahren gehabt. Die Aufrechnungslage für das Honorar des Quartals I/2011 sei nach dem Antrag auf Insolvenzeröffnung entstanden und daher anfechtbar.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand ab und wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012). Gegen den Bescheid vom 26.07.2011 habe der Kläger erst am 07.05.2012 Widerspruch eingelegt. Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigten, habe er nicht dargelegt.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und die Ansicht vertreten, der streitgegenständliche Bescheid sei nicht wirksam bekannt gegeben worden. Zumindest dem Wiedereinsetzungsantrag sei stattzugeben gewesen. Er habe das Schreiben der Beklagten vom 15.11.2011 nicht erhalten, so dass die Antragsfrist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erst mit Zugang der E-Mail samt Anlagen vom 25.04.2012 zu laufen begonnen habe. Inhaltlich stünden zwei Drittel der erwirtschafteten Honorare der Insolvenzmasse zu, weil der Geschäftsbetrieb, die Vertragsarztpraxis, erst zum 01.03.2011 aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben worden sei, d.h. nach zwei von drei Monaten des Quartals.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. den "Quartalskonto/Abrechnungsbescheid" der Beklagten vom 26.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2012 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Honorarbescheid für das Abrechnungsquartal I/2011 zu erteilen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage anzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Abrechnungsbescheid sei gegenüber dem Kläger ordnungsgemäß bekannt gegeben worden und damit wirksam. So habe der Kläger die von ihr gewählte Form der Bekanntmachung, Übersendung des an den Beigeladenen adressierten Bescheides mit Begleitschreiben, beim Abrechnungsbescheid für das Quartal IV/2010 gegen sich gelten lassen. Er habe gegen den ihm auf diese Weise bekannt gegebenen Honorarbescheid für das Quartal IV/2010 mit Schreiben vom 18.05.2011 Widerspruch eingelegt. Daher könne der Kläger eine wirksame Bekanntgabe des Abrechnungsbescheides für das Quartal I/2011, die auf die gleiche Weise erfolgt sei, nicht bestreiten. Im Übrigen fehle dem Kläger die Aktivlegitimation. Streitgegenstand sei kein zur Insolvenzmasse zählender Anspruch. Der Kläger habe den Geschäftsbetrieb, die Vertragsarztpraxis, zum 01.03.2011 aus der Insolvenz freigegeben. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht gegeben. Der Kläger habe die hierfür geltenden Fristen nicht gewahrt.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.08.2015). Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle es an der Prozessführungsbefugnis bzw. Aktivlegitimation. Die Aktivlegitimation folge aus der materiellen Berechtigung. Zwar habe das Insolvenzgericht am 01.03.2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen eröffnet; allerdings habe es zugleich den Geschäftsbetrieb aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Mithin könnten allein Forderungen aus Behandlungsleistungen des Beigeladenen in den Monaten Januar und Februar 2011 der Insolvenzmasse unterfallen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass auch diese Leistungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) frühestens dadurch zu einem "generellen" Anspruch auf Teilhabe an der Honorarverteilung geführt hätten, dass der Beigeladene alle Leistungen des ersten Quartals 2011 gegenüber der Beklagten abgerechnet hat. Danach hätten sämtliche auf Behandlungsleistungen des Beigeladenen im Quartal I/2011 beruhenden Honorarforderungen erst ab dem 01.04.2011 Anspruchsqualität erlangt.

Das Urteil ist dem Kläger am 07.10.2015 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 06.11.2015 Berufung eingelegt und vorgetragen: Zu Unrecht gehe das Sozialgericht davon aus, dass die Klage unzulässig sei. Das sei schon deshalb falsch, weil eine mangelnde Aktivlegitimation niemals zur Unzulässigkeit der Klage führe, sondern allenfalls zu deren Unbegründetheit. Rechtsfehlerhaft sei auch die Prämisse, dass die hier in Rede stehenden Honoraransprüche aus dem 1. Quartal des Jahres 2011 erst im Zeitpunkt der Abgabe der Abrechnungsunterlagen zu einem konkreten Honoraranspruch erwachsen seien. Selbst wenn man insoweit dem BSG folge, so müsse man die Reichweite der von ihm mit Schreiben vom 02.03.2011 ausgesprochenen Freigabeerklärung beachten. Sie schränke die Freigabe wie folgt ein: "Ich weise klarstellend darauf hin, dass insbesondere folgende Vermögenswerte von dieser Freigabe nicht erfasst sind:

- ... ,

- die bei Insolvenzeröffnung (01.03.2011) bestehenden Forderungen gegen Dritte, insbesondere gegen die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein sowie aus der Behandlung von Privatpatienten und der Erstellung von Gutachten,

- die aus bis zur Insolvenzeröffnung aus entsprechenden Behandlungsleistungen und sonstigen Leistungen erwirtschafteten Forderungen und halbfertigen Leistungen (auch soweit diese erst später fällig werden),

- ...".

Aus dem Text zum zweiten und dritten Spiegelstrich gehe klar und unmissverständlich hervor, dass von der Freigabe gerade jene ärztlichen Honorarforderungen ausgenommen seien, die der Beigeladene bis zur Insolvenzeröffnung am 01.03.2011 durch seine fachärztlichen Leistungen erarbeitet habe. Richtig wäre es jedoch, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu folgen. Danach entstehe ein Honoraranspruch dem Grunde nach bereits dann, wenn der Vertragsarzt vergütungsfähige Leistungen erbringe, auch wenn der Anspruch erst mit dem Abrechnungsbescheid der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) fällig werde. Die dem entgegenstehende Auffassung des SG führe zu inkonsistenten Ergebnissen. Zur Erzielung der streitigen Honoraransprüche benötigte Betriebsausgaben fielen der (vorläufigen) Insolvenzmasse zur Last, während die im Laufe der vorläufig eröffneten Insolvenz vertragsärztlich erarbeiteten Honoraransprüche nach Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit in das massefreie Vermögen des Gemeinschuldners fielen. Würde dennoch der Rechtsprechung des BSG zum Zeitpunkt des Entstehens des Honoraranspruchs von Vertragsärzten gefolgt, so wäre die Freigabeerklärung vom 02.03.2011 insolvenzzweckwidrig und daher unwirksam.

Der Kläger beantragt

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.2015 den "Quartalskonto-/Abrechnungsbescheid" der Beklagten vom 26.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.10.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.08.2015 zurückzuweisen.

Das SG habe die Klage zu Recht abgewiesen. Der Widerspruch des Klägers gegen den Abrechnungsbescheid betreffend das Quartal I/2011 sei verfristet. Der Bescheid sei dem Kläger am 28.07.2011 zugegangen. Er sei zwar an den Beigeladenen adressiert, das Begleitschreiben vom 26.07.2011 sei jedoch an "Rechtsanwälte und Steuerberater N und G, Herrn Rechtsanwalt Dr. G" übersandt und diesen damit wirksam bekannt gegeben worden. Das Schreiben und der Bescheid bezögen sich offenkundig auf das Insolvenzverfahren. Dem Kläger sei bereits der Abrechnungsbescheid für das Quartal IV/2010 auf die gleiche Weise bekannt gegeben worden. Er habe dies "geduldet" und gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV 2010 auch Widerspruch eingelegt.

Der Beigeladene teilt die Auffassung des Klägers, dass die von ihm als Vertragsarzt im Januar und Februar erwirtschafteten "Umsätze" zur Insolvenzmasse gehören. Einen eigenen Antrag stellt er nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten des SG Düsseldorf - S 2 KA 39/08 - und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der "Quartalskonto-/Abrechnungsbescheid" der Beklagten vom 26.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 10.10.2012 beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/2011 als verfristet zurückgewiesen.

I.

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden; auch der Beschwerdegegenstand von mehr als 750,00 EUR wird erreicht (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

II. Die Berufung ist indes unbegründet.

1. Die vom Kläger erhobene und mit der Berufung (allein) weiterverfolgte Anfechtungsklage betreffend den Honorarbescheid I/2011 ist allerdings zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht die notwendige Prozessführungsbefugnis (zum Begriff: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 54 Rn. 11; § 69 Rn. 4). Die prozessuale Berechtigung, einen Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen, ist zu unterscheiden von der vom SG verneinten Aktivlegitimation, die nicht Prozessvoraussetzung ist, sondern im Rahmen der Begründetheit geprüft werden muss. Wegen fehlender Prozessführungsbefugnis ist die Klage nur dann unzulässig, wenn der Kläger ein Recht geltend macht, das nach seinem eigenen Vorbringen einem anderen zusteht und kein Fall einer zulässigen Prozessstandschaft vorliegt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 54 Rn. 11a, b und 15 sowie § 69 Rn. 4a). Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger behauptet, er sei als Insolvenzverwalter Inhaber des strittigen Honoraranspruchs für die Monate Januar und Februar 2011. Ob dies tatsächlich der Fall ist, betrifft die Aktivlegitimation und damit der Begründetheit der Klage.

2. Die Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid vom 26.07.2011 zu Recht als verfristet zurückgewiesen (dazu a)) und Wiedereinsetzungsgründe verneint (dazu b); Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012).

a) Der Widerspruch des Klägers vom 07.05.2012 gegen den ihm am 28.07.2011 zugestellten Honorarbescheid betreffend das Quartal I/2011 war verfristet.

aa) Nach § 39 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Dies setzt eine zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsaktes durch die Behörde an den Empfänger voraus (Mutschler in KassKomm, SGB X, 98. Ergänzungslieferung, März 2018, § 37 Rn. 4; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, 2014, § 37 Rn. 3). Für willentliche Kenntnisverschaffung eines Bescheides gegenüber einem Insolvenzverwalter genügt es, dass der Bescheid an den Schuldner - hier den Beigeladenen - adressiert ist und dem Insolvenzverwalter übersandt wird sowie ihm tatsächlich zugeht (BSG, Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 18/15 R - und Urteil vom 10.02.2003 - B 5 RJ 18/03 R -). Das war vorliegend am 28.07.2011 der Fall. Dass die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal I/2011 gerade dem Kläger bekannt geben wollte (vgl. zur zielgerichteten Mitteilung der Behörde an den Adressaten: Mutschler a.a.O., § 37 Rn. 4), ergibt sich aus dem an diesen adressierten Begleitschreiben ("Herrn Rechtsanwalt Dr. G").

Zu Unrecht ist der Kläger davon ausgegangen, durch die Übersendung des Honorarbescheides sei ihm dieser nicht (wirksam) bekannt gegeben worden, sondern nur "zur Kenntnis" gebracht worden (" anbei übersenden wir Ihnen die Abrechnungsunterlagen des Quartals 1/2011 der Praxis Dr. med. C"). Das genügt für die Bekanntgabe, wobei es nicht (einmal) darauf ankommt, ob der Kläger den Bescheid tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2014 - B 14 AS 46/13 R - und 04.09.2013 - B 10 EG 7/12 R -; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, 2017; § 37 Rn. 6; Mutschler, a.a.O., § 37 Rn. 6).

Soweit der Kläger einwendet, das Begleitschreiben zum Honorarbescheid I/2011 sei nicht ausdrücklich an ihn in seiner Funktion als Insolvenzverwalter gerichtet, folgt daraus nichts anderes. Der Klägerbevollmächtigte hat hierzu im Termin angehört mitgeteilt, dass der Kläger den Beigeladenen ausschließlich als vom AG N eingesetzter Insolvenzverwalter betreut habe, nicht aber als Anwalt. Daraus folgt, dass er das Begleitschreiben der Beklagten vom 26.07.2011, gerichtet an die "Rechtsanwälte & Steuerberater N & G, Herrn Rechtsanwalt Dr. G, H-straße 00, E" aus objektiver Sicht nur als an ihn in seiner Funktion als Insolvenzverwalter gerichtetes Schreiben verstehen konnte. Subjektiv hat er dies auch getan, denn das Schreiben wurde vom Kläger zutreffend der Insolvenzakte zugeordnet. Im Übrigen hatte die Beklagte den vorangegangenen Honorarbescheid betreffend das Quartal IV/2010 ebenfalls an den Beigeladenen gerichtet und "lediglich" in Kopie mittels Begleitschreiben an die Praxis ("Rechtsanwälte und Steuerberater N & G") gesandt, dabei aber nicht einmal unmittelbar an den Kläger - Dr. G -, sondern "zu Händen Herrn T", d.h. an einen seiner Mitarbeiter. Dennoch hat der Kläger den derart übersandten Bescheid - zutreffend - als ihm in seiner Funktion als Insolvenzverwalter gegenüber bekannt gegeben erkannt und hiergegen fristgerecht Widerspruch eingelegt. Aufgrund dieser Vorkenntnis war es für den Kläger zur Überzeugung des Senats ohne weiteres erkennbar, dass ihm auch der Bescheid betreffend das Quartal I/2011 mittels Begleitschreiben vom 26.07.2011 bekannt gegeben werden sollte.

An der Wirksamkeit der Bekanntgabe ändert auch nichts der Vortrag des Klägers, der Bescheid und die darin enthaltene Aufrechnung der Beklagten gegen die Honorarforderung des Beigeladenen habe sich im "Anlagenkonvolut" zum Begleitschreiben vom 26.07.2011 "versteckt". Denn zum einen war ihm dieses "Verstecken" bereits aus der Übersendung des vorangegangenen Honorarbescheides für das Quartal IV/2010 bekannt. Zum anderen hatte er genau hiervon durch mehrere Gespräche mit der Klägerin über dieses Streitthema genaue Kenntnisse, worüber er mehrfach das Insolvenzgericht informierte und ausdrücklich darauf hinwies, dass auch für das vorliegend strittige Quartal mit einer Aufrechnung im Honorarbescheid durch die Beklagte zu rechnen sei. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt der Übersendung des Honorarbescheides für das Quartal I/2011 Ende Juli ebenfalls nicht überraschend, sondern zu erwarten war. Schließlich handelte es sich bei dem Honorarbescheid für das Quartal I/2011 um einen "ganz normalen" vertragsärztlichen Honorarbescheid der Beklagten, dessen Umfang und Komplexität sich aus der Natur der Sache, insbesondere aus den zu beachtenden Abrechnungsregelungen ergaben. "Versteckt" wurde von der Beklagten nichts.

bb) Aus dem vom Kläger mehrfach angeführten Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 15.03.1994 - XI R 45/93 - folgt nichts anderes. Darin vertrat der BFH die Auffassung, dass ein an die dortige Gemeinschuldnerin gerichteter und an den Konkursverwalter nur namentlich und nicht in seiner Funktion als Konkursverwalter übersandter Steuerbescheid dem Konkursverwalter gegenüber nicht wirksam bekannt gegeben worden ist. Dieser Fall unterscheidet sich indes wesentlich von der vorliegenden Fallgestaltung. Zunächst einmal ist das Urteil des BFH noch zu der zum 31.12.1998 außer Kraft getretenen Konkursordnung und nicht zu der seit dem 01.01.1994 geltenden Insolvenzordnung ergangen. Im vorliegenden Fall wusste der Kläger zudem - anders als der Konkursverwalter in der Entscheidung des BFH - aus vorangegangenem Handeln der Beklagten (der Bekanntgabe des Honorarbescheides IV/2010), wie die Beklagte ihm als Insolvenzverwalter gegenüber die an den beigeladenen Insolvenzschuldner gerichteten Bescheide bekannt gibt. Dies hat er (konkludent) akzeptiert und gegen den Bescheid betreffend das Quartal IV/2010 fristgerecht Widerspruch eingelegt. Dass er dasselbe, von ihm ausweislich seiner Schreiben an das Insolvenzgericht erwartete Vorgehen der Beklagten beim nachfolgenden Bescheid nicht mehr gegen sich gelten lassen will, verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (zu dem im Sozialrecht allgemein geltenden Grundsatz des venire contra factum proprium: BSG, Urteil vom 10.05.2017 - B 6 KA 9/16 R - und 08.02.2006 - B 6 KA 12/05 R - m.w.N.; Senat, Urteil vom 22.10.2014 - L 11 KA 19/13 - und Beschluss vom 30.03.2015 - L 11 KA 94/14 B ER -). Den vorstehenden Überlegungen folgend hat auch das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 25.05.2016 - 1 K 171/14 - auf den objektiven Empfängerhorizont abgestellt und sich so vom Urteil des BFH vom 15.03.1994 - XI R 45/93 - abgegrenzt. Es hat für den von ihm entschiedenen Fall eines nicht an den Insolvenzverwalter gerichteten Bescheides aus den Gesamtumständen der Bekanntgabe keine Zweifel daran gehabt, dass der Adressat in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners angesprochen ist. Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall gelten, in dem der an den Beigeladenen adressierte Honorarbescheid für das Quartal I/2011 an den Kläger ("Rechtsanwalt Dr. G") übersandt wurde, nachdem diesem der vorangegangene Honorarbescheid bereits auf dieselbe Weise bekanntgeben worden war.

cc) Gegen den ihm am 28.07.2011 bekannt gegebenen Honorarbescheid hat der Kläger nicht binnen der gesetzlichen Monatsfrist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG) Widerspruch eingelegt. Vielmehr war die nur bis zum 28.08.2011 laufende Widerspruchsfrist bei Einlegung des Widerspruchs im Mai 2012 bereits über acht Monate abgelaufen.

dd) Für den Kläger galt die Monatsfrist und nicht etwa die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der an den Beigeladenen adressierte und dem Kläger gegenüber bekannt gegebene Honorarbescheid betreffend das Quartal I/2011 war mit derselben Rechtsmittelbelehrung versehen wie der zuvor ergangene Bescheid für das Quartal IV/2010. Diese befindet sich auf der ersten Seite des Bescheides am unteren Ende und lautet: "Gegen diesen Abrechnungsbescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Zugang schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle Widerspruch einlegen bei der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Bezirksstelle 40474 Düsseldorf, Terstegenstraße 9". Er umfasst damit die nach § 66 Abs. 1 SGG erforderlichen Informationen (den zulässigen Rechtsbehelf, die zuständige Verwaltungsstelle, die einzuhaltende Frist sowie die zu beachtende (Schrift-) Form). Die Reaktion des Klägers auf den in Bezug auf die Rechtsmittelbelehrung inhaltsgleichen Honorarbescheid IV/2010, zeigt, dass er die Rechtsmittelbelehrung erkannt sowie verstanden hat. Gegen den Honorarbescheid IV/2010 hat er fristgerecht Widerspruch eingelegt.

b) Die Beklagte hat zurecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Widerspruchsfrist abgelehnt (§ 67 SGG). Wiedereinsetzungsgründe trägt der Kläger nicht vor, sie sind auch nicht gegeben. Der Kläger war - wie dargelegt - nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ihm war der Honorarbescheid betreffend das Quartal I/2011 am 28.07.2011 bekannt gegeben worden. Darin wurde er über sein Recht, Widerspruch einzulegen, zutreffend und vollständig informiert. Er hat hiervon nach eigenem Vorbringen wegen einer (falschen) rechtlichen Wertung keinen Gebrauch gemacht. Der Kläger ging davon aus, dass der ihm von der Beklagten übersandte Honorarbescheid nicht "förmlich" "bekannt gegeben" worden sei, sondern nur "zur Kenntnis" übersandt. Dass dies für die (förmliche) Bekanntgabe ausreicht, hat der Kläger selbstverschuldet verkannt.

3. Der Klage bleibt danach der Erfolg versagt. Auf die zwischen den Beteiligten insbesondere strittige Frage nach der Zulässigkeit der Aufrechnung der Beklagten gegen den Honoraranspruch des Beigeladenen für das Quartal I/2011 kommt es danach nicht (mehr) an. Ebenfalls offenbleiben kann, ob die Aufrechnung der Beklagten durch den Honorarbescheid erfolgte, also im Verfügungssatz, und somit bestandskräftig geworden ist, oder nur im Bescheid, so dass es an einer entsprechenden Bestandskraft fehlt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. den §§ 154 Abs. 1, 2 und 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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